8. Du wirst noch gebraucht

Angst vor dem Fortschritt

Meine Mutter hatte immer so einen komischen Geruch an sich. Genau: Lauge. Damit musste die Arme die Wäsche in riesigen Kübeln kochen. Dann wurden die heißen Tücher und Laken mit einem hölzernen Heber in Spülbecken mit eiskaltem Wasser transferiert. Am Ende eines Waschtages hatte meine Mutter Rückenschmerzen und schlechte Laune. Am nächsten Tag hatte ich schlechte Laune, weil ich Muttern beim Zusammenlegen der Wäsche, mit Ziehen und Zuppeln der Enden, helfen musste, damit das Zeug in die Mangel konnte. Trotzdem standen Millionen Frauen der Erfindung der Waschmaschine mehr als skeptisch gegenüber. Sie hatten Angst, nicht mehr gebraucht zu werden.

Wie viel Schwierigkeiten hatte die Firma Maggi bei der Einführung der Dosensuppen. Da half nur das Maggi-Kochstudio weiter, das den Hausfrauen sagte, dass man außer einem Dosenöffner auch noch einen Schuss Sahne oder einen Löffel Butter (sprich Liebe) braucht, damit ihre Suppe schmeckt. Erst dadurch wurde die Ochsenschwanzsuppe zu einem absoluten Renner.

Und so gibt es heute noch Frauen, die keine Mikrowelle haben (so was brauche ich nicht, ich kann ja kochen), die Geschirrspüler für absolut überflüssig halten (das bisschen Geschirr) und lieber ihren Garten mit den Unterhosen ihrer Männer verschandeln (das riecht so schön), als sich einen Trockner zuzulegen. Die Angst, nicht mehr gebraucht zu werden, sitzt ziemlich tief.

Als Mutter dann endlich eine Waschmaschine bekam, hatte sie endlich Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Sie strickte Dralon-Pullover, die mich von der ersten bis zur sechsten Klasse begleitetet haben, und nähte Kleider mit Rosen- und Chrysanthemen-Muster. Kurzum: Mutti hatte dank Constructa und Maggi mehr Zeit für ihre Kinder. Als unsere erste Waschmaschine nach fünfzehn Jahren auf den Sperrmüll kam, stand Mutti am Fenster und weinte ihr heiße Tränen nach.

Ähnlich ergeht es heute so manchen Sekretärinnen, die vor Angst schlottern, weil der sprachgesteuerte Computer in ihrem Büro nicht mehr fern ist. Wenn dir das auch so geht, dann überlege mal, wozu dein Chef dich braucht. Zuallererst zum Kaffeekochen, zum Betutteln, zum Eindruck schinden, zur Terminkoordination und zum Besucherabwehren. Wie schön, wenn du bald nicht mehr zu tippen brauchst. Oder bist du etwa traurig gewesen oder gar überflüssig geworden, als diese tollen kleinen Diktiergeräte erfunden wurden und dein Steno in Vergessenheit geriet?

Mein letzter Tampon
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