Zurück in Trier ging Lichthaus zu Ulrich Schweiger und fragte nach den Ergebnissen der Rasterfahndung. Der Raum, in dem die Gruppe saß und ganze Stapel von Listen auswertete, war eng. Schweiger war in Lichthaus’ Augen ein sehr guter Polizist. Mit etwa vierzig deutlich älter als Scherer, verfügte er nicht nur über den analytischen Verstand, sondern auch über ein reiches Wissen, um auch komplexe Zusammenhänge zu erfassen. Lichthaus hatte sehr bedauert, dass Schweiger nicht an Marx’ Stelle ins Team hatte rücken können, da ihm ein Lehrgang fehlte.

»Wir haben wenig, und das überzeugt nicht«, begann Schweiger und legte die Auswertungen vor. Insgesamt waren drei Männer im Fahndungsraster hängen geblieben, die infrage kamen.

»Knut Pohl, Mutter ist Schwedin, Vater Deutscher. Dreiundvierzig, unverheiratet, lebt allein in Pluwig. Computerfachmann in Luxemburg.« Lichthaus horchte auf. »Was stört ist seine Größe: 1,74 nur. Außerdem fährt er den Pajero erst seit Kurzem.«

»Egal, schaut ihn euch an und überprüft sein Alibi.«

Schweiger nickte. »Dann haben wir noch Felix Sand. Fünfunddreißig. Pharmavertreter. Ebenfalls ledig. Fast zwei Meter groß. Wohnt in Mariahof, allerdings in einem Reihenhaus. Ist schon einmal wegen Belästigung aufgefallen. Er hat einem Mann an die Eier gegriffen. Ist wohl schwul.« Er grinste.

»Toll. Auch überprüfen. Vielleicht ist er ja bisexuell. Obwohl das mit dem Reihenhaus nicht passt.«

»Der aussichtsreichste Kandidat ist oder besser gesagt war, Hans-Dieter Bachmann. Das Profil passt, also ledig und so weiter.

Lehrer an der Berufsbildenden Schule. Kollege Meier kennt ihn von daher, der hat vorher mal eine kaufmännische Ausbildung gemacht. Bachmann ist unauffällig, groß, treibt viel Sport und scheint unter den Lehrern ein Einzelgänger zu sein. Wohnt in einem kleinen Bauernhof zwischen Welschbillig und Newel.«

»Der passt doch? Wieso eigentlich war?«

»Laut Auskunft der Schulleitung war Bachmann zum Zeitpunkt des Verschwindens von Eva Schneider auf Klassenfahrt in Köln.«

»Mist.«

»Schauen Sie mal her.« Schweiger griff einen Bogen und legte ihn auf den Tisch. »Das hier habe ich mal zusammengestellt.«

Er hatte unterschiedliche Geländewagen nebeneinander kopiert und die markiert, die dem Pajero am nächsten kamen. Fast jeder Hersteller hatte ein sehr ähnliches Modell herausgebracht.

»Wenn der Zeuge sich vertan hat, bekommen wir Probleme, denn das werden schnell Hunderte von Fahrzeugen, die wir überprüfen müssen.«

»Ja, wir wollen aber nur den einen. Es hilft ja alles nichts. Werten Sie die Geländewagen aus und suchen auch nach den Typen, die dem Pajero besonders ähnlich sind. Übrigens gute Arbeit.«

Schweiger nickte müde und blinzelte ihn an. Sein kahler Kopf war rot angelaufen und erinnerte Lichthaus an eine Erdbeere. Er schalt sich selbst wegen seiner Gedanken, denn er wusste, dass Schweiger an einer Stoffwechselkrankheit litt, die alle Haare hatte ausfallen lassen.

Später ging er rüber zu Müller und brachte ihn auf den Stand der Dinge. Müller war anfangs hoch zufrieden über die Fortschritte, und Lichthaus konnte ihn nur mit Mühe von einer Presseinformation abhalten. Jovial hockte er in weißem Hemd und Krawatte hinter seinem Schreibtisch und lächelte ihn so an, als wollte er sagen: Es geht doch. Auch die Vermutungen zu den verschwundenen Frauen aus Luxemburg hielt er für hinreichend genug, um diese Spur zu verfolgen. Als Lichthaus dann aber den geplanten Einsatz in Manderscheid erläuterte, holte er zu einem langen Lamento über die Kosten der Überwachung und die Risiken einer schlechten Presse aus, während er gequält an die Decke schaute und sich umständlich die Brille putzte.

Lichthaus spürte, wie der Ärger in ihm hochkam und riss sich zusammen, während Müller ihn kleinkariert wie der Schatzmeister eines Angelvereins belehrte. Wie zum Selbstschutz hörte er nur noch halb zu und betrachtete wieder einmal die penible Ordnung auf der Schreibtischplatte. Jeder Stift hatte seinen Platz. Müller reihte sie in immer gleicher Schlachtordnung auf. Die Bleistifte gespitzt, die Minen im Kugelschreiber versenkt, die Filzstifte ordentlich verschlossen. Der pompöse Silberrahmen mit dem Foto seiner Frau glänzte. Einmal hatte er gesehen, wie Müller mit einem Silberputztuch darüber wischte. In seiner Aktentasche steckte die unvermeidliche Thermoskanne mit Tee und eine Brotdose, die er wenn möglich pünktlich um ein Uhr öffnete. Ein spießiger Beamter wie aus dem Bilderbuch. Im Einsatz sollte Müller angeblich ein farbloser Handwerker ohne Fortune gewesen sein, der es aber umso besser verstand, mit großem Karriereerfolg die innenpolitische Klaviatur des Präsidiums zu bedienen.

»Sie müssen da oben mit Ihrer Kerngruppe klarkommen«, schwadronierte er eben und riss Lichthaus aus seinen Gedanken.

»Ich brauche mindestens zehn Teams, sonst haben wir zu viele Risiken.«

»Nein. Sie rennen einem Minimalverdacht nach und wollen, dass ich Ihnen dafür die große Garnitur gebe.« Müller kam in Fahrt.

»Dieses Gelände ist mit weniger Einsatzpersonal kaum zu überwachen. Außerdem hätte ich gerne einige Kollegen im Hintergrund, falls er uns auf dem Gelände durch die Lappen geht.«

»Einen Kerl, den keiner gesehen hat, von dem wir glauben, dass er den Täter kennen könnte. Das ist ein Strohhalm.«

»Unsinn, das ist die einzige konkrete Spur, die wir haben, und ich denke nicht daran, sie leichtsinnig zu verspielen.«

»Fallen Sie doch nicht in blinden Aktionismus. Sie …«

»Der Mann ist äußerst gefährlich.«

Müller winkte ab und schaute zum Fenster. Er war auf einmal ganz ruhig, und Lichthaus wusste, dass er verloren hatte. »Sie sollten ihn auch mit weniger Leuten festnehmen können, immerhin rechnet er nicht mit dem Einsatz. Konzentrieren Sie sich auf die Wiese. Ich gebe Ihnen noch drei Teams zusätzlich und die Technik. Das muss reichen.«

Lichthaus resignierte. »Wie Sie wollen. Den Einsatzplan lege ich Ihnen zur Unterschrift vor, da das so nicht meinen Vorstellungen entspricht.«

Müller schaute nicht mal auf. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können.«

Lichthaus ging und fluchte leise über Müllers Kurzsichtigkeit. Doch er würde sich nicht beirren lassen.

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