28 diE wahRheiT

Irgendwie überlebte ich die Gerüchte über Drew und mich, auch wenn ich vor Scham fast im Boden versank, als ein Mädchen aus dem Basketballteam mich fragte, ob wir auf Kellis Party miteinander geschlafen hätten. Jill versuchte, mich zu verteidigen, und bei den meisten meiner Teamkolleginnen hatte sie damit auch Erfolg. Doch beim Rest der Schule half es nur wenig. Niemand sonst fragte mich direkt, aber ich hörte das Getuschel um mich herum, wenn ich die Schulflure entlangging. Saras wütendes »Ignorier sie einfach!« bestätigte mir bloß den Inhalt des Geflüsters.

Ich war nicht mehr unsichtbar und würde es auch nie wieder werden. Immer mehr Mitschüler nahmen Notiz von meinem Aufstieg in der sozialen Hierarchie und fingen an, mit mir zu reden. Anfangs war es nur Smalltalk, an dem ich mich, wie immer nervös, lediglich mit ein paar kurzen Antworten beteiligte. Dann plötzlich wurde ich von Leuten, die ich aus Eigeninitiative niemals kennengelernt hätte, zu Partys oder sonstigen Unternehmungen eingeladen. Die Planungen für unser Wochenende überließ ich jedoch weiterhin Sara.

Immer, wenn ich nach Hause zurückmusste, bekam ich Angst. Ich wusste ja nicht, wie lange meine Abwesenheit noch ohne Begründung hingenommen werden würde. Beim Klang von Carols Stimme zuckte ich unweigerlich zusammen, und mir graute vor dem Tag, an dem sie mich wieder wahrnehmen würde. Aber selbst nach einem Monat betrachtete sie mich immer noch als eine Art Untermieterin, von der sie nichts anderes erwartete als meine samstäglichen Putzarbeiten.

Ich vermisste Leyla und Jack. Manchmal hörte ich ihre Stimmen, aber ich sah sie nur selten. Ich redete mir ein, dass es für sie so am besten war, denn jetzt wurde ihre Welt nicht mehr ständig von mir durcheinandergebracht. Dieser Gedanke tröstete mich ein wenig, wenn ich Leyla durch meine geschlossene Zimmertür mit aufgeregter Stimme ihre Geschichten erzählen hörte.

Anfang Februar verkündeten Anna und Carl, dass sie mit Sara und mir in den Frühjahrsferien nach Kalifornien fahren würden, damit wir uns die dortigen Colleges anschauen konnten. Mein Coach vereinbarte Termine mit den Schulen, die Interesse an mir gezeigt hatten, und Carl sprach mit George, der mir die Fahrt erlaubte – was Carol bestimmt zur Weißglut brachte. Ich konnte nur hoffen, dass ich bei meiner Rückkehr nicht dafür würde büßen müssen.

Sara war ganz aus dem Häuschen, dass wir vielleicht zusammen an einem College in Kalifornien studieren würden. Auch ich freute mich und verdrängte den Gedanken, dass wir im selben Staat – ja sogar in derselben Stadt – wohnen würden wie Evan.

Mit der Zeit suchte er mich nicht mehr so regelmäßig in meinen Träumen heim. Doch wenn ich gerade glaubte, ich wäre ihn endgültig los, wachte ich mit einem Schrei auf und fand mich hilflos schluchzend in einem dunklen Zimmer wieder. Sara fragte nicht mehr, was ich geträumt hatte, sondern sah still von ihrem Bett aus zu, wie ich mich mühsam wieder erholte.

Es war nicht leicht, meinen Schmerz zu vergessen; die roten und orangefarbenen Pinselstriche an der Wand des Kunstraums konfrontierten mich beinahe täglich mit meiner Zerrissenheit. Ms Mier pries mein Bild in den höchsten Tönen – immer wieder betonte sie, dass es mein bisher bestes Werk sei, und wie großartig sie meine Ehrlichkeit finde. Ich hörte ihr zu, empfand aber nicht die gleiche Begeisterung. Ich hatte gehofft, den Heilungsprozess zu beschleunigen, indem ich meinen Kummer auf die Leinwand bannte, aber inzwischen wusste ich, dass ich nie ganz über Evan hinwegkommen würde.

Mein Herz blieb stumm. Es zeigte immer noch keine Reaktion auf Drews Berührung. Doch anstatt mich daran zu stören, genoss ich die Wärme, die er im Rest meines Körpers auslöste, und ließ mich von dem erregenden Schwindel benebeln, wann immer wir miteinander allein waren.

Es war leicht, sich in seinen Küssen zu verlieren. Aber mit der Zeit wurde Drew fordernder. Seine Hände waren überall, wanderten hierhin und dorthin, immer auf der Suche nach nackter Haut. Ich musste seine Finger und seinen Mund ständig in die richtigen Bahnen zurücklenken. Auch wenn er nichts dergleichen sagte, wusste ich, er wartete darauf, dass ich endlich nachgab. Doch anstatt mit ihm darüber zu reden, zog ich mich immer mehr zurück und vermied es zunehmend, mit ihm alleine zu sein.

Mich plagte ein schlechtes Gewissen, weil ich ihm so offensichtlich auswich. Ich versuchte mir einzureden, dass ich einfach noch nicht so weit war und dass meine Zurückhaltung nichts mit Drew zu tun hatte. Nach Kellis Party redeten wir kein einziges Mal mehr über unsere Beziehung. Wir sprachen auch nicht über unsere Gefühle oder Erwartungen.

Ich konzentrierte mich auf das, was wir miteinander hatten. Wir verbrachten gerne Zeit miteinander, wir fanden immer ein interessantes Gesprächsthema, und er brachte mich mühelos zum Lachen. Die öffentlichen Zärtlichkeiten und die Momente atemloser Leidenschaft bewiesen, dass wir uns nach wie vor zueinander hingezogen fühlten. Was gab es also zu bereden?

»Du magst mich doch noch, oder?«, fragte Drew eines Abends, als wir auf der Couch in Saras Freizeitraum saßen. Da wir am nächsten Morgen früh nach Kalifornien fliegen würden, wollten Sara und ich nicht ausgehen und hatten stattdessen ein paar Leute zu einer Horrorfilmnacht eingeladen. Sara und Jill besorgten gerade Essen und Getränke, und Drews Freunde waren noch nicht da, also hatten wir beide etwas Zeit für uns.

»Natürlich«, versicherte ich ihm hastig und mit einem unguten Gefühl im Magen. Ich streckte ein Bein aus, um ihn sanft mit dem Fuß anzustupsen. »Warum fragst du denn so was?«

Drew zuckte die Achseln, blieb aber ernst. Ich versuchte, ihm ein Lächeln zu entlocken, aber er wich meinem Blick aus. Ich wusste nicht weiter.

»Warum willst du dann nicht mehr mit mir allein sein?«, fragte er nach kurzem Schweigen.

Ich setzte mich auf. Plötzlich hatte ich Angst vor diesem Gespräch.

»Ich weiß nicht, was du meinst.«

»Du findest immer irgendeinen Vorwand. Wenn du mich magst, warum willst du dann nicht mit mir zusammen sein?«

Ich antwortete nicht, denn ich wusste, was er mich eigentlich fragen wollte.

Drew beugte sich vor, packte meine Beine und zog mich mit einem kräftigen Ruck über die Couch auf seinen Schoß. Dann legte er die Arme um meine Taille und zog mich an sich, bis unsere Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Das alles geschah so schnell, dass ich keinerlei Zeit hatte zu reagieren.

»Ich will mehr von dir«, sagte er leise und streifte mit den Lippen meinen Mund. »Ich will, dass du mich auch willst. Ich will, dass dein Verlangen nach mir genauso stark ist wie meines nach dir.«

Diesmal drückte er seinen Mund länger auf meinen, und ich konnte spüren, wie sein Atem sich beschleunigte. Jetzt war es heraus, und obwohl ich damit gerechnet hatte, geriet ich in Panik.

»Ich weiß, dass du mich willst«, flüsterte er, seine Lippen dicht an meinen.

Als ich seinen Kuss noch immer nicht erwiderte, zog er sich ein Stück zurück, um mir in die Augen zu schauen, und ich sah die Betroffenheit in seinem Gesicht.

»Oder etwa nicht?«, fragte er vorsichtig und rutschte an die Couchlehne.

Ich brachte kein Wort heraus. Drew bemerkte mein Zögern und musterte mich argwöhnisch. Dann schaute er schnell weg. Wahrscheinlich gefiel ihm der Ausdruck in meinen Augen nicht.

»Hey!«, begrüßte uns Jill, die mit Sara die Treppe heraufkam. Hastig glitt ich von Drews Schoß herunter und rückte auf die andere Seite der Couch, während er ein gezwungenes Lächeln aufsetzte. Jill begann, Saras kleinen Kühlschrank mit Bierflaschen vollzuladen, und ich stand auf, um bei den Vorbereitungen in der Küche zu helfen. Sara schloss sich mir an, warf Drew die Fernbedienung zu und forderte ihn auf, den ersten Film auszusuchen.

»Was ist los?«, fragte sie mich, als wir außer Hörweite waren. Wie üblich war ihr mein Stimmungswechsel sofort aufgefallen.

»Er hat mich gerade ziemlich direkt gebeten, mit ihm zu schlafen«, erklärte ich leise und schüttete eine Tüte Chips in eine Schüssel.

»Nicht im Ernst!«, rief Sara überrascht. »Was hast du gesagt?«

»Ich hab kein Wort rausgebracht«, gestand ich schuldbewusst.

»Du hast nichts gesagt?«

»Mir war noch keine gute Antwort eingefallen, bis ihr zwei reingekommen seid.«

»Dann denkt er jetzt wahrscheinlich, dass du ihn nicht mehr magst?«

»Ich hab ihm gesagt, dass ich ihn mag«, erwiderte ich. »Aber er will mehr von mir.«

»Und bist du bereit dafür? Mit ihm?«

»Ich mag ihn wirklich. Aber …« Ich zuckte hilflos die Achseln.

»Ich weiß«, meinte Sara grinsend.

»Was soll ich jetzt bloß machen?«

»Verhalt dich einfach wie immer, aber vermeide es erst mal, mit ihm allein zu sein. Allerdings wirst du früher oder später mit ihm darüber reden müssen. Er wird dich sowieso durchschauen, wenn du ihn ständig abblitzen lässt. Im Endeffekt ist es so oder so egal.«

Ihr letzter Satz verwirrte mich. »Was meinst du damit?«

Sie lächelte vielsagend. »Wenn du das nicht weißt, kann ich dir leider auch nicht helfen.«

»Sara«, stöhnte ich. »Das ergibt keinen Sinn. Was zur Hölle willst du mir damit sagen?«

»Hier, bring die Schüssel Chips ins Wohnzimmer und küss ihn oder so, damit er nicht den ganzen Abend schlecht drauf ist.«

In diesem Moment kam Jill herein, und ich nahm die Schüssel entgegen. In Gedanken versuchte ich immer noch, Saras Botschaft zu entschlüsseln. Auf dem Weg die Treppe hinauf überlegte ich, wie ich mich Drew gegenüber verhalten sollte. Schließlich entschied ich mich für die offensive Variante.

Ich lud die Schüssel mit den Chips auf dem Tisch ab und verstellte Drew, der in Saras Filmauswahl herumschaltete, die Sicht auf den Fernseher. Widerwillig sah er zu mir auf. Ich kam ein Stück näher und spreizte seine Beine. Verblüfft zog er die Augenbrauen hoch – damit hatte er anscheinend nicht gerechnet.

»Ich will dich«, flüsterte ich über ihm schwebend. Ich legte ihm die Hände in den Nacken und vergrub meine Finger in seinen Haaren. »Aber ich bin einfach noch nicht so weit …«

Er warf mir einen irritierten Blick zu – offenbar hatte er sich etwas anderes erhofft – und wollte mich gerade von sich schieben, als ich hinzufügte: »Noch nicht … aber … bald …« Ich wusste nicht, warum ich ihn anlog. Irgendwie erschien es mir leichter, als ihm die Wahrheit zu sagen.

Ich beugte mich zu ihm und küsste ihn. Bevor ich mich wieder zurückziehen konnte, packte er meine Taille und drehte mich auf den Rücken. Jetzt lag er auf mir, meine Beine um seinen Rücken geschlungen. Sein Mund suchte meinen, mein Atem wurde schneller, aber als er mich auf die Seite zu drehen versuchte, rollten wir mit Schwung von der Couch und landeten auf dem Boden.

Damit war die Situation entschärft, ich fing an zu lachen, während Drew erst frustriert unter mir stöhnte, dann jedoch zu mir aufsah und grinste. Im gleichen Moment hörten wir die Stimmen seiner Freunde, die mit Sara und Jill zu uns hochkamen, rappelten uns auf und setzten uns wieder auf die Couch.

Während der Filme lagen Drew und ich auf den riesigen Kissen vor dem Sofa. Alle konnten uns beobachten, so dass der Austausch von Zärtlichkeiten begrenzt blieb. Die anderen hatten sich auf die große Couch und das kleine Sofa verteilt und kommentierten lautstark die Dummheit der Mädchen im Film, die nachts allein im Dunkeln umherwanderten, und warnten die Jungs, sich umzudrehen, kurz bevor sie abgemetzelt wurden. Ich schmiegte meinen Kopf an Drews muskulösen Bauch, während er mit meinen Haaren spielte. Beim zweiten Film schlief ich irgendwann ein.

 

»Evan?«, fragte eine Stimme und holte mich mit einem Ruck aus meinem schrecklich lebendigen Albtraum in die Realität zurück.

Erschrocken fuhr ich auf und sah mich in dem dunklen Zimmer um. Ich lag auf dem Boden unter einer Decke, doch einen Moment lang hatte ich keine Ahnung, wo ich war. Dann erkannte ich Saras Freizeitraum, kurz darauf erinnerte ich mich auch an den Filmabend.

Als ich spürte, wie er sich neben mir aufsetzte, wusste ich sofort, was passiert war. Kalte Angst überkam mich. Hastig wischte ich mir die Tränen aus den Augen, dann drehte ich mich langsam zu ihm um. Er sah genauso aus, wie ich es befürchtet hatte – verletzt und verwirrt. Aber auch wütend, und damit hatte ich nicht gerechnet. Ich starrte ihn an und versuchte, meinen Puls zu beruhigen, doch er beschleunigte sich nur angesichts der stummen Konfrontation.

»Hattest du einen Albtraum?«, erkundigte Drew sich schließlich.

Ich nickte und wappnete mich gegen die unvermeidbare nächste Frage.

»Von Evan?«, fuhr er mich an. Ich senkte den Blick, außerstande, ihn direkt anzusehen.

»Jetzt wird mir alles klar«, flüsterte er erregt und schüttelte langsam den Kopf.

»Drew«, flehte ich leise. Aber er stand auf, zog seine Schuhe an und griff sich seine Jacke. Ich fand nicht die richtigen Worte, um ihn aufzuhalten … in Wahrheit wollte ich auch gar nicht, dass er blieb.

Ich saß reglos auf dem Boden und sah zu, wie er die Treppe hinunter verschwand. Erst jetzt bemerkte ich Sara, die mich – in den Armen eines tief schlafenden Jungen – mitfühlend beobachtete. Offenbar hatte sie alles gehört. Ich sah schnell weg.

 

»Du hast dich in San Francisco echt gut geschlagen«, meinte Sara auf dem Rückflug von Kalifornien. »Ich hatte Angst, du würdest früher oder später die Krise kriegen.«

Ich freute mich zu hören, dass ich so überzeugend gewesen war. Denn im Grunde hatte ich die ganze Zeit über nach ihm Ausschau gehalten.

»Ich hätte ihn fast angerufen«, gestand ich, ohne sie anzusehen.

»Das dachte ich mir, aber er war nicht da.« Verblüfft starrte ich sie an. »Er ist die ganze Woche mit ein paar Freunden snowboarden in Tahoe.«

»Woher weißt du das?«

»Ich hab Jared gefragt«, erklärte sie. »Als ich erfahren habe, dass wir ein paar Tage in San Francisco bleiben, hab ich ihn angerufen. Ich dachte, ein zufälliges Treffen mit Evan könnte dir vielleicht helfen, über ihn hinwegzukommen. Keine Sorge, Jared hat versprochen, ihm nichts davon zu erzählen.«

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Wenn ich ehrlich war, überraschte mich Saras Aktion nicht wirklich.

Ich hatte mich sehr bemüht, nicht an ihn zu denken, aber das war in seiner Heimatstadt einfach unmöglich gewesen. Es hatte mir fast den Verstand geraubt, ihm so nahe zu sein und ihm jederzeit über den Weg laufen zu können. Gefühlte tausend Mal hatte ich mein Handy aus der Hosentasche gezogen und die 5 gedrückt. Jedes Mal war der Name Evan auf meinem Display erschienen, und jedes Mal hatte ich nach einem kurzen Moment auf Abbrechen gedrückt. Jetzt spielten diese quälenden Augenblicke, in denen ich kurz davor gewesen war, stattdessen auf Senden zu drücken, überhaupt keine Rolle mehr. Er war nicht einmal in San Francisco gewesen.

»Apropos über jemanden hinwegkommen«, fuhr Sara fort. »Was willst du Drew sagen?«

»Ich muss ihm wohl irgendwas sagen, oder?«

»Ja, du kannst ihm nicht ewig aus dem Weg gehen. Dafür ist die Schule nicht groß genug.« Nach einer kurzen Pause fragte sie: »Es ist doch aus zwischen euch?«

Ihr nervöser Tonfall brachte mich zum Lachen. »Keine Angst, Sara, ich werde dich nicht länger quälen. Du musst nicht mehr so tun, als würdest du ihn mögen. Es ist aus und vorbei.«

»Ich mochte ihn«, protestierte sie, besann sich dann aber eines Besseren. »Okay, du hast recht, ich mochte ihn nicht. Vor allem mochte ich …«

»Vor allem mochtest du mich nicht, wenn ich mit ihm zusammen war«, vervollständigte ich ihren Satz. »Ich weiß.«

»Er war nicht der Richtige für dich.«

»Ich weiß«, antwortete ich ehrlich. »Drew ist doch ›so einer‹. Ich bin mir ziemlich sicher, er hätte ohnehin mit mir Schluss gemacht, wenn er begriffen hätte, dass ich ihn nicht ranlasse. Zwischen uns ist definitiv Schluss.«

»Du musst es ihm trotzdem sagen«, meinte Sara. Das sah ich genauso, aber ich hatte keine Ahnung, wie. Das unvermeidliche Gespräch machte mir mehr zu schaffen, als ich zugeben wollte.

Wie sich herausstellte, hätte ich mir deswegen keine Sorgen machen müssen. Noch bevor wir aus Kalifornien zurückkamen, wusste bereits die ganze Schule, dass Drew und ich uns getrennt hatten. Das wurde mir bewusst, als Jill mir am Montagmorgen noch vor dem Unterricht zuflüsterte: »Ich kann nicht glauben, dass Drew dich wegen Katie sitzengelassen hat.« Sie starrte mich mitleidig an und wartete auf meine Reaktion. Offensichtlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass ich lachen würde.

Es dauerte ein paar Wochen, aber schließlich verebbten die Gerüchte, und ich konnte ohne weitere Ablenkungen in meine Welt zurückkehren. Obwohl sich mein Rhythmus in diesem Schuljahr geändert hatte, blieb doch vieles beim Alten, und dazu zählte eine Menge Zeit für mich alleine – was ich leicht akzeptieren konnte. Ebenso problemlos akzeptierte ich die Stille im Haus, wann immer ich mich abends in mein Zimmer zurückzog.

Ich wartete darauf, dass Carol auf meinen Trip nach Kalifornien reagieren würde, aber alles, worüber sie nach meiner Rückkehr redete, war die Reise auf die Bermudas, mit der George sie überrascht hatte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass George ihr gar nichts von dem Ausflug nach Kalifornien erzählt hatte. Ihre Prahlerei störte mich nicht; sie hinterließ keine blauen Flecken.

Die kommenden Wochen konzentrierte ich mich ganz auf die Schule und büffelte noch mehr als sonst, um meine hochgesteckten Ziele zu erreichen. Auch beim Basketball lief ich zu meiner alten Form auf und half dem Team, bis zum Ende der Saison nur eine einzige Niederlage zu kassieren. Mit Sara hatte ich mehr Spaß als je zuvor, jetzt, da wir »Wochenendschwestern« waren, wie sie uns gerne nannte.

Selbst der Kummer in meinem Herzen und die Albträume, aus denen ich nach wie vor schweißgebadet emporschreckte, wurden zu einem vorhersehbaren Teil meines Lebens. Auch sie akzeptierte ich und machte weiter – ich lebte immer noch.