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Sogar die Polizisten, die im State House den Herrn der Krähen in das Zimmer des Herrschers schoben, knieten nieder und bekreuzigten sich automatisch, bevor sie sich zurückzogen. Der Gefangene machte es ihnen nicht nach, doch nichts bei seiner letzten Begegnung mit dem Herrscher hatte ihn auf diesen Anblick vorbereitet.
Die weiß, blau und grau gestrichene Decke vermittelten den Eindruck eines Himmels mit Sonne, Mond und Sternen. Die Wände und die Leinwand, die den Bauch des Herrschers bedeckte und sich bis zu den Wänden und hinunter zum Fußboden erstreckte, waren in Grün, Gelb und Orange gehalten, eine realistische farbige Darstellung einer sanft hügeligen Landschaft. Vom Teppich schraubte sich eine Treppe hinauf und verschwand in Dunstschwaden, die auch den Kopf der sitzenden Gestalt umwölkten. Die Lampen, die die Treppe beleuchteten, und der Dunst, der von einer verborgenen Nebelmaschine produziert wurde, hatten den Herrscher in eine wahre Gottheit verwandelt, die vom Himmel herabschaute und über eine sündige Erde richtete.
Der Herrscher war mit der Wirkung der Illusion auf seine Besucher sehr zufrieden. Kaniũrũs Kunstgriffe hatten ihm nicht nur geholfen, den Zauberer zu schnappen, sondern außerdem eine Angelegenheit von Schmach und Schwäche in ein Abbild von Macht und Größe zu verwandeln. Ein gutes Beispiel für engagierte Kunst. Er belohnte den Künstler, indem er ihm erlaubte, bei ihm zu bleiben, während er den Gefangenen verhörte. „Ich brauche deinen Rat“, hatte er zu Kaniũrũ gesagt, der seiner eigenen Illusion zu glauben schien und nun mit einem großen Schlüssel in der Linken und einer Mistgabel in der Rechten als Wächter am Tor zu Himmel und Hölle vor der untersten Treppenstufe stand. In versöhnlichem Ton erklärte die Gottheit, dass der Zauberer nun, da er seine Stimme wiedergefunden habe, vor die Versammlung auf dem Parlamentsgelände und vor das Oberste Gericht treten und gestehen würde, die Menschen mit den Dämonen des Schlangestehens verhext zu haben. Der Herrscher führte als Beweis sogar an, dass der Herr der Krähen als Arbeitssuchender verkleidet zu Tajirikas Büro gegangen sei, um dort am nächsten Tag die Schlangen entstehen zu lassen. Er müsse der Öffentlichkeit auch mitteilen, auf Geheiß des verblichenen Machokali nach Amerika gereist zu sein, um den Herrscher zu töten. Als dieser Hexertrick jedoch nicht funktioniert habe, hätten der Zauberer und der Minister das haltlose Gerücht in die Welt gesetzt, dass der Herrscher schwanger sei. Der Zauberer habe die Dämonen des Schlangestehens zu entfernen, die Menschen vom Widerstand gegen den Staat zu reinigen und ihren Verstand anschließend mit nützlichen Ideen zu füllen. Wenn das Volk friedlich auseinanderginge, würde der Herrscher ihn leben lassen; als staatlich geprüften Zauberer – des Herrschers ständiger persönlicher Afrochiater –, Ratgeber in Fragen zur Seele der Nation, Fänger von Flüchtigen wie Nyawĩra und eine Menge anderer Dinge, über die er mit ihm unter vier Augen sprechen wolle. „Ich gebe dir Gelegenheit, eine Nacht darüber nachzudenken“, bot der Herrscher großmütig an.
Als er am nächsten Tag antworten sollte, sagte der Herr der Krähen, dass seine magischen Kräfte nicht lügen könnten.
Es sei nicht die Frage, was er wolle und was nicht, erwiderte der Herrscher drohend. Er habe zu tun, was man von ihm erwarte.
Kaniũrũ mischte sich ein: „Das ist, was die Engländer ,ultimatum‘ nennen.“
„Yes, an ultimatum“, echote der Herrscher.
Diktatoren kommen erst durch Angst zur vollen Entfaltung, überlegte der Herr der Krähen. Sie lieben es, wenn ihre Untertanen vor ihnen erzittern und verzweifelt um Gnade und Vergebung flehen. Wenn der Diktator vorhatte, ihn umzubringen, würde er das auf jeden Fall tun, egal, was er sagte. Selbst ein Tier, das man zur Schlachtbank führt, wehrt sich, dachte der Zauberer.
Das Patt – dieselbe Frage und dieselbe Antwort – hielt sich eine Weile, wobei Kaniũrũs Sarkasmus, der darauf abzielte, die Niedergeschlagenheit des Zauberers zu verstärken und zugleich den Zorn des Herrschers weiter anzustacheln, das Seine zur Steigerung der Spannungen beitrug.
Der Diktator gab dem Zauberer eine letzte Chance für eine akzeptable Antwort und unterstrich seine Entschlossenheit, ihn fügsam zu machen, indem er den Herrn der Krähen in den Tempel der menschlichen Gebeine werfen ließ.
Bei Tagesanbruch des dritten Tages kam der Zauberer zu einem Entschluss. Es war besser, in aller Öffentlichkeit zu sterben, als sein Ende im Dunkel des Tempels der menschlichen Gebeine zu finden.
„Wann soll ich vor der Volksversammlung erscheinen?“, fragte der Herr der Krähen.