ELFTES KAPITEL
Mit der Morgenpost des nächsten Tages trafen zwei Schecks ein. Der für mich lautete auf zehntausend und der für W. Lau ausgeschriebene auf achttausend Dollar. Willi fand, das müsse gefeiert werden, und ich hielt es für eine ausgezeichnete Idee. Sie wollte ein von eigener Hand zubereitetes Abendessen bei Kerzenlicht veranstalten. Ich war mir nicht so sicher, ob ich diese Idee so hervorragend fand, aber Willi schien entschlossen zu sein. Gegen fünf Uhr nachmittags schob sie mich aus dem Haus und befahl mir, nicht vor acht Uhr zurückzukehren. Ich kaufte mir eine Abendzeitung, parkte den Wagen am Wilshire Boulevard und strebte der nächsten Bar zu.
Als ich Seite drei der Zeitung aufschlug, blickte mir Chloe Benton mit nachdenklichem Blick entgegen. Die Überschrift lautete: Liebespaar begeht Selbstmord in verlassenem Motel. — Ich trank mit einem Schluck meinen Bourbon aus, bestellte einen neuen und wandte mich den Details zu. Die Polizei, benachrichtigt durch einen anonymen Telefonanruf, hatte ein verlassenes Motel fünfundsiebzig Kilometer nördlich von Los Angeles aufgesucht und dort die Leichen eines Mannes und einer Frau in einer der Kabinen gefunden. Der Mann konnte nicht identifiziert werden, Alter um fünfunddreißig, und dann folgte eine Beschreibung Mike Carys. Die Frau war Chloe Benton, sechsundzwanzig Jahre alt, eine Privatsekretärin, die in Beverly Hills gewohnt hatte. Vermutlich hatten die Public-Relations-Leute des Studios dafür gesorgt, daß Leola Smith’ Name weggelassen wurde. Die beiden Leichen waren nackt in einem Bett in der Kabine gefunden worden, und die Polizei glaubte, daß der Mann erst das Mädchen mit ihrer Einwilligung erschossen und dann die Waffe gegen sich selber gerichtet hatte. Und damit hatte sich der Fall.
Ich saß ein paar Minuten lang wie betäubt da und überlegte dann, daß Emmanuels Freunde — die er ohne Zweifel angerufen hatte, bevor wir am Abend zuvor Leola Smith’ Haus verließen — ganze Arbeit geleistet hatten. Perfekte Arbeit! Einen gespenstischen Augenblick lang überlegte ich, wie nahe wohl Walsh und Lennie bei Tolver liegen mochten, dort im Lehmboden der Scheune. Dann verbannte ich diesen Gedanken möglichst schnell, denn das war etwas, woran ein Mensch, der sich als Wirtschaftsberater bezeichnet — und zudem über die Lizenz eines Privatdetektivs verfügt — , nicht denken sollte.
Es war fünf nach acht, als Willi mich an der Tür meines eigenen Hauses begrüßte. Sie trug ein prachtvolles und täuschend einfaches, kurzes schwarzes Kleid, dem ihre Superstruktur volle Unterstützung angedeihen ließ. Das Kerzenlicht war weich und intim; die Vichy-Sauce war angemessen gekühlt worden, bevor Willi die Büchse geöffnet hatte, und Wildhuhn aus Cornwall — in der ich eine Fertiggerichtspezialität meines zweitliebsten Restaurants wiedererkannte — war eine kulinarische Meisterleistung des Wiederaufwärmens. Ich öffnete eben eine zweite Flasche Wein, während sie das Geschirr wegräumte, füllte erneut die Gläser und lehnte mich erwartungsvoll in meinen Stuhl zurück.
»Dessert?« rief ich in fragendem Ton.
»Kommt gleich«, rief sie zurück. »Es ist eine sehr kostspielige Sache, muß au naturel serviert werden, ein bißchen garniert.«
Also Eiscreme mit Karamelsauce, dachte ich finster. Dann, ein paar Minuten später, kam das Dessert in das weiche Kerzenlicht hereingewirbelt, und der plötzliche Glanz blendete meine Augen. Als ich es wagte, sie wieder zu öffnen, stockte mir der Atem, und ich starrte auf die prachtvolle Harmonie sich bewegender Glieder und wippender Rundungen, während der paillettenbesetzte Strumpfhalter im Schein der Kerzen glitzernde Reflexe warf. Dann überwältigte mich mein schlechtes Gewissen. Willi hatte die ganze Arbeit geleistet, und ich hatte nur dabeigesessen und ihr zugesehen. Ich fand, daß ich, als der Tanz zu einem leicht bebenden Ende kam, nun zumindest das letzte Geschirr wegräumen konnte. Ich packte sie und trug sie ins Schlafzimmer.
»Das war als Dessert gedacht und nicht als Mahlzeit mit fünf Gängen«, sagte sie lange Zeit später entrüstet und kicherte.
Ich knipste die Nachttischlampe an und war fasziniert durch das Licht- und Schattenmuster, das sie auf Willis prachtvollen nackten Körper warf. Sie schnurrte leise wie eine Katze und fuhr mit der Hand über meine Brust. »Moment mal«, sagte ich und warf mich auf den Bauch. »Kratz mich am Rücken, dort juckt es mich.« Ich schloß in dankbarer Ekstase die Augen, bis sie plötzlich zu reiben auf hörte.
»Rick, Darling?«
»Was?« brummte ich.
»Ich habe dir gleich gesagt, es war nur als Dessert gedacht, aber du hast dich wie ein Wolf darüber hergemacht.« Sie kicherte erneut. »Es ist deine eigene Schuld!«
»Was, zum Teufel, quatschst du da?« knurrte ich.
»Dein ganzer Rücken ist voll davon.« Die Idiotin brach plötzlich in schallendes Gelächter aus. »Morgen früh wirst du sie am ganzen Körper haben!«
»Du bist übergeschnappt!«
Ich drehte mich wieder um und setzte mich gereizt auf. Das Lampenlicht fiel hell auf meinen bloßen Arm und erfüllte mich mit Entsetzen. In der vagen Hoffnung, es handle sich um eine optische Täuschung, blickte ich genauer hin, aber es stimmte — eine Reihe kleiner weißer Bläschen erstreckte sich über die gesamte Länge meines Arms!
ENDE