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Sie hörten Xander, bevor sie ihn sahen, und seine Stimme klang, als würde sie durch einen Tunnel hallen. »Ich bin hier drin. Beeilen Sie sich, ich kann sie kommen sehen!«
Als sie sich dem konisch aufragenden Berg näherten, wurde die Luft dunstig braun und roch nach Schwefel. Veronica rümpfte ihre Nase. »Wie der Smog in L.A.«
Alex schaute zur Spitze hinauf, wo der Vulkan wabernde Gase ausstieß. »Genau, man könnte es auch Vog nennen, auch eine Mischung aus Nebel und Qualm, nur dass der eben von einem Vulkan stammt. Kenne ich noch von meinem Surf-Urlaub auf Hawaii.«
Veronica bedachte ihn mit einem Blick, der nicht ausschließlich von Verdruss zeugte. »Ich hoffe, Sie werden noch einmal die Gelegenheit zu einem solchen Urlaub haben, Mr. Wellenreiter; das hoffe ich wirklich, aber jetzt lassen Sie uns endlich reingehen.«
Sie standen am Fuß des Felskegels, der unberührt geblieben war, ausgenommen der von Menschen erbaute Verschlag vor ihnen. Es handelte sich um eine nicht unerhebliche Öffnung, rechteckig aus dem Hang des rauchenden Berges gefräst. Der Eingang war mit rostigen Eisenbeschlägen gerahmt, die Tür selbst versenkt oder nach innen geöffnet – vermutlich von Xander, der zwar nicht zu sehen war, aber von drinnen gerufen hatte.
»Diese dicke Tür zu schließen, sobald Sie hereingekommen sind, wird eine Zeitlang dauern, also beeilen Sie sich, verdammt!«
Alex warf noch einen Blick zurück auf den unermüdlichen Zombie-Mob (mein Vater ist einer von ihnen!), bevor er auf den Eingang in dem Vulkan zueilte. Veronica blieb ihm dicht auf den Fersen. Seine Wadenmuskeln schmerzten auf dem kurzen, aber steilen Weg hinauf, bis er schließlich den höchsten Punkt des Anstiegs erreicht hatte und den inneren Krater betrat. Als er hinunterschaute, erkannte er, dass es eine weitläufige Fläche – vielleicht eine Viertelmeile im Quadrat – mit ebenem Grund war, deren Form ungefähr einem Kreis entsprach. Von der Kuppe aus flachte der Hang bis auf glatten Sandboden ab, auf dem hier und dort Pflanzen wuchsen, während ein paar Fußwege in unterschiedliche Richtungen mäanderten. Xander stand am Eingang und tat sich schwer mit der gewaltigen Metalltür.
»Ich habe keinen blassen Schimmer, wie wir sie schließen können.« Er betrachtete die Stelle eingehender, an der die Tür in der Felswand verschwand. Eisenschienen oben und unten deuteten darauf hin, dass sie sich schieben ließ.
»Sie haben dieses blöde Ding gar nicht geöffnet?«, fragte Alex.
»Nein, sie stand schon auf.«
»Was ist das dort unten?« Alex zeigte in den Krater hinein, wo sich direkt am Boden so etwas wie ein Einstieg auftat.
Xander schien neuen Mut zu schöpfen, als er es sah. »Das könnte das Munitionsdepot sein! Gehen wir hinunter, vielleicht können wir uns ja dort einschließen. Falls wir richtig viel Glück haben, bemerken die Zombies die Öffnung gar nicht.«
»Machen Sie sich da mal keine Hoffnungen.« Veronica schaute ahnungsvoll in den Dschungel. »Denn die kommen schnurstracks auf uns zu.«
Während Alex seinen Blick über die näher rückende Meute schweifen ließ, sah er zahllose Zungen aus Mündern schnellen sowie Köpfe auf und nieder gehen, als ob sie einem Rockkonzert beiwohnten, dessen Puls nur sie hören konnten.
»Lassen wir uns nicht dumm hier rumstehen!« Xander rannte die Anhöhe hinunter ins Bett des Kraters, Alex und Veronica schlossen sich ihm eilig an. Überall auf dem rötlichen Boden wuchsen Dornsträucher, die sie aber weitgehend mieden, indem sie auf dem Pfad blieben. Dyson erreichte den kleinen Einstieg zuerst und bückte sich, um ihn sich näher anzusehen.
»Sieht aus wie eine Kellertür aus alter Zeit«, meinte er und zeigte zu den beiden Flügeln, die schräg am Boden angebracht waren. Von ihrer ursprünglichen Farbe war nichts mehr zu erkennen, doch durch den Rost verschmolzen sie vortrefflich mit der Umgebung.
»Die Ersten sind schon in den Vulkan gelangt! Die trudeln aber ganz schön schnell ein!« Veronica behielt den Haupteingang im Auge, während sie ihr Kampfmesser mit der Rechten packte. Die beiden Männer zogen unterdessen einen der Türflügel weit auf. Alex drehte den Kopf zur Seite, als ein Schwall kühler, modriger Luft herausströmte.
»Ach, jetzt aber, Junge, das riecht doch wie ein Duftbaum im Vergleich zu diesen Dingern, die uns ans Leder wollen. Wir gehen jetzt da rein.«
Mit diesen Worten zückte er eine kleine Taschenlampe und leuchtete eine klapprig aussehende Holztreppe hinunter. »Sie beide zuerst.«
Als Veronica eintrat, zog sie das Messer gefährlich nahe an Xanders Kehle vorbei. Er ignorierte sie und scheuchte Alex hinterher, indem er ihm mit einem Arm zuwinkte. Als alle drei geduckt auf der Treppe standen, streckten sich die beiden aus, um die Tür zuzuziehen. Dabei schaute Alex zum letzten Mal auf die Horde Untoter, die nun scharenweise in den Vulkan eindrangen. Sie zogen geradeaus durch das Dickicht direkt auf den Einstieg zu, ohne auf die Pfade zu achten. Dann, gerade als Xander und er die Flügel zuknallen wollten, sahen sie etwas, das sie erstarren ließ.
Der Haupteingang des Kraters ging von selbst zu – allerdings nicht ohne ein paar Zombies einzuzwängen und mitten durchzuschneiden, bevor die Tür im Rahmen einrastete. Mit einem metallischen Knall wurde das Innere des Vulkans verschlossen. Der Kopf eines Zombies, der sich ungelenk zurücklehnte wie beim Limbo Tanzen, wurde eingequetscht und vom Körper abgetrennt, und sackte nun wirklich tot auf den Boden. Einer der Halbierten schaffte es noch, sich am Hemdzipfel eines ehemaligen Forschers festzuhalten und wurde durch den Sand gezogen, wobei seine freiliegenden Eingeweide die ohnehin schon rötliche Erde verschmierten, während er sich schleifen ließ, und dabei fauchte und um sich schnappte.
»Wie ist das passiert?« Alex starrte fassungslos auf die geschlossene Schiebetür, die nun blutüberströmt war.
Xander schüttelte den Kopf. »DeKirk«, murmelte er.
»Wie nett, dass er mit dem Schließen gewartet hat, bis die Zombies hier bei uns sind.«
»Irgendwie bezweifle ich, dass das Zufall war«, meinte Veronica, die beobachtete, wie die gierigen Monster zum Einstieg hinunterkamen.
»Vergessen wir DeKirk«, sagte Xander. Nachdem auch er die zerlumpte Horde Untoter, die sich in den Krater gedrängt hatte, angeschaut hatte, ließ er die Türflügel zufallen und schob einen rostigen Riegel vor. »Das wird sie nicht lange aufhalten. Wir müssen einen anderen Weg finden, um wieder hinauszukommen.«