Das Schaf im Wolfspelz
Da ist zum Beispiel Gabi. Gabi ist eine aufregende, interessante Frau Mitte vierzig, deren wogender Busen Männern reihenweise den Atem raubt. Gabi hat promoviert, leitet eine mittelständische Firma, liebt die Macht und Männer mit Macht. Eigentlich braucht sie keinen erfolgreichen Mann, denn Gabi ist selbst supererfolgreich. Nach mehreren festen Beziehungen mit eher schrägen Vögeln hat sie verheiratete Lover, die sie mangels Zeit auch aus ihrem beruflichen Umfeld rekrutiert.
Irgendwann wird Gabi immer hübscher. Sie ist gut drauf, locker, fröhlich. Ganz klar, Gabi hat eine glückliche Beziehung, munkeln ihre Angestellten. Gabi hat tatsächlich einen Lover, wie immer verheiratet, wie immer ein einflussreicher Mann. Allerdings wohnt seine Frau in einer anderen Stadt. Er hat also Zeit für sie.
Sie fahren zusammen in den Urlaub, sie unternehmen viel gemeinsam. „Stell dir vor“, gesteht Gabi, „gestern, als es geregnet hat, da hat er mich mit dem Schirm von der Tür abgeholt und zum Auto begleitet. Und ich habe geheult, wie ein kleines Kind.“ Gabi war es nicht gewohnt, dass sich einer um sie kümmert, dass sie behandelt wird wie eine schwache, schutzbedürftige Frau.
Wenige Wochen später ist Gabi gar nicht mehr so begeistert. Denn er steht auf alles, was Gabi ablehnt. Gardinen vor den Fenstern, Feinripp-Unterwäsche, einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher mit Puschen an den Füßen. Sie zählt die unerträglichen Spießigkeiten ihres Lovers auf und sieht dabei trotzdem so glücklich aus wie ein Kind mit Lutscher.
Das ändert sich erst, als ihr einflussreicher Lover mit überraschend sensibler Seele seinen Job hinwirft, weil er meint, für das, was er dort tut, nicht mehr die Verantwortung übernehmen zu können. Gabi zieht sich zurück. Ohne Macht kein Sex. Seitdem habe ich sie nie wieder so glücklich, so schön, so befreit erlebt, wie zu der Zeit, als sie sich noch über Puschen ereiferte.