18. KAPITEL
In eine weite Hose und eines seiner farbenprächtigen Hawaii-Hemden gekleidet, beugte sich Ian McDermott über eine exquisite rosafarbene Blüte und fühlte sich völlig zufrieden. Nur wenige Dinge in seinem Leben bescherten ihm so viel Vergnügen und Befriedigung wie seine preisgekrönten Orchideen.
Hunderte von ihnen, in allen Größen, Farben und Variationen, waren in seinem hochmodernen, mit Klimaanlage ausgestatteten Gewächshaus zur Schau gestellt. Zwei aus Steinplatten gelegte Wege zogen sich durch das Labyrinth aus Topfpflanzen und Ranken, in dem kleine, an strategisch wichtigen Punkten angeordnete Ventilatoren leise surrten und Luft und Feuchtigkeit umwälzten, die so entscheidend für das Überleben der Orchideen waren.
Ein ausgefeiltes Bewässerungssystem sorgte dafür, dass Woche für Woche genau die richtige Menge Wasser verteilt wurde, auch wenn McDermott es manchmal vorzog, seine “Schönheiten”, wie er sie nannte, auf die altmodische Art zu gießen – mit einer Gießkanne.
Er betrat jeden Morgen um exakt 10:15 Uhr das Gewächshaus und ging langsam von Pflanze zu Pflanze, während er sich mit ihnen unterhielt, ihr Wachstum beobachtete und sich täglich um ihr Wohl kümmerte. Die meisten seiner Pflanzen blühten recht schnell, nach neunzig bis hundertzwanzig Tagen. Bei anderen wiederum dauerte es bis zu sieben Jahre, ehe sich eine Blüte zeigte. Vielen Blumenliebhabern mangelte es an der Geduld, so lange zu warten. Nicht McDermott.
McDermott war ein sehr geduldiger Mensch.
Die Sprechanlage an der Tür des Gewächshauses summte. Verärgert über die Störung seufzte er hörbar auf und ging hinüber, um den Schalter zu betätigen. “Was gibt es, Eanu?” fragte er gereizt.
Sein Butler antwortete ungerührt: “Mr. Briggs ist am Telefon, Sir. Er sagt, es sei dringend.”
Aaron rief nie an, wenn es nicht etwas wirklich Wichtiges zu besprechen gab. “Na gut”, sagte McDermott. “Stellen Sie ihn durch.”
Der Verleger hielt sich nicht mit einer Begrüßung auf. “Wir haben ein Problem, Ian. Erinnerst du dich an den jungen Bullen, der vor knapp einem Jahr bei einer Drogenrazzia ums Leben kam?”
“Der Bruder von Julia Bradshaw. Was ist mit ihm?”
“Er hat ein paar Bänder hinterlassen.”
“Was für Bänder?”
“Detective Reid hatte die Angewohnheit, sich mit alten ungelösten Fällen zu beschäftigen und seine Erkenntnisse auf Kassette zu diktieren. Die Polizei hat diese Kassetten im Haus von Paul Bradshaw gefunden. Sie sind an sich harmlos, allerdings fehlt eine davon.”
“Und warum ist das so wichtig?”
“Weil das Ratsmitglied nach Aussage seiner Sekretärin in Sachen Gleic Éire ermittelt hatte. Die Polizei vermutet jetzt, dass sich auf der fehlenden Kassette Informationen über uns befinden.”
McDermott atmete tief durch. Damit hatte er nicht gerechnet. “Wir müssen diese Kassette finden, Aaron.”
“Aber wie? Die Polizei hat schon überall gesucht, auch im Haus von Charles Bradshaw. Sie hat nichts gefunden.”
“Wurde die 'Hacienda' auch durchsucht?”
Für einen Moment herrschte Stille. “Die 'Hacienda'? Wieso?” fragte Briggs schließlich. “Julia und ihr Ex haben ja kaum noch miteinander gesprochen.”
“Ein Grund mehr, dass Paul Bradshaw das Gasthaus für einen sicheren Ort gehalten haben könnte.”
“Hmmm, daran hatte ich noch nicht gedacht.”
McDermott verzog seinen Mund zu einem sarkastischen Lächeln, sagte aber weiter nichts.
“Wie willst du vorgehen?” wollte Briggs wissen.
“Lass mich nachdenken. Ich rufe dich an.”
McDermott legte auf und wollte wieder zu seinen Orchideen zurückkehren, überlegte es sich dann aber anders. Ihm stand der Sinn nicht länger nach seinen Blumen. Der Anruf von Briggs hatte ihn herausgerissen. So sehr er die Jagd auch genoss, so wenig gefiel es ihm, wenn der Jäger zu nahe herankam. Und er mochte keine unerledigten Angelegenheiten.
Sie mussten die Kassette finden.
Er betätigte wieder die Sprechanlage: “Eanu, stellen Sie eine Verbindung zu meinem Neffen her.”
“Na, Sie stecken ja voller Überraschungen”, sagte Julia, nachdem Steve ihr von seiner neuen Freundin Mrs. Hathaway erzählt hatte.
Obwohl Steve gehofft hatte, dass er auf etwas stieß, das das FBI übersehen hatte, war Julia nicht so optimistisch gewesen, erst recht nicht, nachdem sie gehört hatte, wie gründlich das Haus auf den Kopf gestellt worden war.
Der Gedanke, dass sie ein potenzielles Beweisstück vor sich hatte, hob ihre Laune beträchtlich.
“Wie konnte das FBI so etwas übersehen?” fragte sie und hielt den hübschen Silberteller in ihren Händen.
“Weil man sich zu sehr auf das Offensichtliche konzentriert hat”, erwiderte Steve. “In diesem Fall auf Elis Haus.”
“Aber was ist, wenn Eli diesen Teller wirklich in Paris gekauft hat? Was geschieht dann?”
“Dann folgen wir dieser Spur und sehen, wohin sie uns führt. Vielleicht kennt man im Antiquitätengeschäft in der Rue Jacob den Namen des Hotels, in dem Eli gewohnt hat. Und wenn wir Glück haben, erinnert sich der Portier im Hotel an einen Besucher oder einen Anrufer.”
Julias Begeisterung ließ ein wenig nach. “Oh, Steve, ist das nicht ziemlich weit hergeholt? Das ist elf Jahre her. Glauben Sie wirklich, dass sich noch jemand an ihn erinnern wird?”
Steves Optimismus war unerschütterlich. “Haben Sie ein wenig Vertrauen, Julia.”
Sie seufzte. “Nichts lieber als das. Es ist nur so, dass ich jedes Mal, wenn ich mir Hoffnungen mache, einen Eimer mit eiskaltem Wasser ins Gesicht geschüttet bekomme.”
Steve sah sie besorgt an. “Ist irgendwas passiert?”
Sie erzählte ihm von Jordans verschwundenem Band und Hammonds ergebnisloser Suche. “Was bedeutet, dass ich immer noch verdächtigt werde”, sagte sie zum Schluss ihrer Schilderung. “Hammond behandelt mich zum Glück zwar nicht mehr wie eine Verdächtige, aber aus dem Gröbsten bin ich aber noch immer nicht heraus.”
“Ein Grund mehr, das zu überprüfen”, sagte Steve, während er den Silberteller einpackte. “Mal sehen, ob wir unseren unerschrockenen Detective nicht zu einer anderen Spur führen können. Kennen Sie einen namhaften Antiquitätenhändler?”
“Einige, aber empfehlen kann ich Maurice Garnier. Er hat ein Geschäft in Carmel und ist Experte für praktisch alles. Er ist ein wenig steif, macht jedoch seine Sache gut. Vor einigen Jahren hat er die für mich ausfindig gemacht.” Sie deutete auf das Regal, in dem die antiken spanischen Teller standen.
Steve klemmte sich den Teller unter den Arm. “Und worauf warten wir dann noch?”
Der Eigentümer von “Belvedere Antiques” in der Dolores Street in Carmel war ein kleiner, flinker Mann mit einem öligen Lächeln, makellosen Manieren und einer offensichtlichen Begeisterung für schöne Frauen.
“Madame Bradshaw”, sagte er und nahm Steve kaum zur Kenntnis. “Welch eine Freude, Sie wieder zu sehen. Was kann ich heute für Sie tun?” Sein Blick wurde eine Spur cooler, als er Steve ansah.
“Mr. Reyes ist ein Freund von mir, Mr. Garnier”, erklärte Julia. “Ich habe ihn hergebracht, weil er Ihre Expertise zu einem Silberobjekt benötigt.”
Während sie sprach, legte Steve sein Päckchen auf die Glasplatte des Tresens und packte es aus.
Ohne eine Miene zu verziehen, holte der Händler eine runde Lupe mit kurzem Griff unter der Theke hervor und beugte sich über den Teller, um ihn eingehend zu betrachten. “Hmm.” Er drehte ihn um, wiederholte den Prozess und studierte aufmerksam das kleine eingravierte Wappen in der Mitte.
“Ein sehr schönes Stück”, sagte er schließlich und legte die Lupe zur Seite. “Das ist ein Sheraton, circa 1795, Teil eines ganzen Satzes, der aus vierundzwanzig Tellern bestand, die in dem Jahr hergestellt wurden. Dieser hier ist in exzellentem Zustand. Ich kann Ihnen dafür einen guten Preis …”
“Ich will ihn nicht verkaufen”, unterbrach ihn Steve.
Die Gesichtszüge des Händlers verhärteten sich noch ein wenig mehr. “Oh. Dann wollen Sie ihn nur schätzen lassen?”
Steve lächelte entschuldigend, während er den Kopf schüttelte. “Tut mir Leid, ich möchte nur wissen, wo er zuletzt erworben wurde.” Er sah den Franzosen an. “Können Sie das herausfinden?”
Als hätte ihn die Frage beleidigt, drückte Maurice Garnier den Rücken durch. “Natürlich, Monsieur. Die Anfrage wird ein oder zwei Tage in Anspruch nehmen, vielleicht auch drei, aber ich werde Ihnen die Antwort geben können.”
“Merci, Monsieur Garnier.”
Der Händler gestattete es sich, ein angedeutetes Lächeln zu zeigen. “Le plaisir est à moi.”
Wieder ganz Geschäftsmann holte er einen kleinen Block aus einer Schublade, stellte eine Quittung mit allen erforderlichen Angaben aus und gab Steve die Durchschrift. “Ich rufe Sie an, sobald ich etwas höre.” Er machte vor Julia eine Verbeugung. “Und grüßen Sie Ihre Mutter von mir, Mrs. Bradshaw.”
“Das werde ich machen. Danke, Mr. Garnier.”
“Und”, sagte Julia, nachdem sie das Geschäft verlassen hatten, “was halten Sie von ihm?”
“Ich glaube”, erwiderte Steve, “ich habe unbeabsichtigt seinen gallischen Stolz beleidigt, weshalb er jetzt Himmel und Erde in Bewegung setzen wird, um mir die Information zu beschaffen, die ich brauche.”
Julia lachte. “Unbeabsichtigt, meine Güte.”
“Wie bitte?”
Ihre Augen funkelten fröhlich. “Das haben Sie absichtlich gemacht. Sie haben gemerkt, dass er von dieser unwürdigen kleinen Aufgabe nicht gerade begeistert war, also haben Sie seine Schwachstelle gefunden und ausgenutzt.”
Auf dem Fußweg nahm Steve Julias Kinn zwischen zwei Finger und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf ihre vollen Lippen. “Und Sie, schöne junge Frau, fangen allmählich an, mich zu gut zu kennen.”
Nachdem Steve sich an den Schreibtisch vor seinem Schlafzimmerfenster gesetzt hatte, schaltete er seinen Laptop ein und begann den ersten in einer Reihe von enthüllenden Berichten für die New York Sun zu schreiben.
In der letzten Woche wurde die friedliche kalifornische Küstenstadt Monterey vom Mord am Ratsmitglied Paul Bradshaw erschüttert. Auch nach neun Tagen ist die Polizei, die rund um die Uhr ermittelt, dem Mörder keinen Schritt näher als in der Mordnacht.
Doch es gibt Hinweise. Einer davon ist so verwirrend wie beunruhigend und kommt in Form eines zweiten Todesfalls – eines Mannes, der vielleicht die Identität von Paul Bradshaws Mörder kannte.
Allem Anschein nach war Eli Seavers ein einfacher Mann, der ein einfaches Leben führte. Er war Professor für Wirtschaft an der UCLA, später an der American University in Beirut, ehe er sich in das ruhige, fruchtbare Tal von Salinas zurückzog, wo er siebzehn Jahre lang ein zurückgezogenes Leben führte. 1996 wurde bei ihm die Alzheimersche Krankheit diagnostiziert, und schließlich wies man ihn in ein Pflegeheim ein, wo er verstarb.
Was seinen Tod so verdächtig macht, ist die Tatsache, dass Eli Seavers nur zwei Tage, nachdem er der ehemaligen Mrs. Bradshaw in einem kurzen, einmaligen Augenblick der Klarheit gesagt hatte: 'Gleic Éire war es', starb. Damit meinte er, dass Gleic Éire Paul Bradshaw ermordet hat.
Gleic Éire ist bekanntlich eine Gruppe rücksichtsloser irischer Extremisten, die zur Gewaltanwendung entschlossen sind, um den Friedensprozess zwischen Nordirland und England zu torpedieren. Sie fordern Freiheit für Irland, ohne Kompromisse eingehen zu wollen. Sie wollen Frieden, aber sie wollen sich nicht an den Verhandlungstisch setzen. Sie wollen, dass der Rest der Welt auf ihrer Seite ist, aber sie unternehmen nichts, um das Blutvergießen zu beenden.
Warum sollte ein Mann wie Eli Seavers, der keine erkennbare Verbindung zu Gleic Éire hat, eine solche Anschuldigung aussprechen? Warum sollte er sich so aufregen, nur weil er den Namen Bradshaw hört? Und wieso hat dieser anscheinend so ruhige und passive Mann mitten in der Nacht sein Zimmer verlassen, um sich von einer Klippe zu stürzen?
War es ein Unfall? Das glaubt jedenfalls die Polizei. Und die Mitarbeiter des Heims sind ebenfalls davon überzeugt. Es heißt, dass Eli ein von Wahnvorstellungen geplagter, verwirrter und paranoider Mann war, ein Opfer seiner eigenen Ängste.
Was aber, wenn sein Tod kein Unfall war? Was, wenn seine wenigen Worte Gleic Éire hat es getan ihn selbst zu einer Gefahr hatten werden lassen? Einer Gefahr, die zum Schweigen gebracht werden musste?
Das sind die Fragen, die auf eine Antwort warten …
Ein leises Klopfen hinderte Steve daran, den Satz zu beenden. “Herein.” Er speicherte seinen Text ab, schob seinen Stuhl zurück und stand auf.
Die Tür zu seinem Zimmer wurde gerade so weit geöffnet, dass Julia ihren Kopf hindurchstecken konnte. “Komme ich ungelegen?”
“Überhaupt nicht. Um ehrlich zu sein, habe ich gerade nach einem Vorwand für eine Pause gesucht.”
“Gut, da unten ist nämlich jemand, der Sie sehen möchte.”
“Tatsächlich? Wer?”
“Frank Walsh.” Sie lächelte. “Wussten Sie nicht, dass Sie zum Stadtgespräch geworden sind?”
“Ich?”
Ihre Augen strahlten kurz auf. “Ja, Sie. Dieses kleine tête-a-tête mit Charles Bradshaw gestern beherrscht von hier bis San Francisco die Schlagzeilen.”
“Ach, das.” Er lachte. “Der Kerl hatte es verdient.”
“Das haben Sie mir ja gesagt.”
Als sie in die Küche kamen, stellte ein gut aussehender Mann Ende dreißig eine Dose Limonade auf dem Tisch und erhob sich von seinem Stuhl, um seine Hand auszustrecken.
“Hi, ich bin Frank Walsh.”
“Angenehm, Steve Reyes.” Steve schüttelte dem Detective die Hand. “Ich habe gehört, Sie werfen einen unhaltbaren Baseball.”
“Und Sie kennen Gary Sheffield.” Frank grinste ihn breit an. “Da kann ich nur schwer etwas entgegensetzen.”
Steve lehnte sich mit einer Hüfte gegen die Ecke der Kochinsel. “Ich glaube, in Sachen Beliebtheit müssen Sie sich keine Gedanken machen. Andrew kriegt nicht einen Satz raus, ohne seinen Onkel Frank zu erwähnen.”
Julia klopfte ihrem Freund auf die Schulter. “Frank hat ihn gut erzogen.”
Der Detective sah Steve lange und zustimmend an. “Ich habe auf der Wache eine Wiederholung der Nachrichten von heute Mittag gesehen.” Er lachte leise. “Gute Arbeit, die Sie da an unserem Exgouverneur geleistet haben. Ich habe Charles noch nie so außer sich gesehen. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich schwören, dass Sie zwei Erzfeinde sind, die eine alte Rechnung zu begleichen haben.”
Steve gab Frank Walsh einen Bonuspunkt für gute Beobachtungsgabe, aber er ließ sich von der Bemerkung nicht aus der Ruhe bringen. “Ich bin nur ein Reporter, der seine Arbeit macht”, sagte er dahin. “Allerdings muss ich in dem Fall zugeben, dass auch ein wenig mehr dahinter gesteckt hat.”
“Hat der alte Sack Sie so sauer gemacht, weil er Julia angegriffen hat?”
Steve lachte. “Das kommt dem Ganzen sehr nahe.”
Frank wurde ernst. “Seien Sie vorsichtig, Steve. Der Mann hat mehr Verbindungen als eine Telefonzentrale. Er könnte Ihnen Schwierigkeiten machen.”
Darüber machte sich Steve keine Sorgen. Charles war viel zu sehr darauf bedacht, die kurze Beziehung seiner Tochter zu einem Kubaner unter Verschluss zu halten, als dass er ihm hätte Schwierigkeiten machen können. Aber das konnte er Frank nicht sagen. Stattdessen dankte er ihm einfach für die Warnung.
“Nicht der Rede wert”, entgegnete Frank. “Ich weiß es zu schätzen, dass Sie auf meine kleine Freundin aufpassen.” Frank legte Julia seinen Arm um die Schulter und zog sie an sich. “Sie ist etwas Besonderes für mich.”
Steves Blick ruhte einen Moment lang auf der lächelnden Julia. “Ja, das sehe ich.”
Frank schaute auf seine Uhr und drückte flüchtig seine Lippen auf Julias Wange. “Ich muss los. Der Chef ist wieder in Rage. Jeder, der mehr als fünf Minuten zu spät kommt, muss am Ende der Schicht eine zusätzliche Stunde Dienst schieben.”
Er trank noch einmal an seiner Limonade, um dann die Dose abzustellen. “War schön, Sie kennen zu lernen, Steve. Wir müssen uns noch mal unterhalten, wenn ich nicht so in Eile bin.”
“Gerne.”
Steve wartete, während Julia ihn zur Tür brachte. “Netter Kerl”, sagte er, als sie zurückkam. “Sie beide scheint ein ganz besonderes Band zu verbinden.”
“Wir kennen uns schon lange.”
Er verspürte einen leichten, aber deutlich spürbaren Stich, den er nicht genauer erforschen wollte. “Wie lange?”
“Wir sind zusammen zur Grundschule gegangen. Eines Tages, nachdem mein Vater uns verlassen hatte, machte ein anderer Schüler eine Bemerkung über Coop, woraufhin ich zu weinen anfing. Frank hat ihn vor den Augen von bestimmt hundert gaffenden Kindern zur Schnecke gemacht. Dann hat er ihn auf die Füße gezerrt und dafür gesorgt, dass er sich entschuldigt.”
Steve beobachtete sie weiter und fragte sich, ob Frank mehr war als nur ein guter Freund. “Richtig heldenhaft. Ich bin überrascht, dass Sie ihn nicht geheiratet haben.”
“Das haben viele gedacht, aber es ist wirklich so, dass wir nur gute Freunde sind.” Sie warf die leere Dose in den Mülleimer unter der Spüle. “Sogar noch bessere Freunde, seit ich ihn mit Penny bekannt gemacht habe.”
Steve fühlte, dass er sich wieder entspannte. “Verkuppeln Sie gerne andere Leute?”
“Nicht einmal annähernd so gerne wie Penny. Sie versucht seit Monaten, mich mit Mr. Unwiderstehlich zusammenzubringen. Jedes Mal ist es ein anderer. Ich zähle nicht mehr mit, aber wir könnten inzwischen bei Nummer fünfundzwanzig angelangt sein.”
Und noch ein Stich, diesmal aber kein kleiner. “Und schon den Jackpot geknackt?”
Julia hob die Schultern. “Keine Ahnung. In letzter Minute kriege ich immer kalte Füße und sage ab.” Sie verzog das Gesicht. “Ich hasse Blind Dates. Nein, ich hasse Dates insgesamt. Punkt.”
“Das ist witzig”, sagte er grinsend. “Ich nämlich auch.” Er behielt seinen gelassenen Tonfall bei. “Vielleicht sollten wir uns mal einen Abend zusammensetzen und Horrorgeschichten austauschen?”
Julia warf ihm einen raschen, beunruhigten Blick zu. “Ist das eine Einladung zu einem Date?”
“O nein.” Er hob in gespieltem Protest die Hände. “Nichts so Geschmackloses. Nur ein Abendessen … unter Freunden. Wie wäre es mit heute Abend?”
Nervös schüttelte sie den Kopf. “Es tut mir Leid, ich …”
“Sie wählen das Lokal, irgendetwas Lässiges.” Er grinste wieder. “Irgendwo, wo man nicht bei einem Date hingeht.”
“Ehrlich, Steve. Ich wäre eine miserable Gesellschaft.”
“Das Risiko gehe ich ein. Sieben Uhr?”
Bevor sie Nein sagen konnte, klingelte das Telefon und sie ging, um das Gespräch anzunehmen.
Dankbar für diese Störung zog Steve sich leise in sein Zimmer zurück.