Dem wird ein gut Gewissen
Die Trübsal auch versüßen.«
Der Beamte hörte diese Worte. Die Stimme des Alten klang tief aus einem gläubigen Herzen. Es wurde dem Anwalte eigenthümlich zu Muthe. Sollte der Waldkönig wirklich der Sohn einer Familie sein, in welcher man so innig betete? So fragte er sich. Da hörte er weiter:
»Was ist des Lebens Herrlichkeit?
Wie bald ist sie verschwunden.
Was ist das Leiden dieser Zeit?
Wie bald ist’s überwunden.
Hofft auf den Herrn!
Er hilft uns gern.
Der Herr hilft seinen Knechten!«
Der Anwalt schüttelte mit Gewalt die Rührung ab, welche er empfand, und klopfte an.
»Herein!« antwortete man von innen.
Er trat ein. Sein Blick fiel auf die alten, ehrwürdigen Leute und eine ganze Schaar von Kindern. Er bot einen guten Abend und näherte sich dem Tische, an welchem Vater und Mutter Hauser saßen. Diese Beiden erhoben sich, da sie sahen, daß sie es mit einem vornehmen Manne zu thun hatten.
»Kennen Sie mich vielleicht?« fragte er freundlich.
»Nein, lieber Herr,« antwortete Hauser. »Wir werden aber wohl erfahren, wer Sie sind.«
»Das werden Sie allerdings. Wissen Sie, was man unter einem Staatsanwalt zu verstehen hat?«
»Ja. Ein Staatsanwalt ist derjenige Herr, der bei einer Bestrafung die Anklage zu vertreten hat.«
»Richtig. Ein Staatsanwalt ist also der Beamte, welchen Verbrecher am Meisten zu fürchten haben.«
»Sie sind wohl ein Staatsanwalt?«
»Ja.«
Dabei sah der Gefragte die Alten scharf an, um zu beobachten, welchen Eindruck dieses Wort auf sie machen werde. Sie wurden keineswegs verlegen, Hauser frug vielmehr.
»Kommen Sie vielleicht von Amtswegen zu uns?«
»Ja, leider!«
»Wir haben nichts zu befürchten. Wir sind ehrliche Leute, Herr Anwalt.«
»Das möchte ich gern glauben. Aber man hat mir gesagt, daß Sie es in einem Punkte mit der Ehrlichkeit denn doch nicht so genau nehmen.«
»Wollen Sie uns sagen, in welchem Punkte wir nicht ehrlich gewesen sind?«
Der Anwalt blickte ihn scharf an und sagte geradezu:
»Sie paschen!«
Frau Hauser schlug vor Schreck die Hände zusammen. Der Alte aber schüttelte lächelnd den Kopf und antwortete: »Erschrick nicht, Mutter! Wer weiß, welcher unbeholfene Mensch sich einen solchen Spaß erlaubt hat!«
»O, es ist keineswegs ein Spaß,« sagte der Anwalt. »Ich will einmal von Ihnen nicht sprechen; aber Ihr Sohn – man zählt ihn zu den Schmugglern.«
»Meinen Eduard? Für den garantire ich wie für mich selbst!«
»Sagen Sie nicht zuviel! Wo ist er jetzt?«
»Nach Langenberg.«
»Was will er dort?«
»Er wird irgend Etwas zu besorgen haben.«
»Das heißt, er wird irgend etwas hinüber zu paschen haben!«
»Ganz gewiß! Man hat ihn unterwegs getroffen.«
»Aber nicht als Pascher!«
»Und doch! Man hat ihn sogar ergriffen.«
»Mein Gott! Aber ich bin überzeugt, daß man nichts bei ihm gefunden hat!«
»Sie irren sich. Man hat verbotenes Gut bei ihm gefunden.«
Hauser blickte seine Frau kopfschüttelnd an.
»Glaubst Du das, Mutter?« fragte er ruhig.
»Nimmermehr!«
»Ich auch nicht. Was ist’s, was man bei ihm gefunden hat, Herr Staatsanwalt?«
»Kostbare Spitzen, im Futter seines Rockes verborgen.«
»Und das ist wahr, wirklich wahr?«
»Ja. Wäre es nicht wahr, so hätte er nicht nothwendig gehabt, uns entfliehen zu wollen.«
»So haben Sie ihn ergriffen und gefangen genommen?«
»Ja. Er steht draußen mit einer Bedeckung. Wir müssen hier aussuchen. Ich wollte Sie aber vorbereiten, damit Sie nicht erschrecken möchten.«
Mutter Hauser stieß einen halb unterdrückten Schrei aus und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Vater Hauser blieb ruhig. Er holte zwar tief, tief Atem, sagte dann aber: »Ich danke Ihnen, daß Sie diese Aufmerksamkeit für uns alten Leute gehabt haben, Herr! Aber bringen Sie den Eduard getrost herein. Ich bin überzeugt, daß er unschuldig ist. Sollte ich mich aber dennoch und wider alles Erwarten irren, so werde ich ihm befehlen, ein offenes Geständniß abzulegen. Und mir wird er gehorchen. Darauf können Sie sich verlassen!«
Während Eduard mit seiner Bedeckung, bei welcher sich auch Fritz Seidelmann noch immer befand, draußen vor dem Hause stand, fühlte er oben am Arme einen stechenden Schmerz und zugleich bemerkte er, daß es ihm naß über die gefesselten Hände lief und tropfte.
»Ich muß verwundet sein!« sagte er.
Er erhielt keine Antwort. Da kam der Anwalt heraus und befahl, daß man eintreten solle. Zwei der Grenzer führten den Gefangenen in die Stube. Auch Seidelmann trat mit ein. Die Anderen blieben im Flur stehen.
»Herrgott!« schrie Mutter Hauser auf, als sie ihren Sohn erblickte. »Du blutest ja!«
Sie wollte zu ihm eilen. Ihr Mann hielt sie zurück und sagte ernst:
»Laß das, Mutter. Es ist besser, sein Leib verblutet als seine Seele. Eduard, komm her.«
Der Sohn trat nahe zu dem Vater heran.
»Hast Du gepascht?« fragte der Letztere.
»Nein!« antwortete Eduard.
»Aber man hat Spitzen bei Dir gefunden?«
»Ja.«
»Woher hast Du sie?«
»Ich habe nichts von ihnen gewußt. Sie stacken im Rockfutter. Ich weiß nicht, wie sie da hinein gekommen sind.«
Es war, als ob der Vater seinen Sohn mit dem Auge durchbohren wolle. Dann fragte er seine Frau: »Glaubst Du ihm, Mutter?«
»Ja. Er ist kein Pascher.«
»Ich glaube auch, daß er unschuldig ist. Herr Staatsanwalt, untersuchen Sie diese Sachen mit aller Strenge! Gott wird es wollen, daß der Schuldige entdeckt werde.«
»Brennt Euch nur nicht weiß!« ertönte es da von der Ecke her, in welcher Fritz Seidelmann stand. »Er hat sich doch in seinem Briefe als Waldkönig unterschrieben.«
Vater Hauser richtete seinen Blick auf den Sprecher und sagte:
»Ah, Herr Seidelmann! Ich habe Sie ja gar nicht eintreten sehen! Sie sind auch dabei? Jedenfalls haben Sie die Anzeige gemacht! Nicht?«
»Ich brauche es nicht zu leugnen. Ich mußte ja meine Pflicht erfüllen.«
»Ja, in Beziehung auf Pflichterfüllung stehen Sie geradezu als beispiellos da.«
Und sich zu seinem Sohne wendend, fuhr er fort:
»Was ist es mit dem Briefe, Eduard? Du hast Dich also als Waldkönig unterschrieben?«
»Ja, Vater. Es fiel mir nichts Anderes ein. Fritz Seidelmann hatte die Engelchen zur Maskerade eingeladen. Ich kannte die Gefahr, die ihr dabei drohte; ich wollte sie beschützen; ich wollte dabei sein; es durfte aber ein Mitglied nur kommen. Darum schrieb ich als Waldkönig einen Brief an Herrn Strauch und verbot ihm, zur Maskerade zu gehen. Er ist zu Hause geblieben, und ich ging. Dadurch ist es mir gelungen, die Engelchen zu retten, sonst wäre es ihr ganz so ergangen wie des Schreibers Tochter, die nun unschuldig gefangen sitzt.«
»So also! So ist es gewesen! Eduard, das war eine große Unvorsichtigkeit. Aber ein Pascher bist Du nicht. Wir brauchen keine Angst um Dich zu haben. Herr Staatsanwalt, suchen Sie bei uns aus.«
Es war dem Beamten ganz so, als ob er dem alten Manne Glauben schenken müsse; aber er mußte seine Pflicht thun und gab Befehl, die Durchsuchung des Häuschens zu beginnen.
Während seine Leute sich mit den Laternen in die verschiedenen Räume zerstreuten, ertönte durch die Läden des Nachbarhauses eine laute, zornige Männerstimme bis auf die Gasse heraus. Hofmann zankte mit seiner Tochter. Er warf ihr ihren Ungehorsam vor und wollte sie zur Einwilligung zwingen, bei Seidelmanns in Dienst zu gehen.
Engelchen weigerte sich mit aller Bestimmtheit. Das regte ihn nur noch mehr auf.
»Liegt Dir vielleicht der Lump, der Hausers Eduard, im Sinn?« fragte er im drohenden Tone.
Sie antwortete unerschrocken:
»Der Eduard ist arm, aber kein Lump. Er meint es ehrlich mit mir, ehrlicher selbst, als mein Vater, der mich an den Seidelmann verschachern will.«
»Was höre ich? Was sagst Du da, Mädchen!« brüllte er. »Ah, Dich will ich schon gehorsam machen! Gleich morgen früh schaffe ich Dich zu Seidelmann!«
»Nur todt bringst Du mich hin.«
»So mußt Du aus dem Hause.«
»Ich werde gehen. Es wird sich auf der weiten Erde wohl ein Plätzchen für mich finden lassen.«
»So! Also so redest Du! Ich werde Dir zeigen, wo der Platz ist, an den Du gehörst.«
Der Streit hatte bereits längere Zeit gewährt. Frau Hofmann war nicht daheim, und so sah sich das Mädchen dem Zorne des aufgeregten Vaters ganz allein gegenüber. Die Wuth hatte jetzt den höchsten Grad erreicht. Hofmann erhob die Hand. Der wuchtige Schlag traf seine Tochter.
Engelchen stieß einen Schrei aus, riß die Thür auf und entfloh hinaus auf die Gasse. Wohin sollte sie? Drüben stand die Wohnung des Geliebten. Sie eilte hinüber.
In ihrer Aufregung bemerkte sie gar nicht, daß auch bei Hausers etwas Ungewöhnliches vorging. Sie öffnete die Stubenthür, erblickte Eduard, warf sich auf ihn, schlang die Arme um ihn und sagte: »Eduard, Du mußt helfen. Ich bin vor dem Vater geflohen.«
Noch während sie sprach, sah sie, daß er gefesselt war. Sie erblickte das Blut, welches an seinem Arme niederträufelte.
»Herrgott! Was ist mit Dir?« schrie sie auf.
»Ich bin Gefangener,« antwortete er, bitter lächelnd.
»Gefangener und verwundet? Weshalb?«
»Ich soll der Pascherkönig sein.«
»Wer sagt das?«
»Der dort hat mich angezeigt.«
Er nickte nach der Ecke hin, in welcher Fritz Seidelmann noch immer stand. Engelchen drehte sich um und erblickte diesen. Ihre Augen leuchteten in einer ungewöhnlichen Gluth.
»Der dort hat Dich angezeigt?« fragte sie.
»Und deshalb bist Du gefangen?«
»Und deshalb hat man Dich verwundet?«
»Ja, Engelchen.«
»Herr, mein Gott. Und auch seinetwegen hat mich der Vater geschlagen und ich habe fliehen müssen.«
Ihre kleinen Hände ballten sich. Sie war aufgeregt und empört fast bis zur Unzurechnungsfähigkeit. Sie trat einen Schritt auf Seidelmann zu und sagte in zischendem Tone: »Ungeheuer! Gewissenloser Mensch! Du, Du bist schuld an Allem! Weißt Du, was Dir gehört? Ich sollte hier das Gewehr nehmen und Dir eine Kugel durch den Kopf jagen!«
Ein Schuß krachte. Ein mehrstimmiger Schrei erscholl, in welchen auch Engelchen mit eingestimmt hatte; dann brach sie zusammen. Sie hatte in ihrem Grimme dem da stehenden Grenzer das Gewehr aus der Hand gerissen, den Hahn gespannt, auf Seidelmann angelegt und abgedrückt – das Werk nur eines einzigen Augenblickes.
Der Schuß rief natürlich alle im Hause zerstreuten Männer zusammen. Es entstand ein außerordentlicher Wirrwarr. Engelchen lag am Boden, und Eduard kniete mit gefesselten Händen neben ihr. Auch Seidelmann lag auf der Diele.
»Ist er todt?« fragte der Anwalt, der seine Ruhe am Allerersten wieder erlangte.
Man untersuchte ihn. Die Auskunft lautete:
»Nein, sondern nur besinnungslos. Er ist vor Schreck umgefallen. Der Lauf war mit Schroot geladen. Ein Korn ist ihm hier ins Ohr gedrungen, sonst aber ist die ganze Ladung hier in die Wand gegangen.«
»Man bespritze ihn mit kaltem Wasser und das Mädchen auch. Die Haussuchung wird fortgesetzt.«
Seidelmann kam eher zu sich, als Engelchen. Er erhob sich und griff sich an das Ohr.
»Herr Staatsanwalt, haben Sie es gesehen?« rief er.
»Was?«
»Daß dieses Mädchen mich erschießen wollte?«
»Hm!«
»Ich bin hier am Ohre getroffen. Nur ein Wenig weiter zur Seite und ich wäre eine Leiche. Ich ersuche Sie, Ihre Pflicht zu thun!«
Der Beamte ließ seinen Blick eine ganze Weile lang ruhig im Kreise gehen. Dann sagte er kalt: »Was meinen Sie mit dem, was Sie meine Pflicht nennen?«
»Ich verlange, daß die Mörderin arretirt werde.«
»Ah! Wirklich?«
»Ja. Sie muß arretirt und ganz exemplarisch bestraft werden. Darauf bestehe ich!«
»Schön! Haben Sie in dieser Angelegenheit vielleicht noch irgend welche Bemerkungen vorzubringen?«
»Nein.«
»Gut! So können wir für heute auf Ihre Gegenwart verzichten. Ich freue mich außerordentlich, daß Sie nur am Ohre gestreift wurden.«
Ob er sich wegen Seidelmann oder wegen Engelchen freue, das sagte er nicht. Der Erstere machte allerdings keine Miene, sich zu entfernen.
»Darf ich annehmen, daß Sie mich verstanden haben, Herr Seidelmann?« fragte der Anwalt.
»Ich soll gehen?«
»Ich wünsche es.«
»Aber ich kann doch vielleicht noch gebraucht werden.«
»Das steht nicht zu vermuthen. Sie dürfen wohl überzeugt sein, daß ich meine Pflicht auch dann thue, wenn Sie nicht mehr anwesend sind. Sobald ich Sie brauche, werde ich Sie ersuchen lassen, vor Amtsstelle zu erscheinen. Gute Nacht!«
Jetzt konnte er nicht anders; er mußte gehen. Und gerade jetzt schlug Engelchen die Augen auf. Sie sah das Gesicht des Geliebten ganz neben dem ihrigen.
»Eduard, lieber Eduard!« sagte sie. »Du bist wirklich gefangen?«
»Leider!« nickte er.
»Und – ich – ich – habe ich wirklich geschossen?«
»Ja, Engelchen.«
Da nahm ihr Gesichtchen den Ausdruck der höchsten Angst an. Sie wendete den Kopf nach der Seite, auf welcher Seidelmann gestanden hatte. Sie erblickte ihn nicht. Sie sprang mit einem Rucke empor und fragte entsetzt: »Man hat ihn fortgeschafft? Ich habe ihn erschossen?«
»Nein, Engelchen,« sagte Eduard. »Ein einziges Schrootkörnchen hat ihn nur am Ohre gestreift. Er ist nach Hause.«
»Gott sei Dank, tausendmal Dank! Ich war so außer mir, ich wußte gar nicht, was ich that.«
Sie setzte sich auf einen Stuhl und begann, bitterlich zu weinen. Mutter Hauser trat zu ihr, legte den Arm um sie, zog sie an sich und sagte: »Sei still, mein Kind, und beruhige Dich! Unser Herrgott wird Alles zum Besten lenken.«
Der Anwalt betrachtete die Gruppe und sagte, ganz hörbar in der Absicht, zu beruhigen:
»So ist es recht! Mit Gottes Hilfe werden wir Klarheit in dieses Dunkel bringen. Dieser Seidelmann schein ein Spezialfeind von Ihnen zu sein?«
»Herr, ich sage nicht gern einem meiner Mitmenschen Uebles nach,« antwortete Vater Hauser; »aber hier haben Sie das rechte Wort getroffen: Spezialfeind.«
»Warum ist er das?«
Bei diesen Worten deutete er auf Engelchen.
»Bitte, erzählen Sie!«
Der Alte berichtete ihm Alles, was in letzter Zeit geschehen war. Der Beamte hörte still und überlegsam zu und sann dann ein Weilchen vor sich hin.
»Wo haben Sie des Nachts Ihren Rock?« fragte er dann Eduard.
»Ich pflege ihn hier auszuziehen und auch hier zu lassen.«
»Hm! Ist des Nachts Ihr Haus gut verschlossen?«
Vater Hauser antwortete:
»Herr Anwalt, wir sind arme Leute. Wer will uns etwas nehmen? Weswegen sollen wir schließen. Durch unsere Hinterthür kann ein Jeder in das Haus.«
»So, so! Auf diesen Umstand wird man zu achten haben. Ah, da kommen sie.«
Seine Leute kamen jetzt und meldeten, daß sich auch nicht das Allergeringste gefunden habe, was darauf schließen lasse, daß hier ein Schmuggler oder gar der Waldkönig wohne.
Es schien, als ob der Beamte das nun nicht anders erwartet habe. Er winkte den Seinen, die Stube zu verlassen, und wendete sich dann an Eduard.
»Ich will Ihnen gestehen, daß meine Meinung über Sie sich geändert hat. Aber leider bin ich nicht von meiner Meinung, sondern von meiner Pflicht abhängig.«
»Sie können mich nicht freigeben?«
»Nein.«
»Sie werden mich mit nach der Amtsstadt nehmen?«
»Ja. Ich muß Sie dort so lange interniren, bis wir uns das Vorhandensein der Spitzen erklären können!«
»Mein Gott! Wer soll das erklären? Da werde ich wohl ewig gefangen bleiben!«
»Denken Sie das nicht! Ihr Vater hat vorhin vom lieben Gott gesprochen, und zwar mit vollem Rechte. Ich bin überzeugt, daß wir sehr bald Klarheit erhalten werden. Vielleicht vermuthe ich bereits, von woher diese zu erwarten ist. Ich sichere Ihnen eine milde Behandlung zu.«
»Ist das auch mild?«
Dabei zeigte er seine Hände vor, welche zusammengebunden waren. Der Beamte antwortete:
»Ich war dazu gezwungen. Sie hatten ja einen Fluchtversuch gemacht. Leider muß das auch so bleiben, bis wir angekommen sind.«
»Aber darf man nicht wenigstens nach meiner Wunde sehen?«
»Gewiß! Dazu haben wir noch Zeit.«
»Komm her, Eduard!« sagte Engelchen geschwind. »Mutter mag mir Leinwand geben. Ich verbinde Dich!«
Sie stand von ihrem Stuhle auf.
»O, bitte, lassen Sie das ganz der Mutter über, Fräulein Hofmann!« sagte der Anwalt.
»Warum soll ich es nicht?«
»Haben Sie gehört, Leute, was Seidelmann von mir fordert? Er machte mich auf meine Pflicht aufmerksam. Und leider bin ich gezwungen, sie zu erfüllen.«
Engelchen blickte ihn ungewiß und fragend an.
»Sie haben geschossen, Fräulein,« bemerkte er.
»Mein Gott, ja! Ich wollte nicht! Ich wollte ihm nur sagen, was er werth sei.«
»Ich weiß das. Ich war ja selbst Zeuge des ganzen Auftrittes.«
»So wird man wohl denken, daß ich ihn wirklich habe todtschießen wollen?«
»Nein, das wird man nicht denken. Aber das Gesetz verlangt, daß dies bewiesen werde. Und dazu bedarf es vor allen Dingen Ihrer Gegenwart.«
»Ich werde gewiß kommen, sobald Sie mich bestellen!«
Der Anwalt konnte ein Lächeln doch nicht ganz unterdrücken.
»Wenn ich Sie nun gleich jetzt bestelle?« fragte er.
»Gleich jetzt soll ich mitgehen?«
»Ich möchte es wünschen.«
»Herr Jesus! Das wäre ja eine Arretur.«
»Allerdings. Sie werden mir diese scheinbare Härte verzeihen, Fräulein Hofmann.«
»O, ich sehe, daß Sie es nicht schlimm mit uns meinen, Herr Anwalt, aber, ist es denn wirklich nothwendig?«
»Ganz gewiß!«
»Aber warum denn? Ich werde nicht fliehen!«
»Das glaube ich Ihnen gern; aber das Gesetz bestimmt, daß man sich der Person eines Mörders bemächtige.«
»Eines Mörders? Das bin ich doch nicht.«
»Nein. Sie sind keine Mörderin. Aber wissen Sie, welches Verbrechens Seidelmann Sie anklagen wird?«
»Nein.«
»Des Mordversuches, allerwenigstens der Körperverletzung.«
»Mein Gott! Das wollte ich ja gar nicht.«
»Ich weiß das selbst am Allerbesten. Darum ist es am Vortheilhaftesten für Sie, wenn Sie sich mir anvertrauen.«
»Gott! Arretirt!«
Da sagte Eduard in beruhigendem Tone:
»Das ist doch keine Schande, Engelchen. Auch ich bin arretirt, und doch bin ich unschuldig. Wir gehen mit einander in das Gefängniß.«
Das erleichterte ihr die Sache.
»Mit einander! Du und ich!« sagte sie. »Gut! Ich habe von zu Hause fliehen müssen! Gehen wir in das Gefängniß!«
»So schnell doch nicht!« lächelte der Beamte. »Sie werden vorher doch noch einmal nach Hause gehen müssen.«
»Weshalb?«
»Ich werde Sie begleiten, während Herr Hauser sich hier verbinden läßt. Ihre Eltern müssen doch wissen, wo Sie sich befinden werden, und sodann gebe ich Ihnen den Rath, gewisse Kleinigkeiten mitzunehmen, ohne welche ein an Ordnung und Reinlichkeit gewöhnter Mensch selbst im Gefängnisse nicht zu bestehen vermag. Bitte, kommen Sie!«
Er ließ Eduard unter der Beaufsichtigung seiner Beamten zurück, gab draußen den Befehl, für die beiden Gefangenen einen Wagen zu requiriren, und begab sich sodann mit Engelchen in das Nachbarhaus.
Man hatte in der Nachbarschaft den Schuß gehört. Trotz der Kälte standen zahlreiche Menschen auf der Straße. Auch Hofmann stand vor seiner Thür, bei ihm mehrere Nachbarn, welche sich in Vermuthungen ergingen, warum bei Hausers Aussuchung gehalten werde.
Als er Engelchen kommen sah, sagte er zu ihr:
»Das ist Dein Glück! Packe Dich hinein in die Stube!«
Er beachtete in seinem Zorne ihren Begleiter gar nicht. Dieser fragte ihn: »Darf ich mich mit hineinpacken?«
»Sie? Warum denn?«
»Weil ich für jetzt zu Ihrer Tochter gehöre.«
»Wer sind Sie denn?«
»Das werden Sie drinnen hören. Kommen Sie!«
Er faßte Hofmann beim Arme und zog ihn mit hinein. Als sie sich in der Stube befanden, sagte er: »Ich bin der Staatsanwalt. Ich habe Ihre Tochter arretirt.«
Hofmann erschrak.
»Arre – tirt?« stieß er hervor.
»Ja.«
»Warum?«
»Weil Sie schuld sind. Ihr Kind wird wenigstens im Gefängnisse frei sein von den Gewaltthätigkeiten, die es zu Hause erleiden muß.«
»Gewaltthätigkeiten? Ich verstehe Sie nicht!«
»Sie werden mich verstehen lernen, sobald ich Sie vor die Gerichtsstelle citirt habe. Ich weiß Alles. Sie wollen Ihre Tochter zwingen zu einem Verhältniß, wovon ihr ein jeder anderer Vater abrathen würde. Ich nehme sie mit.«
»Herrgott! Hat sie denn etwas Unrechtes gethan?«
»Ja, aus Aufregung. Das Nähere werden Sie schon noch hören. Jetzt haben wir Anderes zu thun.«
Er nannte Engelchen die Gegenstände, deren sie bedürfen werde, und sie packte dieselben zusammen. Als sie damit fertig war, sagte sie, ohne ihm die Hand zu geben: »Lebe wohl, Vater! Grüße mir die Mutter! Sie soll mich einmal im Gefängnisse besuchen.«
Es war ihm, als träume er. Er starrte den Beiden nach, ohne ein Wort zu sagen, ohne den Versuch zu machen, sie aufzuhalten. So stand er eine ganze lange Weile, bis er draußen Pferdegetrappel hörte. Da überkam ihn plötzlich eine große, große Angst.
Er raffte sich zusammen; er rannte hinaus. Er ließ die Thüre offen stehen und eilte hinüber zu Hausers. Dort im Hausflur horchte er. Er hörte nichts, als die Stimme des Alten:
»Will mich des Schicksals Schwere drücken,
Blitzt auf mich des Gesetzes Weh,
Droht Straf’ und Hölle meinem Rücken,
So steig ich gläubig in die Höh
Und flieh in Deine heilgen Wunden;
Da hab ich gleich den Ort gefunden,
Wo mich kein Fluchstrahl treffen kann,
Tritt Alles wider mich zusammen,
Du bist mein Heil; wer will verdammen?
Die Liebe nimmt sich meiner an!«
Das klang nach Hausers Gewohnheiten so alltäglich, so gewöhnlich, als ob gar nichts geschehen sei. Hofmann klopfte an, öffnete die Thür und trat ein. Bei seinem Gruße blickten die Anwesenden auf.
»Habt Ihr mein Engelchen gesehen?« fragte er.
»Ja, Nachbar,« antwortete Hauser.
»Wo ist sie?«
»Fort.«
»Also doch, doch! Wohin?«
»Weißt Du das nicht?«
»Ich habs nicht geglaubt.«
»In das Gefängniß.«
»Herrgott! Also ist es doch wahr! Welch eine Schande!«
»Meinst Du? Wenn es wirklich eine Schande ist, so frage Dich, wer die Schuld daran trägt.«
»Wer denn? Etwa ich?«
»Kein Anderer!«
»Was hat sie denn gethan?«
»Auf Fritz Seidelmann geschossen, weil Du sie ihm mit aller Gewalt an den Hals werfen willst.«
»Auf – ihn – geschossen!« stieß er hervor. »Womit denn?«
»Mit einem Gewehr natürlich.«
»Ist er todt?«
»Nein. Sie hat ihm glücklicher Weise nur das Ohr geritzt.«
»Aber, was gab es denn vorher hier bei Euch? Warum waren sie denn bei Euch?«
»Willst Du das wirklich wissen, Nachbar?«
»Ja.«
»So gehe zu Fritz Seidelmann, Deinem Freunde und Vertrauten, der mag es Dir sagen. Für Dich giebt es hier bei uns heute keinen Platz.«
»Hauser! Was fällt Dir ein?«
»Ganz dasselbe, was vorher Dir einfiel: Wir passen nicht mehr zusammen. Gehe! Gehe hinaus!«
Er faßte den Nachbar beim Arme und führte ihn hinaus bis vor die Hausthür. Dieser ließ es sich ganz ruhig gefallen. Als Hauser wieder in die Stube trat, fragte seine Frau: »Aber Vater! Du steckst ihn hinaus? Das ist sonst ja ganz und gar nicht Deine Art und Weise?«
»Es ist sie auch jetzt noch nicht.«
»Warum thust Du es denn?«
»Ihm zu Liebe. Er wird in sich gehen. Wenn er allein zu Hause sitzt, mag er mit seinem Hochmuthe abrechnen. Uns aber hat er gestört. Laßt uns den nächsten Vers unseres Liedes lesen.«
»Führst Du mich in des Kreuzes Wüsten,
Ich folg’ und lehne mich auf Dich.
Du nährest aus den Wolkenbrüsten,
Du labest aus dem Felsen mich.
Ich traue Deinen Wunder-Wegen;
Sie enden sich in Lieb und Segen;
Genug, wenn ich Dich bei mir hab!
Ich weiß: Wen Du willst herrlich zieren
Und über Sonn’ und Sterne führen,
Den führest Du zuvor hinab!« –
Der alte Förster Wunderlich hatte, seit Eduard von ihm gegangen war, gar keine Ruhe gefunden. Er war ein gar sorgsamer und bedenklicher alter Herr, dem gar leicht Etwas im Kopfe herum gehen konnte, was ein Anderer vielleicht gar nicht beachtet hätte. Darum fühlte er sich erleichtert, als endlich Arndt nach Hause kam.
»Sie wurden gesucht, Herr Vetter,« sagte er.
»Von wem?«
»Von Eduard Hauser.«
»Was wollte er?«
»Er rückte gar nicht mit der Sprache heraus. Es schien also etwas Geheimnißvolles zu sein.«
»Machten Sie ihn darauf aufmerksam, daß Sie beauftragt sind, Wichtiges entgegen zu nehmen, wenn ich nicht da bin?«
»Ja.«
»Und er sagte dennoch nichts?«
»Kein Wort! Um so wichtiger muß also die Sache sein, da er sie nicht einmal mir anvertraut.«
»Nein; erst morgen früh. Für heute schien er außerordentlich viel beschäftigt zu sein.«
»Hm! Es ist möglich, daß Etwas gewesen ist, wobei er eigentlich meiner Gegenwart bedarf. Ich werde ihn suchen.«
»Aber wo?«
»Zunächst bei seinen Eltern.«
»Und wenn er nicht da ist?«
»So giebt es einige Orte, gewisse Beobachtungspunkte, an denen ich ihn wohl treffen werde.«
Er ging – ganz als Vetter Arndt gekleidet. Im Städtchen angekommen, bemerkte er nichts von dem Geschehenen. Als er in Hauser’s Hausflur trat, hörte er gerade die letzten Worte:
»Den führest Du zuvor hinab.«
»Sie beten! Fromme Leute!« dachte er.
Dann klopfte er laut an und trat auf den von innen erfolgten Ruf in die Stube.
»Guten Abend!« grüßte er nach dortiger Sitte.
»Guten Abend!« dankte Hauser. »Willkommen! Wollen Sie sich hier niedersetzen? Wenig Platz, der Kinder wegen; aber – viele Kinder, viele Freude!«
»Das ist wahr,« antwortete Arndt, indem er sich setzte. »Ich suche Ihren Sohn!«
»Den Eduard?«
»Der ist leider nicht zu Hause.«
»Wissen Sie nicht, wo ich ihn treffen könnte?«
»Das weiß ich wohl, glaube aber nicht, daß es Ihnen viel nützen würde, es zu erfahren. Darf ich wissen, wer Sie sind?«
»Gewiß. Ich bin der Vetter Arndt draußen beim Förster Wunderlich.«
»Der Vetter Arndt? Gott sei Dank! Siehst Du Mutter, schickt uns da der liebe Gott nicht gleich Jemand, den wir brauchen?«
»Sie brauchen mich?«
»Höchst wahrscheinlich, Herr Arndt. Erst heute sprach mein Sohn von Ihnen. Er sagte, daß wir uns an Sie wenden sollten, wenn wir einmal in seiner Abwesenheit eines Rathes bedürften.«
»Das hat er recht gemacht! Und jetzt also scheint es, daß Sie eines Rathes bedürfen?«
»Ja, sogar sehr nothwendig.«
»Nun, ich stehe gern zur Verfügung und wünsche nur, daß mein Rath Ihnen Nutzen bringen möge!«
»Herr, Ihr Rath wird schon nützlich sein. Sie haben meinem Sohne erlaubt, mir Einiges mitzutheilen. Ich weiß also, daß ich einen braven Mann vor mir habe, dem wir zu sehr großem Dank verpflichtet sind. Und ebenso bin ich überzeugt, daß wir Ihre Theilnahme finden werden. Unser Eduard ist nämlich arretirt.«
»Arretirt?« fragte er, als ob er glaube, nicht richtig gehört zu haben.
»Ja. Arretirt.«
»Warum?«
»Als Pascher.«
»Das ist nicht möglich!«
»O doch! Man hat ihn sogar für den Pascherkönig gehalten!«
»Aus welchem Grunde?«
»Man hat einen Brief entdeckt, den er unvorsichtiger Weise an den Kaufmann Strauch geschrieben hat.«
»Ah! Dachte es mir doch sogleich.«
»Wie? Sie wissen von dem Briefe?«
»Eduard hat es mir selbst gesagt.«
»O, warum haben Sie ihn nicht gewarnt?«
»Weil es zu spät war; er hatte den Brief ja bereits abgeschickt.«
»Und Sie wissen auch, wozu er ihn geschrieben hat?«
»Ja.«
»Nun, das entschuldigt ihn. Er hat übrigens seinen Zweck erreicht. Die Engelchen ist zu Verstande gekommen und mag von dem Seidelmann nichts wissen.«
»Das freut mich. Aber auf diesen Brief hin hat man ihn doch nicht im Walde aufgegriffen?«
»Nein, sondern weil man Paschwaare bei ihm gefunden hat.«
»Paschwaare? Er war doch kein Pascher!«
»Nein. Davon sind auch wir überzeugt. Er selbst hat gar nichts davon gewußt; aber als er ausgesucht worden ist, hat man die Waare doch bei ihm gefunden.«
»In seiner Tasche?«
»Nein, sondern im Rockfutter.«
Arndt horchte auf.
»Im Rockfutter?« fragte er. »Welche Waare war es?«
»Spitzen.«
»Alle Wetter! Spitzen!«
»Ja, Spitzen. Woher aber soll Eduard diese theuren Spitzen bekommen haben! Es ist Unsinn. Es giebt ein Geheimniß, welches man erst ergründen muß.«
»So hat man ihn also ergriffen und arretirt?«
»Ergriffen, arretirt und hierher geschafft.«
»Warum hierher?«
»Um auch bei uns auszusuchen. Man hat freilich nichts gefunden.«
»Wie aber kommt es, daß man gerade Eduard’s Rockfutter so genau untersucht hat?«
»Daran ist Fritz Seidelmann schuld.«
Wieder hob Arndt schnell den Kopf in die Höhe und fragte in erregtem Tone.
»Fritz Seidelmann? Hat etwa der die Anzeige gemacht?«
»Wer sonst? Und als sie im Walde bei Eduard die Taschen durchsuchten, ohne etwas zu finden, hat er gemeint, sie sollten nur im Rockfutter nachsehen.«
»Hm!« brummte Arndt höchst nachdenklich.
»Ja, so ist es. Eduard erzählte es, als wir ihm zuletzt den Arm verbanden.«
»Was! Er ist doch nicht etwa verwundet?«
»Doch! Sie haben ja auf ihn geschossen.«
»Ist’s gefährlich?«
»Nein, Gott sei Dank! Nur eine Streifwunde.«
»Aber haben Sie eine Ahnung, was er eigentlich im Walde gewollt hat?«
»Er kam am Spätnachmittage, um mir zu sagen, daß er hinüber nach Langenberg müsse.«
»Das ist doch über der Grenze drüben!«
»Allerdings. Er sagte mir nicht, was er drüben wolle. Heute Abend jedoch, als wir ihm den Verband anlegten, sagte er, daß er im Gasthofe zum grauen Wolf in der Amtsstadt einen Herrn getroffen hätte, für den er ein Packet Schriften nach Langenberg habe schaffen müssen. Wir sollen Ihnen sagen, daß dieser Herr der Fürst des Elendes gewesen sei.«
»Schwindel!«
»Oder wenigstens ein Beauftragter von ihm.«
»Wie können Sie das wissen?«
»Das erkläre ich Ihnen später einmal. Ihr Sohn ist in die Hände eines Schwindlers gefallen oder wohl gar in die Hände eines Feindes, der ihn verderben will.«
»Das konnten wir uns denken. Wir werden Gott bitten, ihn unter seinen Schutz zu nehmen.«
»Ihr Gebet ist bereits erhört.«
»Wie? Was sagen Sie?«
»Daß Sie keine Sorge um Eduard zu haben brauchen. Seine Gefangenschaft wird eine sehr kurze sein.«
»Welche Freude, wenn das wahr wäre!«
»Es ist wahr. Ihr Sohn ist unschuldig. Es hat sich Einer hier eingeschlichen und ihm die Spitzen heimlicher Weise in den Rock genäht.«
»Wer will das beweisen?«
»Der Fürst des Elendes.«
»Ah! Wissen auch Sie von diesem?«
»Ja. Ich bin einer seiner Diener. Das ist es, was ich Ihnen vorhin mitzutheilen versprach. Doch bitte ich, das als ein tiefes Geheimniß zu betrachten!«
»Was Sie uns hier sagen, das bleibt so verschwiegen, als ob Sie es gar nicht gesagt hätten, Herr Arndt. Also ein Diener des Fürsten sind Sie! O, nun ist es mir um Eduard nicht bange!«
»Er bezeichnete Sie als seinen Freund. Er hatte in letzter Zeit gewisse Heimlichkeiten, die er nur für sich behielt. Das machte mir eigentlich Sorge. Nun ich aber höre, daß er mit Ihnen verkehrt hat, so nehme ich an, daß er auch im Dienste des Fürsten des Elendes gestanden hat.«
»Sie rathen ganz richtig. – Ja, ich will es Ihnen gestehen, um Sie über das Schicksal Ihres Sohnes vollständig zu beruhigen. Aber ich muß da nochmals um die größte Verschwiegenheit bitten!«
»Keine Sorge! Es wird uns kein Mensch dieses Geheimniß entreißen können. Also, Sie meinen, daß ihm Jemand die Spitzen in den Rock practizirt hat? Wer mag es gewesen sein?«
»Ahnen Sie es nicht?«
»Hm! Ich hätte so eine kleine Ahnung! Vielleicht Seidelmann selbst?«
»Warum dieser?«
»Weil er es seit einiger Zeit auf unser Verderben abgesehen hat.«
»Auch hier ist Ihre Ahnung richtig.«
»Wie? Er ist es also gewesen?«
»Ja. Er ist dabei beobachtet worden.«
»Von wem?«
»Vom Fürsten des Elendes.«
»Gott sei Dank! So ist Eduard allerdings gerettet.«
»Ganz gewiß; aber freilich nur in dem Falle, daß Sie das, was wir jetzt sprechen, nur für sich behalten, damit Seidelmann nichts erfährt. Er könnte sich vorbereiten.«
»Wird uns nicht einfallen! Also um Eduard ist es uns nicht mehr angst, desto mehr aber um das gute Engelchen.«
»Um die? Was ist mit ihr?«
»Sie ist auch mit gefangen.«
»Was Sie sagen! Weshalb?«
»Als Mörderin. Sie hat auf Fritz Seidelmann geschossen, und zwar heute Abend, hier in meiner Stube.«
»War Seidelmann denn mit hier?«
»Ja. Er ist mit dem Staatsanwalt und den Gensdarmen und Grenzern im Walde gewesen, um Eduard zu fangen, und sodann kam er mit herein, um sich Alles so recht in Gemüthlichkeit mit anzusehen.«
»Welch’ eine unerhörte Frechheit!«
»Während man hier bei uns aussuchte, hatte sich Engelchen mit ihrem Vater gezankt. Er war wegen des gestrigen Abends wüthend auf sie. Er verlangte, daß sie bereits morgen bei Seidelmanns in Dienst treten solle –«
»Wie verblendet!«
»Freilich! Und als sie nicht wollte, hat er sie geschlagen.«
»Sie ist natürlich ganz außer sich gewesen und drüben ihrem Vater entflohen. Sie kam herüber zu uns. Sie sah unsern Eduard gefesselt und von Blut überströmt; sie sah diesen Seidelmann, der die Schuld an Allem trug, und da ging ihr der Grimm mit dem Verstande fort. Sie riß einem der Grenzer das Gewehr aus der Hand – –«
»Und schoß auf Seidelmann?« fiel Arndt ein.
»Sie wollte nicht. Sie sagte nur, daß sie ihm zeigen wolle, was ihm eigentlich gehöre. Da aber ging der Schuß doch los. Was versteht so ein Mädchen von einer Flinte!«
»Wurde er verwundet?«
»Ein Schrotkorn streifte ihn am Ohre.«
»Das ist ein großes Glück.«
»Aber doch fiel der Hasenfuß vor Schreck in Ohnmacht!«
»Was geschah dann?«
»Als er wieder zu sich kam, verlangte er vom Staatsanwalt, daß Engelchen arretirt und auf das Allerstrengste bestraft werde.«
»Die Arretur war selbstverständlich. Was aber die Strafe anbelangt, so werden die Herren Richter diesem Seidelmann wohl nicht den Gefallen thun, allzu blutdürstig zu sein.«
»Das sah man bereits dem Herrn Staatsanwalt an.«
»Er schien erst an Eduard’s Schuld geglaubt zu haben; aber sein Verhalten änderte sich zusehends, und zuletzt war es gar nicht, als ob er zwei Gefangene mit sich nehme.«
»So sind Beide mit einander fort? Ah! Wäre ich zugegen gewesen! Die Sache hätte wohl eine noch andere Wendung genommen. War der hiesige Gensd’arm mit dabei?«
»Ja.«
»Das ist mir lieb. Es steht da zu vermuthen, daß er sich jetzt ausruht und zu Hause befindet.«
»Wollen Sie zu ihm?«
»Ja, und zwar im Interesse Ihres Sohnes. Ich möchte da nicht gern Zeit verlieren.«
Er erhob sich und reichte Vater Hauser die Hand. Dieser sagte:
»Haben Sie herzlichen Dank, Herr Arndt. Ihr Besuch hat mich nun vollends erleichtert. Ich weiß jetzt gewiß, daß Eduard bald wiederkommen wird.«
»Der Fürst des Elendes wird das Seinige thun.«
»Ich bin es überzeugt; denn was dieser einmal in die Hand nimmt, das wird beim richtigen Zipfel angefaßt. Wann werden wir Sie wiedersehen?«
»Vielleicht sehr bald, wenn ich Ihnen eine frohe Kunde bringe. Für heute aber, gute Nacht!«
Er ging, und der Weber begleitete ihn bis vor die Thüre. Als Arndt dann eine Strecke weit die Gasse hinauf gekommen war, trat er hinter die Ecke eines Hauses, griff in die Tasche und zog die Perrücke und den falschen Bart hervor. In Zeit von kaum zwei Minuten stand er da als die Person, welche am Sonntage beim Pfarrer gewesen war.
Nun begab er sich nach der Wohnung des Gensd’armen, die er bei Gelegenheit erfahren hatte. Die Fenster derselben waren erleuchtet; es stand also zu vermuthen, daß der Mann zu Hause sei. Das erwies sich als richtig, denn der Gensd’arm öffnete selbst, als Arndt klopfte. Er sah einen ihm fremden Menschen vor sich und fragte: »Was wollen Sie?«
»Ihre Hilfe,« antwortete Arndt ebenso kurz.
»In welcher Angelegenheit?«
»Zunächst möchte ich Sie bitten, sich einmal mit mir gefälligst zum Herrn Pfarrer zu bemühen.«
»Warum?«
»Weil ich auch dieses Herrn bedarf.«
»Wer sind Sie?«
»Haben Sie die Güte, das erst beim Pfarrer zu erfahren.«
»Sapperment, thun Sie geheimnißvoll!«
»Es ist nur, weil man nicht gern Ein-und Dasselbe zweimal sagt. Was ich Ihnen hier mittheile, muß ich beim Herrn Pfarrer wiederholen.«
»Gilt es einen Ausgang außerhalb der Stadt?«
»Ja. Sie können einen warmen Mantel anlegen.«
»Auch Waffen?«
»Das wird nicht nothwendig sein.«
»Ich werde mich doch vorsehen. Besser ist besser! Jetzt bin ich bereit. Kommen Sie!«
Der Pfarrer saß an seinem Studirtische und las. Er vermuthete nicht, heute noch Besuch zu bekommen, und war daher einigermaßen verwundert, als ihm der Gensd’arm und ein fremder Mann gemeldet wurden.
Der Gensd’arm trat natürlich zuerst ein. Er hielt seinen Begleiter für irgend einen armen Arbeiter oder Landbewohner.
»Verzeihung, Herr Pfarrer, daß wir zu dieser späten Stunde noch stören!« sagte er. »Aber dieser Mann hier kam zu mir, und forderte mich auf, mit ihm –«
Er wurde von einem Rufe des Erstaunens unterbrochen, den der Pfarrer ausstieß. Dieser hatte seinen mildthätigen Besuch vom vorigen Sonntag erkannt.
»Welche Ueberraschung! Der Fürst des Elendes!«
Der Gensd’arm öffnete den Mund und blickte abwechselnd auf den Geistlichen und auf den Mann, mit dem er gekommen war.
»Der Fürst des Elendes?« fragte er.
»Ja.«
»Wo denn?«
»Nun hier, da neben Ihnen!«
Dabei deutete er auf seinen Nachbar. Dieser nickte ihm lächelnd zu und sagte:
»Ja, es ist schon so; ich bin der Fürst des Elendes, und Sie sind also der Mühe entledigt, mich dem Herrn Pfarrer vorzustellen.«
»Nein, nein; wir kennen uns bereits!« bestätigte der Geistliche. »Bitte, mein hochverehrtester Herr! Darf ich Sie ersuchen, Platz zu nehmen?«
Als sich die Herren gesetzt hatten, fragte der Pfarrer dann:
»Ich nehme an, daß Sie kommen, um zu hören, wie ich Ihren Bestimmungen nachgekommen bin?«
»O nein, Hochwürden! Ich komme heute in einer ganz anderen Angelegenheit. Haben Sie gehört, daß Eduard Hauser eingezogen worden ist?«
»Ja. Es war mir geradezu unglaublich.«
»Und auch, daß man Angelika Hofmann arretirt hat?«
»Leider! Das arme Mädchen hat in der höchsten Aufregung gehandelt. Ich hoffe, man wird sie für momentan unzurechnungsfähig erklären.«
»Ich bin überzeugt, daß man dies thun wird. Ich belästige Sie heute vorzugsweise Hauser’s wegen.«
»Meinen Sie, daß ich Etwas für ihn thun kann?«
»Ganz gewiß. Er ist unschuldig.«
»Das nun wohl nicht?« fiel der Gensd’arm ein, der bisher geschwiegen hatte und es nun an der Zeit hielt, auch ein Wort zu sagen.
»Wie kann er unschuldig sein?«
»Warum wohl nicht?«
»Man hat ja die Spitzen bei ihm gefunden, mag er auch den Brief aus anderen Gründen geschrieben haben.«
»Und dennoch irren Sie sich. Er ist unschuldig.«
»Wir von der Polizei glauben das nicht.«
»Mein Lieber, wenn der Fürst des Elendes Ihnen sagt, daß Jemand unschuldig sei, so können Sie es getrost glauben; denn er ist auch Einer von der Polizei. Hier, überzeugen Sie sich gefälligst.«
Er gab ihm seine Karte hin. Der Gensd’arm las dieselbe und sagte in aufrichtiger Ueberraschung: »Alle Wetter! Das hätte ich nicht gedacht!«
»Nun, so denken Sie es jetzt.«
Und sich wieder zu dem Pfarrer wendend, fuhr er fort:
»Ich bin überzeugt, daß irgend Wer unseren Eduard Hauser mit den Papieren nach Langenberg in das Verderben hat schicken wollen.«
»Diesen braven Menschen! Der Keinem ein Leid thut!«
»Und daß man ihm zu diesem Zwecke heimlich die Spitzen in den Rock genäht hat.«
»Das müßte er ja wissen?« meinte der Gensd’arm.
»Ich sagte: heimlich.«
»Das geht nicht an. Er muß doch sehen, was andere Leute mit seinem Rocke vornehmen.«
»Auch des Nachts?«
»Da ist er ja zu Hause und nicht bei fremden Menschen, die ihm gefährlich werden wollen.«
»Aber so ein Mensch kann zu ihm kommen.«
»Ah! So meinen Sie es?«
»Allerdings.«
»Hm! Das wäre freilich ein grundschlechter Streich!«
»Darnach frägt so ein Mensch doch nicht.«
»Wer könnte das gewesen sein?«
»Ich weiß es.«
»Ah, wirklich?« fragte der Pfarrer schnell.
»Ja. Ich war sogar dabei; ich habe Alles beobachtet.«
»So sagen Sie schnell, wer ist es gewesen?«
»Gestatten Sie mir jetzt noch, schweigsam zu sein. Ich habe nämlich den Zweck, diesen schlechten Menschen zu entlarven, indem ich einen Anderen fange, nämlich den – Waldkönig.«
Dieses Wort machte einen großen Eindruck auf die beiden Zuhörer. Der Pfarrer sprang auf und rief: »Den Waldkönig wollen Sie fangen?«
»Ja.«
»Bitte, bitte, nehmen Sie sich da recht sehr in Acht, damit Ihnen nicht ein Unglück geschieht.«
Auch der Gensd’arm hatte eine Bewegung der Ueberraschung gemacht. Er richtete seinen Blick im höchsten Erstaunen auf Arndt und fragte: »Den? Den wollen Sie fangen?«
»Ja.«
»Hm! Das ist Hunderten nicht gelungen!«
»So kann es dem Ersten nach diesen Hunderten gelingen. Dabei ist es keineswegs meine Absicht, die hiesigen Polizeiorgane um ihre Ehre zu schmälern, indem ich auf Ihre Mitwirkung verzichte.«
»Ah! Das ist’s! Daher kommen Sie zu mir?«
»Ja, daher!«
Da legte der Gensd’arm mit sichtbarem Wohlgefallen die Hand an sein Kinn und sagte:
»Das ist sehr recht von Ihnen! Sie werden sich auf mich verlassen können. Aber schwierig wird es sein, sehr schwierig und außerordentlich gefährlich.«
»Pah! Sie fürchten den Waldkönig?«
»Ich? O nein! Aber Jedermann fürchtet ihn.«
»Ihn, der bei einem einfachen Schusse bereits in Ohnmacht fällt!«
»Der Waldkönig? Wo wäre das geschehen und wann?«
»Heute Abend, bei Hausers.«
Da machte der Gensd’arm ein geradezu unbeschreiblich hilfloses Gesicht und fragte stockend: »Bei Hausers? Heute Abend?«
»Ja.«
»Da ist ja Fritz Seidelmann in Ohnmacht gefallen.«
»Nun ja.«
Der Polizist vergaß vor Entsetzen ganz und gar, daß er sich in der Wohnung eines frommen Mannes befand.
»Himmeldonnerwetter!« fluchte er. »Sie wollen doch nicht vielleicht sagen, daß Fritz Seidelmann der Waldkönig ist?«
»Gerade das will ich sagen: Er und sein Vater!«
»Da bleibt mir der Verstand stehen!«
»Reiben Sie ihn schnell mit Kampferspiritus oder Opodeltoc ein, sonst kommt er nie wieder in Bewegung.«
»Seidelmann der Pascherkönig? Nein!«
»Warum nicht? Seidelmann machte die Familie des Schreibers unglücklich – Sie selbst haben Vater und Tochter arretirt, und doch war die Letztere unschuldig. Seidelmann zeigt Eduard Hauser an, nachdem er ihm die Spitzen in den Rock genäht hat. Seidelmann verlangt – –«
»Seidelmann hat dem Hauser die Spitzen beigesteckt?« fiel der Gensdarm ein.
»Ja.«
»Wie kann man das beweisen?«
»Ich kann es beschwören, denn ich habe es belauscht. Und sodann kann ich den Ort zeigen, wo sich die Spitzen befinden, von denen der heute confiscirte Theil abgeschnitten worden ist. Die Schnittflächen werden genau aneinander passen.«
»Das wäre allerdings ein schlagender Beweis!«
»Und doch genügt er mir noch nicht. Ich will ihm noch Weiteres beifügen, und dabei können Sie mir helfen.«
»Ich stehe zu Diensten!«
»Und Sie, Hochwürden?«
Der Pfarrer hatte in letzter Zeit ganz still dagesessen. Was er hörte, wirkte so mächtig auf ihn ein, daß er es vorzog, zu schweigen. Jetzt aber antwortete er: »Diese Seidelmanns! Ah, meine Ahnung!«
»Wie? Sie ahnten – –?«
»Nicht das, was Sie wissen, verehrter Herr; aber ich war überzeugt, daß die Seidelmanns nicht die Leute sind, für welche sie sich ausgeben. Ich bin noch am letzten Sonntag arg mit ihnen zusammen gerathen. Bedürfen Sie auch meiner Mitwirkung?«
»Ich möchte Sie allerdings um dieselbe ersuchen.«
»Ich stehe zu Diensten.«
»Schön! So habe ich Ihnen mitzutheilen, daß ich heute noch mit dem Waldkönige sprechen werde – –«
»Donnerwetter!« fiel der Gensdarm ein.
»Sie sollen heimlich dabei sein – –«
»Sie sollen nur hören, ob seine Stimme die Stimme Seidelmanns ist.«
»Das wird nicht schwer und auch nicht gefährlich sein. Verlangen Sie nur dieses Eine?«
»Weiter nichts!«
»Warum ihn nicht gleich festnehmen?«
»Nicht jeder Gewinn ist auch ein Vortheil zu nennen. Der Waldkönig wird auch für einen Pascher gehalten. Ich bespreche ein Geschäft mit ihm. Wir einigen uns über einen bedeutenden Schmuggelzug, und dann, dann erst nehmen wir ihn gefangen.«
Der Gensdarm fühlte sich von dem Plane förmlich begeistert.
»Sakkerment, ist das schlau, ist das pfiffig!« sagte er. »Wo wird die Unterredung stattfinden?«
»Draußen auf dem Schachte.«
»Warum da?«
»Darüber später. Haben die beiden Herren die Güte, sich mir anzuschließen?«
»Ja, sogleich!« antwortete der Gensdarm; indem er aufstand.
»Gern,« sagte auch der Pfarrer. »Wenn Ihnen an meinem Zeugnisse gelegen ist, mein Herr, so – –«
»Gewiß, gewiß! Das Zeugniß eines Pfarrers pflegt mehr Gewicht zu haben als jedes andere.«
»Aber haben wir nicht vorher noch über die Summe zu sprechen, welche sie die Güte hatten, mir – –«
»Heute nicht, heute nicht,« fiel ihm Arndt in die Rede. »Dieses Geld befindet sich in guten Händen. Verfügen Sie ganz nach Belieben darüber, und vergessen Sie nicht, daß Sie keinem Menschen Rechenschaft abzulegen haben!«
Nach kurzer Zeit waren die Drei unterwegs.
Als sie das Kohlenbergwerk erreichten, meinte Arndt:
»Bitte, warten Sie! Ich will erst rocognosciren.«
»Soll ich es nicht thun?« fragte der Gensdarm. »Unsereiner hat so seine Uebung und Erfahrung.«
»Danke! Ich bringe das auch fertig.«
Er schlich davon, und die Beiden blieben leise flüsternd mit einander zurück. Nach einer Weile tauchte er hart bei ihnen aus dem Schnee empor, so daß sie über sein plötzliches Erscheinen beinahe erschreckten.
»Es steht Alles gut,« sagte er. »Treten Sie so leise wie möglich auf; lassen Sie sich nicht sehen, und beobachten Sie überhaupt alle mögliche Vorsicht!«
Er führte sie nach dem Schuppen, in welchem er mit dem frommen Schuster gesprochen hatte. Als sie ihn glücklich und unbemerkt erreichten, sagte er: »Hier liegt Stroh. Klettern Sie hinauf, und beobachten Sie scharf. In einiger Zeit wird der Waldkönig erscheinen. Ich werde ihn sogar einmal mit meinem chemischen Laternchen anleuchten. Diesen Augenblick müssen Sie erfassen. Wenn Sie auch sein belarvtes Gesicht nicht erblicken werden, so wird es Ihnen doch wenigstens gelingen, seine Gestalt zu erkennen.«
Er ging fort und klopfte an Laube’s Thür. Dieser Letztere erschien sogleich und fragte laut: »Was giebt es?«
Arndt griff mit der rechten Hand nach dem rechten Auge und sagte:
»Ich werde erwartet.«
»Ah, Sie sind es! Sie waren gestern bereits da?«
»Ja.«
»Ich soll Sie melden.«
»Dauert es lange?«
»Nein, da man Sie erwartet.«
»Klingeln Sie heute fünfmal anstatt nur vier Mal!«
»Ist das besprochen worden?«
»Ja.«
»Gut. Haben Sie sich den Strohschuppen gemerkt?«
»Ja. Soll ich dort warten?«
»Bitte, ja. Der Betreffende wird dort hinkommen.«
Jetzt kehrte Arndt nach dem Schuppen zurück. Er zog sein Laternchen hervor und bemerkte beim Scheine derselben, daß seine beiden Gefährten sich so versteckt hatten, daß sie gar nicht bemerkt werden konnten.
»Haben Sie ihn bestellt?« flüsterte der Gensdarm.
»Ja.«
»Bitte, sprechen Sie so laut wie möglich mit ihm, damit uns nichts entgehen kann.«
»Ihren Wunsch in allen Ehren, aber Sie sehen doch ein, daß man bei derartigen geheimen Zusammenkünften nicht geradezu zu schreien pflegt!«
Es verging wohl eine halbe Stunde. Da öffnete sich die nur angelehnte Thür, und es trat Jemand ein.
»Pst!« machte es.
»Pst!« antwortete Arndt.
»Wer ist hier?«
»Der Gestrige.«
»Gut! Sie hatten nicht für bestimmt zugesagt.«
»Ich habe auch wirklich großen Schaden, indem ich noch einmal kommen muß. Sind wir hier sicher?«
»Vollkommen! Der, welcher mich geholt hat, steht Wache.«
»So gilt zunächst eine Frage: Sie sind der hiesige Waldkönig?«
»Ja. Und Sie sind der Pascherkönig, welcher Gegend?«
»Lassen wir das! Man muß jetzt vorsichtig sein. Kommen Sie in Geschäften zu mir, habe natürlich ich mich zu legitimiren.«
»Richtig! Auch der Hauptmann mahnte zur Vorsicht. Er schrieb, daß er jetzt nicht mehr correspondiren könne; ich solle der Weisung eines Jeden folgen, der im Besitze des Zeichens ist.«
»Nun, das habe ich.«
»Ich weiß es. Waren Sie auch an der Eiche?«
»Natürlich. Wie hätte ich sonst wissen können, daß Laube es ist, an den man sich zu wenden hat.«
»Richtig! Also, Sie haben mir ein Geschäft in Vorschlag zu bringen?«
»Ein bedeutendes sogar.«
»Ich hörte es. Wollen Sie liefern oder empfangen?«
»Liefern.«
»Was für Gegenstände?«
»Persische Seide und Smyrnatücher.«
»Donnerwetter! Das wäre ein Geschäft!«
»Zwanzigtausend Gulden!«
»Umsatz natürlich?«
»Nein, sondern zu verdienen!«
»Reiner Gewinn? Tausend Teufel! Das wäre! Davon hat mir mein – der, mit welchem Sie gestern gesprochen haben, nichts gesagt.«
»Immer sprechen Sie sich vollständig und genau aus! Gestern sprach ich mit ihrem Bruder. Sie sehen also, daß ich Sie kenne.«
Es trat ein Schweigen ein, welches bewies, daß der Waldkönig sich entweder in Verlegenheit befand oder überrascht war. Endlich sagte er: »So sind Sie der Hauptmann selbst! Nur dieser allein kennt die persönlichen Verhältnisse seiner Könige.«
»Wer ich bin, ist jetzt ganz gleichgültig. Ich demaskire mich Ihnen nicht, und so haben Sie mit mir wie mit Ihresgleichen zu verfahren.«
»Gut! Es scheint, Sie wollen mich einer Prüfung unterziehen. Ich hoffe, sie zu bestehen. Wann gedenken Sie zu liefern?«
»Sobald wie möglich.«
»Hm, so bietet sich für morgen eine passende Gelegenheit. Wissen Sie, Winkler war gestern – –«
Er hielt doch inne. Arndt war ein Genie an Scharfsinn und Combinationsgabe. Er errieth sofort, daß Winkler ein Schmuggelunternehmer sei. Der Hauptmann wollte nicht mehr direct correspondiren; er hatte trotzdem an den Waldkönig geschrieben. Wer konnte diesem den Brief gebracht haben? Kein anderer, als dieser jetzt so zaghaft erwähnte Winkler! Arndt war von der Wahrheit seiner Vermuthung so fest überzeugt, daß er gar nicht annahm, ein Wagniß zu begehen, wenn er schnell bemerkte: »Winkler! Nun, was ist mit ihm?«
»Ich weiß nicht – ob – ob ich davon sprechen darf!«
»Warum nicht. Hat er meine Befehle ausgeführt?«
»Nun, hat er Ihnen mein Schreiben gegeben?«
»Ah! Also doch! Sie sind es selbst, wirklich selbst! Ah, nun kann ich freilich offen sprechen! Ich habe Ihren Brief erhalten und mein Bruder den seinen auch, der ihn so schnell abrief.«
»Und was trug Winkler Ihnen an?«
»Eine höchst ansehnliche Lieferung.«
»Für wann!«
»Zwei Uhr nach Mitternacht.«
»Wohin?«
»An das diesseitige Ende des Haingrundes.«
»Wo wir jetzt solches Pech gehabt haben?«
»Ja; aber gerade deshalb.«
»Sie denken, die Grenzer meinen, daß wir uns nicht sogleich wieder dahin wagen werden?«
»Gewiß haben Sie diese Ueberzeugung, zumal – –«
»Zumal – – –? Nun, was?«
»Zumal sie denken werden, daß wir jetzt überhaupt ganz und gar nichts unternehmen werden.«
»Ah! Warum sollten sie das denken?«
»Weil – hahaha! – weil sie den Pascherkönig gefangen haben! Darum!«
»Ah! Sie meinen diesen albernen Hauser?«
»Ja.«
»Ich bin stets von Allem, was mich interessiren kann, gut unterrichtet. Ihr Sohn hat ihm die Spitzen in den Rock geflickt?«
»Das heißt, er hat sich in Hauser’s Stube geschlichen?«
»Das war nicht schwer.«
»Die Spitzen sind aus Ihrer hinteren Stube. Sie wissen den verborgenen Ort!«
»Alle Teufel! Sind Sie allwissend?«
»So sehr, als es mir vortheilhaft ist. Sie sehen hieraus, daß es sehr gerathen ist, mir treu zu dienen. Uebrigens bin ich mit dem zwischen Ihnen und Winklern besprochenen Plan einverstanden. Ich halte den Haingrund jetzt für sehr sicher.«
»Ich auch. Ah, wenn wir zu gleicher Zeit auch Ihre Sendung erhalten könnten! Welch’ ein Fang!«
»Wie viele Leute sendet Winkler?«
»Zwanzig Mann.«
»Ich bringe ebenso viele. Sie hätten also für vierzig Mann zu sorgen, um die Pakete aufzunehmen.«
»Die bringe ich gut zusammen.«
»Das sind achtzig Personen. Ist denn der Ausgang des Haingrundes groß genug, um diese Leute zu fassen?«
»O, ganz gewiß!«
»Schön! Wie steht es mit einer Parole?«
»Wir haben sie in letzter Zeit nicht für nöthig gehalten.«
»Warum nicht? Man kann die Vorsicht nie zu weit treiben. Meine Träger werden den Ihrigen ihre Pakete nur gegen Parole übergeben.«
»Wie lautet sie?«
»Gottfried von Bouillon.«
»Gut Ich werde diese Parole austheilen.«
»An der Eiche?«
»Ja. Eine andere Gelegenheit bleibt mir bei dieser Kürze der Zeit nicht zur Verfügung.«
»So gehen Ihre Leute einzeln zur Eiche und kommen also auch einzeln dann nach dem Haingrund.«
»Ja. Ist das nicht besser, als wenn sie sich vorher versammeln und von den Grenzern um so leichter bemerkt werden?«
»Gewiß! Sie haben Recht. Wie operiren Sie denn mit Wolf in Helfenstein?«
»Mit dem Schmiede? Hm! Er ist unzuverlässig.«
»Wieso?«
»Früher war er ein ganz anderer Kerl, ganz Feuer und Flamme. Jetzt ist er nicht mehr so.«
»Daran ist das Alter schuld!«
»O, nicht dieses allein. Er ist trübsinnig geworden. Er spricht mit sich selbst; er macht allerhand andere Dummheiten. Es hat fast den Anschein, als ob er sich jetzt in dem Besitze jenes ebenso dummen, wie überflüssigen Dinges befinde, welches von gewissen Leuten Gewissen genannt wird.«
»Dann wäre er allerdings ein großer Dummkopf geworden und man hat sich mit ihm vorzusehen.«
»Sicher! Er ist unzuverlässig geworden. Bei unserem letzten Unternehmen ist er gar nicht erschienen, obgleich er mit seinem Sohne den ganzen Nachmittag in der Schänke zugebracht hat. Was soll man davon denken!«
»Ich werde den Kerl einmal in’s Gebet nehmen. Also, morgen zwei Uhr nach Mitternacht am diesseitigen Ausgange des Haingrundes. Vierzig Personen bestellen. Kommen Sie selbst?«
»Natürlich!«
»Auch ich bin mit da.«
»Desto besser! Erlauben Sie mir, meinen Sohn mitzubringen?«
»Ja. Ich möchte mit ihm sprechen. Bringen Sie ihn! Haben Sie sonst eine Frage?«
»Sie sprachen von zwanzigtausend Gulden Gewinn. Wie kommt diese Summe zur Vertheilung?«
»Wie gewöhnlich. Brauchen Sie Geld?«
»Ja. Wir haben in letzter Zeit so ungeheures Pech gehabt.«
»So werde ich morgen Einiges mitbringen. Also Ihr Bruder ist abgereist?«
»Heute früh.«
»Hat er Ihnen gesagt, wohin?«
»Nein. Er ist verschwiegen, selbst gegen mich.«
»So sind wir heute also zu Ende? Nicht?«
»Ja. Ich wenigstens habe weiter nichts zu bemerken.«
»So entfernen Sie sich zuerst. Ihre Zeit ist am Meisten in Anspruch genommen. Gute Nacht!«
»Gute Nacht!«
Der Waldkönig ging. Sein Schritt war langsam. Er sprach mit Laube, welcher Wache gestanden hatte. Als Beide um die nächste Ecke verschwunden waren, flüsterte Arndt den beiden Lauschern halblaut zu: »Kommen Sie! Wir gehen jetzt. Später könnten wir sehr leicht beobachtet werden.«
Es raschelte im Stroh. Die Zwei standen bei ihm. Er trat zur Thür hinaus, und sie folgten ihm. Sie wollten dieselbe Richtung einschlagen, aus der sie gekommen waren; er aber hielt sie zurück, indem er warnte: »Nicht dahin! Das dürfen wir nicht.«
»Warum denn nicht?« fragte der Gensd’arm. »Das ist ja unsere Richtung?«
»Dorthin ist auch der Pascherkönig gegangen. Er steht da irgendwo und kann uns leicht bemerken. Dann wäre Alles verdorben. Wir müssen auf der anderen Seite der Halde hinab.«
Er wandte sich der entgegengesetzten Richtung zu, wo sie die steile Halde langsam hinabkletterten und dann den eigentlichen Weg erst aufsuchten. Sie schwiegen, bis sie sich in der Nähe der Stadt befanden, dann fragte Arndt: »Nun, meine Herren, was sagen Sie dazu?«
»Das war die interessanteste Unterhaltung, welche ich in meinem Leben gehört habe,« versicherte der Pfarrer.
»Und Sie?« fragte Arndt den Gensd’arm.
Da stellte der Polizist sich breitspurig vor Arndt hin, legte ihm die beiden Hände auf die Achseln und sagte: »Ich sage dazu, daß ich am Liebsten Sie arretiren möchte!«
»Mich? Hm! Warum?«
»Wer sind Sie denn eigentlich?«
»Das wissen Sie!«
»Nein, das weiß ich eben nicht! Der Herr Pfarrer hat zwar gesagt, daß Sie der Fürst des Elendes seien – aber –«
»Nun, aber –?«
»Nach Ihrem Gespräche mit dem Waldkönige, welches ich Wort für Wort gehört habe, muß ich etwas ganz Anderes vermuthen.«
»Nun, was vermuthen Sie?«
»Daß es mehrere Waldkönige giebt.«
»Das war leicht zu bemerken.«
»Daß diese verschiedenen Waldkönige ein Oberhaupt haben, welches sie Hauptmann nennen.«
»Schön! Weiter!«
»Und daß Sie dieser Hauptmann sind!«
»Das ist allerdings höchst interessant!«
»Kann ich anders? Sie wußten ja Alles! Sie wußten mehr, als der Waldkönig selbst!«
»Aber wie oft ich dabei doch nur bloße Vermuthungen und Combinationen ausgesprochen habe, das wissen Sie nicht.«
»Auch haben Sie uns den Mann ja gar nicht angeleuchtet, wie Sie uns doch versprochen hatten.«
»Ich hielt das nicht für nöthig. Sie haben, wie Sie bereits sagten, jedes Wort unserer Unterhaltung verstanden?«
»Ja.«
»Nun, so haben Sie auch gehört, daß von einem Sohne gesprochen wurde, welcher morgen mitkommen wird, und von einem Bruder, welcher heute früh abgereist ist. Bedarf es da etwa einer chemischen Laterne, um zu wissen, wen man vor sich hat?«
»Ganz gewiß nicht,« antwortete der Pfarrer.
»Haben Sie die Stimme erkannt, Hochwürden?«
»Ja, obgleich sie durch die Maske einigermaßen verändert wurde, was leicht begreiflich ist.«
»Nun, wessen Stimme war es?«
»Diejenige vom Seidelmann Vater.«
»Auch ich habe sie erkannt,« bemerkte der Gensd’arm. »Aber, Herr, Sie sind ein wahrer Teufel, alles so heraus zu locken!«
»Ich bin Polizist!« lachte Arndt.
»Es fällt Ihnen natürlich ganz und gar nicht ein, morgen nach Mitternacht zwanzig Träger mit persischen Seidenzeugen nach dem Haingrunde zu senden?«
»Warum nicht? Träger werde ich senden, aber nicht mit persischer Seide, sondern um die Pakete dieses sogenannten Winkler zu confisziren.«
»Sie thaten doch, als ob dieser Winkler Ihnen bekannt sei!«
»Freilich that ich so; aber ich habe noch nie von ihm gehört.«
»Donnerwetter! Das ist kühn!«
»Nein, sondern nur gut combinirt. Ich vermuthe sogar weiter, daß gerade dieser Winkler der Fremde ist, welcher Eduard Hauser die Briefschaften zur Besorgung übergeben hat.«
»Das ist allerdings eine Idee!«
Da klopfte Arndt dem Gensd’arm auf die Achsel und sagte unter einem lustigen Lachen:
»Ja, mein Lieber, wenn man Polizist ist, so ist es sogar nothwendig, zuweilen eine Idee zu haben!«
»Was werden Sie beschließen?«
»Das werden Sie morgen hören. Für heute kam es mir nur darauf an, giltige Zeugen meiner Unterredung mit dem Waldkönige zu besitzen. Ich kann nun auf alle Fälle nachweisen, wer dieser Mann ist. Morgen wird er mit seinen Leuten natürlich gefangen genommen. In welcher Weise das geschehen soll, das werden Sie durch Ihren Vorgesetzten erfahren. Für heute sage ich meinen besten Dank. Gehen wir jetzt weiter!«
Sie setzten ihren Weg fort. Arndt ging hinter den Beiden her. Er zog unter der Weste das weiße Betttuch hervor, warf es über und duckte sich nieder. Die Beiden bemerkten es gar nicht. Als sie einige Schritte gethan hatten, kroch er vom betretenen Pfade ab zur Seite hinüber und legte sich nieder. Sie waren noch gar nicht weit entfernt. Er sah, daß der Gensd’arm stehen blieb, und hörte dessen Worte: »Aber noch Eins, mein Verehrtester! Ich glaube nämlich, daß wir morgen – Himmeldonnerwetter!«
Er blickte ganz erstaunt umher. Der Pfarrer war vor Ueberraschung wortlos.
»Verzeihung, daß ich fluche, Herr Pfarrer!« sagte der Gensd’arm. »Aber was sagen Sie dazu? Der Kerl ist fort!«
»Allerdings!«
»Der Schnee leuchtet. Man kann sehr weit sehen. Aber, bemerken Sie eine einzige Menschenseele?«
»Ich sehe nichts!«
»Und ich gar nichts! Soeben war er noch hier, dahier, dicht hinter uns. Ich hörte, wie er leise hustete. Hören Sie, dieser Kerl ist nicht der Fürst des Elendes!«
»Nicht?«
»Nein. Auch nicht der Waldkönig!«
»Aber – wer ist er denn sonst?«
»Der Teufel, der leibhaftige Teufel! Gott sei meiner armen Seele gnädig!«
»Scherzen Sie nicht!«
»Ich scherze ganz und gar nicht! Er ist der Satan, der Beelzebub – alle guten Geister loben ihren Meister! Haben Sie nicht gehört, daß er Alles wußte?«
»Freilich, freilich! Aber das ist noch kein Grund, ihn geradezu für den Teufel zu halten.«
»Nun, was soll er denn sonst sein?«
»Das, was er selbst von sich sagte: ein guter Polizist.«
»Pah! Unsichtbar machen kann sich selbst der beste Polizist nicht.«
»Er steckt wohl hinter einer Schneewehe!«
»So konnte er Abschied nehmen, wie es sich schickt und gehört!«
»Er wolle Ihren Fragen entgehen.«
»Ah so, hm! Ich habe ihm allerdings einige Male ganz bedeutend auf das Leder gekniet!«
»Das schien ihm aber nicht zu behagen. Uebrigens versteht es sich ganz von selbst, daß wir Beide von unserem Erlebnisse kein Wort verrathen!«
»Das braucht nicht erst erwähnt zu werden! Kommen Sie, Herr Pfarrer, machen wir uns aus dem Staube!«
Sie gingen. Arndt ließ noch eine kurze Zeit verstreichen, dann erhob er sich und ging nach Hause.
In der Stube des Försters brannte noch Licht. Als Arndt die Hausthür wieder zuschloß, trat der Förster zu ihm heraus und rief ihm zu: »Herein! Sofort!«
»Aber, Alter!« ertönte drin die beruhigende Stimme der Försterin. »Herr Arndt kann doch gar nichts dafür!«
»Das verstehst Du nicht! Er mag fein zu Hause bleiben!«
Die beiden Männer traten ein, und der Förster fragte zornig:
»Haben Sie es gehört, Sie Herr Vetter, Sie Herr Arndt?«
»Was?«
»Zu Hause bleiben sollen Sie und nicht so herumlaufen!«
»Warum denn?«
»Damit man Sie hat, wenn man sie braucht!«
»Ah! Ich bin gebraucht worden?«
»Welch ein Ton! Ich glaube gar, der Kerl wundert sich darüber, daß er gebraucht worden ist!«
»Nun, wer hat meiner bedurft?«
»Ich, meine Frau, das Bärbchen, alle Leute im Forsthause, alle Menschen in der Stadt haben Sie gebraucht.«
»Fragt der Mensch auch noch dieses! Wissen Sie denn noch nicht, was geschehen ist?«
»Nun, was denn?«
»Der Hausers Eduard ist futsch!«
»Ah!«
»Und die Engelchen ist futsch!«
»Oh!«
»Ja! Da steht er und schreit Ah! und Oh! Aber zu Hause ist er nicht gewesen! Die beiden sind nämlich in die Gefangenschaft geschleppt worden. Verstanden?«
»Ja. Ich weiß es!«
»Was? Sie wissen es?«
»Ja.«
»Und Sie sagen das so ruhig!«
»Wie soll ich es denn sagen?«
»Brüllen müssen Sie es, hinausschreien müssen Sie es, daß man es oben auf dem Chimborasso hört! Aus der Haut fahren müssen Sie vor Grimm! Den Ofen müssen Sie einreißen vor Wuth –«
»Ausfahren werde ich allerdings, aber nicht aus der Haut.«
»Wo denn hinaus?«
»Aus dem Forsthause hinaus.«
»Seien Sie doch ruhig, mein lieber Vetter Wunderlich!«
»Was? Ruhig sein? Der Teufel mag da ruhig sein«
»Aber ich habe die Sache ja eher gewußt als Sie!«
»So! Auch noch!«
»Und ich habe bereits das Meinige gethan!«
»Ah, wirklich?«
»Ja.«
»Nun, was denn?«
»Ich werde beweisen, daß Hauser unschuldig ist.«
»Das läßt sich hören!«
»Ich werde beweisen, wer ihm die Spitzen in den Rock gesteckt hat.«
»Den Kerl soll der Satan reiten!«
»Wir werden den eigentlichen Schuldigen morgen ergreifen.«
»Und aufhängen! Wer ist es?«
»Der Waldkönig.«
»Donnerwetter!«
»Ja, gewiß! Den werden wir fangen.«
»Wann?«
»Morgen Nachts zwei Uhr.«
»Wo?«
»Im Haingrunde.«
»Schon wieder dort? Ist der Kerl denn verrückt geworden?«
»Nein, sondern ich habe ihn zu dieser Dummheit verleitet.«
»Sie haben mit ihm gesprochen?«
»Gewiß!«
»Was man so des Abends um diese Zeit zu hören bekommt! Da, setzen Sie sich her, und erzählen Sie! Wort für Wort! Alles! Deutlich und genau!«
Er faßte Arndt am Arme, um ihn auf das Sopha nieder zu ziehen. Dieser aber wehrte sich und sagte: »Jetzt nicht, jetzt nicht, morgen erst!«
»Was? Morgen erst? Meinen Sie, daß ich so lange warte? Und dabei wollen Sie mein Vetter sein! Ich danke ganz gehorsamst für so eine Vetterschaft!«
Arndt mußte über die komische Wuth des Alten laut auflachen. Er antwortete:
»So lassen Sie doch nur mit sich reden! Wenn ich den Hauser und die Engelchen frei haben will, darf ich meine kostbare Zeit nicht hier mit ewigen Erzählungen verlieren, sondern ich muß fort.«
»Wohin?«
»Nach der Amtsstadt.«
»Zu wem?«
»Zu dem Staatsanwalt.«
Da sprang der alte Wunderlich vom Sopha auf und fragte:
»Um die Beiden frei zu machen?«
»Ja.«
»Nun ja; nun gut! So machen Sie doch! Was stehen Sie denn noch da und halten Maulaffen feil! Packen Sie sich doch, daß Sie hinaus und fort kommen.«
»Aber Alter!« bat die Försterin.
»Du bist stille, ganz stille, Barbara! Die beiden Gefangenen müssen heraus aus dem Loche! Und wer das fertig bringen kann, der mag sich sputen, sonst werfe ich ihn hinaus!«
»Das geht natürlich auf mich!« sagte Arndt.
»Ja! Oder soll ich es Ihnen noch schriftlich geben, oder gar als Arie componirt und in Noten gesetzt?«
»Danke! Wenn Sie es für so sehr eilig halten, so laufen Sie, mir einen Schlitten zu besorgen. Ich habe Einiges einzupacken, was ich mitnehmen muß.«
»Ist es viel? Nimmt es großen Platz weg?«
»Nein.«
»Brauchen Sie lange?«
»Fünf Minuten. Ehe Sie aber in die Stadt kommen und den Schlitten bringen, vergeht weit über eine Stunde.«
»Das wollen wir doch sehen! Wenn es sich um Eduard Hauser und das Engelchen handelt, da bin ich mit dem Schlitten gerade so schnell da, wie Sie mit dem Einpacken fertig sind. Sputen Sie sich also!«
Er zog die Pelzstiefel an und ging hinaus.
Arndt begab sich nach seinem Stübchen. Was er einpackte, das waren nur kleine Gegenstände, welche bei einer vielleicht nothwendigen Verkleidung gebraucht wurden. Er war aber noch nicht ganz fertig, so klopfte es an die Thür.
»Ich!« ertönte Wunderlichs Stimme.
»Was! Doch nicht etwa bereits aus der Stadt?«
»Das geht Niemanden etwas an! Der Schlitten steht bereit!«
Arndt war neugierig. Als er herunterkam, standen die alten Eheleute im Hausflur, und er hörte die gute Barbara in mißbilligendem Tone sagen: »Aber Vater, Alter! Das geht denn doch nicht!«
»Nicht? Warum nicht, he? Wenn Du nämlich so freundlich bist, mir diese Frage zu gestatten.«
»Du selbst hast es ja noch nie gemacht!«
»Aber die Burschen!«
»Doch Du nicht!«
»Nun, so mache ich es heute!«
»Aber unserem lieben Herrn Arndt darfst Du es doch ganz unmöglich zumuthen!«
»Nicht? Warum nicht, he?«
»So einem feinen Manne!«
»Papperlapapp! Er ist um keinen Deut feiner als wir. Er ist kein Juxverderber. Paß auf! Wenn er meine Equipage sieht, ist er ganz vernarrt in sie.«
»Wo steht sie denn?« fragte Arndt.
Die Beiden, welche sich ganz allein geglaubt hatten, fuhren rasch zu ihm herum.
»Sapperment! Der Kerl hat uns belauscht!« rief der Förster.
»Konnte ich anders? Ihr schreit ja, daß man es von Ostern bis zu den Adventen hört! Also, wo ist die Equipage?«
»Hier! Da, gucken Sie her!«
Er öffnete die Hausthür und zeigte hinaus. Arndt mußte wirklich laut auflachen. Draußen stand ein ziemlich großer Handschlitten, mit Stroh und Pelzen belegt und mit zwei riesigen Bullenbeißern bespannt, welche vor Lust und Erwartung laut aufheulten.
»Nun, wie steht es? Ist das nicht schön?«
»Sehr interessant!« nickte Arndt, noch immer lachend.
»Denken Sie etwa, daß es zu langsam gehen wird?«
»O nein. Ich kenne diese Art der Passagierbeförderung. Ich wette, daß wir eher ankommen als mit Pferden.«
»Das ist auch meine Meinung, Herr.«
»Aber so große Eile ist denn doch nicht nöthig. Wenn wir ankommen, liegen noch alle Leute im Schlafe.«
»Schadet nichts! Wen wir brauchen, der wird aufgeweckt!«
»Den Staatsanwalt doch nicht!«
»O, gerade dieser ist der Erste, den ich wecke! Die Herren vom Gerichte sollen einmal den alten Wunderlich kennen lernen!«
»Also Sie wollen auch mit?«
»Natürlich! Freilich! Ich gehe dem Staatsanwalte nicht eher vom Camisole, als bis er mich wenigstens den Hauser mitnehmen läßt.«
»Na, wie Sie denken! Steigen wir also auf!«
»Siehst Du es, Alte! Dieser Kerl hat Verstand. Er ist mit unserem Hundeeilzug einverstanden. Wir werden dahin saußen wie der Hase über das Ackerfeld.«
Sie stiegen Beide auf den Schlitten, fanden aber nicht Zeit, es sich in dem Stroh bequem zu machen und sich mit den Pelzen zuzudecken, so schnell schossen die starken Rüden mit ihnen davon. Es ging wie im Fluge die Waldstraße hinab und durch das Städtchen hindurch. Als sie dasselbe hinter sich hatten, meinte der Förster, welcher bisher schweigsam gewesen war: »Nun, Vetter, was sagen Sie zu dieser Extrapost?«
»Sie ist exquisit!«
»Ja, zwei solche Hunde laufen Etwas weg! Es könnte uns wohl kein Pferdegeschirr ausstechen. Ich setze meinen Kopf zum Pfande, daß wir in einer halben Stunde am Ziele sind!«
Seine Behauptung erwies sich als ganz richtig. Die Straße flog förmlich unter ihnen hinweg, und noch ehe die angegebene Zeit vergangen war, hatten sie die Amtsstadt erreicht.
»Wissen Sie denn, wo der Herr Staatsanwalt wohnt?« fragte Arndt.
»Das versteht sich ganz von selbst. Unsereiner hat auch zuweilen mit dieser Art von Leuten zu thun. Man muß also wissen, wo der Vogel sein Nest hat.«
Es ging langsamer durch einige Gassen, und dann hielt der Förster an der Thür eines Hauses an.
»Hier ist es,« sagte er.
»O weh!« meinte Arndt, indem er die Fenster der Front musterte. »Alles dunkel. Es ist kein Mensch mehr wach!«
»Meinen Sie etwa, daß man unsertwegen illuminiren soll?«
»Das nicht; aber man stört doch nicht gern die Leute aus dem Schlaf!«
»So! Ah! Und Unsereiner muß es sich gefallen lassen, wenn man gezwungen ist, im Walde bei Nacht und Nebel herumzustreifen! Es wird geweckt. Und wer nicht gutwillig aufstehen will, den werfe ich aus den Federn. Zunächst aber wollen wir die Hunde versorgen. Sie haben sich heiß gelaufen und können leicht verschlagen.«
Er spannte die Tiere aus und plazirte sie auf den Schlitten, wo er sie mit dem Stroh und den Pelzen zudeckte.
Eine Klingel gab es nicht, und so schlug der Alte mit der Faust an die Hausthür, erst ziemlich manierlich, dann aber, als sich Niemand sehen ließ, mit größerer Kraftaufwendung. Endlich wurde im ersten Stocke ein Fenster geöffnet.
»Wer ist unten?« fragte eine weibliche Stimme.
»Wir!« antwortete Wunderlich.
»Wer sind denn diese ›Wir‹, he?«
»Na, Wir, wer denn sonst anders! Ist der Herr Staatsanwalt zu Hause?«
»Ja. Denken Sie etwa, daß er jetzt spazieren geht?«
»Warum nicht? So ein Herr kann auch seine Mucken haben. Wecken Sie ihn gleich einmal.«
»Ich darf nicht!«
»Warum nicht?«
»Sonderbare Frage! Weil er schläft!«
»Sakkerment! Eben weil er schläft, sollen Sie ihn wecken. Wenn er noch nicht zu Bette wäre, brauchte man ihn ja gar nicht zu wecken!«
»Was wollen Sie denn von ihm?«
»Das werden wir ihm schon selbst sagen, liebe Liese! Melden Sie ihm nur, das zwei Männer da sind, die ganz nothwendig mit ihm zu sprechen haben.«
»Können Sie denn nicht warten?«
»Nein. Wir haben nicht genug Platz dazu.«
»So ist es sehr nothwendig?«
»Na, meinetwegen! Ich will es versuchen! Aber wehe Euch, wenn es nicht nöthig ist!«
»Nein! Wehe Dir, alte Plaudertasche, wenn Du nicht sofort machst, daß Du vom Fenster fortkommst!«
Der Kopf verschwand, kam aber im nächsten Augenblicke wieder zum Vorscheine und die Stimme sagte: »Jetzt weiß ich, wen ich zu melden habe. So grob giebt es in der ganzen Gegend nur einen einzigen. Guten Morgen, Herr Wunderlich!«
Jetzt endlich zog sich die Sprecherin ganz zurück.
»Ja, wirklich, sie hat mich erkannt!« lachte der alte Förster.
»Wer war es?«
»Es ist eine alte Magd, welche schon seit Jahren beim Anwalte in Diensten steht. Das Weibsbild scheint mich gar studirt zu haben.«
Nach einiger Zeit erhellte sich ein Fenster, und dann hörte man im Hausflur Schritte erklingen. Die Thür wurde geöffnet, und es erschien die Frau, mit einer Laterne in der Hand.
»Na, endlich!« meinte der Förster. »Woher wissen Sie denn eigentlich, daß ich so ein Grobian bin?«
»Das weiß ein jedes Kind?«
»So? Ah!«
»Also, was wollen Sie beim Herrn Anwalt? Ich soll Sie fragen!«
»Ich komme, um Sie arretiren zu lassen, weil Sie mich grob genannt haben! Gehen Sie zur Seite! Wir haben mehr zu thun, als Ihre Schönheit zu bewundern!«
Er schob sie zur Seite und trat mit Arndt ein. Sie schloß leise brummend die Thür von innen zu und führte die Beiden in eine Stube des ersten Stockwerkes.
»So!« sagte sie. »Hier warten Sie, bis ich Sie hole!«
»Schön! Aber wenn es uns zu lange dauert, so werden Sie auch geholt!«
»Ah! Von wem denn?«
»Vom Teufel natürlich, alte Hexe!«
Sie machte ihm, scherzhaft drohend, eine Faust, kam aber bereits nach kurzer Zeit wieder und öffnete ihnen ein Zimmer, in welchem Sie vom Staatsanwalte erwartet wurden. Dieser zeigte ihnen ein Gesicht, welches nicht eben sehr freundlich genannt werden konnte.
»Herr Förster!« sagte er. »Es muß etwas ganz außerordentlich Nothwendiges sein, was Sie veranlaßt hat, mich in meiner nächtlichen Ruhe zu stören.«
»Das ist es auch, Herr Staatsanwalt,« antwortete der Alte.
»So machen Sie mich allerdings sehr wißbegierig. Bitte, setzen Sie sich nieder!«
Er deutete auf zwei Stühle und nahm selbst auch Platz. Wunderlich zeigte auf seinen Begleiter und sagte: »Erlauben Sie vorher, Ihnen hier diesen Herrn vorzustellen! Er heißt Arndt und ist mein Vetter mütterlicher Seits.«
Der Staatsanwalt horchte verwundert auf.
»Mütterlicher Seits?« fragte er.
»Ja.«
»Hm! Ich denke, Sie sind ein Findelkind! Wenigstens glaube ich, das einmal gehört zu haben!«
»Das ist auch wahr. Man hat Ihnen das Richtige gesagt.«
»Hm! Wie kommen Sie denn als Findelkind zu einem Vetter mütterlicher Seits?«
»Ah! Donnerwetter! Das ist dumm! Ja! So ist es! Ein Findelkind hat ja gar keine Mutter! Na, ich habe mich versprochen. Herr Arndt ist mein Vetter väterlicher Seits.«
Der Beamte konnte ein Lächeln nicht verbergen.
»Kennen Sie denn Ihren Vater, oder vielmehr, haben Sie ihn vielleicht gekannt?«
»Nein.«
»Sie wissen nicht, wie er hieß?«
»Nein.«
»Wer er war, und wo er wohnte?«
»Nein. Wie habe ich als Findelkind das denn wissen können!«
»Und doch haben Sie hier einen Vetter väterlicher Seits. Wie geht das zu?«
»Sakkerment! Das ist wieder dumm! Hm, wenn ich es mir richtig überlege, so wird die Verwandtschaft wohl von der Seite meiner Frau herkommen.«
Er hatte sich vergaloppirt und blickte Arndt wie hilfesuchend an. Dieser erhörte diesen bittenden Blick und sagte: »Verzeihung, Herr Staatsanwalt, daß der Herr Förster durch die Eigenthümlichkeit der Verhältnisse zu einer kleinen Unwahrheit gezwungen wurde. Ich bin gar nicht sein Vetter.«
Der Anwalt runzelte die Stirn und sagte:
»Nicht? Wie kommt Herr Wunderlich denn dazu, Sie als etwas zu bezeichnen, was Sie gar nicht sind?«
»Darum.«
Bei diesem Worte griff Arndt in die Tasche und zog eine große, an einer Kette hängende Medaille hervor, welche er dem Staatsanwalte zeigte.
»Ach so!« sagte dieser schnell. »Sie sind Detective?«
»Ja.«
»Und zwar in höherer Stellung, wie ich aus der Art der Münze ersehe. Sie wohnen wohl vorübergehend in dieser Gegend?«
»Ja, hier beim Herrn Förster Wunderlich.«
»Dann begreife ich! Sie gelten als sein Vetter und lassen sich Arndt nennen?«
»So ist es, Herr Anwalt.«
»Es läßt sich vermuthen, daß nur ein wichtiger Auftrag der Grund zu Ihrer Anwesenheit sein kann, und daraus schließe ich, daß auch die Ursache Ihres gegenwärtigen Besuches eine wichtige ist.«
»Sie täuschen sich nicht. Ich bin hier, um einen höchst gefährlichen Menschen zu fangen.«
»Doch nicht etwa den Waldkönig?«
»Gerade diesen.«
»Ah! Höchst interessant! Seit wann befinden Sie sich denn auf der Försterei?«
»Seit einigen Tagen!«
»Bereits? Und das erfahre ich erst jetzt!«
Diese Worte waren in dem Tone gesprochen, welchen ein Vorgesetzter anzuschlagen pflegt, wenn er im Begriffe steht, einem Untergebenen einen Verweis zu ertheilen. Arndt lächelte leise vor sich hin und fragte: »Sie meinen, daß es meine Pflicht gewesen wäre, mich bei Ihnen zu melden?«
»Gewiß. Dann hätten Sie wohl nicht nöthig gehabt, mich bei Ihrem ersten Besuche aus dem Schlafe zu stören.«