Der Vorfall mit den kleinen grünen Männern

Einen guten Einblick in Hoyles Persönlichkeit und in sein Denken bietet der Aufruhr, den er bei der Entdeckung des astronomischen Phänomens namens Pulsar verursachte. 1974 wurde der Physik-Nobelpreis an Anthony Hewish vom Institut für Radioastronomie an der Universität Cambridge verliehen. Hewish teilte den Preis mit seinem Dezernenten Martin Ryle für allgemeine Entwicklungen in der Radioastronomie, während Hewish der Preis ausdrücklich für die Entdeckung des Pulsars zuerkannt worden war.

Pulsare sind außerordentlich dichte Sterne – Neutronensterne –, die sich mit enormer Geschwindigkeit drehen und dabei Pulse aussenden, sozusagen die Radiowellenversion eines Leuchtturms. Diese Pulse können alle paar Sekunden auftauchen oder auch nur durch wenige tausendstel Sekunden voneinander getrennt sein. Es war Thomas Gold – dem wir gleich begegnen werden, wie er zusammen mit Fred Hoyle eine Alternative zum Urknall entwickelt –, der eigentlich erkannte, was ein Pulsar ist, aber als Hewish und seine Doktorandin Jocelyn Bell (heute Jocelyn Bell Burnell) diese seltsamen Himmelskörper entdeckten, gab es nichts, womit sie sie vergleichen konnten. Sie hatten es mit einem regelmäßigen, pulsierenden Radiosignal zu tun, das aus den Sternen selbst kam.

Bell und Hewish nannten das im Juli 1968 entdeckte Signal LGM-1, wobei LGM ein ironischer Verweis auf die Möglichkeit war, ein regelmäßiges Signal könnte die Botschaft einer fremden, intelligenten Lebensform sein, «little green men» – kleine grüne Männer –, wie man die Außerirdischen damals gern nannte. Obwohl man sich in den Swinging Sixties befand, präsentierte sich das akademische Milieu noch als ziemlich spießig. Man legte öffentlich Wert darauf, zu betonen, Bell und Hewish hätten niemals an eine intelligente außerirdische Quelle für dieses Signal gedacht, doch die Nachricht verbreitete sich wegen des Wortwitzes sehr rasch. In Wirklichkeit scheint es recht unwahrscheinlich, dass sie nicht wenigstens kurz in Betracht zogen, ob das Signal nicht tatsächlich der erste Beweis für die Anwesenheit außerirdischen Lebens da draußen im All sein könnte.

Die Kontroverse, die Hoyle auslöste, hatte allerdings nichts mit irgendwelchen Gedanken an die Einmischung von Aliens zu tun. Als Hewish seinen Nobelpreis bekam, wurde Bell nicht erwähnt. Hier gibt es eine interessante Parallele zum Medizin-Nobelpreis von 1962, der ebenfalls zu einer Kontroverse führte. Der Preis ging damals an Crick, Watson und Wilkins «für Entdeckungen, die die molekulare Struktur von Nukleinsäuren und deren Bedeutung für die Informationsübermittlung in lebender Materie betreffen». Die Struktur der DNS war entdeckt worden. In diesem Fall wurde ebenfalls eine Wissenschaftlerin, Rosalind Franklin, ausgeschlossen. Aber hier hatte das Nobel-Komitee eine Ausrede. Man berief sich auf die Statuten. Der Preis konnte weder an mehr als drei Leute noch postum verliehen werden, und Franklin war zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits gestorben.

Aber keiner dieser Gründe traf bei Bell zu, sodass 1974, als die Preisträger verkündet wurden, Hoyle angriffslustig eine Lanze für Bell brach. In einem Presseinterview zu einer Vortragsreihe an der McGill University in Montreal (bei der es nicht um Pulsare ging) wurde Hoyle gefragt, was er von den Umständen hielt, die zur Entdeckung der Pulsare geführt hatten. Er ließ durchblicken, Hewish habe die Auszeichnung nicht verdient. (Später umschrieb er seine Äußerung als «Umgangston, und ich hatte erwartet, dass der fragliche Reporter das tun würde, was ich die normale amerikanische Praxis nenne, nämlich mir das brisante Material vor der Veröffentlichung zur Überprüfung vorzulegen».)

Hoyle zufolge hatte Bell die Entdeckung gemacht, wurde anschließend allerdings in dem Artikel, der in Nature erschien, von den Leitern ihrer Gruppe vereinnahmt und «zur Seite gedrängt». (Bell selbst bestritt, ausgegrenzt worden zu sein.) Hoyle stellte klar: Wäre man der gängigen Praxis gefolgt und hätte die Entdeckung zuerst veröffentlicht, statt sie geheim zu halten und erst im Anschluss an eine Nachuntersuchung unter Hewishs Regie zu publizieren, wäre Bell die Ehre der ursprünglichen Entdeckung sicher gewesen, nun aber sei es Hewishs Nachkontrolle gewesen, die das Nobelpreis-Komitee abgelenkt habe. Diese unverblümte Schützenhilfe (obwohl Bell sie offenbar gar nicht wollte) war typisch für Hoyles Denken.

Vor dem Urknall
cover.html
haupttitel.html
inhaltsvz.html
chapter1.html
chapter2.html
chapter3.html
chapter4.html
chapter5.html
chapter6.html
chapter7.html
chapter8.html
chapter9.html
chapter10.html
chapter11.html
chapter12.html
chapter13.html
chapter14.html
chapter15.html
chapter16.html
chapter17.html
chapter18.html
chapter19.html
chapter20.html
chapter21.html
chapter22.html
chapter23.html
chapter24.html
chapter25.html
chapter26.html
chapter27.html
chapter28.html
chapter29.html
chapter30.html
chapter31.html
chapter32.html
chapter33.html
chapter34.html
chapter35.html
chapter36.html
chapter37.html
chapter38.html
chapter39.html
chapter40.html
chapter41.html
chapter42.html
chapter43.html
chapter44.html
chapter45.html
chapter46.html
chapter47.html
chapter48.html
chapter49.html
chapter50.html
chapter51.html
chapter52.html
chapter53.html
chapter54.html
chapter55.html
chapter56.html
chapter57.html
chapter58.html
chapter59.html
chapter60.html
chapter61.html
chapter62.html
chapter63.html
chapter64.html
chapter65.html
chapter66.html
chapter67.html
chapter68.html
chapter69.html
chapter70.html
chapter71.html
chapter72.html
chapter73.html
chapter74.html
chapter75.html
chapter76.html
chapter77.html
chapter78.html
chapter79.html
chapter80.html
chapter81.html
chapter82.html
chapter83.html
chapter84.html
chapter85.html
chapter86.html
chapter87.html
chapter88.html
chapter89.html
chapter90.html
chapter91.html
chapter92.html
chapter93.html
chapter94.html
chapter95.html
chapter96.html
chapter97.html
chapter98.html
chapter99.html
chapter100.html
chapter101.html
chapter102.html
chapter103.html
chapter104.html
chapter105.html
chapter106.html
chapter107.html
chapter108.html
chapter109.html
chapter110.html
chapter111.html
chapter112.html
chapter113.html
chapter114.html
chapter115.html
chapter116.html
chapter117.html
chapter118.html
chapter119.html
chapter120.html
chapter121.html
chapter122.html
chapter123.html
chapter124.html
chapter125.html
chapter126.html
chapter127.html
chapter128.html
chapter129.html
chapter130.html
chapter131.html
chapter132.html
chapter133.html
chapter134.html
chapter135.html
chapter136.html
chapter137.html
chapter138.html
chapter139.html
chapter140.html
chapter141.html
chapter142.html
chapter143.html
chapter144.html
chapter145.html
chapter146.html
chapter147.html
chapter148.html
chapter149.html
chapter150.html
chapter151.html
chapter152.html
chapter153.html
chapter154.html
chapter155.html
chapter156.html
chapter157.html
chapter158.html
chapter159.html
chapter160.html
chapter161.html
chapter162.html
chapter163.html
chapter164.html
chapter165.html
chapter166.html
chapter167.html
chapter168.html
info_autor.html
info_buch.html
impressum.html
lovelybooks_buchfrage.xhtml