Vor dem Hintergrund dieser ökologischen Vergangenheit können wir nun die Frage stellen: Wie sieht es heute in der Dominikanischen Republik mit Umweltproblemen aus, und in welchem Zustand sind die Naturschutzgebiete des Landes? Die wichtigsten Themen lassen sich in acht der 12 Kategorien von Umweltproblemen einordnen, die ich in Kapitel 16 zusammenfassen werde: Es sind Probleme im Zusammenhang mit Wäldern, Ressourcen aus dem Meer, Boden, Wasser, Giftmüll, eingeschleppten biologischen Arten, Bevölkerungswachstum und den Auswirkungen der Bevölkerung.

Die Zerstörung der Kiefernwälder nahm an einzelnen Stellen schon unter Trujillo große Ausmaße an und verstärkte sich in den fünf Jahren unmittelbar nach seiner Ermordung. Balaguers Abholzungsverbot wurde in jüngster Zeit unter anderen Präsidenten gelockert. Durch die Abwanderung der Bewohner aus ländlichen Gebieten in die Städte und ins Ausland hat sich die Belastung der Wälder vermindert, aber die Waldzerstörung setzt sich insbesondere entlang der Grenze nach Haiti fort, wo verzweifelte Menschen aus ihrem fast völlig entwaldeten Land in die Dominikanische Republik kommen, um dort Holz zur Herstellung von Holzkohle zu holen oder sich als Landbesetzer auf gerodeten Flächen niederzulassen. Im Jahr 2000 wurde die Zuständigkeit für den Waldschutz wieder von den Streitkräften auf das Umweltministerium übertragen, das aber schwächer ist und nicht über die notwendigen Finanzmittel verfügt. Deshalb wird der Wald heute weniger gut geschützt als zwischen 1967 und 2000.

Im Meer sind Lebensräume und Korallenriffe fast an der ganzen Küste des Landes schwer geschädigt und überfischt.

Auf den abgeholzten Flächen kam es zu umfangreicher Bodenerosion. Derzeit macht man sich Sorgen, weil die Erosion zu Sedimentablagerungen in den Stauseen hinter den Dämmen führt, die im ganzen Land der Elektrizitätserzeugung dienen. In manchen bewässerten Gebieten, beispielsweise auf der Barahona-Plantage, kam es zur Versalzung des Bodens.

Wegen der erosionsbedingten Sedimentablagerungen sowie durch giftige Abfälle und Abwässer haben die Flüsse des Landes heute eine sehr schlechte Wasserqualität. Gewässer, die noch vor wenigen Jahrzehnten sauber waren und sich gut zum Schwimmen eigneten, sind heute vom Sediment braun, und das Baden ist dort nicht mehr möglich. Industrieunternehmen und die Bewohner der städtischen Elendsquartiere, wo es keine oder nur eine unzureichende öffentliche Müllabfuhr gibt, entsorgen ihre Abfälle in den Wasserläufen. Die Flussbetten wurden schwer geschädigt, weil man sie im industriellen Maßstab zur Gewinnung von Baumaterial ausbaggerte.

Seit den siebziger Jahren wurden in den fruchtbaren landwirtschaftlichen Regionen, beispielsweise im Cibao-Tal, in großem Umfang Pestizide, Insektizide und Herbizide eingesetzt. Dabei kamen in der Dominikanischen Republik auch Giftstoffe zum Einsatz, die in den Ländern, wo sie hergestellt wurden, schon seit langem verboten waren. Die Regierung duldete diese Praxis, weil die Landwirtschaft des Landes so hohen Gewinn bringt. In ländlichen Gebieten bringen Arbeitskräfte und sogar Kinder giftige landwirtschaftliche Produkte normalerweise aus, ohne Gesicht oder Hände zu schützen. Deshalb sind die Auswirkungen landwirtschaftlicher Giftstoffe auf die Gesundheit der Menschen mittlerweile gut belegt. Mir fiel auf, dass es in der produktiven Landwirtschaftsregion des Cibao-Tals so gut wie keine Vögel gibt: Wenn die Giftstoffe so ungesund für die Vögel sind, sind sie vermutlich auch ungesund für Menschen. Ein anderes Giftmüllproblem wirft die große Eisen- und Nickelmine von Falconbridge auf, deren Rauch über einem Teil der Landstraße zwischen den beiden größten Städten des Landes (Santo Domingo und Santiago) in der Luft hängt. Die Goldmine von Rosario war vorübergehend geschlossen, weil dem Land die Technologie fehlt, um die Cyanid- und säurehaltigen Abwässer des Betriebes ordnungsgemäß zu entsorgen. Sowohl in Santo Domingo als auch in Santiago herrscht häufig Smog, die Folge einer Riesenzahl veralteter Fahrzeuge, eines steigenden Energieverbrauchs und einer Vielzahl privater Generatoren, die in Privathäusern und Firmen betrieben werden, weil die öffentliche Stromversorgung so häufig ausfällt. (Während meines Aufenthaltes in Santo Domingo erlebte ich jeden Tag mehrere Stromausfälle, und nach meiner Rückkehr schrieben mir meine Freunde aus der Dominikanischen Republik, sie hätten jetzt unter »Blackouts« von bis zu 21 Stunden zu leiden.)

Ein weiteres Problem sind eingeschleppte biologische Arten. Um abgeholzte und durch Wirbelstürme geschädigte Flächen aufzuforsten, griff man in den letzten Jahrzehnten auf ausländische Baumarten zurück, die schneller wachsen als die einheimische Dominikanische Kiefer. Unter den fremden Arten, die ich in großer Zahl beobachten konnte, waren Honduraskiefern, Kasuarinen und Teakholzbäume. Einige neu eingeführte Arten konnten sich durchsetzen, andere gingen zugrunde. Heute sind sie ein Anlass zur Sorge, denn manche von ihnen sind anfällig für Krankheiten, denen die einheimische Dominikanische Kiefer eine natürliche Widerstandskraft entgegensetzt. Aufgeforstete Berghänge könnten also ihre Pflanzendecke wieder verlieren, wenn die Krankheit unter den Bäumen ausbricht.

Die Bevölkerungszunahme im Land hat sich zwar verlangsamt, sie liegt nach Schätzungen aber immer noch bei rund 1,6 Prozent im Jahr.

Gefährlicher als die wachsende Bevölkerung des Landes sind die schnell zunehmenden Pro-Kopf-Auswirkungen der Menschen. (Mit diesem Begriff, der hier von nun an immer wieder auftauchen wird, meine ich den durchschnittlichen Ressourcenverbrauch und die durchschnittliche Abfallproduktion eines Menschen: Beide sind bei den Bewohnern moderner Industriestaaten weitaus höher als bei den Bürgern heutiger Drittweltländer oder bei allen Völkern der Vergangenheit. Die Gesamtauswirkung einer Gesellschaft entspricht ihrer Pro-Kopf-Auswirkung, multipliziert mit der Zahl der Menschen.) Durch eigene Auslandsreisen, Touristen im Land und Fernsehen wissen die Menschen in der Dominikanischen Republik sehr wohl, dass in Puerto Rico und den Vereinigten Staaten ein höherer Lebensstandard herrscht. Überall sieht man Reklametafeln, die Konsumprodukte anpreisen, und in den Städten sah ich an jeder größeren Straßenkreuzung fliegende Händler, die Handyzubehör und CDs verkauften. Zunehmend macht sich im ganzen Land eine Konsummentalität breit, die von der Wirtschaft und den Ressourcen der Dominikanischen Republik selbst nicht befriedigt werden kann und zum Teil von den Geldern abhängt, die Arbeiter aus anderen Ländern nach Hause schicken. Alle diese Menschen, die immer mehr Konsumprodukte kaufen, produzieren einen entsprechenden, immer größeren Abfallberg, der die kommunalen Entsorgungssysteme überfordert. Abfallhaufen sieht man an Wasserläufen, Landstraßen, in den Städten und auf dem Land. Ein Bewohner der Dominikanischen Republik sagte zu mir: »Der Weltuntergang wird hier nicht in Form eines Erdbebens oder Wirbelsturmes eintreten, sondern die Welt wird im Müll versinken.«

In den Naturschutzgebieten des Landes geht man unmittelbar gegen alle diese Bedrohungen mit Ausnahme von Bevölkerungswachstum und Konsumverhalten an. Das umfassende Naturschutzsystem besteht aus 74 Schutzgebieten unterschiedlichen Charakters (Nationalparks, Meeresschutzgebiete und so weiter) und nimmt ein Drittel des Staatsgebietes ein. Das ist eine beeindruckende Leistung für ein dicht bevölkertes, kleines, armes Land, dessen Pro-Kopf-Einkommen nur ein Zehntel des Wertes in den Vereinigten Staaten erreicht. Ebenso beeindruckend ist, dass dieses System nicht von internationalen Umweltschutzorganisationen geplant und eingerichtet wurde, sondern von nichtstaatlichen Organisationen aus der Dominikanischen Republik selbst. In meinen Gesprächen bei drei dieser Organisationen - der Wissenschaftsakademie in Santo Domingo, der Fundacion Moscoso Puello und der Niederlassung von The Nature Conservancy in Santo Domingo (die als Einzige meiner Kontaktorganisationen im Land nicht nur lokal arbeitete, sondern einer internationalen Einrichtung angegliedert war) - waren alle Mitarbeiter, mit denen ich zusammentraf, ohne Ausnahme Bürger der Dominikanischen Republik. Dies stand in krassem Gegensatz zu meinen Erfahrungen in Papua-Neuguinea, Indonesien, auf den Salomonen und in anderen Entwicklungsländern, wo Wissenschaftler aus dem Ausland entscheidende Positionen besetzen und auch zeitweise als Berater tätig sind.

Wie steht es mit der Zukunft der Dominikanischen Republik? Wird das System der Naturschutzgebiete, das zunehmend unter Druck steht, überleben? Besteht Hoffnung für das Land?

Auch in diesen Fragen stieß ich selbst bei meinen Freunden aus der Dominikanischen Republik auf beträchtliche Meinungsverschiedenheiten. Es gibt viele Gründe, in Sachen Umwelt pessimistisch zu sein: das beginnt schon damit, dass die Naturschutzgebiete nicht mehr durch die eiserne Faust von Joaquin Balaguer geschützt werden. Sie sind unzureichend finanziert, werden schlecht überwacht und von den Präsidenten der jüngeren Zeit nur halbherzig unterstützt, ja manche haben sogar versucht, ihre Flächen zu beschneiden oder sie zu verkaufen. An den Universitäten gibt es nur wenige gut ausgebildete Wissenschaftler, sodass auch die Heranbildung eines Kaders guter Studenten nicht gesichert ist. Die Regierung stellt so gut wie keine Mittel für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung. Einige meiner Bekannten machten sich Sorgen, die Naturschutzgebiete ihres Landes könnten eines Tages mehr auf dem Papier als in Wirklichkeit existieren.

Andererseits besteht auch ein wichtiger Grund, optimistisch zu sein, und dieser Grund ist die wachsende, gut organisierte, von unten nach oben organisierte Umweltschutzbewegung, die in den Entwicklungsländern praktisch nicht ihresgleichen hat. Sie ist willens und fähig, Maßnahmen der Regierung infrage zu stellen; einige meiner Freunde in nichtstaatlichen Organisationen wurden wegen solcher kritischer Äußerungen sogar verhaftet, konnten aber ihre Freilassung erwirken und behielten ihre Haltung bei. Die Umweltschutzbewegung der Dominikanischen Republik ist so entschlossen und leistungsfähig, wie ich es nur in wenigen anderen Ländern erlebt habe. Wie in anderen Teilen der Welt, so erkenne ich deshalb auch in der Dominikanischen Republik »ein Wettrennen zwischen destruktiven und konstruktiven Kräften, das sich exponentiell beschleunigt und dessen Ergebnis man nicht voraussagen kann«, wie einer meiner Bekannten es formulierte. Sowohl die Bedrohungen für die Umwelt als auch die Umweltschutzbewegung, die ihnen entgegenarbeitet, gewinnen in der Dominikanischen Republik an Stärke; welche Seite am Ende die Oberhand behalten wird, ist nicht abzusehen.

Ähnliche Meinungsverschiedenheiten löst auch die Frage nach den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aussichten des Landes aus. Fünf meiner Bekannten aus der Dominikanischen Republik sind heute zutiefst pessimistisch und haben praktisch keine Hoffnung mehr. Entmutigt sind sie insbesondere wegen der Schwäche und Korruptheit der Regierungen, die in jüngerer Zeit offenbar nur noch daran interessiert sind, den herrschenden Politikern und ihren Freunden zu helfen, während die Wirtschaft des Landes gleichzeitig schwere Rückschläge erlebte. So ist der früher beherrschende Zucker-Exportmarkt praktisch völlig zusammengebrochen, die Landeswährung wurde abgewertet, die Produktion in den Freihandelszonen steht zunehmend in Konkurrenz zu anderen Ländern mit niedrigeren Arbeitskosten, zwei große Banken sind zusammengebrochen, die Regierung macht zu viele Schulden und gibt zu viel Geld aus. Die Konsummentalität hat zugenommen und überfordert mittlerweile die Leistungsfähigkeit des Landes. Nach Ansicht meiner besonders pessimistischen Freunde ist die Dominikanische Republik dabei, in Richtung der gnadenlosen Verzweiflung Haitis abzugleiten, und dabei geht es schneller bergab als im Nachbarland: Der wirtschaftliche Niedergang, der sich in Haiti über eineinhalb Jahrhunderte erstreckt, wird in der Dominikanischen Republik nach ihrer Ansicht in wenigen Jahrzehnten abgeschlossen sein. Nach dieser Vorstellung wird die Hauptstadt Santo Domingo das Elend der haitianischen Kapitale Port-au-Prince teilen, wo der größte Teil der Bevölkerung ihr Leben unterhalb der Armutsgrenze in Elendsvierteln ohne staatliche Dienstleistungen fristet, während die reiche Oberschicht in einer abgeschotteten Vorstadt ihre französischen Weine schlürft.

Das ist das schlimmste denkbare Szenario. Andere Bekannte aus der Dominikanischen Republik erwiderten auf meine Frage, sie hätten in den letzten 40 Jahren schon viele Regierungen kommen und gehen sehen. Ja, auch sie räumen ein, die derzeitige Regierung sei besonders schwach und korrupt, aber sie werde mit Sicherheit die nächste Wahl verlieren, und alle Kandidaten, die für das Amt des nächsten Präsidenten infrage kommen, seien besser als der jetzige Amtsinhaber. (Tatsächlich verlor die Regierung wenige Monate nach diesem Gespräch die Wahl.) Einige Grundtatsachen sprechen dafür, dass die Dominikanische Republik bessere Aussichten hat: Sie ist ein kleines Land, in dem ökologische Probleme sofort für jedermann erkennbar werden. Außerdem ist sie eine »Gesellschaft zum Anfassen«, in der besorgte, kompetente Privatpersonen, die nicht zur Regierung gehören, sehr leicht Zugang zu Ministern finden - eine ganz andere Situation als in den Vereinigten Staaten. Und was vielleicht am wichtigsten ist: Man muss daran denken, dass die Dominikanische Republik ein unverwüstliches Land ist, das in seiner Geschichte schon viel beängstigendere Probleme überstanden hat als die, welche heute drohen. Sie überstand 22 Jahre der haitianischen Besetzung, eine nahezu ununterbrochene Folge schwacher oder korrupter Präsidenten von 1844 bis 1916 und dann noch einmal von 1924 bis 1930, und US-amerikanische militärische Besetzungen von 1916 bis 1924 und von 1965 bis 1966. Nach 31 Jahren unter Rafael Trujillo, einem der bösartigsten und destruktivsten Diktatoren in der jüngeren Weltgeschichte, gelang der Wiederaufbau. Zwischen den Jahren 1900 und 2000 machte die Dominikanische Republik einen tief greifenderen gesellschaftlichwirtschaftlichen Wandel durch als nahezu alle anderen Staaten der Neuen Welt.

Wegen der Globalisierung betreffen die Vorgänge in der Dominikanischen Republik nicht nur die Bewohner dieses Landes, sondern auch die ganze übrige Welt. Betroffen sind insbesondere die nur 1000 Kilometer entfernten Vereinigten Staaten, wo schon heute eine Million Menschen aus der Dominikanischen Republik zu Hause sind. In New York lebt heute die zweitgrößte dominikanische Bevölkerungsgruppe der Welt, die nur noch von Santo Domingo, der Hauptstadt ihres eigenen Landes übertroffen wird. Ähnlich große Gruppen gibt es in Kanada, in den Niederlanden, in Spanien und Venezuela. In den USA hat man bereits 1962 erlebt, wie die Ereignisse in Kuba, der Karibikinsel unmittelbar westlich von Hispaniola, das eigene Überleben gefährden können. Deshalb steht in der Frage, ob die Dominikanische Republik ihre eigenen Probleme lösen kann, auch für die Vereinigten Staaten viel auf dem Spiel.

Welche Zukunft hat Haiti? Es ist heute bereits eines der ärmsten und am stärksten überbevölkerten Länder der Neuen Welt, aber es wird immer noch ärmer, und die Überbevölkerung nimmt bei einem Bevölkerungswachstum von nahezu drei Prozent im Jahr weiter zu. Haiti ist so arm, und es mangelt ihm derart an natürlichen Ressourcen und an gut ausgebildeten Menschen, dass schwer zu erkennen ist, wie eine Besserung eintreten soll. Und selbst wenn die übrige Welt durch staatliche Entwicklungshilfe, Initiativen nichtstaatlicher Organisationen oder private Anstrengungen helfen will, besitzt Haiti nicht einmal die Fähigkeit, solche äußere Unterstützung wirksam zu nutzen. Im Rahmen des USAID-Programms beispielsweise floss nach Haiti ein siebenmal größerer Geldbetrag als in die Dominikanische Republik, aber die Erfolge waren in Haiti dennoch viel geringer, weil es im Land selbst weder Menschen noch Organisationen gibt, die mit der Hilfe etwas anfangen könnten.

Alle, die sich mit Haiti auskannten und von mir nach den Zukunftsaussichten befragt wurden, benutzten in ihrer Antwort das Wort »hoffnungslos«. Die meisten erwiderten einfach, es gebe keine Hoffnung. Und jene, die noch Hoffnung hatten, erklärten als Erstes, sie seien in der Minderheit und die meisten anderen hätten keine Hoffnung. Erst dann erklärten sie, warum sie noch einen gewissen Optimismus hätten: Von den vorhandenen kleinen Waldgebieten des Landes könne eine Wiederaufforstung ausgehen, zwei landwirtschaftliche Regionen produzierten Nahrungsmittelüberschüsse, die man in die Hauptstadt Port-au-Prince exportieren könne, an der Nordküste gebe es die Touristenenklaven, und es sei eine bemerkenswerte Leistung gewesen, dass Haiti seine Armee auflösen konnte, ohne in einen dauerhaften Sumpf mit Nachfolgegruppen und lokalen Milizen abzugleiten.

Nicht nur die Zukunft der Dominikanischen Republik wirkt sich wegen der Globalisierung auf andere aus, sondern das Gleiche gilt auch für Haiti. Auch hier spielen die im Ausland lebenden Haitianer eine Rolle - Menschen in den Vereinigten Staaten, Kuba, Mexiko, Südamerika, Kanada, auf den Bahamas, den Kleinen Antillen und in Frankreich. Noch wichtiger aber ist die »Globalisierung« der Probleme Haitis innerhalb der Insel Hispaniola, das heißt ihre Auswirkungen auf die benachbarte Dominikanische Republik. Haitianer pendeln über die Grenze und verrichten Arbeiten, die ihnen wenigstens eine tägliche Mahlzeit sichern, und sie holen Holz, das sie als Brennstoff in ihre Heimat mit den zerstörten Wäldern zurückbringen. Haitianische Landbesetzer bemühen sich, auf der dominikanischen Seite der Grenze als Bauern ihr Leben zu fristen, und geben sich dafür auch mit schlechtem Land zufrieden, das die Bauern aus dem eigenen Land verschmähen. In der Dominikanischen Republik leben und arbeiten mehr als eine Million Menschen haitianischer Herkunft, die meisten von ihnen illegal, aber angelockt durch die besseren wirtschaftlichen Möglichkeiten und die Tatsache, dass Grundbesitz in der Dominikanischen Republik, auch sie ein armes Land, leichter zu erlangen ist. Die Auswanderung von mehr als einer Million Bürger der Dominikanischen Republik wurde also durch die Einwanderung ebenso vieler Haitianer wettgemacht, die heute etwa 12 Prozent der Bevölkerung stellen. Haitianer nehmen schlecht bezahlte, harte Arbeiten an, die von den eigenen Bürgern des Landes meist abgelehnt werden; insbesondere in der Bauindustrie und in der Landwirtschaft übernehmen sie die anstrengende, schmerzhafte Tätigkeit, Zuckerrohr zu schneiden, sie arbeiten aber auch in der Tourismusbranche, als Wachleute, als Hausangestellte und als Fahrrad-Transportunternehmer, die mit dem Fahrrad riesige Lasten transportieren und balancieren, um sie zu verkaufen oder zu liefern. Die Wirtschaft der Dominikanischen Republik nutzt diese Haitianer als schlecht bezahlte Arbeitskräfte, aber das Land ist nicht bereit, ihnen im Gegenzug Ausbildung, medizinische Versorgung und Wohnungen zur Verfügung zu stellen, wo doch das Geld nur knapp ausreicht, solche Dienstleistungen für die eigenen Bürger zu sichern. Die Bürger der Dominikanischen Republik und die dort lebenden Haitianer sind nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell getrennt: Sie sprechen unterschiedliche Sprachen, kleiden sich unterschiedlich, nehmen andere Nahrungsmittel zu sich und sehen im Durchschnitt auch verschieden aus.

Als ich hörte, wie meine Bekannten aus der Dominikanischen Republik die Lage der Haitianer in ihrem Land beschrieben, wunderte ich mich über die auffällige Parallele zur Lage illegaler Einwanderer aus Mexiko und anderen lateinamerikanischen Staaten in den USA. Ich hörte Formulierungen wie »Arbeiten, die kein Dominikaner haben will«, »schlecht bezahlte Jobs, aber immer noch besser als das, was sie zu Hause haben«, »diese Haitianer bringen Aids, Tuberkulose und Malaria mit«, »sie sprechen eine andere Sprache und sehen dunkler aus«, und »wir sind nicht verpflichtet und können es uns nicht leisten, illegalen Einwanderern medizinische Versorgung, Ausbildung und Wohnungen zur Verfügung zu stellen«. In allen diesen Sätzen brauchte ich nur die Wörter »Haitianer« und »Dominikaner« durch »lateinamerikanische Einwanderer« und »Bürger der Vereinigten Staaten« zu ersetzen, und schon hatte ich typische Formulierungen für die Einstellung der Nordamerikaner gegenüber lateinamerikanischen Einwanderern.

Wenn die Bewohner der Dominikanischen Republik weiterhin mit dem derzeitigen Tempo in die Vereinigten Staaten und nach Puerto Rico auswandern, während gleichzeitig ebenso viele Haitianer in die Dominikanische Republik kommen, wird diese zu einem Land mit einer wachsenden haitianischen Minderheit werden, ganz ähnlich wie manche Teile der USA, die zunehmend »hispanisiert« (das heißt von Lateinamerikanern besiedelt) sind. Deshalb liegt es im ureigenen Interesse der Dominikanischen Republik, dass die Probleme in Haiti gelöst werden, genau wie die USA ein vitales Interesse an der Lösung der Probleme in Lateinamerika haben. Die Dominikanische Republik ist von den Verhältnissen in Haiti stärker betroffen als jedes andere Land.

Könnte die Dominikanische Republik für die Zukunft Haitis eine konstruktive Rolle spielen? Auf den ersten Blick sieht es nicht so aus, als könnten von hier Lösungen für die Probleme Haitis kommen. Die Dominikanische Republik ist selbst arm und hat große Schwierigkeiten, ihren eigenen Bürgern zu helfen. Die beiden Staaten sind durch eine kulturelle Kluft getrennt, zu der unterschiedliche Sprachen und ein unterschiedliches Selbstbild gehören. Auf beiden Seiten gibt es eine alte, tief verwurzelte Tradition der Abneigung - viele Bewohner der Dominikanischen Republik betrachten Haiti als Teil Afrikas und blicken auf die Haitianer hinab, diese wiederum stehen jeder Einmischung von außen misstrauisch gegenüber. Die Bewohner beider Länder können nicht vergessen, welche Grausamkeiten sie sich gegenseitig zugefügt haben. In der Dominikanischen Republik erinnert man sich nur allzu gut an die haitianische Invasion im 19. Jahrhundert, als eine Besetzung 22 Jahre dauerte (wobei die positiven Aspekte dieser Besetzung, beispielsweise die Abschaffung der Sklaverei, in Vergessenheit geraten). In Haiti wiederum ist Trujillos schlimmste Gräueltat im Gedächtnis geblieben, sein Befehl, zwischen dem 2. und 8. Oktober 1937 alle 20 000 Haitianer im Nordwesten der Dominikanischen Republik und in Teilen des Cibao-Tales mit Macheten niederzumetzeln. Heute gibt es zwischen beiden Regierungen kaum Zusammenarbeit, sondern sie betrachten einander voller Misstrauen oder sogar Feindseligkeit.

Aber alle diese Überlegungen ändern nichts an zwei grundlegenden Tatsachen: Die Umwelt der Dominikanischen Republik geht bruchlos in die Umwelt Haitis über, und Haiti ist das Land, das auf die Dominikanische Republik stärkere Auswirkungen hat als jedes andere. Langsam werden erste Anzeichen für Zusammenarbeit erkennbar. Als ich beispielsweise die Dominikanische Republik besuchte, wollte zum ersten Mal eine Gruppe von einheimischen Wissenschaftlern nach Haiti reisen, um sich dort mit Kollegen zu treffen, und auch ein Gegenbesuch der haitianischen Wissenschaftler in Santo Domingo war bereits angesetzt. Wenn überhaupt, kann sich das Schicksal Haitis nur dann zum Besseren wenden, wenn die Dominikanische Republik sich stärker engagiert, auch wenn das für die meisten Bürger dieses Landes heute noch unerwünscht und fast undenkbar ist. Letztlich aber ist es noch viel weniger denkbar, dass die Dominikanische Republik sich in Haiti nicht einmischt. Sie verfügt zwar ebenfalls nur über knappe Ressourcen, aber zumindest könnte sie auf eine Art, die noch genauer auszuloten wäre, als Brücke zwischen der Außenwelt und Haiti dienen.

Werden die Bürger der Dominikanischen Republik eines Tages solche Ansichten teilen? In der Vergangenheit haben sie Leistungen erbracht, die weit schwieriger waren als ein konstruktives Engagement in Haiti. Unter den vielen Unbekannten, die sich mit der Zukunft meiner Freunde in der Dominikanischen Republik verbinden, halte ich diese für die größte.