SIEBZEHNTES KAPITEL

Das Innere von Etzels Kaffeehaus war erfüllt von dem geradezu berauschenden Duft der schwarzen Bohnen, die im Holzofen geröstet wurden. Das verführerische Aroma wehte nach draußen auf die Straße und zeigte die Ankunft einer neuen Sensation im alten Prag an. Schon sehr bald würden die Bewohner der Stadt von der letzten Modeerscheinung hören, die plötzlich in ihrer Metropole aufgekommen war: dem geselligen Trinken eines heißen schwarzen, etwas bitteren Aufgusses, der in kleinen Zinntassen serviert wurde. Der Ort dieser neuen Mode war ein kleiner, anheimelnder Laden, der ein Stück weit vom großen Marktplatz entfernt in einer Seitengasse stand.

Am Tag vor der Geschäftseröffnung testeten die beiden kühnen Unternehmer ihre Gerätschaft und begutachteten das Produkt. Nachdem Mina eine Anzahl von Bohnen liebevoll bis zur Perfektion geröstet hatte, mahlte Engelbert die glänzenden schwarzen Proben zu feinem körnigem Pulver. Hierfür benutzte er die Maschine, die er aus Teilen einer alten handbetriebenen Gerstenmühle hergestellt hatte. Danach setzte Mina einen Wasserkessel auf den Herd, um ihn zu erhitzen, und erwärmte zwei Tassen. Sie ermittelte die genaue Menge an benötigtem Kaffeepulver, gab sie in ein kleines, mit Musselin ausgekleidetes Sieb und stellte dieses auf eine angewärmte irdene Kanne. Anschließend goss sie langsam heißes Wasser durch das Sieb.

»Für diesen Vorgang werden wir uns eine bessere Methode ausdenken müssen«, merkte Mina an, während sie darauf wartete, dass das Wasser durch das Kaffeemehl sickerte. »Sonst werden wir uns die Hacken ablaufen, wenn wir versuchen, den Bestellungen unserer Kunden nachzukommen.«

Ein Lächeln ging über Etzels Gesicht.

Sie sah, dass er strahlte, und fragte: »Was ist?«

»Ich mache mir keine Sorgen wegen unserer Hacken.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich bin nur froh, dass du glaubst, es werden einige Kunden kommen.«

»Oh, keine Angst, es wird eine große Nachfrage geben«, versicherte sie ihm. »Sobald sich die Nachricht verbreitet und die Leute die Möglichkeit haben, dies hier zu kosten, werden wir nicht mehr in der Lage sein, uns die Kunden vom Leibe zu halten.«

Als der Kaffee fertig war, goss sie ihn in die Zinntassen und reichte eine davon Etzel. »Auf unseren glorreichen Erfolg!«, verkündete sie und streckte Engelbert ihre Tasse entgegen, damit er mit ihr anstoßen konnte.

»Auf unseren Erfolg!«, rief er erfreut. »Auf dass er Gott gefallen möge.«

»Auf dass er Gott gefallen möge«, wiederholte Mina leise - beinahe so, als ob sie zu sich selbst spräche. Und etwas in ihrem Inneren war tief bewegt bei diesem Gedanken.

Gemeinsam kosteten sie den frisch aufgebrühten Kaffee. Obwohl Engelbert die Nase rümpfte und die Lippen kräuselte beim ersten winzigen Schluck von der dampfenden schwarzen, etwas öligen Flüssigkeit, erklärte Wilhelmina, es sei ein vollkommener Triumph. »Für so etwas würde ich gut und gerne einen Guldiner oder zwei bezahlen«, verkündete sie.

»Es ist sehr bitter«, merkte Etzel skeptisch an.

»Bitter ist besser«, versicherte Mina ihm. »Etwas Bitteres verlangt nach etwas Süßem, um es auszugleichen; und wir haben süßen Kuchen und andere süße Backwaren, die wir mit dem Getränk servieren werden.«

»Du hast recht«, stimmte Etzel ihr zu. »Das wird köstlich schmecken.«

»Genau.« Verzaubert durch den glücklichen Moment, lehnte sich Mina an den Bäcker und drückt ihm einen dicken Kuss auf die runde rosarote Wange. »Das bringt Glück«, meinte sie und lachte, als sie seine vor Überraschung weit aufgerissenen Augen sah.

Am nächsten Morgen waren beide noch vor Sonnenaufgang emsig damit beschäftigt, ihre Gerätschaft und das Zubehör vorzubereiten. Als alles fertig war, wurde Etzel von Mina fortgeschickt, um sich der Dienste eines sogenannten Ausrufers zu versichern. Dessen Aufgabe bestand darin, auf dem großen Marktplatz alle darauf aufmerksam zu machen, dass in ihrer Mitte ein neues Geschäft eröffnet worden war, welches ein aufregendes, exotisches Getränk in ihre Stadt brachte. Mit ihrem ausgeprägten Marketing-Verstand nahm Mina auch das Problem in Angriff, dass eine sehr konservative Bevölkerung einen natürlichen Widerstand besaß, eine außergewöhnliche, neuartige Ware auszuprobieren. Diese ablehnende Einstellung wollte sie überwinden, indem sie ein Tablett mit Tassen und einer Kanne vorbereitete und Etzel damit nach draußen schickte, um den Leuten kostenlose Proben zu offerieren. Und jedem, der ihr Getränk versuchte, wurde eine kleine Wertmarke aus Holz gegeben, mit der man im Laden ein weitere Tasse Kaffee bekam.

Diese Marketingstrategie erwies sich als ausgesprochen schlau und erfolgreich, denn sie lenkte einen stetigen Strom von Kunden ins Kaffeehaus. Einige ihrer ersten Gäste hatten von diesem neuen Getränk schon gehört und waren mehr als nur gewillt, es zu versuchen: Die zweite Tasse kauften sie zu dem von Mina bestimmten Einführungspreis von fünf Groschen - und ein paar sogar noch eine dritte. An diesem Tag wurde siebenmal ein Tablett mit Kostproben auf der Straße feilgeboten, und dreiunddreißig Kunden fanden den Weg ins Kaffeehaus. Nach Geschäftsschluss hatte Mina siebenundvierzig Tassen Kaffee und alle Honigteilchen verkauft, die sie gebacken hatte.

»Wir haben es geschafft!«, rief sie aus, als ein sehr erschöpfter Etzel die Holzläden schloss und die Tür verriegelte. »Wir haben alles verkauft - den ganzen Kaffee und alles Gebäck.«

»Wie viel haben wir eingenommen?«, wollte er wissen und sank auf einen leeren Stuhl.

»Nach meiner besten Schätzung haben wir die Gewinnschwelle fast erreicht«, erwiderte sie.

Sein Gesicht legte sich in Falten, als er angestrengt nachdachte, doch die Bedeutung des Fachbegriffs erschloss sich ihm nicht. »Was ist diese Gewinnschwelle?«

»Ich habe damit sagen wollen, dass wir fast den Punkt erreicht haben, an dem unser Gewinn so hoch ist wie unsere Ausgaben.«

»Oh, ja. Natürlich.« Mit der Idee, die hinter diesem Begriff steckte, war er nur allzu gut vertraut; doch er hatte noch nie zuvor gehört, dass man sie mit jenem Ausdruck bezeichnete. Plötzlich verdüsterte sich seine Miene. »Dann ist es uns also nicht gelungen, auch nur ein bisschen Geld zu verdienen?«

»Nun, streng betrachtet - ja«, antwortete Wilhelmina. »Das ist wahr. Aber wir haben uns auch gar nicht vorgenommen, schon heute Gewinn zu machen.«

»Nicht?« Auf Etzels Stirn, die für gewöhnlich ganz glatt war, bildeten sich Sorgenfalten.

Sein verwirrter Gesichtsausdruck berührte sie so stark, dass sie ihre Hand an seinen Kopf legte und ihm das weiche blonde Haar sanft nach hinten strich. »Nein, mein Guter«, erklärte sie. »Nicht heute. Und auch nicht morgen. Ich beabsichtige, so viel auszugeben, wie wir verkaufen - oder noch mehr. Aber nur für die ersten drei Tage. Auf diese Weise können wir sicher sein, dass es allen weitergesagt wird und genug Kunden in unseren Laden kommen.«

Er nickte. »Das ist eine seltsame Methode, mit einem Geschäft zu beginnen.«

»Vielleicht«, gestand sie ein. »Aber es hat noch nie ein Geschäft wie dieses hier in Prag gegeben. Denk daran!«

Dann machte sie sich daran, die Küche zu putzen, die Tassen zu spülen und andere Tätigkeiten zu verrichten, damit der Laden für den Verkauf am nächsten Tag bereit sein würde. Anschließend aßen sie beide ein leichtes Abendmahl. Bevor Mina zu Bett ging, machte sie noch den Teig für das süße Backwerk fertig, damit er während der Nacht aufgehen konnte. Und als sie einschlief, überlegte sie gerade, ob in dieser Stadt Zimt in irgendeiner Weise erhältlich war.

Der Verkauf am nächsten Tag verlief ähnlich wie am ersten: Es war nur ein wenig geschäftiger; im Laden drängten sich mehr Leute als beim ersten Mal. Vom Vormittag bis zum Nachmittag waren die Tische besetzt, und Mina wurde immer erschöpfter, während sie zwischen Herd, Kaffeemühle und den Tischen hin und her rannte, um für ihre Kunden zu sorgen. Nach so vielen Tagen, an denen sie beide zur Untätigkeit verdammt waren, fühlte es sich gut an, zu sehen, dass der kleine Laden voller Menschen war. Mina fand vor allem Vergnügen daran, zu beobachten, wie ihre Kunden den ersten Probeschluck von dem neuen, unbekannten Getränk nahmen. Etzel kam derweil eher behäbig seiner Pflicht nach und beförderte Tassen mit Kaffee zum großen Platz. Das Getränk verteilte er unentgeltlich an Stadtbewohner und führte die Neugierigen zum Laden, wo es mehr Kaffee für sie gab.

Am Ende des Tage waren sie total müde, doch hocherfreut über das Ergebnis: fünfzehn Groschen im Plus.

Der dritte Tag mit kostenlosen Proben geriet gar zu einem großen Erfolg. Kaum war die Ladentür geöffnet, kamen die Kunden herein. Die meisten von ihnen waren Leute, die man an den beiden ersten Tagen ins Geschäft gelockt hatte und die nun zurückkehrten, weil sie noch mehr von dem schwarzen Getränk haben wollten. Einige von ihnen brachten Freunde mit, um mit ihnen Prags jüngste und womöglich beste Neuheit zu teilen: frischen, heißen Kaffee. Obwohl Mina von einem ständigen Anstieg ihres Umsatzes ausgegangen war, hatte sie die Nachfrage erheblich unterschätzt. Die süßen Backwaren waren bereits am Vormittag ausverkauft, und lange vor Ladenschluss hatten sie die letzte geröstete Bohne aufgebraucht. Als Etzel schließlich die Holzläden schloss und die Tür verriegelte, hob Mina die Geldkassette hoch und schüttelte sie, um das schwere Klimpern der zahlreichen Münzen zu hören.

Sie öffnete die Kiste, spähte hinein und sah neun Groschen, fünf Guldiner und einen ganzen Taler. »Etzel, wir werden eine Million Taler verdienen«, verkündete sie und hielt die große Silbermünze hoch. »Und hier ist der erste!«

Etzel lachte. Er hatte selten von irgendjemandem eine solche Summe auch nur flüstern gehört. »Dann werden wir in unserem kleinen Kaffeehaus der König und die Königin von Prag sein.«

»Nur ein Kaffeehaus?«, rief Wilhelmina. »Warum an dem Punkt aufhören? Wir werden mindestens sechs Kaffeehäuser haben - und auch in München. Noch besser: ein Dutzend! Warum nicht?«

»Warum nicht?«, echote Engelbert und starrte sie mit einem geradezu ehrfürchtigen Gesichtsausdruck an.

Die nächsten Tage vergingen wie im Fluge. Sie waren voller angenehmer, wenn auch hektischer Aktivität, geprägt von Dampf und Schweiß und vielen Stunden in der Küche. Wilhelmina war an die Routine in einem geschäftigen Laden gewöhnt, und dem Bäcker Engelbert war harte Arbeit keineswegs fremd. Jeder von ihnen kannte die Stärken und Vorlieben des anderen und passte dementsprechend seine Arbeitsweise an. Am Ende der Woche hatten sie eine eindrucksvolle partnerschaftliche Zusammenarbeit entwickelt und zudem einen kleinen, treuen Kundenstamm gewonnen, der sich immer häufiger im Laden einfand. Ein begeistertes und einflussreiches Mitglied dieser Gruppe war ihr Vermieter Arnostovi. Als langjähriger Immobilienbesitzer in der Stadt hatte er zahlreiche Beziehungen sowohl zu den unteren als auch zu den oberen Schichten der Prager Gesellschaft. Und er war es, der damit begann, die eigenen Geschäfte im Kaffeehaus zu führen. Er brachte Kunden und mögliche Partner für seine verschiedenen Projekte in den Laden, um mit ihnen zu sprechen und zu verhandeln - bei etlichen Tassen Kaffee und Platten voller Gebäck, Kuchen und Früchtebrot, bei deren Herstellung sich Etzel geradezu überbot.

Die Neuigkeit, dass es ein Kaffeehaus in der Stadt gab, verbreitete sich wie ein Lauffeuer.

Zahlreiche Gerüchte kamen auf, die immer mehr Leute zum Laden lockten. Es wurde erzählt, das neue Getränk wäre ein äußerst wirksames Aufputschmittel, ein Tonikum für das Gehirn, ein Mittel zur Blutregulation, eine Verdauungshilfe und heilsam bei verschiedenen Magenleiden. Man munkelte sogar, die bittere schwarze Flüssigkeit besäße aphrodisische Eigenschaften. All diese Gerüchte wurden mit leiser Stimme über dampfenden Tassen diskutiert.

Auf eine unbeschwerte, freundliche Art und Weise förderte Mina diese Spekulationen, während sie an den Tischen ihre Kunden bediente. Dabei unterhielt sie sich mit ihnen und brachte so ihre Namen, Berufe und Geschmacksvorlieben in Erfahrung. Wie eine liebenswürdige Elfe huschte sie durch den Raum, ermutigte hier einen Zögerlichen zu seinem ersten Schluck und bot dort eine unentgeltliche Kostprobe an. Sie stellte sicher, dass sich jeder in dem gemütlichen Laden entspannt und willkommen fühlte.

»Wir brauchen mehr Hilfe«, verkündete eines Abends Wilhelmina, als Etzel die Tür verschloss.

»Ja«, stimmte er ihr zu. »Genau das habe ich auch gedacht.«

»Außerdem brauchen wir mehr Bohnen. Wir haben bald keine mehr.«

Etzel runzelte die Stirn. »Wie viel ist noch da?«

»Wir haben noch Bohnen für etwa zwei Wochen. Vielleicht auch noch für ein oder zwei Tage mehr - oder weniger.« Sie sah, wie sich auf seinem breiten, gutmütigen Gesicht die Sorgenfalten vertieften. »Warum? Was stimmt nicht?«

»Es wird nicht so einfach sein, neue zu beschaffen«, antwortete er und erinnerte sie daran, dass er beim ersten Mal nur durch einen äußerst glücklichen Zufall an die Bohnen gekommen war. »Ich denke, wir müssen nach Venedig fahren, und das ist sehr weit weg.«

»Wie weit?«

Er hob seine runden Schultern. »Einen Monat - vielleicht sogar zwei. Ich bin noch nie dort gewesen; deshalb kann ich es nicht sagen.«

In Gedanken versunken, verzog Mina ihre Augenbrauen. »Offensichtlich hätten wir noch an dem Tag, als wir das Geschäft eröffnet haben, mit der Suche beginnen sollen. Das Problem erfordert eine dauerhafte Lösung.« Sie dachte laut nach. »Wir benötigen eine ständige Versorgung mit Kaffeebohnen. Wir müssen eine Bezugsquelle haben.« Sie begann, mit einem Finger leicht gegen ihre Lippen zu klopfen. »Was wir brauchen, das ist ...«

»Arnostovi«, schlug Engelbert vor. »Er kennt jeden. Vielleicht ist er mit irgendjemandem bekannt, der für uns die Kaffeebohnen beschaffen kann.«

»Du hast recht«, pflichtete Mina ihm bei. »Als Erstes werden wir ihn morgen fragen.«

Der geschäftige Hausbesitzer hatte sich gerade gemütlich an seinem Lieblingstisch niedergelassen - der Sitz seines Stuhls war noch kein bisschen warm geworden -, als Wilhelmina sich ihm mit einer Gratis-Tasse Kaffee und einem speziellen Vorhaben näherte.

»Wie gehen die Geschäfte?«, fragte er leutselig.

»Besser und besser, Herr Arnostovi«, erwiderte Mina und zog sich einen Stuhl heran, was dazu führte, dass sich die buschigen Augenbrauen ihres Vermieters ein wenig überrascht nach oben zogen. »Tatsächlich sind die Geschäfte besser gelaufen, als wir erwartet hatten. Doch wie Ihr Euch vorstellen könnt, ist auch das nicht ohne Probleme.«

»Das sind gute Probleme«, merkte der Geschäftsmann an. »Ich ziehe immer diese Art von Problemen den anderen vor.«

»Ganz recht«, stimmte Mina ihm zu. »Nichtsdestotrotz müssen Probleme gelöst werden. Beispielsweise beginnen die Bohnen knapp zu werden, die wir für den Kaffee benutzen. Natürlich müssen wir mehr haben, wenn wir damit fortfahren wollen, unser modernes, sehr erfolgreiches neues Produkt in Prag weiter zu vertreiben.«

»Natürlich«, bestätigte Arnostovi vorsichtig. Er hatte schon viele Male unter Beweis gestellt, dass er ein Meister von Besprechungen wie dieser war, und daher erkannte er die Einleitung zu einem Vorschlag, sobald er sie hörte. »Bitte, fahrt fort.«

»Wir würden gerne wissen, ob Ihr einen Händler kennt, der auf seinen Reisen in Venedig Station macht«, vertraute Mina ihm an. »Das ist der beste Ort, um Nachschub für uns zu bekommen.«

Arnostovi nahm einen Schluck heißen Kaffee und dachte nach, bevor er antwortete: »Venedig ist sehr weit entfernt. Der einzige Weg dorthin führt natürlich übers Meer.«

»Wenn Ihr es so sagt.«

»Leider kenne ich niemanden, der im Moment solche Reisen unternimmt.«

»Oh.« Minas Hoffnungen zerplatzten. »Ich verstehe.«

»Ich bin jedoch nicht ganz unvermögend«, fügte Arnostovi hinzu. »Mir ist es in den Sinn gekommen, eine Beteiligung an einem Handelsschiff zu erwerben. Damit ließe sich sicherlich eine Fahrt nach Venedig für Handelszwecke in die Wege leiten.«

Mina biss sich auf die Unterlippe. Sie konnte spüren, dass gleich der Haken kam. »Ja?«

»Natürlich«, fuhr der Geschäftsmann fort, »würde ich einen substanziellen finanziellen Anreiz benötigen, um solch eine Unternehmung in Angriff zu nehmen.«

»Ich würde es nicht anders sehen«, versicherte ihm Wilhelmina. »Vorausgesetzt natürlich, dass der notwendige Nachschub uns zeitnah erreicht. Wir müssen bald neue Vorräte haben.«

»Wie bald?«

»In zwei Wochen«, erwiderte Mina. »Mehr oder weniger.«

»Das ist nicht viel Zeit für solch eine Reise.«

»Nein«, gestand sie ein. »Aber so ist die Lage.«

»Dann lasst uns zu einer Vereinbarung kommen«, erklärte der Hausbesitzer, während sich in seinem Kopf ein Plan herauskristallisierte. »Ich werde das Schiff in Dienst nehmen - auf eigene Kosten - und die Vorräte besorgen. Und zwar nicht nur einmal, sondern auch in Zukunft, sobald es erforderlich ist. Als Gegenleistung für diesen Dienst werdet Ihr mich zum Partner dieses ›Kaffee-Unternehmens‹ machen.«

»Ihr wollt Partner sein?« Mina versuchte bereits abzuschätzen, was dieser Vorschlag kosten würde.

»Fünfzig/fünfzig.« Arnostovi beobachtete sie, während er sich den Spitzbart strich. »Nun? Was sagt Ihr dazu?«

»Fünfundsiebzig/fünfundzwanzig«, entgegnete Mina.

»Sechzig/vierzig.« Arnostovi nahm einen weiteren Schluck von seiner heißen, öligen Flüssigkeit.

»Fünfundsechzig/fünfunddreißig«, erklärte Mina. »Doch wenn ich für die Bohnen bezahlen muss, will ich auch am Profit des Schiffs beteiligt werden.«

»Nein.« Arnostovi schüttelte den Kopf. »Unmöglich.«

»Natürlich kann ich stattdessen Engelbert in Zukunft immer nach Venedig schicken«, gab Mina zu bedenken. »Es würde natürlich länger dauern, aber ...«

»Ein Anteil von zwei Prozent«, räumte ihr Vermieter seufzend ein.

»Fünf«, erwiderte Wilhelmina.

»Drei«, sagte Arnostovi. »Weiter gehe ich nicht.«

»Drei Prozent nach Abzug aller Ausgaben.«

»Wie Ihr sagt.«

»Außerdem«, fuhr Mina mit sanfter Stimme fort, »erhalten wir eine Mietminderung für diesen Laden und haben die erste Wahl, andere Häuser oder Wohnungen von Euch anzumieten, wenn sie verfügbar werden.«

Die letzten Worte führten dazu, dass Arnostovis Augenbrauen erneut nach oben hüpften. »Ein weiteres Geschäft?«

Wilhelmina nickte ernst.

»Na schön«, willigte Arnostovi ein. »Ihr werdet diesen Laden für die Hälfte dessen haben, was Ihr jetzt bezahlt - was eh schon wenig genug ist, wie ich hinzufügen möchte.«

»Trotzdem.«

»Ihr seid eine kluge Geschäftsfrau«, sagte ihr Vermieter anerkennend. »Wir haben nun eine Vereinbarung.« Er setzte seine Tasse ab und streckte die Hand aus. »Lasst uns dies mit einem Handschlag bekräftigen. Von diesem Tag an sind wir beide zusammen im Reedereigeschäft.«

Die Zeitwanderer
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