32

Das fahle Grün der Laubbäume, das hier und da bereits in Gelb und Gold überging, verriet den nahen Herbst. Die Felder im Flusstal waren zwar längst abgeerntet, dafür boten die Bauerngärten in den Dörfern noch üppige Kost, mit Kohl und Rüben aller Art, mit Mangold und Gartenmelde, mit den letzten Zuckererbsen und dem ersten Knollensellerie. Am verlockendsten aber boten sich die rotwangigen Äpfel und die letzten tiefblauen Zwetschgen dem Blick des Wanderers dar und warteten darauf, endlich gepflückt zu werden.

Es war allein der Hunger, der Eva gegen Mittag in das nächste Dorf trieb. Mit dem ersten Sonnenstrahl des Morgens war sie aus ihrem Versteck am Waldrand gekrochen und seither marschiert, Schritt für Schritt, dicht am Straßengraben entlang, ohne Rast und ohne einen Bissen zu essen. Immerfort war Moritz’ Gesicht vor ihren Augen aufgetaucht, und jedes Mal aufs Neue hatte sie leise zu schluchzen begonnen. Wie hatte sie sich nur derart täuschen lassen können?

Wenn dann einer der Leute auf der Straße sie voller Neugier oder auch Mitleid anstarrte, hatte sie ihr Schultertuch über Kopf und Gesicht gezogen, bis nur noch ein schmaler Schlitz über den Augen frei blieb. Jeder, der sie ansprechen würde, so schwor sie sich, würde eine Maulschelle verpasst bekommen.

Als ihr knurrender Magen sie schließlich auf den Abzweig in Richtung des Dorfes trieb, war sie nicht die Einzige: Bald jeder, der zu Fuß unterwegs war, stapfte den steilen Wiesenweg hinauf, und kurz darauf vernahm Eva das quäkende Gedudel von Sackpfeifen, sah die Blumengirlanden, die den Palisadenzaun schmückten. Ganz offensichtlich feierte man hier eine Kirbe zum Erntedank.

Bei diesen Menschenmassen rundum konnte sie es sich aus dem Kopf schlagen, sich unbemerkt in die Gärten zu schleichen. Aber gut – dann würde sie eben um ein Almosen bitten. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Vielleicht zeigten sich an Erntedank die Bauersleut großzügiger als sonst. Zumal wenn man eine halbwegs hübsche Jungfer war und ein demutsvolles Lächeln aufsetzte, wie sie es jetzt, als sie im Gedränge das Holztor passierte, beinahe trotzig tat.

Vorwärtsgeschoben von einem steten Menschenstrom, gelangte sie auf den Kirchplatz, wo im Schatten einer mächtigen Linde Tanzboden und buntgeschmückte Buden und Bänke aufgebaut waren. Überall roch es köstlich nach Bratwürsten und in Zucker gerösteten Mandeln, dazu wurde Gewürzwein und Bier ausgeschenkt – es war kaum auszuhalten. Weit mehr noch als der Hunger aber quälte sie der Anblick der jungen Leute, die sich zur Musik der Fiedler und Sackpfeifer in ausgelassenen Sprüngen miteinander vergnügten. Vor allem ein hochgewachsener, fescher Bursche zog sie in seinen Bann: Er schien sein Mädchen mit Blicken zu verschlingen, umwarb und umgarnte es im Takt der Musik, bis er es schließlich blitzschnell neben das Podest der Spielleute zog und hingebungsvoll küsste. Ob er sie morgen auch noch lieben würde?

«Da magst neidisch werden, was?»

Ein nicht mehr ganz so junger Kerl mit fleckigem Gesicht und blondem Bart lachte Eva an.

«Aufi! Gemma tanzen!»

Er fasste sie bei beiden Händen und versuchte, sie die Stufen zum Tanzboden hinaufzuziehen.

«Nein, lass mich.»

Sie wollte ihn abschütteln.

«Magst lieber ein Krüglein Wein? Auch recht.»

Jetzt legte ihr der Bärtige vertrauensvoll den Arm um die Schultern und berührte dabei wie absichtslos ihre Brust.

«Hast du Dreck in den Ohren?» So laut schrie sie jetzt, dass die Umstehenden sie angafften. «Ihr Kerle seid doch alle gleich. Lass mich in Ruh, hab ich gesagt.»

«Blöde Zicke», hörte Eva ihn noch fluchen, dann schulterte sie ihren Beutel und zwängte sich durch die Menge hindurch bis an den Rand des Platzes. Hier, wo ein breiter Kiesweg zum Kirchenportal hinaufführte, war es schon bedeutend ruhiger. Eva betrachtete die mächtige Erntekrone aus Blumen und Getreideähren, die über dem Portal aufgehängt war.

«Hübsch ist sie gworden, unsre Erntekrone, gei?» In einem Gärtchen, direkt neben dem Kirchhof, stand eine junge, ordentlich gekleidete Frau und lächelte sie freundlich über den niedrigen Zaun hinweg an.

«Ja», erwiderte Eva. Sie hatte plötzlich nur noch Augen für den Korb voller Äpfel, den die Frau neben sich im Gras stehen hatte.

«Ist’s dir auch zu eng gworden, drunten am Tanzboden?»

Eva nickte.

«Weißt, ich kann da nimmer hin.» Die junge Frau berührte ihren Bauch, der sich prall und rund unter dem Stoff wölbte. Dabei strahlte ihr rosiges Gesicht voller Glück. «Ich bin doch guter Hoffnung.»

«Das freut mich für Euch. Ist es das Erste?»

«Ja. Und die Hebamm sagt, in acht Wochen ist’s so weit. Magst einen Apfel?»

«O ja! Sehr gern.» Eva nahm den rotgelben Apfel entgegen, biss hinein und kaute so gierig, dass ihr der süße Saft das Kinn herabrann.

«Mei, bist du hungrig! Hast schon lang nix mehr ghabt?»

«Seit gestern.»

«Warum holst dir keine Bratwürstl? Magst die net?»

«Ich hab kein Geld. Ein Beutelschneider hat mir im Gewühl die Geldkatze abgeschnitten.»

«Du Ärmste! Und jetzt?»

«Weiß nicht – wenn ich vielleicht noch zwei, drei Äpfel haben könnt? Das wär schon was.»

«Komm doch einfach rein zu mir. Du schüttelst den Baum und liest auf, und wir machen halbpart! Mir fällt das Auflesen eh zu schwer.»

Kein Paternoster später hatte Eva ihr Schultertuch zu einem prallgefüllten Beutel geknotet.

«Was hast denn in dem andern Sack?», fragte die junge Frau neugierig.

«Werkzeug und Garne für meinen Vetter. Der ist Schneiderknecht, drunten bei Regensburg.»

«Du, ich könnt eine Nähnadel brauchen. Und Hefteln. Und ein wengerl Garn. Verkaufst mir was? Dann hättest a Geld für heut und morgen.»

«Das wär wunderbar! Hier, schaut!»

Eva öffnete den Lederbeutel und zog das Stoffsäckchen mit den Garnen heraus. Dabei wäre fast das kleine Jagdhütchen, das Moritz ihr geschenkt hatte, mit herausgefallen. Gott weiß, wie es zu den Werkzeugen geraten war.

«Oh! Was für ein hübscher, zierlicher Hut! Für den würd ich dir sonst was geben! Ich müsst nur warten, bis mein Mann zurück ist. Der ist der Schultes hier.»

Einen kurzen Moment lang zögerte Eva: Den samtweichen, mit Perlen bestickten Hut hatte Moritz ihr manchmal beim Liebesspiel aufgesetzt und sie dann zärtlich Prinzessin genannt. Andererseits würde er gewiss ein kleines Vermögen einbringen, und sie musste dann eine schmerzhafte Erinnerung weniger mit sich herumschleppen.

«Und? Was ist? Mein Mann würd ihn dir ganz sicher abkaufen. Er liebt so zierlichen Putz an mir.»

Eva sah in Gedanken einen fettwanstigen Dorfschultes vor sich, der mit geiferndem Blick seine herausgeputzte junge Frau begrabschte.

«Nein, der ist nicht zu verkaufen», sagte sie entschieden und stopfte die Samtmütze zuunterst in den Ledersack. Anschließend schlug sie zehn Kreuzer für die Nadeln und die Hölzchen mit schwarzem und blauem Garn heraus. Das war viel zu viel, und der Schultes würde lauthals schelten über diesen Kuhhandel, aber darum konnte sie sich jetzt nicht kümmern.

«Gibt es hier in der Nähe eine einfache Herberge?»

Die Frau nickte. «Das Rössl, eine Wegstunde von hier an der Nürnberger Straße. Musst aber früh dran sein. Da prügeln sich die Leut derzeit um einen Schlafplatz, seitdem drüben in Velburg das große Unheil ist.» Sie senkte Stimme und Blick. «Da ist nämlich die Pest ausbrochen, ganz schlimm! Jeden Dritten hat’s schon erwischt.»

Eva ließ sich noch den kürzesten Weg zur Handelsstraße erklären, dann bedankte sie sich mit einem reichlich schlechten Gewissen und beeilte sich, wegzukommen von der braven Frau. Die Sonne versteckte sich hinter dichten grauen Wolkenbergen, als sie talwärts hastete, und der kühle Wind ließ sie frösteln. So aß sie kurzerhand einen Apfel nach dem anderen auf, bis es ihr im Magen rumpelte, dann wickelte sie sich das wollene Tuch um Hals und Schultern.

Das Rössl befand sich, als einsamer Landgasthof, direkt an der Straße. Obwohl erst Nachmittag war, wimmelte es zwischen Stall, Scheuer und Herberge bereits von Fahrzeugen und Karren aller Art. Dabei wirkte das Anwesen ziemlich schäbig und heruntergekommen.

Als sie den überfüllten Schankraum betrat, entdeckte sie am Tresen den Wirt, wie er mit einer Gruppe vornehmer Kaufleute herumzankte.

«Dann macht Euch doch vom Acker, wenn es Euch nicht passt! Von wegen eigene Schlafkammer! Andre Leut wollen auch hier übernachten.»

«So ist’s!», blökte ein dürrer, langer Kerl mit verfilztem Haar und speckigem Umhang. «Meine Söhne und ich waren zudem vorher da!»

Jeder konnte dem Rösslwirt ansehen, wie er sich innerlich die Hände rieb angesichts des guten Geschäfts, das ihm der Schwarze Tod nur einen halben Tagesmarsch von hier bescherte. Eva drängte sich nach vorn.

«Ist noch ein einzelnes Plätzchen vakant?», fragte sie.

Der Lange neben ihr grinste frech. «Darfst mit auf meinen Strohsack, das kost dich nix!»

Eva beachtete ihn nicht. «Also, was ist? Ich zahl sofort.»

«Acht Kreuzer der Strohsack. Zehn Kreuzer unterm Fenster. Mit dabei ein Bier am Abend und das Morgenessen.»

Ihr blieb der Mund offen stehen. Das war mehr als Wucher! Doch sie wollte weder feilschen noch streiten, sondern sich so unauffällig wie möglich verhalten, damit sich später ja keiner an sie erinnern würde. Angesichts des Gewimmels und des Durcheinanders hier im Rössl war ihr nämlich ein hervorragender Einfall gekommen – und für den hätte sie selbst ihre sämtlichen zwölf Kreuzer ausgegeben.

 

Am nächsten Morgen gehörte sie mit zu den Ersten, die auf den Beinen waren und sich am Ausschank einen lächerlichen Klecks Gerstenmus abholten. Sie hatte höchstens zwei, drei Stunden geschlafen, und die waren zerrissen gewesen von bösen Träumen und dem angstvollen Hoffen, dass alles gut würde.

Von oben, aus den Schlafkammern, war seit einigen Minuten lautstarker Tumult zu hören, Flüche, Schmäh- und Schimpftiraden und übles Geschrei. Eva schulterte ihr Gepäck – den Ledersack und ein gutgefülltes Wolltuch – und verließ mit einem freundlichen Gruß zur Wirtin hin die Schankstube. So ruhig wie möglich marschierte sie hinüber zur Handelsstraße, die sich rasch füllte, und überreichte einer Zeitlerin ihre letzten beiden Kreuzer dafür, dass sie ihre schweren Taschen zu den Bienenkörben auf den Karren laden durfte.

Heilfroh war Eva über die Maulfaulheit der Alten und überließ sich einem dumpfen Dämmerzustand, einer Mischung aus Müdigkeit und Niedergeschlagenheit, in der sie neben dem Karren hertrottete. Ansonsten hätte sie vielleicht ein Auge gehabt für die wilde Schönheit von Gottes Schöpfung ringsum: Mit ihrem dunkel schimmernden Wasser schlängelte sich die Schwarze Laber unterhalb der Straße durch ihr Tal, vorbei an verwitterten Felsgebilden und üppig bewachsenen Uferwiesen. Die Strömung trieb unzählige Mühlräder an, schmucke Kirchlein und Kapellen säumten den Weg. Immer wieder thronten kleine, aber wehrhafte Burgen der unterschiedlichsten Adelsgeschlechter auf den Felsen – das waren denn auch die einzigen Momente, wo Eva aus ihrer Schwermut auffuhr. Mit rauer Stimme erkundigte sie sich dann jedes Mal bei den Leuten rundum, wer die Herren dieser oder jener Burg seien. Dabei fielen Namen wie Hadamer von Laber und Ulrich der Zenger, sie hörte vom Geschlecht der Kamerauer und der Reisacher, der Wolfsteiner und Rosenbuschs, und nicht wenige von ihnen wurden als übelste Raubritter und Wegelagerer verflucht. Der Name Ährenfels fiel, zu ihrer großen Erleichterung, kein einziges Mal.

Wo die Strömung des Flusses nicht allzu stark war, setzten Fähren den Wanderer über, und auch Eva und ihre Begleiterin mussten sich einige Male samt ihrem Karren auf solch schwankende Planken wagen. Ein gutes Stück wollte sie schon noch weg sein vom Rössl und sich dann ein stilles Plätzchen im Wald suchen, um ihre Beute bei helllichtem Tage zu begutachten. Ihre größte Sorge war inzwischen, ob das Zeug ihr auch passen würde. Zwar hatte sie sich am Vorabend gleich als Erste, noch im Zwielicht der Dämmerung, auf ihren Schlafplatz in der Fensterreihe gelegt, um von dort die zumeist männlichen Schlafgäste, die nach und nach eintrafen, genauer in Augenschein zu nehmen. Doch leider kamen die meisten erst, nachdem der Wirt das Licht längst gelöscht hatte und damit kaum mehr als Umrisse zu erkennen waren. Sie hatte nicht die Kirbe im nahen Dorf bedacht, wo viele den Abend verbracht hatten. Dafür war die Mehrzahl der Männer reichlich betrunken – was wiederum Evas Absichten zum Vorteil gereicht hatte.

So hatte sie sich, obgleich sie todmüde war, gezwungen, wach zu bleiben. Gegen Mitternacht endlich war der Raum erfüllt gewesen von lautem Schnarchen, Gegrunze und Gefurze, der eine redete im Schlaf, der andere wälzte sich schwer hin und her, alle aber schienen fest zu schlafen. Da hatte sich Eva wie eine Raubkatze durch die Dunkelheit geschlichen, um sich das Nötige zusammenzusuchen: hier eine Hose samt Strümpfen, dort ein Paar Schuhe, hier ein Wams, dort ein Hemd, zuletzt sogar noch einen Hut.

All das war unbemerkt vonstatten gegangen. Erwartungsgemäß hatte es am nächsten Morgen seine Zeit gebraucht, bis die Bestohlenen ihre Verluste bemerkten – und sich zunächst einmal gegenseitig beschuldigten. Eva selbst lief kaum Gefahr, als Täterin erkannt zu werden. Sie war als anständig gekleidete junge Bürgersfrau gekommen und als ebensolche wieder gegangen.

Gegen Nachmittag schien Eva der Abstand zum Rössl weit genug, um sich das bunte Kleidergemisch überzuziehen und damit ein zweites Mal ihr Leben als der Schneidergesell Adam in die Hand zu nehmen. Sie zerrte ihr Gepäck vom Karren der Zeitlerin und schlug sich in ein Tannenwäldchen, das sich wie eine schwarze Zunge in die Heidelandschaft schob. Entschlossenen Schrittes und mit zusammengebissenen Zähnen schritt sie bergwärts voran, bis sie eine verlassene Köhlerhütte erreichte. Dort vollzog sie ihre erneute Verwandlung, ohne Zögern zunächst und ohne über ihre weitere Zukunft nachzudenken. Die halbhohen Lederschuhe waren natürlich zu groß für ihre schmalen Füße, sie würde sie mit Lumpen ausstopfen müssen. Der Rest passte so einigermaßen, auch wenn die hellblaue Strumpfhose mit den breiten knallroten Strumpfbändern vollkommen lächerlich aussah und farblich so gar nicht mit der gelb-grün gestreiften kurzen Pluderhose zusammenging. Ebenso lächerlich wirkte der hohe braune Filzhut mit seinen abgefressenen Federn. Richtig hübsch war eigentlich nur das langärmlige dunkelblaue Wams mit den Holzknöpfen. Der weiche Wollstoff würde an kühlen Tagen gut warm geben, und die gepolsterten Schultern verliehen ihr eine überaus männliche Gestalt.

Sorgfältig legte sie ihre Frauenkleidung zusammen und wickelte sie in dem wollenen Schultertuch zu einem Bündel. Im nächsten Marktflecken würde sie das alles zu Geld machen. Und zwar zu gutem Geld! Sie stieß ein raues Lachen aus. Zwei Gulden wollte sie dafür schon herausschlagen. Wenigstens etwas sollten diese Judasbrüder, diese Bluthunde von Ährenfels, für ihren widerwärtigen Frevel bezahlen!

Zuletzt zog sie aus dem Werkzeugbeutel die Schere heraus. Kurz und schnurgerade schnitt sie ihr Haar, ganz wie es neuerdings in den Städten Mode war. Als sie damit fertig war, holte sie tief Luft. Ein plötzlicher Schwindel überkam sie. Sie ließ die Schere sinken und starrte auf die Haarbüschel zu ihren Füßen. Ein fescher junger Handwerksbursche war sie nun wieder, das wusste sie auch ohne Spiegel. War wieder ein Kerl, der auf eigenen Beinen stand. O nein, sie brauchte weder einen Geliebten noch einen Beschützer, weder Eltern noch Geschwister – sie brauchte überhaupt keinen Menschen. Und einen Mann schon gar nicht!

Die Wut überfiel sie ganz plötzlich und ließ sie mit der Faust gegen die Bretter der Köhlerhütte schlagen. Laut fluchte sie, während sie ein zweites, ein drittes Mal dagegenschlug, bis sie schließlich mit beiden Fäusten gegen das Holz trommelte, dass es schmerzte. Warum musste Gott sie so hart prüfen? Endlich einmal hatte das Schicksal ihr seine sonnigste Seite gezeigt, hatte sich eine Aussicht aufgetan, die schöner nicht hätte sein können: die Aussicht auf ein unfassbares Glück, auf eine Liebe, wie man sie gemeinhin nur aus Liedern kannte. Aber ihr war einfach kein Glück vergönnt, nicht mal das kleinste Quäntchen! Stattdessen hatte das Schicksal ein bitterböses Schelmenspiel mit ihr getrieben. Hatte ihr etwas vorgegaukelt hinter falscher Maske, wie ein begnadeter Possenreißer auf dem Jahrmarkt, nur um sie am Ende mit Hohngelächter in die schmutzige Welt der Wirklichkeit zurückzuschleudern. Und in dieser Welt – dumpf schlug ihre Stirn gegen die Hüttenwand, wieder und wieder – war sie nichts als die kleine, kreuzdumme Eva Barbiererin aus Glatz, die sich, genau wie ihre ebenso dumme Schwester, vom erstbesten Mannsbild das Herz hatte stehlen lassen. Die sich hatte verführen lassen, in einer so unglaublichen Einfalt, dass es bestraft gehörte.

Die Tränen, die ihr über die Wangen liefen, vermischten sich mit dem Blut ihrer aufgeschlagenen Stirn, als sie schließlich zu Boden sank. Dort krümmte sie sich zusammen, das Gesicht in den Händen verborgen, und gab sich ihrer Erschöpfung hin. Was für eine Erlösung wäre es jetzt, einfach sterben zu dürfen!