Kapitel sechsundfünfzig
NORDUGANDA
28. November, 04:02 Uhr GMT+3
Peter Howell brachte den gestohlenen Jeep schlitternd zum Stillstand, sprang hinaus und lief durch die Staubwolke, die er aufgewirbelt hatte, zu dem Land Cruiser hinüber, der neben der Straße auf dem Dach stand. Im schwachen Licht des einen Jeepscheinwerfers, der noch funktionierte, sah er, dass die Frontpartie und die Seite voller Einschusslöcher waren, und er zögerte kurz, bevor er ins Innere blickte.
Kaum Blut und Gott sei Dank keine Leiche. Nur ein paar rostige AK-47-Gewehre ohne Magazine. Er hatte schon genug Freunde im Einsatz verloren – ja, Jon Smith war einer seiner letzten Kameraden, die noch am Leben waren.
Jetzt, wo sich der unbändige Drang nach Rache verflüchtigt hatte, war sein Blick plötzlich wieder völlig klar. Er hatte die ganze Mission in Gefahr gebracht und würde damit möglicherweise Millionen Menschen dem Parasiten opfern – und was noch schlimmer war, er hatte in einem kritischen Moment einen Mann alleingelassen, der ihm gegenüber stets loyal gewesen war.
Howell suchte nach Spuren und fand schließlich Fußabdrücke im Staub am Straßenrand. Er folgte ihnen ein paar Meter und sah, dass die Schritte länger wurden. Smith war nicht nur am Leben, sondern sogar in der Lage, zu laufen. Das verdankte er jedenfalls nicht Howell.
Er sprang in den Jeep und brauste auf der Straße weiter. Leider waren etwa 70 km/h das Äußerste, was die Karre hergab, auch wenn er die Geschwindigkeit schätzen musste, weil statt eines Tachometers nur noch lose Drähte aus der Armatur hingen. Zum Glück war die Temperaturanzeige noch an Ort und Stelle, und Howell achtete darauf, nicht in den roten Bereich zu kommen.
Fast eine halbe Stunde verging, und noch immer war nichts zu sehen von Smith. Howell blieb immer wieder stehen, um die Spuren nicht aus den Augen zu verlieren. Er bemerkte, dass die Schritte nicht mehr ganz so zielstrebig waren. Trotz der Dunkelheit hatte es immer noch knapp vierzig Grad. Selbst Jon Smith konnte in dieser Hitze nicht ewig laufen. Das konnte niemand.
Der Scheinwerfer des Jeeps wurde immer schwächer, und er konzentrierte sich auf den schmalen Lichtkegel und verharrte mit dem linken Fuß über der Bremse, für den Fall, dass ein plötzliches Hindernis auftauchte.
Mit dieser Strategie gelang es ihm immerhin, einen Achsbruch zu vermeiden, doch die auf ihn gerichtete AK-47 erkannte er erst in letzter Sekunde.
Howell stieg auf die Bremse und riss das Lenkrad herum. Der Wagen geriet ins Schleudern und die Gestalt sprang zurück in den Dschungel, um nicht überfahren zu werden. Als der Jeep schließlich zum Stillstand kam, sprang der Brite unbewaffnet hinaus. »Janani wird nicht erfreut sein, wenn er hört, was du mit seinem Wagen angestellt hast.«
Smith ging nicht auf den Versuch eines Scherzes ein; er klopfte sich den Staub von den Kleidern und schulterte sein Gewehr. Sein Hemd war von Schweiß durchtränkt, und sein Gesicht war noch rußig von dem Feuer, das Sembutus Flugzeuge entfacht hatten.
»Jon, ich …«
Als er in Reichweite war, hämmerte ihm Smith die Faust so wuchtig in die Magengrube, dass der Brite von den Beinen gerissen wurde. Howell ging zu Boden und kämpfte gegen den Brechreiz an.
»Okay«, brachte er hervor, als er wieder Luft bekam, »das hab ich mir wahrscheinlich verdient. Aber immerhin haben wir dank meines Alleingangs eine funktionierende Karre, nicht wahr, Kumpel? Es wäre ein langer Marsch zurück nach Kampala.«
»Das ist auch der einzige Grund, dass ich dir nicht den Arsch weggeschossen hab«, erwiderte Smith, dann streckte er die Hand aus und half ihm auf die Füße.
»Ich hab Wasser im Jeep«, sagte Howell, und Smith humpelte zum Wagen und griff gierig nach einer der Flaschen, ehe seine Hand zurückzuckte und er einen Schritt zurückwich.
»Was zum Teufel ist das?«
Howell trat zu ihm und hob Caleb Bahames abgetrennten Kopf auf. Er sah in die halb geschlossenen Augen, während Smith mit dem Ärmel das Blut von einer Literflasche abwischte.
»Nur ein kleines Souvenir.«
»Ich glaube, damit wird es schwer, unauffällig zu bleiben.« Smith schüttete sich das Wasser übers Gesicht und in den offenen Mund.
Howell zog die Stirn in Falten. »Du hast wahrscheinlich recht. Aber du musst zugeben, er hätte sich gut als Aschenbecher gemacht.«