34. Kapitel

»Woher ist dieser Nebel gekommen?« Morgan trat aus dem brennenden Haus. Die Ritter und auch die Inquisitoren folgten ihm. Der gesamte Block wurde von einem so dichten Nebel verhüllt, dass er nicht einmal die Hand vor seinem Gesicht erkennen konnte. Jackson dagegen sah ganz ausgezeichnet, aber was er sah, gefiel ihm gar nicht.

»Ich glaube, wir haben größere Probleme als das Wetter.« Seine Klingen glitten aus ihrem Scheiden. Durch den Nebel bewegten sich Schatten. Er wusste zwar nicht, um welche Kreaturen es sich handelte, doch ihm war klar, dass sie keine Menschen waren. Er wollte gerade etwas sagen, als er etwas durch den Nebel auf sich zufliegen sah. Er fing Illinis Speer ab, unmittelbar bevor er in Morgans Schädel einschlug. »Meine Güte, du bist vielleicht ein hässlicher Hundesohn«, verhöhnte Jackson den Troll.

»Stirb, Mensch!« Illini stieß Jackson zur Seite und griff an. Der Troll bewegte sich mit unmenschlicher Geschwindigkeit, aber Jackson hielt Schlag um Schlag mit. Schließlich versuchte Illini einen Überkopfhieb, dem Jackson auswich. Bevor es ihm gelang, dem Troll den Bauch aufzuschlitzen, landete eine gewaltige Faust an seinem Kinn und schleuderte ihn zu Boden. Bevor Jackson wusste, wo oben und unten war, wurde er an den Füßen hochgerissen. Die Kreatur, die ihn gepackt hatte, war ein wahrhaftiges Monstrum. Ihre Haut war hellgrün und ihr Kopf fast zweimal so groß wie ein Kürbis. Riesige Zähne saßen in massiven Kiefern, und die Unterlippe war von einem Knochen durchbohrt, offenbar als Schmuck.

»Du weißt nicht, mit wem du dich hier anlegst.« Jackson hämmerte mit seinen Stahlfäusten auf den Schädel der Kreatur, was den Troll jedoch offenbar nur zu amüsieren schien.

»Du hast Mumm für einen Sterblichen, und ich bin sicher, dass du ein ausgesprochen wohlschmeckendes Häppchen bist.« Der Troll lachte höhnisch.

»Du wirst feststellen, dass Jacksons Haut ziemlich zäh ist, vor allen Dingen, wenn man keine Zähne mehr im Maul hat!«, sagte jemand hinter dem Troll. Als der den Kopf zu der Stimme umdrehte, schlug Morgan seinen Hammer Illini ins Gesicht.

»Ich schulde dir was«, erklärte Jackson, als er sich langsam vom Boden erhob.

»Du schuldest mir eine ganze Menge, aber wir ziehen ein anderes Mal Bilanz, alter Freund.« Morgan schwang seinen Hammer in einem weiten Bogen. »Wir haben Böses zu bannen.«

Trolle und vereinzelte Nachtwandler stürmten durch den Nebel und mähten mit Zähnen und Klingen alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. In der Mitte des Gemetzels stand der riesige Troll, der die Kanone durch das Portal gezerrt hatte. Mit seinen gewaltigen Armen schlug er Freund und Feind nieder und verzehrte alle, derer er habhaft werden konnte. Als Jackson das breite Grinsen auf Morgans Gesicht sah, beschlich ihn ein ungutes Gefühl.

»Ach nein, bitte nicht, Red«, flehte Jackson, aber Morgan marschierte bereits auf den Troll zu.

»Widerliche Kreatur, erschaffen von allem, was unrein ist!«, rief Morgan dem Troll zu. »Im Namen meines Herrn und meiner Familie schicke ich dich zurück in die Hölle!« Morgan stürzte sich mit dem Hammer auf den Troll. Die Kreaturbrüllte auf, als der Hammer gegen ihren Kiefer krachte. Dann taumelte der Troll zurück, fiel auf die Kanone und setzte sich sowie alles um ihn herum in Brand. Morgan dachte, das wäre das Ende des Wesens, aber der Troll griff ihn an, als hätte er die Flammen nicht einmal bemerkt.

»Verdammt!«, schrie Morgan, als die Kreatur nach seinem Kopf schlug. Er wich dem Hieb aus und versetzte ihr einen Schlag mit dem Hammer auf die Rippen. Er versuchte, einen zweiten Treffer zu landen, doch die Kreatur riss ihn vom Boden hoch und klemmte seinen Arm und den Hammer unter ihrer Achsel fest. Dann brüllte sie triumphierend, als sie Morgans Kopf in ihr Maul schob und zubiss. Als ihre Zähne an Morgans Haut zersplitterten, ließ sie ihn zu Boden fallen.

Morgans Haut war von einer Steinschicht überzogen, und seine Augen waren geisterhaft weiß. »In diesem Leben wird der Dunkle Orden keinen Tropfen von meinem Blut mehr bekommen.« Morgan hob den Hammer und griff an. Diesmal legte er seine ganze Kraft in den Schlag. Der Hammer landete mitten auf der Stirn der Kreatur und zerschmettert ihr den Schädel. Der Troll keuchte noch einmal und fiel dann tot vor Morgans Füße. Der glaubte, das Schlimmste wäre vorbei, doch sein Irrtum wurde ihm klar, als Prinz Orden aus dem Nebel trat.

»Usar war einer meiner Treuesten«, erklärte Orden, während er sein Schwert fester packte.

»Jetzt ist er einer deiner Totesten«, erwiderte Morgan.

Die beiden Kämpfer umkreisen sich langsam.

»Du wirst lernen, dass ich es keineswegs auf die leichte Schulter nehme, wenn man einen meiner Untertanen tötet«, warnte ihn Orden.

»Und du wirst lernen, dass wir nicht fair kämpfen!« Jackson flog mit gezückten Klingen durch den Nebel auf Prinz Orden zu.

Drei bösartig aussehende Trolle sprangen aus dem Nebel und landeten auf den Stufen des Allerheiligsten, wo De Mona und die anderen immer noch versuchten zu begreifen, was hier eigentlich vorging. Bruder David wollte sich im Inneren des Gebäudes in Sicherheit bringen, wurde jedoch von einer Trollklinge niedergestreckt.

»Bruder David!« Julius zog sein Schwert und griff die Trolle an. Er flog mit den beiden anderen Trollen die Treppe hinunter und verschwand im Nebel. De Mona blieb mit dem dritten zurück.

Der stürzte sich mit lautem Gebrüll auf sie und griff mit einem mit Nägeln gespickten Knüppel an, aber De Mona erwartete ihn. Mit einem einzigen Hieb ihrer Krallen zerstückelte sie den Knüppel zu Splittern. Noch bevor die Kreatur sich von dem Schreck erholte, schnitt De Mona sie von der Brust bis zum Hals auf. Der Troll fiel auf die Treppe und erstickte an seinem Blut.

»So oder so.« De Mona nahm Verteidigungsstellung ein und wartete auf weitere Angreifer.

»Was geht hier vor?«, fragte Lydia, die De Monas Stimme erkannte. Fin stand neben ihr und zitterte. Im Gegensatz zu den anderen konnte er im Nebel ausgezeichnet sehen.

»Trolle!«, kreischte er, bevor er im Nebel untertauchte.

»Fin!«, rief Lydia ihm nach.

»Lassen Sie ihn; wir müssen aus diesem Nebel raus.« De Mona zog Lydia mit sich.

»Wie schade. Ich fand ihn so romantisch«, ertönte eine vertraute Stimme hinter De Mona.

Sie seufzte, weil sie wusste, wen sie sehen würde, wenn sie sich umdrehte. »Das ist doch wohl nicht dein Ernst.«

»Es wird etwas mehr erfordern als die armseligen Bemühungen deines zusammengewürfelten Haufens, um mich zu besiegen.« Riel schlug mit seinem Schwert gegen seine Brust. Man sah ihm zwar die Spuren des letzten Kampfes noch sehr deutlich an, aber seine Kampfeslust war ungebrochen.

»Ein Freund von Ihnen?«, erkundigte sich Lydia und wich zurück, während sie ihren Stab abwehrend vor sich hielt.

»Mehr ein hartnäckiger Ausschlag, der nicht verschwinden will«, erwiderte De Mona. »Ich habe ihm schon einmal in den Hintern getreten; das kann ich gern wiederholen.« Sie stürzte sich mit gekrümmten Krallen auf Riel. In dem Moment trat ein ungeschlachter Troll aus dem Nebel zwischen sie und ihre Beute und wurde für seinen Mut damit belohnt, dass ihm das halbe Gesicht weggerissen wurde. Der Mona sprang über ihn und suchte Riel, aber der Dämon war im Nebel verschwunden. Im nächsten Moment tauchte er hinter ihr auf und versetzte ihr einen heftigen rechten Haken. De Mona wirbelte herum, landete ungelenk auf dem Boden und schlug sich den Kopf an.

Lydia stimmte sich auf die Kampfgeräusche ein und erwischte Riel mit ihrem Stab am Kinn. Der Dämon zuckte zusammen und starrte sie an. »Erst ein Hoher Bruder und jetzt eine Kirchenhure. Wie viele der Seinen muss der Orden denn noch verlieren, bevor er erkennt, dass er dem Untergang geweiht ist?«

»Wir werden uns deinesgleichen niemals ergeben«, erklärte Lydia. Sie erkannte den Geruch seines verwünschten Schwertes von Angelos Leichnam. »Für das, was du dem Hohen Bruder angetan hast, werde ich dir einen elenden Tod bereiten.«

»Das sagst du, aber wie kannst du töten, was du nicht sehen kannst?« Riel trat tiefer in den Nebel hinein.

Zu seiner Überraschung folgte Lydia ihm und riss ihm mit der Spitze ihres Stabes eine tiefe Wunde ins Gesicht. »Ich bin zwar blind, Arschloch, aber ich brauche nur deinem Gestank zu folgen, um zu wissen, wo du bist.«

Lydia war so schnell wie der Blitz, aber der Kriegsdämon war schneller. Er wehrte ihre Schläge mühelos ab und konterte lässig mit einem eigenen, den Lydia blockte. Aber sie stürzte zu Boden, als er ihr die Beine unter dem Körper wegtrat. Dann schlug Riel mit aller Kraft zu, und als sein Schwert mit Lydias Stab zusammenprallte, gab es eine grelle Lichtexplosion.

Riel kreischte, als das himmlische Licht ihn blendete und sein Gesicht versengte. Er fuchtelte blindlings mit dem Schwert, wich in eine Ecke zurück und versuchte, seine Sehkraft zurückzuerlangen. Als er wieder etwas erkennen konnte, riss er verblüfft die Augen auf. Lydia stand ruhig in der Mitte des Nebels, eingehüllt in ein weiches Schimmern. Die elfenbeinerne Hülle, denn nichts anderes war ihr Stab gewesen, fiel zu Boden und enthüllte den zweizackigen Speer, der darin verborgen war. Neben dem Hammer und dem Dreizack war der Speer der Wahrheit eine der berühmtesten geweihten Waffen.

»Wer bist du?«, knurrte der Dämon.

Lydia bewegte sich instinktiv und wob ein komplexes Muster mit dem Speer in die Luft, das im Nebel glühende Runen hinterließ. »Ich bin Lydia Osheda, Spross von Sinjin Osheda, die deine Rasse als Dämonenschlächter kennt. Und jetzt komm, damit ich dein Blut vergießen kann, wie meine Vorfahren es taten!« Lydia bewegte sich, als wäre der Speer ein Teil von ihr, und griff Riel an.

Der Kriegsdämon wurde von der Intensität überrumpelt, mit der Lydia kämpfte. Der Speer glich einem Kaleidoskop von Farben, das den Dämon immer und immer wieder traf. Für jeden Schlag, den Riel austeilte, konterte Lydia mit zwei. Schließlich schlug er nach ihrem Kopf, aber sie duckte sich und rammte ihm den Speer in den Leib.

Einen Augenblick sah sie, wie der Dämon versuchte, sich von seinem Wirtskörper zu trennen, aber Riel schaffte es, sich von dem Speer zu befreien, bevor er die Kontrolle über seinen Körper vollkommen verlor. Er hatte heute zu viel einstecken müssen, um weiterkämpfen zu können.

»Zu mir!«, schrie er. Im selben Moment schlurften die Nachtwandler aus dem Nebel, die den Kampf in dem Mietshaus überlebt hatte. Lydia versuchte nach Kräften, sowohl die Nachtwandler als auch dem Dämon zu bekämpfen, aber schließlich wurde sie überwältigt. Es gelang den Nachtwandlern, Lydia zu Boden zu ringen und ihr den Speer zu entreißen, den Riel vom Boden aufhob.

Er wirbelte ihn geschickt um eine Hand und legte schließlich die doppelte Spitze an Lydias Hals. »Das ist vielleicht nicht der Nimrod, aber ich glaube, auch dies hier wird meinem Gebieter erfreuen.«

»Und das hier wird mich erfreuen!« De Mona griff Riel an und entriss ihm den Speer. Der Dämon versuchte sein Schwert zu heben, aber sie schlug es ihm aus der Hand. »Diesmal nicht. Ich werde dich ein für alle Mal erledigen.« Sie hob die Hand für den tödlichen Schlag, doch in dem Moment riss ein Nachtwandler sie von Riel weg. Sie erledigte den Untoten in weniger als zehn Sekunden, aber als sie sich umdrehte, war Riel verschwunden. »Ich hasse es, wenn er das macht!«, fluchte De Mona, bevor sie sich wieder in den Nebel stürzte, um ein neues Ziel zu suchen.

Redfeather kroch auf Knien über den Boden und versuchte, so tief wie möglich zu bleiben. Um sich herum hörte er die Schreie von Freund und Feind, die sich in das Klirren von Stahl und die Schüsse mischten. Hinter ihm brannte das Große Haus des Allerheiligsten. Redfeathers Hand stieß gegen etwas Glattes. Er sah hoch zu dem blonden Mann in der Robe eines Magus, der vor ihm stand.

»Von einem Nachfahren des mächtigen Jägers hätte ich mehr erwartet.« Flag verzog spöttisch das Gesicht. Zwei Trolle tauchten aus dem Nebel auf und rissen Redfeather unsanft hoch. Flag untersuchte ihn und runzelte dann die Stirn. »Du bist zwar eindeutig einer aus dem Clan der Jäger, nicht aber der Hüter des Nimrod. Wo ist er?«

»Weit weg von deinesgleichen, und wenn du klug wärst, würdest du daran auch nichts ändern«, erwiderte Redfeather trotzig, was ihm einen Schlag ins Gesicht einbrachte.

»Ich habe keine Zeit für deine Spielchen, alter Mann. Entweder gibst du mir die Informationen, die ich brauche, oder ich fordere meine Verbündeten auf, sie dir zu entreißen.« Flag deutete auf die geifernden Trolle.

»Nicht, wenn ich da noch ein Wörtchen mitzureden habe«, mischte sich Lydia ein. Ihre Gestalt wurde zwar vom Nebel verhüllt, aber der Speer glühte hell. Flag erkannte den Speer und trat klugerweise zurück.

»Geh weg, Kind!«, rief Redfeather ihr zu.

»Heute Nacht wird kein unschuldiges Blut mehr vergossen.« Lydia ignorierte Redfeather und ging gelassen auf Flag zu.

»Natürlich nicht, denn es wird nicht mehr viel von dir übrig sein, wenn ich hier fertig bin.« Flag schleuderte einen Energiestrahl auf sie und versuchte das Mädchen zu entzünden.

Lydia sprang zur Seite, und der Strahl verbrannte den Boden. Dann duckte sie sich und rannte auf Flag zu, den Speer fest an ihren Körper gepresst. Sie bewegte sich instinktiv, mehr geleitet vom Speer denn aus Überlegung, als sie den Angriffen des Magus auswich. Wie alle anderen geweihten Waffen verstärkte auch der Speer ihre natürlichen Fähigkeiten. Sie sprang hoch in die Luft über Flag und teilte mit einem lauten Zischen der Macht den Speer in zwei Teile. Dann griff sie Flag mit den beiden Klingen an. Dem blieb nicht einmal die Zeit, an einen Zauber zu denken, also tat er das Naheliegendste und warf sich zu Boden. Er schrie um Hilfe und krabbelte auf allen vieren über den Boden, um Lydias Zorn zu entkommen.

»Lauf nicht weg, Feigling!«, sagte Lydia und schlug sich mit ihren beiden Klingen einen Weg durch die Nachtwandler, die sich auf sie stürzten, während sie Flag folgte. Sie trieb ihn schließlich in eine Ecke und legte ihm die Klingen rechts und links an den Hals. »Ginge es nach mir, würde ich dich für das, was deine Leute heute Nacht getan haben, töten«, sagte sie, während ihr Tränen über die Wangen liefen. »Aber es steht mir nicht zu, dich zu verurteilen. Dies gebührt dem Orden. Ich bin kein Mörder.«

»Pech für dich, dass ich einer bin.« Flag legte ihr die Hände auf den Bauch und stieß mit seiner Macht zu. Lydia zappelte wie ein Fisch auf dem Boden, als Flag versuchte, sie zu verbrennen.

»Nein!«, schrie Redfeather und griff Flag an. Der alte Mann schlug ihm die Faust ans Kinn, wodurch Flag seine Verbindung zu Lydia verlor. Dann versetzte Redfeather dem Magus zwei weitere Hiebe, bevor er von einem Troll ohnmächtig geschlagen wurde. Die Kreatur kniete sich über ihn und wollte ihm den Kopf abbeißen, als Flag ihn aufhielt.

»Nein, wir brauchen ihn, um den Jungen zu finden. Bring ihn in den Berg, während ich den Speer hole«, befahl er dem Troll. Der gehorchte mürrisch und überließ Lydia Flag. »Dummes Kind.« Flag stand vor Lydia, die versuchte, auf die Füße zu kommen. Er wollte sie gerade erledigen, als das Geräusch von quietschenden Reifen ihn ablenkte. Als er sich umdrehte, sah er nur noch zwei Scheinwerfer, die auf ihn zurasten.