36

»Also meinetwegen«, sagte Jakob vier Stunden später. Sie hatten inzwischen im Restaurant gegessen (In Amerika gab es für Jakob überhaupt keine Hemmungen beim Essen, die Amerikaner hatten einen so individuellen Stil, da konnte gar nichts passieren!) und saßen nun im Salon des Appartements. Die Damen tranken ›Dom Perignon‹, Jakob trank Coca-Cola. »Also meinetwegen, du kannst bleiben, Claudia. Denn ich bin kein Unmensch. Ich helfe, wo ich kann.«

»Entschuldige, das war taktlos«, sagte Claudia. »Natürlich ist es nur das Lied gewesen, dieses verfluchte ›Stormy Weather‹. Mein Gott, mußt du diese Frau lieben …«

»Halt sofort den Mund, oder ich schmeiß dich doch noch raus!«

»Entschuldige, Jakob. Das habe ich doch voll Sehnsucht gesagt. Wenn mich doch einmal eine Frau so lieben könnte! Oder ein Mann, wenn es denn gar nicht anders geht. Die Höhe meines Gehalts festzusetzen überlasse ich dir, du bist doch ein Gentleman. Du mußt doch zugeben, daß zwei Mädchen einen Mann ungemein schmücken. Hast du alle die Kerle im Speisesaal gesehen? Denen sind ja die Augen aus dem Kopf gefallen. Ein Mädchen, na schön. Aber zwei! Da wird jeder neidisch!«

»Das ist ja auch einer der Gründe, warum ich dich engagiere, Claudia.«

»Und die anderen?«

»Es geht so nicht weiter mit mir.« Jakob seufzte.

»Aber natürlich geht es weiter! Paß auf, morgen bist du wieder wie neu!«

»Es geht nicht so weiter mit mir gesellschaftlich«, sagte Jakob erbittert.

»Bildung? Benehmen? Da hat mich heute ein Arzt auf eine Idee gebracht! Das bißchen, was man braucht, um als intellell zu gelten in den feinen Kreisen, das bringe ich mir selber bei. Pawlow! Bedingte Reflexe! Alle seine Hunde haben gesabbert, wenn’s gebimmelt hat! Das kann ich auch! Ich werde auch sabbern! Das ist alles wissenschaftlich!«

»Wenn man das so genau wüßte«, sagte die Contessa.

»Mit der Erfindung von diesem Pawlow kann ich mir selber helfen bei Benimm und Bildung. Staunen werdet ihr, was ich von mir gebe!« Jakob wurde ernst. »Nur diese Scheißgesellschaft, die wirklich feine.«

»Was ist mit der?« fragte BAMBI, gleichfalls ängstlich geworden nach Jakobs Ausbruch.

»Na, die erkennt ihn nicht an, die lacht über ihn und macht sich lustig oder verachtet ihn«, sagte Claudia. »Stimmt doch, Jakob, nicht?« Der nickte düster. »Ich würde ja drauf scheißen – zuckt nicht so zusammen, wenn man eine Contessa ist, darf man scheißen sagen, da darf man noch ganz andere Sachen sagen –, aber Jakob will unbedingt von diesen Leuten geliebt werden. Ich habe ja nie verstanden, warum. Dabei hat er ein Schloß in Bayern!«

»Du hast ein …« BAMBI versagte die Stimme.

»Ja«, sagte er böse.

»Wo?«

»Da irgendwo am Starnberger See. Einen Riesenkasten in einem Riesenpark. Fünfzig Zimmer. Zwanzig Angestellte. Direkt am Wasser.«

»Und davon hast du mir nichts erzählt! Da hast du mich noch nie hingebracht?« BAMBI war erschüttert. »Mein Leben lang habe ich mir gewünscht, einmal in einem Schloß zu wohnen! Und du hast eines und nimmst mich nicht mit auf dein Schloß, sondern fliegst mit mir um die halbe Welt zu diesen blöden Seetsch … Seetsch … du weißt schon! Warum nicht auf dein Schloß?«

»Er ist nur selten dort«, sagte Claudia. »Es ist nicht fein genug für ihn.«

»Ein Schloß?«

»Wir haben es für ihn gekauft, weißt du, liebste BAMBI

»Wer wir?«

»Na, ich und die Edle. Gleich am Anfang, bald nachdem wir ihn kennengelernt haben. Ein Mann wie Jakob muß ein Schloß haben, das ist doch klar – oder?« BAMBI nickte entschlossen. »Also haben wir ihm eines ausgesucht, von einem verkrachten Aristokraten. Und dann haben wir ihm eine Menge Blaublüter geliefert, die da unten ein fröhliches Leben führen.«

»Ja, und? Die mag er nicht?«

»Nein, BAMBI. Es sind nämlich eben nicht die ganz Feinen, Edlen, die er sich so sehr wünscht.«

»Was für welche denn?«

»Na, solche wie mich und die Edle. Die laufen in Rudeln von einer großen Einladung zur andern! Haben tun sie einen Dreck, nur ihren Titel! Arbeiten können sie nicht, faul sind sie, degeneriert sind sie, verkommen sind sie!«

»Schau dir doch Claudia an«, sagte Jakob zu BAMBI.

Claudia war nicht im geringsten beleidigt.

»Ja, schau mich an, BAMBI! Wir – solche wie ich oder die Edle –, die haben ihr Vermögen verspielt oder verhurt oder versoffen – wirklich gut, der ›Dom Perignon‹, mach bitte noch eine Flasche auf, Jakob, Darling, also ich sterbe ja für ›Dom Perignon‹ …! Wo war ich? Ach ja: Also diese ganze Blase kenne ich in- und auswendig. Solche wie mich und die Edle kann der Jakob so viele haben, wie er will – er will bloß mehr und Besseres. Besseres!«

Jakob kratzte sich den Kopf.

»Herrgott, aber ein Mann wie ich muß sich doch umgeben … umgeben, weißt du, Claudia …«

»Weiß schon. Kroppzeug wie mich schaffe ich dir ja auch ran! Die haben daraus einen richtigen Beruf gemacht! Schnorren, so sehr sie können. Wie ich! Bei allen und jedem. Sie können natürlich auch Kontakte zu den ganz guten Leuten herstellen.«

»Wer? Wer kann solche Kontakte herstellen?«

»Das ist nicht so einfach, weißt du, Jakob. Eines steht fest: Wenn du einen einzigen wirklich guten Namen für dich gewinnst, dann bist du drin. Dann glauben auch alle andern wirklich guten Leute, daß sie unbedingt zu dir kommen müssen – und regelmäßig! Und du wirst regelmäßig von ihnen eingeladen werden!«

»Claudia, du kennst doch Gott und die Welt! Kannst du mir nicht eine Einladung zu einem einzigen wirklich Guten verschaffen?«

»Das ist schwer.« Die Contessa wiegte den Kopf. »Verdammt schwer. Natürlich kann ich es versuchen. Aber das wird Zeit kosten. Du wirst Geduld haben müssen, Jakob.«

»Ich laß dir Zeit, ich fliege jetzt nach Rußland.«

»Wohin?« BAMBI fuhr auf.

»Geschäfte, liebes Kind. Willst du mitkommen?«

»Mitkom … o ja, ja, ja! Das wäre toll! Ich war noch nie in Rußland! Du bist doch nicht böse, Claudia?«

»Ach wo, Ihr kommt ja zurück. Und ich tue inzwischen, was ich kann. Versprechen … versprechen tu ich dir nichts. Diese Leute sind grauenhaft exklusiv!«

»Na schön. Aber wenn es klappt, dann irgendwas ganz Tolles! In einer ganz tollen Gegend! Santa Monica! Acapulco! Monte Carlo! Glaubst du … Mein Gott, Claudia, süße Claudia, daß du es schaffen wirst?«

»Ich denke schon«, versprach die süße Claudia.

»Wirst du uns nicht ßehr vermissen? Und eifersüchtig sein?« fragte die süße BAMBI.

»Eifersüchtig vielleicht. Aber das wird sich aushalten lassen. Es gibt ja auch noch andere, nicht wahr? Mein lieber Jakob, du mußt jetzt arbeiten, arbeiten, wenn du all das da willst, denn das alles kostet einen Haufen Geld, und ich will auch gut leben!«

»Was ist Geld? Laß dich umarmen, Claudia, laß dich küssen!« Er umarmte und küßte und herzte sie.

Bleich, undeutlich, schemenhaft und weit entfernt glaubte er dabei das Bild des Hasen zu sehen, der über diese so fürchterliche Veränderung des Bären todtraurig den Kopf hängen ließ.

Der Hase …

Ach was!

Hurra, wir leben noch
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