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Charlotte konnte ihre Geschwister sogar davon überzeugen, für diesen besonderen Anlass etwas zum Anziehen zu kaufen. Noah, der im ersten Moment gerade einmal mit einem praktischen dunklen Anzug einverstanden gewesen war, stand plötzlich in einem hocheleganten schwarzen Anzug mit beigefarbener Seidenweste, Halstuch, Cape, Handschuhen, Hut und glänzenden Lederschuhen da, ohne ganz zu begreifen, wie es so weit hatte kommen können. Charlotte selbst hatte sich für ein kostspieliges türkisblaues Kleid mit passendem Cape entschieden, viel zu dünn für diese Jahreszeit. Nur Hortensia, die kein Geld für etwas ausgeben wollte, das sie ihrer Meinung nach kaum jemals wieder tragen würde, wählte eine preiswerte und dezente Kombination, die sie auch zu anderen Anlässen anziehen könnte.

Als die drei Geschwister am 31. Dezember 1859 in ihren neuen Kleidern das Haus verließen, wartete die Kutsche von Mr. O’Flanagan schon unten an der Steigung zur Arch Street.

Der Kutscher stieg vom Bock, öffnete die Tür und wartete, bis seine drei Fahrgäste den Hügel heruntergekommen und eingestiegen waren.

Dann fuhr er los.

«Wie kalt es ist», rief Charlotte und rieb sich die Hände.

«Ich habe dir ja gleich gesagt, dass dieses Cape nicht warm genug ist.»

«Ich weiß, Hortensia. Aber es war so wunderschön. Außerdem hätte ich nicht gedacht, dass es so kalt ist.»

Hortensia zog die Augenbrauen hoch und tauschte einen kurzen Blick mit Noah. Sie alle hatten Boston zur Genüge kennengelernt, und man musste schon sehr dämlich sein, um eine so armselige Ausrede zu glauben.

Doch Charlotte zitterte dermaßen, dass Hortensia sie besorgt ansah und ihr ein Stück von ihrem Cape abgab.

Noah hatte eine bessere Idee. Ihm fiel ein, dass man in den hohlen Kutschbänken manchmal Decken und andere Dinge aufbewahrte. Er versuchte sein Glück und klappte seine Seite auf, und tatsächlich fand er dort neben einem Seil und ein paar Kissen eine Felldecke, unter der Charlotte sofort verschwand, kaum dass er sie ihr reichte.


Die vornehme Beacon Street verlief vor dem Boston Common Park, am Fuß des gleichnamigen Hügels.

Während die Kutsche durch den Lichtkorridor fuhr, der sich durch die Gaslampen über der gepflasterten Straße öffnete, tauchten die Umrisse der Villen aus der Dunkelheit auf, und Charlotte wurde immer euphorischer. Schließlich hielt die Kutsche vor dem größten und prächtigsten Anwesen an.

Bei Noah und Hortensia stellten sich andere Gefühle ein, als die Kutsche an ihrem Ziel ankam. Noah konnte sich Angenehmeres vorstellen, als den Silvesterabend unter den feindlichen Blicken weißer Männer zu verbringen. Auch Hortensia fühlte sich unbehaglich bei dem Gedanken, sich in der Gesellschaft zu bewegen, als wäre nichts geschehen. Die Angst, jemand könnte ihr Geheimnis entdecken, lag ihr so schwer auf der Brust, dass es ihr fast den Atem nahm.

Beim Aussteigen spürte Charlotte erneut empfindlich, dass ihr Cape für den harten Bostoner Winter eindeutig zu dünn war, und drängte sich zwischen ihre Geschwister. Zum Glück wurde ihnen sofort geöffnet. Brian O’Flanagan begrüßte sie persönlich an der Tür.

«Meine Damen, Noah», begrüßte er seine Gäste, küsste Hortensia und Charlotte die Hand und drückte sehr herzlich die ihres Bruders.

«Guten Abend», erwiderten die drei wie aus einem Mund.

Dann übergaben Noah und Hortensia ihre Capes einem Diener, der hinter ihrem Gastgeber aufgetaucht war. Charlotte, die furchtbar für ihren triumphalen Einzug gefroren hatte, legte ihr Cape nur widerwillig ab. Hilflos musste sie zusehen, wie es in einem Schrank verschwand, ohne dass jemand es bewundern konnte.

«Kommen Sie doch bitte herein», bat Brian, und die drei folgten ihm durch eine Doppeltür aus massivem Holz, die den Eingangsbereich vom Rest des Hauses trennte.

Sie gingen an einer Treppe mit einem elegant geschwungenen Mahagonigeländer vorbei, auf deren Treppenabsatz sich ein hohes Fenster öffnete, und traten durch einen Türbogen links neben der Treppe in den Salon.

Hortensia war an Brians Arm vorausgegangen und blickte sich bewundernd um. «Was für ein schönes Haus.»

«Danke, Miss Lacroix.»

Charlotte, die ein paar Schritte dahinter neben Noah ging, spitzte ihre Ohren, um jedes Wort mitzuhören.

«Eigentlich habe ich in den Außenbezirken der Stadt gelebt, aber nachdem vor vier Jahren meine Frau gestorben ist, bin ich in das Haus meiner Eltern zurückgekehrt.»

«Oh, das tut mir sehr leid», brachte Hortensia voller Mitgefühl heraus. Dann schwiegen beide.

Im Salon warteten die anderen Gäste. Es war nur etwa ein Dutzend Personen anwesend. Die meisten standen in kleinen Grüppchen herum und unterhielten sich angeregt bei einem Glas Champagner. Im Hintergrund spielte ein Violinquartett.

Als Charlotte zusammen mit Noah eintrat, spürte sie, wie man zunächst ihr ein paar diskrete Blicke zuwarf. Dann aber starrten alle Noah an.

Eine rothaarige Frau mit dunkelblauen Augen löste sich aus einer der Gruppen und kam auf sie zu.

Brian lächelte. «Mutter, ich möchte dir Charlotte und Hortensia Lacroix vorstellen.»

«Ich bin Beatriz O’Flanagan, sehr erfreut», sagte sie mit einem strahlenden Lächeln.

«Und das hier ist Noah», sagte Brian, und sofort galt ihre ganze Aufmerksamkeit ihm.

«Sie sind also der junge Mann, der meinen Enkel gerettet hat», rief sie. «Unser Sohn hat erzählt, dass Sie Ihr Leben riskiert haben, um ihn zu beschützen.»

Gerade wollte Noah dies abstreiten, als sie mit ihrer behandschuhten Hand sanft die seine ergriff.

«Nein, bitte», sagte sie. «Das, was Sie getan haben, war sehr mutig und edel. Sie sollen wissen, dass meine Familie Ihnen immer dankbar sein wird.»

Respektvoll senkte Noah den Kopf.

«Wenn Sie erlauben, stelle ich Ihnen unsere übrigen Gäste vor», sprach Mrs. O’Flanagan weiter, legte ihre Hand auf seinen Arm und ging auf eine Gruppe zu. Brian folgte mit Charlotte und Hortensia.

«Das sind meine Cousine Josephine Russell und ihre Tochter Ursula», sagte Brians Mutter. «Ich möchte euch Noah vorstellen, und Charlotte und Hortensia Lacroix.»

«Sehr erfreut», gaben die beiden Damen zurück, allerdings konnte Josephine nicht verhindern, dass ihr Mund sich leicht angeekelt verzog, als Noah einen Schritt auf sie zu machte, um sie zu begrüßen. Dafür studierte sie mit Kennermiene die mehrsträngige Kette aus wilden Perlen, die Charlotte um den Hals trug.

Danach kam die Reihe an die einzigen Gäste, die nicht zur Familie gehörten. Ein Paar mittleren Alters war in Begleitung eines noch jugendlichen Sohnes gekommen. Bei ihnen stand ein attraktiver dunkelhaariger Mann, der auf den Namen Fernando Fuentes hörte und den Brian als guten Freund vorstellte. Mr. Fuentes hatte seinen Blick nicht von Charlotte wenden können, seit sie den Saal betreten hatte. Wieder tauschten sie die Begrüßungsfloskeln aus, die die Etikette ihnen auferlegte, und gingen weiter die Runde.

«Mein Onkel Lionel Sanders, Josephines Vater», sagte Mrs. O’Flanagan im Vorbeigehen und deutete auf einen hochgewachsenen, mageren Mann, der die achtzig sicherlich schon überschritten hatte, auf einem Sofa vor sich hin döste und sich nicht um das Geschehen kümmerte.

Schließlich kamen sie zum letzten Gast. Gemütlich saß er vor dem Kamin und stand auch nicht auf, als sie sich näherten. Gelassen zog er an einer Zigarre und stieß eine dichte Rauchwolke aus, die die Luft mit einem durchdringenden, süßlichen Duft erfüllte.

Die Ähnlichkeit mit Brian war so offensichtlich, dass Charlotte auch ohne Vorstellung wusste, dass es sich um seinen Vater handeln musste. Jetzt legte er die Zigarre beiseite und stand auf, nachdem seine Frau ihm einen kurzen Blick zugeworfen hatte.

«Raymond O’Flanagan», stellte er sich vor.

Charlotte blickte in ein Paar dunkle, tiefgründige und intelligente Augen, die ihr furchtbar bekannt vorkamen. Zuerst dachte sie, dass es wohl die Ähnlichkeit mit Brian sein musste, aber dann merkte sie, dass Brians Augen, auch wenn sie die gleiche Farbe hatten wie die seines Vaters, nicht mit der gleichen Intensität strahlten. Charlotte spürte förmlich, wie dieser Blick ihre Erinnerungen aufwühlte, konnte ihm aber kein Gesicht zuordnen.

Das Familienoberhaupt wandte sich direkt an Noah.

«Sie sind also der junge Mann, der unserem Enkel das Leben gerettet hat …»

Bescheiden nickte Noah.

«Es ist uns eine große Ehre, dass Sie gekommen sind», sagte Raymond O’Flanagan.

In diesem Moment begannen die anderen Gäste ins Esszimmer hinüberzugehen. Hortensia hatte ein paar Worte mit Brian gewechselt und konnte das verhaltene Gemurmel hören, das Noahs Anwesenheit ausgelöst hatte. Sie war tief getroffen von der sichtlichen Verachtung, die diese Menschen für ihren Bruder empfanden. Und unwillkürlich bereute sie, zugelassen zu haben, dass Charlotte ihren Willen durchgesetzt hatte und Noah nun diese unangenehme Situation ertragen musste.

Zudem warf Josephine Noah nun einen Blick zu, bei dem sich Hortensia das Nackenhaar sträubte. Noah war hier nicht willkommen, und diese Frau wollte ihm das zeigen.

«Ich sehe, dass nicht alle unsere Gäste so dankbar sind wie ich», sagte Brians Vater sarkastisch und erwiderte Josephines Blick, die sofort woanders hinsah.

Nach einer stummen Ermahnung seiner Frau lächelte er und klopfte Noah freundlich auf die Schulter.

«Machen Sie sich keine Sorgen, mein Freund. Meine eigene Anwesenheit gefällt den meisten Verwandten meiner Frau ebenso wenig», teilte er ihm amüsiert mit. «Kommen Sie. Heute sitzen Sie an meiner Seite.»

Wenn Charlotte und Hortensia nicht so viel Luxus gewöhnt gewesen wären, hätten sie mit offenem Mund gestaunt. Man hatte für diesen Anlass an nichts gespart. Der Tisch war wundervoll geschmückt worden. Die traditionellen Blumenarrangements auf der Tafel waren durch ein paar Mistelzweige ersetzt worden. Die Gläser waren aus feinstem Kristall, Silber und Porzellan waren mit hübschen weihnachtlichen Motiven verziert, und sogar auf die Servietten waren Christbäume gestickt.

Beatriz O’Flanagan saß an einem Kopfende des Tisches, Hortensia bekam den Platz zu ihrer Rechten, Mr. Fuentes den zu ihrer Linken. Neben ihm saß Charlotte. Noah saß am anderen Ende des Tisches neben Raymond O’Flanagan, der das andere Kopfende eingenommen hatte.

Als alle Platz genommen hatten, bemerkte Charlotte, dass der Stuhl zu ihrer Linken leer geblieben war. Niemand außer ihr schien sich daran zu stören, dass das Abendessen gebracht wurde, obwohl der letzte Gast noch nicht erschienen war.

«Hoffentlich ist nichts passiert», bemerkte Charlotte zu Mr. Fuentes und deutete auf den leeren Stuhl.

«Machen Sie sich keine Sorgen, Miss Lacroix, er kommt immer zu spät», flüsterte der Tischnachbar.

Lächelnd bedankte Charlotte sich für die Erklärung und betrachtete die Garnelen, die der Diener gerade vor sie hingestellt hatte. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Überrascht stellte sie fest, dass alle Gäste mit dem Essen anfingen. Anscheinend würde man nicht auf den verspäteten Gast warten. Sie warf ihrer Schwester einen fragenden Blick zu. Auch die zögerte, aber dann zuckte Charlotte mit den Schultern und spießte entschlossen eine Garnele auf. Wie immer hatte sie einen Mordshunger.

Nach den Horsd’œuvres wurden Pilzküchlein serviert, dann ein delikater Meeresfrüchtesalat und schließlich das Hauptgericht, ein mit Orangenscheiben und gebackenen Kartoffeln garniertes gebratenes Zicklein, zu dem es eine wunderbar nach wilden Kräutern duftende Soße gab.

Beim Essen unterhielt Fernando Fuentes die drei Damen an seiner Seite mit amüsanten Geschichten.

«Du bist wirklich ein furchtbarer Mensch, Fernando», sagte Mrs. O’Flanagan, nachdem er eine pikante Anekdote über einen Schmuckhändler und seine Gattin erzählt hatte.

«Meine liebe Beatriz, Sie wissen doch, dass ich nie etwas erfinde.»

«Eben drum. Und es erstaunt mich, dass man dich in den guten Bostoner Familien noch immer empfängt.»

Jetzt lächelte er Hortensia an, die sofort errötete. An seiner sanften Art zu sprechen und dem Blick, den er Hortensia zugeworfen hatte, konnte Charlotte deutlich den Verführer erkennen. Als er nun sie ansah, blickte Charlotte scheu auf ihren Teller.

Bestimmt bildete Fernando Fuentes sich jetzt ein, Eindruck auf sie gemacht zu haben. Innerlich musste sie lächeln. Wie einfach es doch war, Männer zu manipulieren, die sich für unwiderstehlich hielten.

Plötzlich vernahm Charlotte energische Schritte hinter sich.

«Es tut mir leid!», hörte sie die Stimme eines jungen Mannes sagen, woraufhin alle Gäste ihre Augen von den Tellern hoben.

Josephine warf dem Unbekannten sogar einen unfreundlichen Blick zu, bevor sie sich wieder ihrer Mahlzeit zuwandte.

«Ich fürchte, ich bin mal wieder zu spät», sagte die Stimme mit einem frechen Unterton.

Charlotte hätte sich nur zu gern sofort umgedreht, aber selbst sie fand zu viel Neugierde etwas unschicklich. Deshalb hatte sie noch keinen Blick auf den Unbekannten erhaschen können, der sich nun auf den Stuhl neben ihr fallen ließ. «Danke, George», sagte er freundlich, als der Diener sofort ein Stück Fleisch auf seinen Teller legte. «Könntest du mir auch noch etwas Salat bringen?»

Sprachlos beobachtete Charlotte, dass der Mann, noch bevor er sich die Handschuhe ausgezogen hatte, die Salatschüssel in Empfang nahm, den Inhalt auf seinen Teller kippte und sie dem Diener zurückgab.

«Entschuldigt, aber ich bin wirklich hungrig», sagte er in die Runde und fing an zu essen.

In ihrem ganzen Leben hatte sie noch keinen Menschen gesehen, dem es derartig an Manieren mangelte, dachte Charlotte und wollte gerade einen genaueren Blick auf ihn werfen, als sie bemerkte, dass Hortensia ganz blass geworden war. Sie sah aus, als hätte sie ein Gespenst gesehen.

Und plötzlich fiel ihr alles wieder ein. Die Handschuhe, die unverschämte Stimme, Raymond O’Flanagans Augen, all das nahm in ihrer Erinnerung Form an. Ein kurzer Seitenblick genügte, und sie erkannte sogar den alten Anzug wieder, den er bereits in Virginia getragen hatte. Starr blickte sie vor sich auf den Teller.

«Scott», sagte Mrs. O’Flanagan und zerstreute damit auch den allerletzten Zweifel.

«Ja, Mutter?»

«Ich glaube, du kennst unsere Gäste noch nicht.»

Scott richtete sich auf und blickte auf die Frau, die neben seiner Mutter saß. Hortensia hielt den Atem an.

«Miss Hortensia Lacroix, ihre Schwester Charlotte und Noah, der junge Mann, der Peter das Leben gerettet hat.»

Ein Lächeln zeigte sich auf Scotts Gesicht.

«Was für eine Überraschung! Es ist mir ein Vergnügen, Sie wiederzusehen», sagte Scott und nickte Hortensia zu.

«Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite», stotterte sie.

Jetzt blickte er auf seine Tischnachbarin zur Rechten. «Miss Charlotte», begrüßte er sie mit einem frechen Grinsen und zwang sie dazu, ihn anzusehen.

«Mr. O’Flanagan», erwiderte sie kühl, entschlossen, ihn nicht anzulächeln.

Inzwischen hatten sie die Aufmerksamkeit des ganzen Tisches auf sich gelenkt. Auch Noahs Gesichtsausdruck verriet, dass er Scott wiedererkannt hatte.

«Sie kennen also meinen Sohn?», fragte Mrs. O’Flanagan.

«So ist es», antwortete Charlotte knapp.

«Ich hatte das Vergnügen, die Schwestern Pa…»

«Lacroix», fiel Charlotte ihm mit einem stechenden Blick ins Wort.

«… die Schwestern Lacroix bereits kennenzulernen», beendete Scott seinen Satz.

«Was für ein schöner Zufall», rief Scotts Mutter nun bewegt aus.

«O ja, Mutter. Auch wenn ich befürchte, dass die Damen mich nicht in besonders guter Erinnerung haben», fügte er hinzu.

«Das wundert mich überhaupt nicht», mischte sich sein Vater vom anderen Ende des Tisches ein. Josephine nickte beipflichtend.

«Nun, Vater, ich fürchte, auch deine Umgangsformen hätten der strengen Prüfung der guten Gesellschaft der Südstaaten nicht standgehalten.»

Unfreiwillig musste Josephine wieder nicken.

«Das stimmt doch, Tante?»

Bei der unerwarteten Frage ihres Neffen hörte Josephine sofort auf zu nicken. Obwohl ihre Abneigung gegenüber Raymond O’Flanagan offensichtlich war, wollte sie den Mann, der ihre Familie ernährte, trotzdem nicht beleidigen.

«Es genügt, Scott!», warf seine Mutter ein.

«Verzeihen Sie, wenn ich Sie gekränkt habe, Tante.»

Josephine antwortete mit einem säuerlichen Blick, den Scott mit einem Lächeln erwiderte.

Brian fing jetzt an von der Oper zu reden, die gerade in der Stadt uraufgeführt worden war, und Charlotte nutzte die Ruhe, um das letzte Stück Fleisch auf ihrem Teller zu essen.

«Ich sehe, dass Sie Ihren Appetit nicht verloren haben», flüsterte Scott ihr ins Ohr, als die Gabel komplett in Charlottes Mund verschwunden war.

«Und Sie haben noch immer keine Tischmanieren», gab Charlotte zurück und warf einen Blick auf die abgetragenen Lederhandschuhe.

«Das kann ich nicht leugnen, liebe Miss Lacroix. Wollen wir nicht trotzdem Frieden schließen?»

«Ich wusste gar nicht, dass wir uns im Krieg befinden.»

Josephine bemühte sich, jedes der Worte zu erhaschen, die ihr Neffe mit der von Brian eingeladenen Dame gewechselt hatte.

«Miss Charlotte», fragte sie, «wo haben Sie meinen Neffen denn kennengelernt?»

«Im Süden», antwortete Charlotte zuvorkommend. Hortensia saß stocksteif auf ihrem Platz.

Jetzt hakte Brians Mutter nach. «Ich glaube, Brian hat mir gar nicht erzählt, aus welchem Teil der Südstaaten Sie kommen.» Die gefährliche Neugierde war offensichtlich ansteckend.

«Unsere Familie stammt aus New Orleans.»

«Was für ein wundervoller Ort», rief Mr. Fuentes wehmütig aus.

«Dann haben Sie also in New Orleans gelebt?», wollte Josephine wissen.

Ein neugieriger Blick offenbarte, dass Scott anscheinend noch mehr an der Antwort interessiert war als seine Tante.

Bevor Charlotte antwortete, tauschte sie einen Blick mit Hortensia, die immer blasser wurde. Auch Noah hörte etwas angespannt zu.

«Das Anwesen unserer Familie liegt in der Stadt, aber wir haben die meiste Zeit auf dem Land gelebt, auf der Plantage unseres Vaters», erklärte Charlotte ausweichend.

Überrascht wandte sich Mrs. O’Flanagan an ihren Sohn.

«Ich wusste gar nicht, dass du einmal in New Orleans warst, Scott.»

«Leider war ich das auch nie, Mama.»

Scott wollte schon fortfahren, als er einen Blick von Hortensia auffing, der ihn inständig bat, Schweigen zu bewahren.

«Ich habe die Damen bei einem gemeinsamen Freund kennengelernt», sagte er vage.

«Bei Richard?», fragte seine Mutter.

Scott nickte.

Bei der Erwähnung dieses Namens fiel ein Schatten über Charlottes Gesicht.

«Ein sympathischer junger Mann», erklärte Beatriz jetzt begeistert. «Vergangenen Sommer ist er mit seiner Frau hier zu Besuch gewesen. Ein wundervolles Paar. Sie waren auf ihrer Hochzeitsreise und so verliebt! Leider konnten sie nur ein paar Tage bleiben, und Scott war nicht in der Stadt, sie konnten sich also gar nicht sehen.»

Das war zu viel. Bei diesen Worten war Charlottes Wunde wieder aufgebrochen.

«Geht es Ihnen gut?», fragte Josephine neugierig. «Sie sind ganz blass geworden.»

Am liebsten hätte Charlotte diese Frau am Hals gepackt und gewürgt. Aber sie lächelte freundlich. «Danke, mir geht es ausgezeichnet», log sie und hoffte, dass ihre Wut für etwas mehr Röte auf ihren Wangen sorgen würde.

Einen Moment lang überlegte Scott, ob vielleicht Richards Hochzeit der Grund gewesen war, weshalb Hortensia und Charlotte Virginia verlassen hatten und in Boston lebten. Aber wieso war auch ihr Sklave bei ihnen? Hortensias flehentlicher Blick und Charlottes Bemühungen, einen der angesehensten Namen aus Virginia zu verbergen, legten die Vermutung nahe, dass etwas mehr hinter alldem steckte als enttäuschte Liebe.

Charlotte spürte, wie Scott sie ansah. Er wirkte ernst.

Zum Glück kamen die Dienstboten jetzt herein, räumten den Tisch ab und servierten jedem ein köstliches Stück Torte.

Als sie wieder verschwunden waren, hatte Charlotte ihre gesunde Gesichtsfarbe wieder.

«Ah, großartig!», rief Scott aus, als er die Torte probierte. Insgeheim musste Charlotte ihm ausnahmsweise beipflichten.

«Wie gefällt Ihnen denn unsere Stadt?», fragte Beatriz O’Flanagan Hortensia.

«Oh, sie ist wunderschön. Und es leben so viele Menschen hier.»

«Nun, so groß ist die Stadt eigentlich nicht», erklärte Josephine, die nur darauf gewartet hatte, sich an der Unterhaltung zu beteiligen. «Aber im Süden gibt es wohl keine so großen Städte. Da Sie vom Land kommen, ist es nur natürlich, dass eine so große Stadt Sie erdrückt. Sie haben sicher sehr einsam gelebt …»

«Oh nein, es gefällt mir hier», antwortete Hortensia. «Außerdem waren wir oft in der Stadt.» Sie vermied den Namen Richmond. «Und wir haben auch nicht einsam gelebt.»

«Pardon, das habe ich vergessen. Sicher hatten Sie eine Menge … Sie wissen schon», sagte Josephine bösartig.

Obwohl den ganzen Abend niemand gewagt hatte, das Wort auszusprechen, hatte Josephine es geschafft, alle darauf aufmerksam zu machen, dass diese Frauen andere Menschen ihr Eigentum nannten.

Beschämt senkte Hortensia den Kopf und schwieg.

Charlotte ließ den Löffel auf ihren Teller sinken und sah Josephine scharf an. Sie würde nicht zulassen, dass diese Frau ihnen Lektionen in Moral erteilte. Und schon gar nicht Hortensia.

«Entschuldigen Sie, aber ich habe nicht gehört, was Sie gesagt haben. Eine Menge was?»

Eine leichte Anspannung machte sich bemerkbar.

«Ich denke nicht, dass ich es aussprechen muss, Miss Lacroix», sagte Josephine mit einem angestrengten Lächeln, während sie zu Noah schielte. «Wir sind doch alle erwachsene Menschen.»

«Ich fürchte, ich verstehe Sie noch immer nicht, Mrs. Russell», sagte Charlotte. Die Bösartigkeit dieser Frau erinnerte sie fast ein wenig an Laura Burton.

«Ich sagte, dass Sie sicher eine Menge Sklaven hatten.»

«Etwa hundertzehn, nicht wahr, Hortensia?»

Hortensia nickte.

Der Junge, der mit seinen Eltern gekommen war, wurde jetzt ärgerlich. «Das ist unmenschlich!», ließ er verlauten, und viele der Anwesenden nickten schweigend.

«Es ist kaum unmenschlicher, als Kinder bis zur Erschöpfung in Fabriken arbeiten zu lassen», gab Charlotte wütend zurück.

«Wenigstens sind sie frei», sagte der Junge wieder, und nur ein Blick seines Vaters hinderte ihn daran weiterzusprechen.

Josephine hingegen hatte nicht die Absicht, das Thema so schnell beizulegen.

«Sie sollten wissen, junge Dame, dass Scott, obwohl er jetzt sonderbarerweise so schweigsam ist, ein glühender Vertreter der Abolition ist.»

«Das weiß ich, Mrs. Russell.»

«Und das stört Sie nicht?»

«Keineswegs. Wahrscheinlich ist es das Einzige, worüber wir völlig einer Meinung sind.»

«Und trotzdem halten Sie Sklaven?»

«Eigentlich ist es mein Vater, der Sklaven hält.»

«Aber … der junge Mann?», fragte Josephine und deutete mit dem Kopf auf Noah.

«Meinen Sie etwa Noah?»

Josephine nickte, während die anderen Gäste gespannt auf den Ehrengast blickten.

«Noah ist nicht unser Sklave», erklärte Charlotte freundlich lächelnd. «Noah ist unser Bruder.»

Sofort entgleisten Josephines Gesichtszüge, und beinahe verschluckte sie sich an einem Stück Kuchen. Stille legte sich bleischwer über den Tisch. Charlotte musste nicht aufblicken, um zu sehen, dass alle Anwesenden mit offenem Mund dasaßen. Sogar das Klacken der Gabeln war verstummt.

Zufrieden setzte Charlotte ein engelsgleiches Lächeln auf. Elegant hob sie die Gabel mit einem weiteren Bissen Kuchen, der ihr so gut schmeckte wie schon lange nicht mehr.

«Ich gratuliere», flüsterte Scott ihr ins Ohr. «Nicht einmal ich hätte es geschafft, meine Tante derartig zu schockieren.»

Am anderen Ende des Tisches sah man auch Raymond O’Flanagan lächeln. Man musste zugeben, dass diese Frau Mut hatte.

Charlotte ließ sich von den neugierigen Blicken, die die drei so unterschiedlichen Geschwister genau studierten, nicht erschüttern. Mit geradem Rücken saß sie auf ihrem Platz, und immer wenn sie spürte, dass ein Augenpaar verstohlen auf sie gerichtet wurde, nickte sie freundlich. Auch Noah blickte stolz in die Runde, obwohl ihm die Situation etwas unangenehm war. Diskret zwinkerte Charlotte ihm zu. Nur Hortensia wagte nicht, den Kopf zu heben.

Charlotte konnte fast körperlich fühlen, wie in den Köpfen der Männer und Frauen am Tisch eine einzige Frage hämmerte. Waren diese Frauen, die sie wie Damen der Gesellschaft behandelt hatten, etwa auch schwarz?

Auch Noah schien die Gedanken ahnen zu können und beeilte sich zu erklären: «Eigentlich sind wir Halbgeschwister. Unser Vater war ein Weißer. Aber während Charlotte und Hortensia die Töchter seiner weißen Ehefrau sind, ist meine Mutter eine Sklavin.»

Charlotte runzelte die Stirn. Gern hätte sie diese Heuchler noch ein wenig schmoren lassen.

Selbst der junge Mann, der die Gleichheit von Weißen und Schwarzen gerade noch so leidenschaftlich verteidigt hatte, seufzte erleichtert, als nun kein Zweifel mehr daran bestand, dass die beiden schönen Frauen am Tisch Weiße waren. Nur Hortensia wurde das Herz schwer. Gerade erst hatte sie etwas entdeckt, das Charlotte schon lange wusste. Die Weißen brauchten das Gefühl, anders zu sein. Zwar konnten sie, wenn auch widerwillig, akzeptieren, dass ein Schwarzer weißes Blut in seinen Adern hatte, schließlich blieb er dabei immer noch ein Schwarzer. Aber die Vorstellung, dass ein Weißer, den man wie einen Gleichen behandelte und der unerkannt unter ihnen weilte, eigentlich schwarzes Blut in sich hatte, erfüllte sie mit Schrecken. Hortensia verspürte tiefe Trauer. Egal in welchem Teil dieses Landes sie sich befand, nie würde sie zu den anderen gehören.

«Ich denke, wir sollten in den Salon zurückkehren», schlug Beatriz O’Flanagan vor und erhob sich.

«Eine gute Idee, Mutter», stimmte Scott ihr zu und stand ebenfalls auf. «Miss Charlotte, würden Sie mir die Ehre erweisen, mich zu begleiten», sagte er und bot ihr seinen Arm.

«Es ist mir ein Vergnügen.»


Die Musiker, die während des Abendessens eine Ruhepause eingelegt hatten, erfüllten die Luft erneut mit Melodien, als die Gäste in den Salon traten. Trotzdem wurde nicht getanzt. Man stand in kleinen Grüppchen beieinander und plauderte.

Raymond O’Flanagan setzte sich in den Sessel vor dem Kamin und zündete sich eine weitere Zigarre an, ohne darauf zu achten, ob der Rauch jemanden stören könnte.

«Da sehen Sie, von wem ich meine Manieren geerbt habe», flüsterte Scott Charlotte zu. Gerade wollte sie etwas darauf erwidern, als er ihr zuvorkam. «Und wenn es Ihnen nichts ausmacht – schließlich möchte ich Ihre Erwartungen nicht enttäuschen –, bin ich weiterhin unhöflich und lasse Sie hier zurück, während ich meine bewundernswerten Verwandten begrüße. Sie werden sicher zurechtkommen, jetzt, wo Sie so viele Freunde gewonnen haben.»

Mit einem unverschämten Augenzwinkern verabschiedete sich Scott und ließ sie stehen.

«Dieser Trottel», schimpfte Charlotte, als Hortensia mit Mr. Fuentes auf sie zukam.

«Geht es dir gut?», fragte Hortensia.

«Ja. Aber dieser Mann macht mich wahnsinnig», sagte sie. «Ich verstehe nicht, wie Brian sein Bruder sein kann.»

«Wissen Sie, obwohl Brian Jura studiert hat, Mitglied des Regierungskabinetts ist und in Zukunft wahrscheinlich eine wichtige Rolle in der Politik des Landes spielen wird, ist Scott doch einer der besten Anwälte Bostons.»

«Anwalt?»

«Wussten Sie das nicht? Ich dachte, wo Sie sich doch kennen … Seit er letztes Jahr in Harvard den Abschluss gemacht hat, hat er keinen Fall verloren.»

«Nicht zu fassen», dachte Charlotte laut.

Scott setzte sich gerade zu seinem Vater.

«Ich verstehe nicht, warum sie überhaupt noch miteinander reden», sagte Josephine, die sich aus unerfindlichen Gründen zu den Schwestern und Mr. Fuentes gestellt hatte.

«Scott ist ein guter Junge», verteidigte ihre Tochter Ursula ihn.

«Guter Junge!», wiederholte ihre Mutter verächtlich, die auf keinen Fall wollte, dass ihre Tochter mehr als brüderliche Liebe für ihren Cousin entwickelte. «Scott war immer ein Rebell, und Manieren hat er auch keine. Er hat sich nie um den guten Namen der Familie gekümmert. Hast du etwa vergessen, dass er von der Marineakademie geflogen ist? Was für eine Schande für uns alle!», rief sie erregt aus.

«Ich wusste gar nicht, dass er in Annapolis studiert hat», sagte Charlotte, die jetzt verstand, wo Richard und Scott Freunde geworden waren. «Warum ist er denn ausgeschlossen worden?»

«Ich weiß es nicht. Aber ich bin mir sicher, dass er es verdient hat.»

Die Art, wie Fernando Fuentes Charlottes Blick auswich, ließ sie vermuten, dass er mehr über diese Angelegenheit wusste.

«Und als ob das nicht genügte, ist da jetzt noch diese Sache mit der Klage. Was für ein Sohn ist das, der seinen Vater vor Gericht zerrt?»

«Vor Gericht?», fragte Charlotte unschuldig.

«Ja», nickte sie und ließ sich von der Abneigung mitreißen, die sie beiden gegenüber hegte. «Scott hat sich zum Anwalt eines armen Schluckers aufgeschwungen. Ich glaube, der Mann hat eine Hand oder einen Fuß in einer der Fabriken seines Vaters verloren. Ich bin mir nicht sicher», sagte sie, als hätte es keine Bedeutung. «Als Scott davon erfuhr, hat er ihn aufgesucht und ihm angeboten, ihn vor Gericht zu vertreten. Natürlich ohne Bezahlung», fügte sie maliziös hinzu.

«Warum tut er so etwas?», fragte Hortensia neugierig.

«Bevor der schreckliche Unfall passierte, hatten die Arbeiter den Polier mehrmals darum gebeten, die Sicherheitsvorkehrungen zu verbessern, aber er hat sie einfach ignoriert, bis eine Kette gerissen ist und eine Stahlplatte den Arm von Scotts Klient abgetrennt hat», erklärte Mr. Fuentes.

«O mein Gott!», rief Hortensia aus.

«Der Mann hat zwar überlebt, wird aber nie wieder arbeiten können. Und er hat eine Frau und vier kleine Kinder.»

Hortensia spürte tiefes Mitgefühl, als sie sich vorstellte, in welchen Schwierigkeiten diese Familie nun stecken musste.

«Nach dem Unfall haben sich die Arbeiter aller Fabriken des Sektors zusammengetan. Sie fordern die Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen und drohen damit zu streiken. Es hat viele Demonstrationen gegeben, aber es war absehbar, dass die Leute ihre Arbeit schon bald wieder aufnehmen würden, ohne ihre Forderungen durchgesetzt zu haben.»

«Das ist wirklich furchtbar», sagte Charlotte, wider Willen ebenfalls von der Geschichte berührt.

«Dann hat Scott angeboten, ihnen zu helfen. Seiner Ansicht nach haben sein Vater und die anderen Gesellschafter eine moralische Verpflichtung gegenüber diesem Mann und seiner Familie», erklärte Mr. Fuentes.

«Wofür sollten sie verantwortlich sein? Fabriken sind eben gefährliche Orte. Was soll aus unserem Land werden, wenn jeder Arbeiter den Fabrikbesitzer verklagt, wenn er einen Unfall hat? Das ist absurd. Und wenn dieser undankbare Mensch den Fall gewinnt, werden alle Faulpelze in Boston denken, dass sie das Recht haben, es ihm nachzutun.»

«Nun», sagte Ursula, die ihre Bewunderung für ihren Cousin kaum verbergen konnte, «wie ich gehört habe, gewinnt Scott ziemlich häufig. Anscheinend haben die Anwälte von Onkel Raymond versucht, zu einer außergerichtlichen Einigung zu kommen, damit er die Klage zurückzieht.»

«So etwas wird er natürlich niemals akzeptieren», sagte Josephine entschieden. «Er hält sich für einen Ritter der gerechten Sache.»

Alle blickten zu Scott und seinem Vater. Sie hätten viel darum gegeben zu verstehen, was gesagt wurde.

«Hoffentlich streiten sie sich nicht», seufzte Ursula. «Manchmal streiten sie sich ganz fürchterlich. Dann sprechen sie monatelang nicht miteinander», fügte sie erklärend hinzu.

«Es wirkt gar nicht so, als würde sie sich nicht vertragen», sagte Charlotte, die nicht das geringste Anzeichen von Feindseligkeit zwischen Vater und Sohn entdecken konnte.

«Nicht vertragen? Niemand hat gesagt, sie würden sich nicht vertragen!», protestierte Josephine mit weitaufgerissenen Augen. «Raymond vergöttert seinen Jüngsten, und Scott empfindet das Gleiche für seinen Vater», betonte sie. «Beide sind sie aus dem gleichen Holz geschnitzt. Zum Glück ist Brian nach Beatriz geraten.»

«Aber wenn sie sich so schätzen, warum streiten sie dann?», fragte Charlotte, die immer weniger verstand.

«Das ist dieses giftige irische Blut», erklärte Josephine voller Verachtung. «Sie sind glücklich, wenn sie sich streiten können. Wir haben uns bemüht, sie zu einem zivilisierten Volk zu machen, aber sie bleiben nichts als ein Haufen Wilder. Sie sind nicht wie wir, die Engländer. Sie wissen nicht, was Ehre bedeutet.»

Es hatte wohl keinen Sinn, dem etwas entgegensetzen zu wollen.

Wieder sah Charlotte zu Scott. In diesem Moment hatte Brian sich zu seinem Bruder gesetzt. Am liebsten hätte sie sich unsichtbar gemacht und im vierten Sessel Platz genommen, um dem Gespräch zu lauschen.

***

Raymond O’Flanagan zog genüsslich an seiner Zigarre.

«Du wirst verlieren, Scott», prophezeite er seinem Sohn und stieß eine dichte Rauchwolke aus.

Unerschütterlich wartete Scott, bis die Wolke an ihm vorbeigezogen war.

«Ich denke nicht, dass die Kohorte deiner Anwälte das ebenso sieht.»

«Diese Blutsauger», schnaubte er. «Nutzloses Pack. Aber selbst wenn du es nicht zugeben kannst, ein Vergleich ist die einzige Chance für deinen Mann. Denk darüber nach, mein Sohn. Wenn du ihn vor Gericht schleppst, wirst du nichts erreichen.»

«Vielleicht solltest du sein Angebot überdenken», riet Brian seinem Bruder. «Denk daran, dass dieser Mann ohne den Arm nie wieder arbeiten kann. Er hat Kinder, Scott. Wenn du den Handel akzeptierst, hat er wenigstens etwas in der Hand, aber wenn du vor Gericht verlierst … Du solltest vorsichtig sein.»

«Und was ist mit der Gerechtigkeit, Brian? Ist es gerecht, dass dieser Mann jetzt verkrüppelt ist, obwohl man es hätte vermeiden können?»

«Unfälle passieren eben.»

«Dein Bruder hat recht, Scott», sagte sein Vater. «Offensichtlich bist du der Einzige, der den Tatsachen nicht ins Auge sehen will. In Fabriken geschehen nun mal Unfälle. Schreckliche Unfälle, aber Unfälle.»

«Wie bequem für dich, Vater», gab Scott ernüchtert zurück. «Und das genügt also? Ein Unfall! Diese Männer machen dich reich, und du solltest besser als jeder andere wissen, wie schwer es ist, jeden Tag bis zur Erschöpfung zu arbeiten und trotzdem kaum eine Familie ernähren zu können.»

Raymond O’Flanagan wurde ernst. Sein Sohn hatte keine Ahnung, was er selbst als Kind hatte durchmachen müssen. Deshalb war es in seinen Fabriken anders als in anderen auch verboten, Kinder einzustellen, denen man nur wenig bezahlen musste. Bei ihm wurde erst beschäftigt, wer mindestens vierzehn Jahre alt war.

«Aber darum geht es gar nicht, Vater», fuhr Scott fort. «In der Fabrik ist eine schadhafte Kette gerissen, und das hat den Unfall verursacht. Und der Polier wusste davon. Ein paar Tage vor dem Unfall wäre fast schon einmal etwas passiert, und trotzdem wurde nichts unternommen. Diesmal war es nur ein Arm, das nächste Mal stirbt vielleicht jemand. Was ist das Leben eines Mannes wert?»

Aufmerksam beobachtete Brian seinen Vater. Aber er hatte noch immer nicht gelernt, in dem ernsten und nachdenklichen Gesicht zu lesen. Das konnte nur Scott, und vielleicht war er es deshalb auch, der seinen Vater ständig aus der Fassung brachte. Wenn das geschah, erzitterte der Boden unter ihren Füßen, aber aus irgendeinem Grund schien Raymond O’Flanagan an diesem Abend keine erhitzte Debatte anfangen zu wollen.

«Es tut nichts zur Sache, ob das Recht auf deiner Seite ist oder nicht», sagte er langsam. «Diesmal kannst du nicht gewinnen. Und das weißt du, Scott. Du wirst den Vergleich annehmen, das ist deine Pflicht. Du weißt, dass es für deinen Klienten die einzige Chance ist. Bei diesem Verfahren wird darüber gestritten, ob ein Arbeiter das Recht hat, seinen Arbeitgeber im Falle eines Unfalls zu verklagen. Es geht nicht um diesen Mann, sondern um die Verpflichtung, in Sicherheitsmaßnahmen zu investieren. Für die Fabrikbesitzer bedeutet das einen Haufen Ausgaben, die sie nicht bereit sind zu tätigen. Ich muss nicht einmal selbst meine Macht ausnutzen, um den Fall zu gewinnen, denn das werden schon andere für mich tun. Andere, die sehr viel skrupelloser sind als ich.»

«Was willst du damit andeuten, Vater?», fragte Brian entsetzt.

«Ich will gar nichts andeuten. Vor ein paar Tagen ist das Haus, in dem Scotts Klient wohnt, zu Asche verbrannt.»

«O mein Gott», sagte Brian. «Mir war nicht klar, dass die Sache so ernst ist.»

«Zum Glück war niemand dort, als das Unglück passierte. Anscheinend ist die Familie bedroht worden und hatte das Haus vorher schon heimlich verlassen. Niemand weiß, wo sie sich jetzt aufhalten. Nun, einer schon», sagte er mit einem Blick zu Scott, der nicht einmal mit der Wimper gezuckt hatte.

Natürlich hatte sein Vater recht. In diesem Fall ging es um mehr als um eine einfache Entschädigung. Im Gegensatz zu seinem Vater waren die anderen Gesellschafter nicht damit einverstanden gewesen, dass der Fall vor Gericht ging. Das Attentat auf das Haus seines Klienten war ein deutlicher Beweis dafür, was alles auf dem Spiel stand. Und um jeden Zweifel daran auszuräumen, war am selben Tag auch sein eigenes Haus mit Drohungen beschmiert worden. Offensichtlich war jemand sehr nervös geworden.

«Mach dir keine Sorgen, Brian. Niemand wird es wagen, mir Schaden zuzufügen», versicherte er und verschwieg wohlweislich, dass er bereits bedroht worden war. «Sie haben zu viel Angst vor unserem Vater. Außerdem würden sie an den beiden Männern, die mir überallhin folgen, wohl nicht vorbeikommen.»

«Welche Männer?»

«Zwei Leibwächter, die im Moment wahrscheinlich hinter irgendeinem Baum im Garten stehen. Übrigens, Vater, da es sich doch sicher um deine Angestellten handelt, solltest du sie hereinbitten. Draußen ist es fürchterlich kalt.»

Raymond lächelte.

«Sie sitzen schon seit Stunden in der Küche.»

«Nun, du hättest mich wenigstens um Erlaubnis fragen können.»

«Wozu? Du hättest den Schutz doch ohnehin abgelehnt. Ich mache mir lediglich Sorgen um deine Sicherheit, und du weißt selbst, dass ich Grund dazu habe.»

«Ist denn etwas passiert?», fragte Brian verwirrt.

Mit unschuldiger Miene schüttelte Scott den Kopf.

Raymond O’Flanagan kam jetzt noch einmal auf seinen Vorschlag zurück. «Vergiss den verdammten Fall und akzeptiere den Vergleich. Es ist eine ordentliche Summe.»

Scott dachte nach. Gleich im ersten Moment hatte er vorgehabt, das Geld zu akzeptieren, es war sogar eine höhere Summe, als er erwartet hatte. Zwar wäre er gern vor Gericht gegangen, um diesen Leuten eine Lehre zu erteilen, die mit dem Schweiß anderer Männer ein Vermögen machten, aber immerhin war der verantwortungslose Polier entlassen und die Kette erneuert worden. An Ruhm war Scott nicht interessiert. Er musste nur diesen Mann und seine Familie beschützen. Und diejenigen, die ihre Interessen in Gefahr sahen, hatten viel Geld und konnten mit diesem Geld so einiges kaufen, selbst Zeugen und Richter. Wenn es nur um ihn ginge, würde er sich vielleicht anders entscheiden, aber er würde diese arme Familie nicht in seinen Krieg mit hineinziehen.

«Was sagst du, Scott?» Raymond O’Flanagan streckte seinem Sohn die Hand entgegen. Einen Moment lang sah Scott die Hand an, dann stand er auf. «Wir werden sehen, Vater.»

Brian erhob sich ebenfalls, und beide begaben sich sofort zu Noah, der in einer Ecke des Raums stand und versuchte, möglichst wenig aufzufallen.

«Ich glaube, ich habe dich noch nicht vorgestellt», sagte Brian. «Noah, das ist mein Bruder Scott.»

Scott trat schnell auf Noah zu und drückte ihm fest die Hand. «Es ist mir wirklich eine Freude», sagte er. «Schön, Sie wiederzusehen.»

Brian warf seinem Bruder einen fragenden Blick zu.

«Ich hatte das Vergnügen, Noah bei der gleichen Gelegenheit kennenzulernen, bei der ich auch Miss Charlotte und Miss Hortensia getroffen habe.»

Noah wurde ein wenig unruhig, aber etwas in Scotts Blick sagte ihm, dass er sich keine Sorgen machen musste. Dieser nachlässig gekleidete Mann mit dem ehrlichen Lächeln würde nichts verraten, was ihn oder seine Schwestern kompromittieren könnte.

«Es ist nicht zu glauben, wie klein die Welt doch ist», sagte Brian erstaunt. «Du musst mir unbedingt erzählen, wie ihr euch kennengelernt habt.»

Dann ließ Brian die beiden allein, um sich um die übrigen Gäste zu kümmern.

«Ich habe gehört, du arbeitest in der Back Bay», sagte Scott interessiert.

«Nicht mehr. Ich habe vor ein paar Tagen aufgehört.»

«Wenn du Arbeit brauchst, ich habe viele Freunde …»

«Danke, aber das wird nicht nötig sein. Für den Moment werde ich nicht arbeiten. Ich bereite mich für eine Aufnahmeprüfung an der medizinischen Fakultät vor.»

«In Harvard?»

Noah nickte.

«Ich habe dort studiert!», rief Scott erfreut aus. «Es wird dir gefallen!»

«Nun, noch bin ich nicht aufgenommen worden. Charlotte ist davon überzeugt, dass ich es schaffe, aber in Mathematik bin ich nie über Bruchrechnung hinausgekommen. Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, so viel in so kurzer Zeit zu lernen.»

«Ich kann dir helfen.»

«Sie?»

«O ja.»

«Entschuldigen Sie, Sir, aber ich dachte, Sie sind Anwalt.»

«Und ein guter sogar. Aber vor meinem Jurastudium war ich vier lange Jahre auf der Marineakademie in Annapolis. Dort gehörte Mathematik zu meinen Lieblingsfächern. Auch wenn ich gestehen muss, dass man mich gefeuert hat, bevor ich den Abschluss machen konnte», fügte er in ironischem Tonfall hinzu.

«Das tut mir leid.»

«Das muss niemandem leidtun. Es musste so kommen. Du wirst sehen, dass wir alle unsere kleinen Geheimnisse haben», sagte er und betrachtete seine Handschuhe.

Noah schwieg einen Moment.

«Ich würde dir wirklich gerne helfen», sagte Scott ehrlich, und streckte ihm die Hand hin. «Und schließlich stehe ich in deiner Schuld, weil du meinen Neffen gerettet hast.»

Noah dachte kurz nach. Scotts Angebot schien von Herzen zu kommen. Und er brauchte wirklich Hilfe, das hatte er entdeckt, als er das Mathematikbuch aufgeschlagen hatte. Die anderen Fächer würden ihm keine Probleme machen, aber Mathematik …

«Ich nehme gern an», sagte Noah und schlug ein.

«Wunderbar!»

Als Charlotte bemerkte, dass Noah und Scott sich konzentriert unterhielten, wurde sie neugierig. Worüber konnten die beiden nur sprechen? Scott wusste mehr über ihre Vergangenheit, als ihr lieb war, und er war viel zu unberechenbar, als dass man sich in seiner Gegenwart sicher fühlen konnte. Es wäre besser, sie würde ein Auge auf die beiden haben. Sie entschuldigte sich also bei der anstrengenden Tante Josephine und ging zu den beiden Männern hinüber.

«Ich denke, das neue Jahr wird in Kürze beginnen», sagte sie und unterbrach damit das Gespräch der beiden. Die Gäste hatten sich tatsächlich bereits um die Standuhr versammelt.

Scott, Noah und Charlotte gesellten sich zu ihnen. In weniger als einer Minute würde das Jahr 1859 zu Ende gehen. Ein Diener sorgte dafür, dass alle Gäste mit einem Glas Champagner versorgt waren.

Als der erste Schlag der Uhr ertönte und die Gäste anfingen zu zählen, zwinkerte Scott Charlotte zu.

«Eins … zwei …», und als die Stimmen im Chor «Zwölf» riefen, wurde das Jahr 1860 mit einem Konfettiregen begrüßt. Man hob die Gläser und prostete sich zu, und alle tauschten Neujahrsglückwünsche aus.

Nachdem Scott lediglich Noah ein frohes neues Jahr gewünscht hatte, begab er sich sofort auf die andere Seite des Raums. Mit offenem Mund sah Charlotte, wie er seiner Tante einen Kuss auf die Wange gab. Höflich lächelte diese ihn an, während ihre Augen ihn zu durchbohren schienen.

Seine Cousine dagegen fiel ihm beinahe um den Hals, als er sich ihr zuwandte. Dann verabschiedete sich Scott von beiden mit einer übertriebenen Verbeugung und ging zu seiner Mutter.

«Frohes neues Jahr, Mama», sagte er und umarmte sie liebevoll.

«Frohes neues Jahr, du Lausebengel.»

Überall wurden Neujahrswünsche ausgetauscht und geplaudert. Etwa um ein Uhr morgens kam die Feier zu ihrem Ende. Beatriz und Brian O’Flanagan verabschiedeten sich von jedem ihrer Gäste. Die Geschwister Lacroix waren die Letzten, die gingen.

«Es war ein wunderbares Fest», sagte Hortensia, während ein Diener ihr das Cape überreichte. «Vielen Dank für die Einladung.»

Charlotte hatte ihr Cape schon in Empfang genommen, legte es sich um und wandte sich dann ihren Gastgebern zu. Raymond O’Flanagan war bereits verschwunden, und Scott sprach in einer Ecke des Empfangssaals mit Noah.

«Ein frohes neues Jahr noch einmal», sagte sie zu Beatriz, als sie sich verabschiedete.

«Das wünsche ich Ihnen auch», antwortete ihre Gastgeberin. «Bitte besuchen Sie uns bald wieder.»

Brian bestand darauf, sie bis zur Kutsche zu begleiten, die schon draußen wartete. Scott zog sich schnell seinen Mantel an und kam hinter ihnen her.

«Ein sehr schönes Cape, aber etwas kühl für diese Jahreszeit», sagte Scott, als er Charlotte eingeholt hatte. «Sie müssen ja furchtbar frieren.»

«Mir ist gar nicht kalt, Mr. O’Flanagan», sagte sie und versteckte ihre Gänsehaut unter dem Stoff, während sie ihren Schritt etwas verlangsamte. «Übrigens ist es nicht notwendig, dass Sie uns begleiten.»

«Da mein Bruder Sie höchstpersönlich bis zu dieser Kutsche begleitet, die Sie gesund und munter an Ihrer Haustür abliefern wird, kann ich wohl gestehen, dass ich nicht die geringste Absicht habe, Sie zu begleiten.»

«Entschuldigen Sie. Als Sie das Haus gleichzeitig mit uns verließen, dachte ich …»

«Nun, ich fürchte, Brian ist der einzige Gentleman der Familie. Ich fahre nach Hause.»

«Wohnen Sie denn nicht hier?»

«Hier?» Er lachte. «Seit Jahren nicht mehr. Sie denken wohl, ich bin ein reicher Exzentriker, der seine alten Anzüge aus einem komischen Spleen heraus trägt. Nein, ich bin arm wie eine Kirchenmaus. Das einzige Geld, das ich in meinem Leben besessen habe, hat mir mein Großvater hinterlassen, und das wurde bis zum letzten Penny von meinem Jurastudium aufgezehrt. Sie haben Pech, ich bin wirklich eine schlechte Partie. Meine beklagenswerte finanzielle Situation erlaubt mir lediglich eine kleine Kanzlei im North End.»

Brian, der nur noch darauf wartete, dass Charlotte einstieg, versuchte sich seinen Ärger über Scotts geschmacklose Erklärungen nicht anmerken zu lassen. Zuvorkommend reichte er Charlotte seine Hand, um ihr in die Kutsche zu helfen. «Es war mir ein Vergnügen, Miss Charlotte.»

Dann verabschiedete er sich auch von Noah und Hortensia, die ganz hinten in der Kalesche saß. «Ich hoffe, dass wir uns bald wiedersehen.»

Hortensia lächelte ihm zu.

Gerade wollte Brian die Tür schließen, als Scott seinen Kopf noch einmal in die Kutsche steckte.

«Die Damen, Noah, auch ich hoffe, Sie bald wiederzusehen.»

«Ich werde voller Ungeduld warten», sagte Charlotte und zeigte ihm die Zähne. «Aber es ist wohl kaum wahrscheinlich, dass unsere Wege sich so bald wieder kreuzen.»

«Dann legen wir es in die Hand des Schicksals», gab Scott zurück und hatte damit das letzte Wort.

Als sie zu Hause ankamen, hatte Charlotte sich immer noch nicht genug über Scotts Verhalten ausgelassen. Sie wurde es nicht müde zu wiederholen, was für ein ungehobelter Kerl er doch war. Zum Glück würde sie ihn nicht so bald wiedersehen.

Noah schwieg dazu.

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