Prolog

Frauenuniverstität von Mississippi
Columbus, Mississippi

Sie war tot.

Melissas Herz hämmerte vom Adrenalin, das durch ihre Adern schoss, während sie sich taumelnd in Richtung Grossnickle Hall vorwärtskämpfte. Vor zwei Stunden hatte sie idiotischerweise zu ihren Freunden gesagt, sie bleibe noch eine Weile in der Bibliothek, um sich in Ruhe ihrer Recherche zu widmen.

Sie war so in das tragische Leben von Christopher Marlowe versunken gewesen, dass sie die Zeit komplett vergessen hatte und viel länger geblieben war als geplant – höchste Zeit, in ihr Studentenapartment im Wohnheim zurückzukehren. Sie hatte kurz überlegt, ihren Freund anzurufen, damit er sie abholen kam, doch er arbeitete als Regalauffüller und hatte Nachtschicht, deshalb wäre es sinnlos, es zu versuchen.

Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie dumm es war, als junge Frau ganz allein durch die Dunkelheit zu laufen, hatte sie ihre Bücher genommen und sich auf den Weg gemacht. Doch nun, als ihr die vier Männer über den dunklen Campus folgten, wurde ihr bewusst, wie leichtsinnig ihr Entschluss gewesen war.

Nur eine einzige Fehlentscheidung. Wie konnte so etwas das Leben kosten?

Und doch passierte es jeden Tag.

Aber doch nicht mir!

»Hilfe, Hilfe«, schrie sie und rannte, so schnell sie konnte, weiter. Irgendwo musste doch jemand sein, der sie sah? Jemand, der den Sicherheitsdienst rief.

Sie lief um eine Hecke herum und prallte gegen etwas. Sie sah zu dem Mann vor ihr auf.

»Bitte …« Die Worte erstarben auf ihren Lippen, als sie feststellte, dass es sich um einen ihrer vier Verfolger handelte.

Er stieß ein bösartiges Lachen aus, wobei er seine Vampirzähne entblößte.

Schreiend versuchte Melissa sich aus seiner Umklammerung zu befreien. Sie schlug mit ihren Büchern nach ihm und wehrte sich mit aller Kraft gegen seinen festen Griff.

Er ließ sie los.

Sie rannte los in Richtung Straße, wo sie geradewegs einem anderen Mann in die Arme lief. Abrupt blieb sie stehen und sah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um.

Doch sie konnte nirgendwohin. Sie würden sie kriegen.

Der ganz in Schwarz gekleidete Mann stand da, scheinbar unbeeindruckt von der drohenden Gefahr und ihrer Angst. Sein langes blondes Haar war im Nacken zu einem Zopf zusammengenommen. Er trug eine dunkle Sonnenbrille, hinter der seine Augen nicht zu sehen waren, was die Frage aufwarf, wie er in der Dunkelheit etwas erkennen konnte.

Ihn umgab eine geradezu beängstigende Aura der Überlegenheit. Er schien aus demselben Holz geschnitzt zu sein wie seine Gefährten, und doch erkannte sie, dass er anders war als sie. Er verströmte Macht. Und er wirkte auf eine zeitlose Art älter als sie, so als entstamme er einer anderen Ära.

Und er war noch furchteinflößender.

»Sind Sie auch einer von denen?«, stieß sie atemlos hervor.

Sein Mundwinkel hob sich leicht. »Nein, Schätzchen, ich bin keiner von denen.«

Sie hörte die anderen näher kommen und wandte sich um. Die Männer wurden langsamer, als sie den blonden Mann vor Melissa stehen sahen.

Angst zeichnete sich auf ihren attraktiven Zügen ab, während einem die Worte »Dark Hunter« im Flüsterton über die Lippen kamen.

Der Blonde streckte ihr die Hand entgegen.

Dankbar, dass ihr Alptraum ein Ende gefunden hatte und dieser Mann die anderen Kerle daran gehindert hatte, sie zu verfolgen und ihr wehzutun, ergriff sie sie. Er zog sie an sich und grinste ihre Verfolger höhnisch an.

Sie bebte vor Erleichterung. »Danke.«

Er lächelte. »Nein, Schätzchen, ich danke dir.«

Ehe sie sich rühren konnte, hatte er sie gepackt und seine Vampirzähne in ihren Hals geschlagen.

Der Dark Hunter schmeckte das Leben und die Gefühle der sterbenden Studentin, als er ihren Lebenssaft in sich aufsog. Er schmeckte nach Reinheit und Unschuld … sie war Stipendiatin mit glänzenden Zukunftsaussichten gewesen.

C’est la vie.

Genüsslich sog er sie weiter aus, bis er die letzten Schläge ihres Herzens wahrnahm und sie in seinen Armen erschlaffte. Das arme Ding. Doch es gab nichts Köstlicheres als den Geschmack der Unschuld.

Nichts.

Er hob sie hoch und trat langsam auf die Daimons zu, die sie verfolgt hatten.

Er übergab sie dem, der ihr Anführer zu sein schien. »Viel Blut ist nicht mehr übrig, aber ihre Seele ist noch intakt. Bon appétit