3. Abschied von altem Rollenverhalten

Mit den Wimpern klimpern

Stell dir bitte mal folgende Szene vor: Eine gut aussehende, superschlanke Fünfzigjährige betritt ein Restaurant. Die Frau schaut sich nach einem Platz suchend um? Nein, sie wartet auf einen Kellner, der auf sie zustürzt und ihr den Mantel abnimmt. Als sich endlich einer der italienischen Beaus bemüht, bedankt sie sich mit innigem Blick und herzigem Augenaufschlag.

Sie stolziert zum Tisch und setzt sich mit gekonntem Beinüberschlag so hin, dass der Rest des Restaurants ihre wirklich wohlgeformten Beine bewundern kann. Der hübsche Kellner bringt ihr die Speisekarte, die die Dame ebenso gekonnt ignoriert. Ihre hellblonden Haare werden mit einer riesigen Sonnenbrille aus der Stirn gehalten. Jetzt nimmt sie die Brille ab und schüttelt filmreif die Mähne. Dann wieder dieser innige Blick. Während sie über ihre Bestellung nachdenkt, fängt sie an, den Bügel ihrer Sonnenbrille zu lutschen. Der Ober wird sichtlich nervös, weil am Nachbartisch bereits zum dritten Mal nach ihm gerufen wird.

Madame möchte jetzt von ihm wissen, was es denn heute gibt. Nein, die Wachteln möchte sie nicht, sagt sie, nachdem er die gesamte Speisekarte heruntergebetet hat. Nur einen kleinen Salat. Aber bitte nur Rucolasalat, mit zwei, drei Scheibchen Champignons, oder nein, lieber noch mit zwei Tranchen vom Steinpilz. „Wieso, wenn es Steinpilzspaghetti gibt, dann haben Sie doch Steinpilze, oder? Den Salat aber bitte nicht mit Dressing, sondern bitte mit einer Salatsauce aus kalt gepresstem Olivenöl, ein bisschen Senf, Paprika, Salz, Pfeffer und einem Schuss Zitronenessig.“

Der arme Ober wird immer nervöser. Natürlich nicht wegen des wogenden Busens von Madame, den sie durch das Hochrecken eines Armes mit gleichzeitigem Haarspiel am Hinterkopf gekonnt in Szene setzt. Er ist nervös, weil die Familie am dritten Tisch links sich überhaupt nicht darum kümmert, dass ihre spielenden Kinder den Weg zum Tresen mit Kinder-Schokolade-Autos pflastern.

Madame lässt allerdings nicht locker. Zu trinken hätte sie dann gern ein Gläschen Mineralwasser, aber nicht eine ganze Flasche, das sei ihr zu viel. Das Mineralwasser aber bitte warm und ohne Eis, dafür aber mit einer klitzekleinen Zitronenscheibe. Während sie diese Bestellung aufgibt, spielt sie kleinmädchenhaft mit einer Locke ihres güldenen Haares. Der Ober geht mit stoischem Blick die Bestellung aufgeben.

Wir sollten ihm und allen ebenso stoischen Obern an dieser Stelle herzlich für die Geduld danken, die sie mit den Madams dieser Welt haben. Wenn sie Pech haben, treten die Madams nämlich gleich rudelweise auf, blockieren stundenlang für einen liebevoll außerhalb der Speisekarte zusammengestellten Salat und ein Gläschen Selters einen Tisch für sechs Personen und hinterlassen dann, wenn überhaupt, ein winziges Trinkgeld. Dass sie schon deshalb keine gern gesehenen Gäste sind, dürfte völlig klar sein.

Mein letzter Tampon
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