Die Traumfrau
„Wenn du eine Frau verstehst, liebst du sie nicht mehr.“ Ich kann dich beruhigen, liebe Schwester, wirklich verstehen wird er dich sowieso nie, dazu ist die Gattung Mann schlicht nicht in der Lage.
Ich gebe dir ein Beispiel. Mein Mann kommt begeistert nach Hause und erzählt, der hochstellbare Küchenhocker, den wir so lange gesucht haben, den gäbe es jetzt in Profiqualität bei Aldi für 16,90 Euro. „Toll“, lobe ich ihn für seinen Fund und stelle die mir einzig logisch erscheinende, finale Frage: „Welche Farbe hat er?“ Mein Liebling wird käseweiß. Fassungslos starrt er mich an. „Wie bitte? Welche Farbe? Also, äh, ich weiß nicht. Auf die Farbe habe ich, also äh, überhaupt nicht geachtet. Die ist doch wohl, äh, also, die ist doch unwichtig, oder?“
Nun gebe ich zwar zu, dass mein Liebling ein bisschen farbenblind ist (was ich zum ersten Mal merkte, als er mir von meinem gelben Negligé vorschwärmte, das eindeutig rosa war). Aber das bewegt sich halt im Grün-rot-Bereich, also Farbtönen, die für unsere grau-blaue Küche so gar nicht infrage kommen. Kopfschüttelnd verlässt mein Liebling die Küche, schlägt sich mit der Hand vor die Stirn und murmelt: „Frauen soll man verstehen. Da finde ich endlich einen abwaschbaren, pneumatisch höhenverstellbaren, ergonomisch geformten Küchenhocker und ich dachte, du freust dich.“
Du siehst, liebe Leserin, die Gefahr, dass Mann dich versteht, ist also nicht gegeben, deshalb können wir diesen Aspekt der Traumfrau ganz schnell wieder vergessen.
Ein wirklich nicht zu vernachlässigender Aspekt ist, dass Mann einfach stolz auf dich sein will. Das kann verschiedene Anlässe haben und kommt ganz sicher auf den Umkreis des Angebeteten, sprich auf seine Werte an. Wenn du es mit einem Mann zu tun hast, der keine Werte hat, dann hast du heute wahrscheinlich keine Chance mehr bei ihm. Denn diese Männer suchen sich, so sie genügend Geld haben, junge, knackige Pin-up-Girls, damit ihnen der Neid der anderen Männer gewiss ist.
Das heißt, um herauszubekommen, womit du einen Mann beeindrucken kannst, solltest du dir a) seine Freunde und b) seine Mutter anschauen. Wenn letztere schon das Zeitliche gesegnet hat, musst du ihn schnellstens über ihre Vorstellungen und Ideale interviewen.
Also, wenn der Kerl auf Bildung steht, dann krame bei jeder sich passenden Gelegenheit in deinen Ganglien oder deiner Zitatensammlung. Er wird es hinreißend finden, wenn du vor seinen Freunden einen 1A-Rilke hinlegst.
Wenn er auf Stärke steht, dann spiele bloß nicht die Hilflose. Du kannst ruhig ein bisschen dabei übertreiben, wie du – praktisch veranlagt, wie du bist – den Reifen auf dieser dunklen Landstraße gewechselt, den Wagenheber gegen den Landstreicher, der dich belästigt hat, erhoben und es trotzdem noch geschafft hast, diesen superleckeren Wirsingstrudel zu backen. Er wird dich anbeten, ich schwör’s. Und am nächsten Tag seinen staunenden Freunden vorschwärmen, was für eine tolle Frau er hat.
Wenn er auf den musischen Typ steht, dann solltest du umgehend einen Konzertführer mit beiliegender CD kaufen, ein paar Museumsführungen mitmachen und am besten Lesungen in deinem Wohnzimmer abhalten. Ein paar junge Schreiberlinge, die dich umschwärmen, werden ihn stolz machen.
Er steht auf weltgewandt? Na, dazu dürfte dir doch eine ganze Menge einfallen. Die Anekdote, wie du damals in Hongkong mit dem irischen Botschafter … Glaub mir, er wird sie morgen früh genüsslich seiner Sekretärin erzählen.
Vielleicht liebt er es mütterlich. Auch gut. Backe ihm einen Kuchen mit sechsundfünfzig Kerzen zum Geburtstag, bügle seine Unterhosen (die Putzfrau knüllt die immer so in die Schublade) und reibe ihm die Füße mit Franzbranntwein ein.
Oder er ist der Typ des ewigen Retters. Nichts einfacher, als diesen Mann zu faszinieren. Du brauchst nur von einer Katastrophe in die nächste zu schleudern und ihn um Hilfe zu bitten. Etwa so: Du stehst im Supermarkt und hast viel zu viel eingekauft. Dein Auto ist in der Werkstatt, also musst du das Zeug nach Hause schleppen. An der Kasse fummelst du das Handy heraus und rufst ihn an. Natürlich weißt du ganz genau, dass er gerade in einer wichtigen Sitzung ist. Du könntest ebenso gut ein Taxi anrufen. Das ginge sowieso schneller, aber gönn ihm doch die Freude. Er wird die Sitzung flugs beenden und wie Tarzan im Dschungel die Liane satteln, um dich mitsamt den vierzehn Tüten eine halbe Stunde später vom Supermarkt abzuholen. So einfach ist das, diesen wunderbaren Mann zu faszinieren. Was bedeuten da schon dreißig Minuten frieren.
Er betet Kreativität an. Vergiss alles, was ich dir in Kapitel vier erzählt habe. Kleide dich in schwarz. Binde dir eine Kette um den Hals, an der jeden Tag etwas anderes hängt. Zum Beispiel ein Kaffeelöffel, eine Rolle Tesafilm, ein Minirechner. Dekoriere den Frühstückstisch mit den abartigsten Sachen. Ein Sack hübsch gestapelter Kartoffeln neben seinem Frühstücksei wird ihm das Gefühl geben, dass du einzigartig bist. Er braucht gesellschaftliche Anerkennung. Namedropping ist gut, aber du kannst das noch toppen. Also, sagen wir mal, du bist zu einem Mercedes-Empfang eingeladen. Das müsstest du ihm dann so verkaufen: Liebling, ich kann am Dienstag nicht, der Zetsche will mich unbedingt sehen.
Du meinst jetzt, diese Ratschläge taugen alle nichts? Irrtum, sie taugen eine ganze Menge. Ich werde dir ein Geheimnis verraten. Da Mann qua Erziehung nun einmal zu bekommen hat, was er will, kalkuliert er nicht ein, dass er, dessen Urteil immer glasklar ist, eine Mogelpackung bekommen hat. Und wenn du ihn erst einmal fasziniert hast, dann wird er sich ziemlich lange, vielleicht für den Rest seines Lebens, vormachen, dass du genau das bist, was er geglaubt hat. „Jeder Mann idealisiert seine Frau, sonst hält er sie nicht aus.“
Das ist das Einzige, worin sie uns ziemlich ähnlich sind.