Prolog

Das Schnarchen des jungen Wächters hallte durch die riesige, schummrige Höhle unter ihm. Seine Lederrüstung hing ihm lose um die Brust, und das Schwert lag unbeachtet auf seinem Schoß. Mit offenen Augen hätte er meilenweit über die in Dunkel gehüllte Ebene von Untererde blicken können. Aber seit über einem Jahr hatte kein Feind die hoch aufragende, mitten in die Felswand gebaute Festungsmauer auch nur angespuckt, deshalb schien es ihm nicht nötig, die Augen offen zu halten.

Schwirr-sirr-sirr!

Träge erwachte der junge Wächter und starrte mit schlaftrunkener Verwunderung auf einen krummen, vibrierenden Schaft, der knapp über seinem Kopf aus der Mauer ragte. Wie eigenartig, dachte er. Dann wurde ihm klar, dass es ein Pfeil war. Mit einem erschrockenen Keuchen sprang er auf und stürmte auf die große, einige Schritte entfernte Glocke zu. Eine dicke Staubschicht bedeckte ihre uralte steinerne Oberfläche, die seit Monaten nicht mehr berührt worden war. Nun aber könnte die Glocke ihn retten, hoffte er. Sie hing einsatzbereit da und versprach, die anderen Wächter zu alarmieren und Hilfe zu holen, aber während er auf die Glocke zurannte, prasselten entlang seines Weges weitere krumme Pfeile gegen die Mauer.

Zong! Zong! Zong!

Ein Pfeil prallte von seinem Helm ab, und der nächste zischte ihm so dicht an der Nase vorbei, dass er hörte, wie die Pfeilspitze die Luft zerteilte. Er krabbelte zurück, duckte sich hinter eine Zinne und wagte nicht mehr, den Kopf zu heben.

Ein primitiver Enterhaken kam samt einem daran befestigten Seil über die Brustwehr geflogen und landete einige Schritte neben ihm. Der Haken verkeilte sich zwischen zwei Zinnen, und das Seil straffte sich. Der Wächter konnte seinen Unterschlupf nicht verlassen, um den Haken hinunterzuwerfen. Stattdessen streckte er den Arm aus und kippte einen großen dampfenden Kessel in Richtung Mauer. Heißes Öl ergoss sich über die Kante, und irgendwo weiter unten ertönte ein nicht menschlicher Aufschrei und verklang.

Mit weit aufgerissenen Augen blickte der junge Wächter um sich. Es gab keinen anderen Weg von der Mauer. Noch einmal versuchte er die Glocke zu erreichen, aber ein weiterer Pfeilhagel hielt ihn von ihr fern. Der Ölkessel war leer. Schon flogen die nächsten Enterhaken über die Brustwehr und landeten überall um ihn herum. Der Feind war im Anmarsch.

Der junge Wächter schloss wieder die Augen, und einen Moment lang hoffte er, alles sei nur ein Albtraum. Dann schob sich eine große pelzige Pranke über die Brustwehr und schloss sich mit machtvollem Griff um seinen Hals, und nun wusste der Wächter mit Gewissheit, dass es nicht nur ein böser Traum war. Außerstande, die Glocke zu erreichen, würde er seinen nichts ahnenden Gefährten auf der anderen Mauerseite nur noch eine letzte verzweifelte Warnung zurufen können. Aber gerade als er losbrüllte, hob der haarige Arm ihn von den Füßen und riss ihn über die Brustwehr, und seine Warnung verhallte ungehört in der riesigen Höhle unter ihm.

»Gnoooome!«

Garstige Gnome
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