18
Mit einem tiefen Seufzer öffnete Danger die Tür zu ihrem Haus. Sie hatten die letzten Stunden damit zugebracht, sämtliche Dark Hunter aufzusuchen, und feststellen müssen, dass sie fast ausnahmslos ziemlich schlecht auf Acheron zu sprechen waren. Okay, auch ihr fiel seine ausweichende Art ab und zu auf die Nerven, aber was sie von ihnen gehört hatten, war absolut lachhaft.
Sie gaben ihm die Schuld daran, dass sie in Mississippi (ein Landstrich, den sie persönlich heiß und innig liebte) festsaßen, obwohl es sich hier keineswegs schlecht lebte. Na schön, im Sommer herrschte brütende Hitze, andererseits gab es so viel Schönes zu entdecken.
Sie warfen ihm vor, dass er ihnen ihre Unsterblichkeit nicht angenehmer machte, und noch eine ganze Reihe anderer Dinge, die sie in Wahrheit selbst in der Hand hatten und ändern konnten.
Noch viel schlimmer war das Wissen, dass Acheron ihre Gedanken lesen konnte. Kein Wunder, dass er sich nicht häufiger hier blicken ließ. Wie konnte er zulassen, dass Artemis die Dark Hunter auch weiterhin gegen ihn benutzte, während diese auf alles fluchten, was mit ihm zusammenhing? Dieser Mann besaß mehr Rückgrat als jeder andere, den sie kannte.
Sie an seiner Stelle hätte ihnen längst Auf Wiedersehen gesagt und ihnen den Rücken zugekehrt.
Die Tatsache, dass er es nicht tat …
Bedeutete, dass er entweder ein Heiliger oder ein Masochist war.
Vielleicht ein klein wenig von beidem.
»Ich kann diese Unverfrorenheit nicht fassen«, sagte sie zu Alexion und schloss die Hintertür. »Wer hätte gedacht, dass Squid ihn am liebsten tot sehen würde?«
Im Gegensatz zu ihr nahm Alexion die Situation mit nihilistischer Gelassenheit hin. In Gegenwart anderer war er eiskalt und zeigte keinerlei Gefühlsregung. Statt wie Danger vor Wut zu schäumen, stand er nur da und hörte sich ihre Schimpftiraden an.
Alexion zuckte die Achseln und knipste das Licht an. »Das passiert häufiger, als du glaubst. Wenn ich zehn Prozent retten kann, war es ein erfolgreicher Abend.«
Sie wollte eine zehnprozentige Erfolgsquote aber nicht hinnehmen. Es sollten hundert Prozent sein. Aber Squid hatte sie vor die Tür gesetzt, sobald sie das Thema Acheron auch nur angeschnitten hatten.
Ein Glück, dass sie Alexion überredet hatte, seinen weißen Mantel nicht zu tragen. Niemand konnte wissen, wie der zornige Expirat reagiert hätte, wenn ihm bewusst geworden wäre, dass er den Vollstrecker vor sich hatte, vor dem Kyros die ganze Zeit warnte.
Squid hatte sich rundweg geweigert, mit ihnen zu reden. Was für ein sturköpfiger Idiot.
»Ich denke, wir sollten ein wenig an deinen Formulierungen feilen.«
Alexion hob eine Braue. »Was gibt es denn an meinen Formulierungen auszusetzen?«
Sie ging vor ihm her ins Wohnzimmer. »Na ja, ich glaube, als du angefangen hast, Tyrell zu drohen, ist er ausgestiegen. Ist dir noch nie aufgefallen, dass Dark Hunter nicht unbedingt Typen sind, denen man drohen kann? Sie gehören zu denen, die genau das Gegenteil von dem tun, was man von ihnen verlangt, oder es zumindest mit aller Macht versuchen. Sie werden sich aus reinem Trotz ins Verderben stürzen, nur weil du ihnen befohlen hast, es nicht zu tun.«
Er runzelte die Stirn. »Aber wie soll ich sonst mit ihnen umgehen? Soll ich sagen ›Hi, ich bin hier, weil ich gern dein Freund sein möchte? Setzen wir uns doch und plaudern bei einem Tässchen Kaffee.‹?«
Sie lachte. Nein, Alexion war definitiv nicht der Typ, der bei einer Tasse Kaffee Plauderstündchen abhielt.
Doch zu den Dark Hunter passte es genauso wenig. Die meisten waren biertrinkende Typen, die gern in Bars abhingen und ihre Konflikte lieber mit den Fäusten als durch Reden lösten.
»Nein«, sagte sie und wurde wieder ernst. »Aber du könntest versuchen, etwas netter zu ihnen zu sein.«
Der vertraute finstere Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. »Ich muss aber nicht netter zu ihnen sein, sondern mich in sie hineinfühlen, um herauszufinden, auf welche Seite sie sich letzten Endes schlagen werden. Die Einzigen, um die wir uns Sorgen machen müssen, sind die Unentschlossenen. Vielleicht überlegt Tyrell es sich ja noch einmal.«
»Ich weiß nicht recht. Er war ziemlich kreativ bei der Wahl seiner Worte, als er dir erklärt hat, du sollst dich vom Acker machen.«
»Du hast recht. Es könnte schwierig werden, ihn zu überzeugen.«
Sie schüttelte nur den Kopf und ging nach oben ins Fernsehzimmer, wo sie Xirena schlafend auf der Couch vorfand. Von Keller war nichts zu sehen.
Danger zog ihr Handy heraus und rief ihn an. Es stellte sich heraus, dass er bereits vor Stunden nach Hause und zu Bett gegangen war.
»Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe, aber ich habe mir Sorgen gemacht. Nacht, Keller.«
Er wünschte ihr ebenfalls eine gute Nacht und legte auf.
Alexion trat hinter sie und beugte sich ein winziges Stück vor, um ihren Duft nach Frau und nach Magnolien einzusaugen. Wie zu erwarten war, reagierte sein Körper augenblicklich. Alles an ihr brachte seine Hormone auf Hochtouren.
Und das lag nicht nur daran, dass er scharf war.
Es gab noch andere Gründe, weshalb er sich so zu ihr hingezogen fühlte. Er mochte sie. Und mehr noch – er hatte großen Respekt vor dieser mutigen, intelligenten Frau.
Kurz gesagt – sie war ein echtes Prachtstück.
Sie trat einen Schritt rückwärts, geradewegs in seine Umarmung, legte den Kopf an seine Schulter und sah ihn an. In ihren dunklen Augen lag ein suchender Ausdruck. Etwas an ihrem Blick ließ sein Herz schneller schlagen.
War sie seine Rettung oder sein Verderben?
Der Gedanke war beängstigend. Doch dank ihr fühlte er sich beinahe wieder lebendig. Sie hatte Gefühle in ihm wiedererweckt, sie brachte ihn dazu, sich um sie zu sorgen, ihr Wohlergehen an oberste Stelle zu setzen …
Und, was das Allerwichtigste war, sie hatte die Sehnsucht und das Verlagen in ihm wieder entfacht.
Nichts in den letzten neuntausend Jahren hatte ihn so etwas wie menschliche Regungen empfinden lassen. Doch in ihrer Gegenwart gab es sogar Momente, in denen er schwören könnte, dass er wieder etwas schmeckte. Er wünschte, sie könnte ihn von seinen Sorgen ablenken.
Und am allermeisten wünschte er sich, sie würde ihn berühren.
Er legte seine Hand auf ihre Wange und neigte den Kopf, um sie zu küssen. Ein Stöhnen entrang sich den Tiefen ihrer Kehle, während sie ihre Hand in seinem Haar vergrub.
Alexions Herz drohte zu zerbersten, als er die Süße ihres Kusses schmeckte. Er löste sich von ihr, hob sie hoch und trug sie zu seinem Bett.
Er sollte es nicht schon wieder tun. Alles lief völlig aus dem Ruder, und trotzdem war sein Auftrag allein durch ihre Zärtlichkeit erträglich und erschien ihm nicht mehr ganz so schrecklich.
Danger seufzte, als er sich neben sie auf die Matratze sinken ließ. Was hatte dieser Mann nur an sich, dass er sie derart um den Verstand brachte? Der heutige Abend war in vielerlei Hinsicht eine echte Katastrophe gewesen, doch solange er bei ihr war, erschien es ihr nicht so schrecklich.
Aber all das ergab keinen Sinn. Sie wollte, dass er sie in den Armen hielt, dass er ihr half, die Welt zu vergessen, so lange, bis außer ihnen nichts mehr zählte. So hatte sie noch nie empfunden.
Sie richtete sich auf, um ihn zu küssen, während er ihre Bluse aufknöpfte. Mit einer Hand knetete er ihre Brust, langsam und zärtlich. Sie schmiegte ihre Wange an seine und genoss das Kratzen seiner Bartstoppeln, die leisen Schauder, die es ihr über den Rücken jagte.
Unfähig, sich noch länger zu beherrschen, zog sie ihm den Rollkragenpullover über den Kopf, um mit den Fingern über seine kräftigen Muskeln zu streichen. Sie schlang ihm die Beine um die Taille und drückte fest zu.
Er lachte dicht neben ihrem Ohr.
»Alles klar?«, wisperte er.
»Ja. Aber ich würde dich am liebsten verschlingen.«
Wieder lachte er. »Wie gut, dass du kein Charonte bist. Sonst bekäme ich es glatt mit der Angst.«
»Das stimmt, aber immerhin habe ich Vampirzähne …« Statt einer Erwiderung küsste er sie voller Leidenschaft und machte sich am Verschluss ihres BHs zu schaffen. Er löste sich von ihr und legte den Mund um ihre Brustwarze. Danger wölbte sich ihm entgegen und genoss das Gefühl seiner Zunge, die sie reizte und neckte.
Nach ein paar Augenblicken schob sie ihn von sich und drückte ihn aufs Bett.
Fragend sah er sie an, während sie sich an seinem Körper hinabschlängelte.
Beim Anblick ihrer wildkatzenhaften Schönheit stockte ihm der Atem. Mit einem hinterhältigen Grinsen zog sie sich Stiefel und Socken aus.
Er machte Anstalten, sich aufzusetzen, doch sie drückte ihn sofort wieder zurück.
Er hatte es eigentlich nie gemocht, wenn eine Frau die Kontrolle übernahm, doch mit ihr war es anders. Er genoss es zu sehen, wie sehr ihr seine Lust am Herzen lag. Er legte sich zurück und sah zu, wie sie seine Hose aufknöpfte und ihr seine Erektion förmlich entgegensprang.
Bei dem Anblick sog sie scharf den Atem ein, ehe sie mit ihrer weichen, kühlen Handfläche die gesamte Länge von der Spitze bis zum Schaft entlangstrich. Es kostete ihn gewaltige Mühe, nicht allein ob der einzigartigen Schönheit dieses Augenblicks zu kommen.
Sie biss sich auf die Lippe und zog ihm langsam die Hose aus. Noch immer gestattete sie ihm nicht, sich aufzurichten, sondern drückte ihn behutsam auf die Matratze zurück. »Ich will dich ansehen«, erklärte sie und entledigte sich ihrer restlichen Kleider.
Ihre exquisite Schönheit ließ sein Herz schneller schlagen. Sie nahm seinen Fuß und strich behutsam mit dem Finger über die Sohle. Wohlige Schauder überrieselten ihn, ehe sie behutsam ihre Zunge über die weiche Haut wandern ließ.
»Du bringst mich um, Danger«, stieß er abgehackt hervor.
»Das ist der Grund, weshalb meine Landsleute den Liebesakt als la petite mort bezeichnen.«
Allmählich begriff Alexion. Und noch viel besser, als sie ihn in den Mund nahm. Er konnte sich nicht erinnern, wann eine Frau ihn das letzte Mal auf diese Weise berührt hatte. Eines stand allerdings fest – eine solche Lust hatte er noch nie dabei empfunden.
Mit einem tiefen Grollen legte er seine Hand auf ihre Wange, während sie ihm Befriedigung verschaffte.
Danger stöhnte, als sie den salzigen Geschmack auf ihrer Zunge spürte. Sie hätte ihn am liebsten verschlungen, doch zugleich hatte sie sorgsam darauf geachtet, ihn mit ihren Zähnen nicht zu verletzen. Sie liebte den Geschmack und den Geruch dieses Mannes, auch wenn sie nicht sagen konnte, warum.
Doch sie hatte noch nicht genug von ihm. Sie brauchte mehr.
Abrupt setzte er sich auf und löste sich von ihr. Einen Moment lang war sie verwirrt, bis er sie nach hinten schob und auf den Rücken drehte. Er ging neben ihren Schultern auf die Knie, spreizte ihre Beine und beugte sich vor, um sie zu schmecken.
Danger grub die Fersen in die Matratze, als die Lust sie zu übermannen drohte. Es rührte sie zutiefst, dass Alexion sich nicht damit zufriedengab, verwöhnt zu werden, sondern sich alle Zeit der Welt ließ, um zu gewährleisten, dass sie dieselbe Befriedigung erlangte wie er.
Es gab viel zu viele Männer, die sich in Wahrheit keinen Pfifferling um die Frauen scherten. Sie war dankbar, dass er nicht zu ihnen gehörte.
Alexion wünschte nur, er könnte ihren Geschmack tatsächlich genießen. Er hasste es, mit dieser Einschränkung seiner Sinneswahrnehmungen leben zu müssen. Dennoch gab es keinen Zweifel daran, dass er diese Frau leidenschaftlich begehrte. Ihre Hände umfassten seine Hinterbacken, während ihre Zunge wahre Wunder vollbrachte.
Er wollte mehr. Er löste sich von ihr und drehte sich um, um sich tief in ihr versenken zu können. Zischend sog sie den Atem ein und grub ihre Nägel in sein Fleisch.
Kaum hatte er begonnen, sich zu bewegen, kam sie mit einer solchen Leidenschaft, dass er Mühe hatte, sich in ihr zu halten. Alexion lachte und ergötzte sich an ihren lustvollen Schreien. Es hörte sich an, als singe sie.
Danger umschlang ihn immer fester, während er sich weiter bewegte. Mit jedem Stoß nahm sie ihn tiefer in sich auf, was ihren Höhepunkt noch intensiver werden ließ. Sie zog ihn an sich und küsste ihn innig, während er seine Bewegungen beschleunigte. Sie liebte es, ihn in sich zu spüren, liebte die Intimität, ihn auf diese Weise in den Armen zu halten. Er war unglaublich.
Sie spürte, wie er sich anspannte, ehe er sich ein letztes Mal in ihr versenkte und sich Sekunden später mit einem Schaudern entlud. Lächelnd hielt sie ihn fest, während er von einem heftigen Orgasmus geschüttelt wurde. Als er verebbte, sank er über ihr zusammen und hielt sie fest an sich gedrückt.
Danger strich ihm das Haar aus dem Gesicht, als sie im Nachhall ihres Höhepunkts nebeneinanderlagen. Es war still im Haus. Doch ihr Herz blutete beim Gedanken daran, dass er sie bald verlassen würde. Nicht mehr lange, dann wäre er fort, und sie würde ihr Leben für den Rest der Ewigkeit allein führen müssen.
»Gibt es irgendeine Möglichkeit, dass du mich später noch einmal besuchst?«
Er straffte sich. »Nein.« Sie hörte das Bedauern in seiner Stimme.
»Wieso nicht?«
»Weil du dich, selbst wenn ich käme, nicht mehr an mich erinnern würdest.« Er löste sich von ihr und sah sie an. »So muss es sein.«
Tränen sammelten sich in ihren Augen, doch sie weigerte sich, sie ihm zu zeigen. »Das ist dir gegenüber nicht fair. Auf diese Weise kannst du niemals Freunde finden.«
»Nein, das kann ich nicht. Das hier ist alles, was ich habe.« Er seufzte. »Das ist alles, was wir haben.«
»Ich verstehe nicht, wie du so entspannt bleiben kannst. Flippst du niemals vor Wut über diese blöden Regeln aus?«
Er wandte den Kopf ab. Trotzdem sah sie den Kummer in seinen Augen. »Nein, Danger, das tue ich nicht. Glaub mir, das hier ist wesentlich angenehmer als die Alternative. So bleiben mir wenigstens ein paar Momente des Glücks, auch wenn es eingeschränkt ist.«
Sie drehte den Kopf, um ihn ansehen zu können. »Sag mir die Wahrheit, Ias.«
Er stieß einen resignierten Seufzer aus. »Ja, es gibt Zeiten, in denen ich alles für eine Chance geben würde, wieder normal zu sein. Für einen Moment wieder menschlich zu sein, essen und etwas fühlen zu können. Aber ich bin dankbar, dass ich wenigstens diese Zeit mit dir verbringen kann. Du gibst mir beinahe das Gefühl, wieder menschlich zu sein. Zumindest näher an diesem Zustand, als ich es seit langer, langer Zeit war.«
Sie küsste seine stoppelige Wange und genoss das Gefühl auf ihren Lippen. »Ich wünschte, es könnte für immer sein.«
»Ich weiß, aber das erinnert mich an einen Begriff, den Acheron immer verwendet.«
»Und zwar?«
»Er nennt es ›Schmerzmanagement‹. Man versucht, seinen Schmerz über etwas mit der Freude aufzuwiegen, die einem dieser Moment gerade geschenkt hat.«
»Und funktioniert es?«
Alexion schnaubte abfällig. »Nicht so richtig. Zumindest für mich nicht. Bei Acheron offenbar schon, denn es sieht so aus, als arrangiere er sich die meiste Zeit recht gut damit.«
Sie runzelte die Stirn. »Es gibt also Dinge, die Ash schmerzen? Welche denn?«
»Du würdest dich wundern.«
»Und was ist mit dir?«, fragte sie. »Was schmerzt dich am meisten?«
Sein Blick schien sie zu durchbohren. »Dass du nicht vor neuntausend Jahren geboren wurdest.«
Tränen schossen ihr in die Augen. Nie hätte sie damit gerechnet, dass er so etwas sagen würde. »Ich wünschte auch, wir wären uns zu Lebzeiten begegnet«, flüsterte sie.
»Allerdings hättest du mich damals höchstwahrscheinlich getötet.«
»Wie kommst du denn darauf?«, fragte sie gekränkt.
Ein verschmitztes Funkeln lag in seinen grünen Augen. »Immerhin hast du mich schon zweimal niedergestochen, seit wir uns kennen; das ist nicht gerade eine viel versprechende Statistik, finde ich.« Er schüttelte den Kopf. »Irgendetwas scheint mit mir nicht zu stimmen, wenn all die Frauen, die ich liebe, versuchen, mich zu töten.«
Danger war nicht sicher, wen seine Worte mehr verblüfften. »Wie war das?«
Unvermittelt löste er sich von ihr und machte Anstalten aufzustehen.
Danger hielt ihn zurück. »Rede mit mir, Ias.«
»Nenn mich nicht Ias, Danger. Ich bin nicht mehr dieser Mann.«
»Nein, sondern der Mann, den ich in mein Bett gelassen habe, und eines kann ich dir versichern – das kommt nicht allzu oft vor. Die meisten haben es nicht mal ins Haus geschafft.« Obwohl er aufstehen wollte, hielt sie ihn weiter fest. »Und jetzt sprich zu Ende.«
»Es spielt keine Rolle, wie ich empfinde. Oder was ich denke. Unsere gemeinsame Zeit ist begrenzt.«
»Nein, Alexion. Für mich spielt es sehr wohl eine Rolle. Ich will die Wahrheit hören. Das habe ich verdient.«
Ein bekümmerter Schatten legte sich über sein Gesicht. »Aber was nützt die Wahrheit? Ich frage dich ernsthaft – was nützt sie uns beiden?«
Doch sie ließ sich nicht beirren. Sie musste wissen, ob seine Worte ernst gemeint gewesen waren. »Liebst du mich?«
Er wandte den Blick ab. Und das war die Antwort.
Danger ließ ihn los. Eine Flut an Gefühlen brach über sie herein. Sie hätte nie gedacht, dass ein Mann das je zu ihr sagen würde. Niemals.
Am erstaunlichsten jedoch war, dass sie genau dasselbe für ihn empfand. Ein warmes, überwältigendes Gefühl der Liebe, das sie mit Freude und Angst zugleich erfüllte.
Sie zog ihn an sich und lehnte den Kopf gegen seine Schulter. »Ich liebe dich auch, Alexion.«
Sie spürte, wie sich seine Kinnmuskeln anspannten.
»Wir werden diese Beziehung aber niemals leben können. Das ist dir doch klar, oder?«
»Ja«, erwiderte sie. »Und wenn die Zeit kommt, werde ich dich küssen und Auf Wiedersehen sagen. Ich werde dich nicht anflehen, bei mir zu bleiben, und es dir damit noch schwerer machen. Das verspreche ich dir.«
Alexion schwieg. Doch in Wahrheit wollte er etwas ganz anderes tun.
Er wollte …
Verdammt, Acheron.
Doch am meisten verfluchte er sich selbst. Wäre er nicht so dumm gewesen, so kurz nach seinem Pakt mit Artemis zu seiner Ehefrau zurückzukehren, hätte er noch die Chance, wieder menschlich zu werden.
Acheron hätte etwas für einen Handel um seine Seele in der Hand gehabt …
Doch hätte er andererseits nicht unbedingt zu seiner Frau zurückkehren wollen, hätte Acheron niemals die Vereinbarung mit Artemis geschlossen, die es allen Dark Huntern gestattete, ihre Freiheit zurückzuerlangen.
Und eines Tages wäre auch Danger wieder frei.
Aber ohne mich …
Es stimmte. Für ihn gab es keinen Ausweg. Keine Zukunft mit Danger oder irgendeiner anderen Frau. Nicht dass er eine andere gewollt hätte. Sie war die Einzige, die er je lieben würde. Für immer. Daran bestand kein Zweifel.
»Ich hätte nicht herkommen dürfen, um Kyros zu retten«, krächzte er. »Kyros ist so gut wie tot, und ich schaffe hier nur Erinnerungen, die mir in den zukünftigen Jahrhunderten nichts als Kummer und Schmerz einbringen werden.« Aber wenigstens würde sie nichts davon mitbekommen, seinen Schmerz nicht nachempfinden können.
Er vergrub seine Hand in ihrem Haar. »Ich werde dich sehen können. Aber du mich nicht. Ich könnte sogar auf der Straße an dir vorbeigehen, und du wüsstest nicht, dass ich es bin. Ich werde ein Fremder für dich sein.«
Tränen standen in ihren Augen. »Ich will dich nicht vergessen, Alexion. Niemals.«
»Du hast keine Wahl. Du weißt zu viel über Acheron. Er wird niemals gestatten, dass dir deine Erinnerungen bleiben.«
Wut flackerte in ihr auf. »Es interessiert mich aber nicht, was er sagt. Ich werde dich nicht vergessen. Irgendwie wird es mir gelingen, mich an dich zu erinnern. Es ist mir egal, wie mächtig er ist. Er kann mich nicht zwingen, dich zu vergessen.«
Er wünschte, er könnte ihr glauben.
»Du musst etwas schlafen, Danger. Wir haben eine lange Nacht vor uns.«
Sie nickte. »Wirst du auch schlafen?«
»Später. Ruh du dich aus.«
Sie blieb im Bett liegen, während Alexion aufstand und sich anzog. Seine Gedanken überschlugen sich.
Entschlossen schob er sie beiseite und ging zu Xirena, die noch immer schlafend auf dem Sofa lag.
Sie hatte die Beine angezogen, während ihr Kopf schlaff zur Seite hing. Ein Arm lag quer über ihrem Kopf und berührte den Boden, der andere ruhte auf ihrer Brust. Alexion lächelte beim Anblick dieser Position, die ihn so sehr an Simi erinnerte, nahm eine Decke und breitete sie über ihr aus.
Seine Zeit hier in Mississippi war ohne jeden Zweifel der seltsamste Auftrag, den er je gehabt hatte.
Aber wenigstens hatte er die Zeit wieder auf seiner Seite. Stryker dachte, er trage noch immer die arme Seele in sich, die ihn bei jedem Schritt behinderte.
Deswegen würde ihn der Daimon vorläufig in Ruhe lassen. Zumindest so lange, wie er glaubte, dass die Seele noch am Leben war. Das verschaffte ihm ein paar Tage, um mit den anderen Dark Huntern in Kontakt zu treten und ihnen auf den Zahn zu fühlen.
In drei Tagen würde er sie alle zusammentrommeln, und dann würde über ihr Schicksal entschieden.
Seine Gedanken wanderten zu Kyros. Am liebsten hätte er einen lauten Fluch ausgestoßen. Sein alter Freund war so gut wie verloren. Er konnte ihm nicht mehr helfen.
Aber ich habe Danger gefunden.
Doch am Ende würde er sie beide verlieren.
Das Leben war eine verdammt miese Sache.
»Pass gut auf Dangereuse auf.«
Alexion erstarrte, als das Flüstern einer weichen Frauenstimme in seinem Kopf widerhallte. Wüsste er es nicht besser, hätte er geschworen, es sei …
»Artemis?«
»Der Daimon will deinen Tod. Wenn er dich nicht kriegt, wird er sich jemand anderen suchen.«
Alexion schluckte. »Wieso hilfst du mir, Artie? Ich weiß, dass du mich hasst.«
»Ich bin nicht Artemis. Sondern nur eine Freundin, die nicht will, dass Stryker jemand anderen verletzt.«
»Und wie soll ich ihn bekämpfen?«
»Wer das Unbesiegbare besiegen will, darf nicht auf seinen Körper zielen. Ziele auf sein Herz, das ist der richtige Weg.«
»Aber genau das habe ich ja versucht. Leider ist er ziemlich flink.«
Die Stimme schwieg.
»Hallo?«, rief Alexion, doch es kam nichts mehr.
»Na, wunderbar«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Stryker würde also versuchen, sich Danger zu schnappen, und die einzige Möglichkeit, sie zu retten, bestand darin, einen Gott zu schlagen, der nichts besaß, was einem Herz auch nur ansatzweise nahe kam.
»Verdammt, wir sind geliefert.«