32

Mike machte die Zwischentür auf und rubbelte sich mit einem Handtuch das Haar trocken. Kat lag wach im Dunkeln und umklammerte ihr Kissen. Ihr Haar war ein weißes Knäuel aus Mayonnaise und Frischhaltefolie. »Ich wusste nicht, wo du hingegangen bist.«

Mike deutete auf den Empfänger an seiner Hüfte, der ein beruhigendes Rauschen von sich gab. »Ich pass ständig auf dich auf, mein Schatz.« Er deutete auf die Tür. »Und Shep ist auch hier.«

Als sie das hörte, hellte sich ihre Miene ein wenig auf.

Shep wartete, bis Mike ihm zunickte, dann beugte er sich vor und warf einen Blick durch die Tür. »Was ist denn mit deinem Kopf?«

»Läuse.« Sie verzog das Gesicht. »Ich weiß.«

Shep verschwand einen Moment, dann kam er mit seinem Rasierer zurück, denselben, den er schon als Jugendlicher gehabt hatte. Er suchte nach der passenden Klinge, dann warf er ihn Mike zu.

»Nein.« Mike schob den Rasierer so weit von sich, als könnte das Gerät Kats Haare von allein schneiden.

Shep hob beschwichtigend die Hände, dann kam er ins Zimmer und setzte sich auf einen Stuhl in der Ecke.

Mikes Lippen bewegten sich ein paar Mal, als wollte er seine Dankbarkeit in Worte fassen, doch Shep fiel ihm ins Wort. »Tu, was du zu tun hast.«

Leise zog Mike die Tür hinter sich ins Schloss.

 

Schreiend erwachte Kat in der Dunkelheit.

Shep bewegte sich nicht von seinem Stuhl. »Alles in Ordnung«, sagte er.

»Wo ist Dad?«

»Nebenan. Er unterhält sich mit jemand. Du hast bloß ein paar Minuten geschlafen.«

»Wird uns jemand helfen?«

»Auf jeden Fall.«

»Hast du sie gesehen?«, fragte Kat.

»Ja.«

»Wie hat sie ausgesehen?«

»Kalkweiß. Friedlich.«

»Wird sie sterben?«

»Weiß ich nicht.«

Ihre Unterlippe begann zu zittern, aber sie fing sich wieder. »Kannst du … kannst du mich bitte mal in den Arm nehmen?«

»So was mach ich nicht«, erwiderte Shep.

Sie ließ sich wieder aufs Bett zurückfallen und rollte sich zu einem kleinen Ball zusammen. Wenige Sekunden später war sie schon wieder eingeschlafen. Sie wimmerte, ihre Lider zuckten. Shep stand auf und durchquerte lautlos das Zimmer. Als er direkt neben ihrem Bett stand, wimmerte sie noch stärker. Da streckte er seine Pranke aus und legte sie ihr beruhigend auf den Rücken.

Sie entspannte sich.

 

Auf dem Fenster neben Mikes Gesicht landete ein Nachtfalter und breitete seine ledrigen Flügel aus. Es fing an zu regnen, ein leises Klackern auf dem Moteldach, das sich bald zu einem konstanten Trommelwirbel auswuchs. Als er gerade wegdösen wollte, riss ihn das Geräusch von Hanks Oldsmobile aus dem Schlaf.

Mike machte ihm die Tür auf, und Hank schlüpfte ins Zimmer. Er zog seine Autofahrerhandschuhe aus, während das Regenwasser von ihm heruntertropfte. »Als würde eine Kuh auf einen flachen Stein pissen, Mann.«

Der Regen verwischte den Lichtschein der Laternen. Von den Motorhauben der Autos stieg Dampf auf. Eine Linie aus strohfarbenem Licht säumte den östlichen Horizont, nur unterbrochen von der massigen Silhouette von Universal City. Mike ließ seinen Blick noch kurz über den Parkplatz schweifen, bevor er die Tür wieder schloss.

Hank schüttelte seinen Mantel und die Hose aus. Die Tropfen waren so groß, dass sie Spuren auf dem Teppich hinterließen. »Tut mir leid wegen Annabel. Aber dir ist sicher klar, dass du es nicht hättest verhindern können, wenn du irgendwas anders gemacht hättest.«

»Sagen die Leute so was, wenn es wirklich der Wahrheit entspricht?«

Hank zupfte an seinen Hängebacken – wo Mike recht hatte, hatte er recht. Er kratzte sich am Hemd.

»Haben sie den Täter denn schon identifiziert?«, wollte Mike wissen.

»Hanley Burrell.«

Mike dachte an den Blick von schräg hinten, den er auf den Kerl hatte werfen können. Die unrasierte Wange, wie er über Annabel kauerte und mit den Fingern obszön am Träger ihres BHs herumfummelte. Es wollte Mike nicht gelingen, mit diesem Mann einen Namen zu verbinden. Das hätte eine gewisse Menschlichkeit bedeutet, eine Realität, wohingegen diese Gestalt direkt einem Alptraum entstiegen zu sein schien. Mike drehte und wendete den Namen in Gedanken, aber es wollte sich keine Assoziation einstellen. »Woher ist der?«

»Keine Anschrift. Ich glaube, der war nur auf der Durchreise.«

»Hat er einen Bruder namens William?«

»Ja, hat er tatsächlich.«

»Lass mich raten – von dem gibt’s auch keine Anschrift.«

»Nein. Als Letztes war er in Redding gemeldet, aber das ist jetzt auch schon wieder zwei Jahre her.«

Mike atmete aus und musste sich bemühen, konzentriert zu bleiben. »Redding? Nördlich von Sacramento? In der Mitte von Nirgendwo?«

Hank nickte und hustete dabei in seine Faust. Ein rasselnder Husten, der zu lange anhielt und ihn heillos außer Atem brachte. Er senkte den Kopf und strich sich mit der Hand über den Schädel, um ein paar Haarsträhnen zu glätten. Dann richtete er sich wieder zu seiner gewohnten stolzen Haltung auf. Trotzdem sah er so zerbrechlich aus wie der Hals eines Neugeborenen.

»Hör zu«, sagte Mike, »ich weiß, das ist jetzt ungefähr das Letzte, was du momentan gebrauchen kannst, aber …«

Doch Hank hatte keinen Sinn für Nebenkriegsschauplätze und fiel ihm ins Wort: »Moment, ich hab noch mehr«, sagte er. »William hat ein ansehnliches Strafregister, wie du dir vorstellen kannst. Und auch eine Liste von Komplizen. Einer davon ist Roger Drake, ein knapp zwei Meter langes Elend, wie ein Truck, bei dem man niemand hinter der Windschutzscheibe sitzt.«

»Dodge.«

»Ganz richtig. Als die Polizisten die Nebenstraßen von deinem Haus absuchten, fanden sie kein Auto, das auf Hanley zugelassen war. Also muss ihn jemand hingebracht haben.«

»Oder er ist mit Rick Graham gefahren. Dem Polizisten, den ich …«

»Shep hat das schon erwähnt.« Hank atmete ein und sein Mund verzog sich seitlich. »Als der Krankenwagen und der nächste Streifenwagen eintrafen, war außer Annabel niemand im Haus. Und in diesem Bezirk gibt es keinen Rick Graham, der für die Polizei oder ähnliche Behörden arbeiten würde.«

»Kannst du die anderen Bezirke nicht auch noch absuchen?«

»Das sind ’ne Menge Bezirke von einem schönen Ozean zum anderen. Wäre es nicht möglich, dass seine Dienstmarke gefälscht war?«

»Er hatte ein Nummernschild mit dem E-Symbol, das nur Polizeiautos und Regierungsfahrzeuge kriegen. Außerdem schlugen meine Bullenantennen bei ihm an. Der Typ war ein Bulle. Und zwar mit jeder Menge Dienstjahren auf dem Buckel – er hatte dieses selbstbewusste Auftreten, das Benehmen, da stimmte alles.«

Statt ostentativ die Augen zu verdrehen, ließ Hank den Blick nur zur Decke wandern. Dabei schwankte er ganz leicht, und Mike wurde klar, dass er sich hinsetzen musste – Hank war zu stolz, um zu fragen, und Mike stand zu sehr neben sich, um ihm einen Stuhl anzubieten.

Also setzte er sich aufs Bett und bedeutete Hank mit einer Geste, Platz zu nehmen. Hank zog eine Grimasse, als er sich langsam auf den Stuhl sinken ließ. Von dieser neuerlichen Anstrengung wurde er wieder kurzatmig, und er blinzelte mit schweren Lidern. Was für Medikamente hatte er wohl eingeworfen, um einfach nur hier sein zu können und auf den Beinen zu bleiben? Eine Welle der Dankbarkeit überflutete Mike. Er wollte sie irgendwie ausdrücken, aber Hank schien seine Gedanken zu lesen und kam ihm zuvor, indem er ihn mit einer kurzen, gereizten Handbewegung zum Weiterreden aufforderte.

»Ich glaube, Graham war die Verstärkung, für den Fall, dass irgendwas schiefging und die Polizei die Szene betrat. Deswegen ist auch er ins Haus gegangen, nicht William und Dodge, als er Wind von meinem Notruf bekam.«

»Wenn er wirklich ein Bulle ist, warum ist er dann abgehauen?«, fragte Hank. »Warum hat er dich dann nicht einfach erschossen und hinterher einen falschen Bericht geschrieben?«

»Vielleicht hatte er das ja auch vor, nachdem er das Haus durchsucht hatte. Ich glaube, er hat sich gedacht, mal gucken, ob ich das schnell und sauber erledigen kann. Wenn er dabei erwischt worden wäre, hätte er sich prima herausreden können. Wenn er sich unbemerkt hätte davonmachen können, umso besser.«

Hank runzelte die Stirn. »Ein Polizist als Henker? Der mit Abschaum wie Hanley Burrell unter einer Decke steckt?«

»Ich schätze, Graham war der Kerl, der die Polizei gebeten hat, ein wachsames Auge auf mich zu haben.«

»Der ursprüngliche Plan war also, Hanley allein reinzuschicken, damit er die Drecksarbeit erledigt, oder?«

»Ich denke schon. Hanley tritt die Tür ein, überwältigt Annabel und hat genug Zeit, auf mich zu warten. Als ich mit …« Mike tippte mit dem Finger nervös auf den Babyphone-Empfänger an seinem Gürtel. »… Kat nach Hause komme, kann er ganz unbeobachtet agieren, und solange er meine Frau und meine Tochter ebenfalls in seiner Gewalt hat, werde ich alles tun, was er sagt. Dann räumt er anschließend noch auf. Und bringt mich um.« Er dachte an die Plane, mit der das Wohnzimmer ausgelegt war. »In dem Moment wären Annabel und Kat Zeuginnen gewesen …« Er führte den Gedanken nicht zu Ende aus. »Aber Hanley sind die Dinge schon aus dem Ruder gelaufen, bevor ich eintraf.«

Ein Schrei drang durch die dünne Wand. Kat. Mike erstarrte.

»Geh ruhig«, sagte Hank.

Mike eilte ins Nebenzimmer, streichelte Kat, bis sie wieder eingeschlafen war, und kam mit Shep im Schlepptau zurück. Der verschränkte die Arme und lehnte sich an die Kommode.

»Shep, nehme ich an?«, sagte Hank.

Shep nickte.

Hank wandte sich an Mike. »Weißt du, ich bin nur ein zweitklassiger Privatdetektiv, der mit einem Fuß schon im Grab steht. Aber ein ganz kleines bisschen weiß ich dann doch.« Er nahm zwei Zentimeter Luft zwischen Daumen und Zeigefinger, um zu zeigen, wie mäßig es um seine Kenntnisse bestellt war. »Das wenige, was ich weiß, weiß ich über Scheiß wie diesen hier, und ich sage dir: Je länger du wegbleibst, umso schwerer wird es werden, jemals zurückzukehren.«

»Wohin zurückkehren?«

»Du hast eine Leiche und den Körper deiner Frau zurückgelassen, bist mit deiner Tochter geflohen und hast eine halbe Million aus der Bank mitgenommen.«

»Dreihunderttausend.«

»Ach so. Na, dann.«

»Es ist nicht so, wie du denkst«, protestierte Mike.

»Ich hab dir doch gar nicht gesagt, was ich denke.«

Mike schwieg.

»Mit jeder Stunde, die du verstreichen lässt, siehst du verdächtiger aus«, erklärte Hank. »Du benimmst dich wie ein routinierter Verbrecher.« Er warf Shep einen Blick zu. »Nichts für ungut.«

Shep zuckte mit den Schultern. »Geht an mir vorbei.«

»Wenn du dich weiter versteckst, werden sie dich diffamieren«, fuhr Hank fort. »Du verlierst die Kontrolle darüber, was für eine Geschichte am Ende erzählt wird, und welche Spuren man verfolgt.«

»Jetzt hast du gesprochen wie ein wahrer Bulle«, stellte Shep fest.

»Mein Lieber, ich bin schon restlos erledigt, wenn ich mich bloß vom Bett zur Toilette schleppen muss – ich bin viel zu müde, um hier irgendwelche Spielchen zu spielen.« Hank wandte sich wieder an Mike. »Ich will dir helfen. Vielleicht will ich mich auch ein bisschen ablenken. Vielleicht ist es mehr als Ablenkung. Verdammt, wenn ich auch nur eine Sache richtig mache, bevor ich …« Er machte ein kleines amüsiertes Geräusch, und Mike konnte den Gedanken nicht unterdrücken, dass Hanks Standhaftigkeit vielleicht mit dem Foto des kleinen Jungen zu tun hatte, das er in seinem Büro an die Wand geheftet hatte. »Inzwischen schaue ich jeden Tag dem Tod ins Auge. Ich sehe die Dinge jetzt mit einer gewissen Klarheit. Ich glaube, so was nennt man Perspektive.«

Mike wollte ihn unterbrechen, doch Hank hob die Hand und bremste ihn. »Im Moment bist du einfach nur eine interessante Person in diesem Fall. Du bist offiziell noch nicht angeklagt worden. Aber du hast nur noch ein kleines Zeitfenster, in dem du von diesem Abgrund abrücken kannst. Die Situation ist drastisch, und da ich schon immer den Eindruck hatte, dass du niemand bist, der schön frisierte Tatsachen serviert haben will, werde ich dir erklären, wie das Gesamtbild gerade aussieht, und es wäre schön, wenn wir den Teil weglassen könnten, in dem du wütend und emotional wirst, denn die Zeit hast du nicht mehr, Mike. Es gibt Gerüchte über eheliche Untreue, dass du deine Frau ertappt hast …« Er wedelte mit der Hand. »Du kannst dir selbst ausmalen, wie das läuft. Zu neunzig Prozent geht es jetzt darum, wie du aussiehst, und du siehst schuldig aus. Bis hin zu deinem Namen: Michael Wingate. Du hast dir eine falsche Identität zugelegt …«

»Nein«, sagte Mike scharf. »Ich bin niemals Mike Doe gewesen. Ich habe meine falsche Identität abgelegt

»Wenn sie dich wegen der Tätlichkeiten gegen deine Frau anklagen …«

»Mich?«

»Sie können dir deine Vorsorgevollmacht nehmen, und wer trifft dann die Entscheidungen für Annabel? Und was willst du mit Katherine machen? Sie auf der Flucht großziehen? Wie Bonnie und Clyde? Mit Bohneneintopf mit Würstchen unter freiem Himmel? So was gibt es heute nicht mehr. Vor allem nicht, wenn man ein Kind hat. Wir müssen jemand finden, dem wir vertrauen, und dann musst du dich den Behörden stellen.«

»Schlechte Idee«, sagte Shep.

Hank drehte ihm den Kopf zu und musterte ihn. »Stell dich nicht so hartnäckig dumm, mein Sohn. Dieses Spiel heißt nicht ›Ich gegen den Rest der Welt‹.«

»So könnte es aber heißen«, erwiderte Shep. »Er hat den Bruder von dem Typen umgelegt. Und die zwei waren schon vorher nicht unbedingt nett.«

»Du hast recht. Das sind zwei üble Gestalten, die Jagd ist eröffnet, und sie haben kein kleines Mädchen im Gepäck, das sie behindert.«

»Die Jagd ist eröffnet«, wiederholte Shep. »Das gefällt mir.«

Hank starrte Mike an, als hätte nicht Shep, sondern er diese letzte Bemerkung gemacht. »Das soll’s also sein? Du willst sie selbst finden? Mit einem achtjährigen Mädchen im Schlepptau?«

Mike fummelte nervös an seinen Händen und wandte den Blick ab.

»Sie ist sehr frühreif«, warf Shep ein.

»Das sind William Burrell und Roger Drake auch. Und weißt du, was noch? Die haben wesentlich mehr Übung in solchen Sachen.« Hank stieß einen tiefen Seufzer aus. »Die Behörden können dich und deine Tochter besser schützen als du allein.«

»Es sei denn, die Behörde, bei der ich lande, arbeitet mit Graham zusammen«, sagte Mike. »Und in dem Fall würde ich mich – und Kat – direkt in die Höhle des Löwen führen. Wenn ich in U-Haft sitze, kann ich sie nicht beschützen.«

»Nicht alle Polizisten sind korrupt«, sagte Hank müde. Die fleckige Haut über seiner Schläfe zuckte. Auf einmal sah er so zerbrechlich aus, als könnte er in Scherben gehen, wenn man mit den falschen Worten nach ihm warf. »Ich muss um acht zum Arzt. Wenn du mir danach ein paar Stunden gibst, werd ich dir ein Department mit aufrichtigen Polizisten suchen, die dich schützen können, ganz egal, ob die Polizei den Auftrag hat, dich skeptisch im Visier zu behalten.«

»Ich habe gesehen, wie ein Polizist von Kats Zimmer zurückkam, das er gerade durchsucht hatte. Er trug Latexhandschuhe und hatte eine Waffe, die er mir prima hätte unterjubeln können«, wandte Mike ein. »Und Kat ist eine Zeugin. Sie hat zwei von den Männern gesehen.«

»Die hat jeder gesehen, der am Abend der Preisverleihung im Country Club war«, entgegnete Hank. »Hör zu, die ganze Sache ist nicht ansatzweise so gelaufen, wie sie sie geplant hatten. Kat hat bis jetzt noch nichts gesehen, was sie zur Zeugin machen würde. Du hast immer noch die Chance, sie aus der ganzen Sache rauszuhalten.«

»Nicht bei den Typen. Sie haben sie schließlich schon mal als Köder benutzt.«

»Kannst du sie nicht zu deinen Schwiegereltern bringen?«, schlug Hank vor. »Zu ihren Großeltern?«

Mike verschlug es den Atem, und er musste schlucken, um seine Kehle zu befeuchten. »Die wüssten nicht, wie sie sie schützen müssen.«

»Wie sieht es mit Annabel aus?« Hank stand auf und zog seine Handschuhe aus der Jackentasche. »Glaubst du, dass sie es noch mal bei ihr versuchen werden, um dich auch zu kriegen?«

»Ja«, sagte Shep und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »In einer Stunde ist Schichtwechsel. Ich muss zurück ins Krankenhaus.« Er durchquerte den Raum und machte die Tür auf. Ein schmaler Steifen blassgraues Licht fiel herein, ein erster matter Vorbote der Morgendämmerung.

Hank vertrat ihm den Weg. Keiner der beiden Männer gab nach, für einen Moment kam alles zum Stehen. Hank bahnte sich einen Weg an ihm vorbei und drehte sich draußen noch einmal um. Sein Blick ruhte auf Shep, obwohl seine Worte an Mike gerichtet waren. »Ich ruf dich in sechs Stunden an und nenne dir einen Namen und eine Polizeistation.«

Shep tat, als hätte er nichts gehört. »Trau den Bullen nicht«, warnte er Mike. Er machte eine höfliche Geste, und Hank trat beiseite, um ihn vorbeizulassen.

Ihre Autos parkten an entgegengesetzten Enden des Parkplatzes. Sie fuhren los, hinaus in den stürmischen Regen. Mike blieb noch eine geraume Weile in der Tür stehen, nachdem sie weggefahren waren.