Kompetenzen:
Was ich im Laufe meines Lebens alles gelernt habe

Ein wichtiges Element, das Sie mithilfe Ihres KAIROS-Datencharts untersuchen, sind Ihre Kompetenzen. Gerade wenn Sie einen beruflichen Umstieg, also einen Quereinstieg oder einen richtigen Neuanfang, ins Auge gefasst haben, ist die Kompetenzanalyse besonders wichtig, denn in der Regel bauen Sie auf dem Fundament Ihres Könnens auf. Natürlich spricht auch nichts dagegen, neue Kompetenzen zu erwerben und sich durch eine interessante Kombination mit Ihrem vorhandenen Wissensfundus neue Anwendungsgebiete zu erschließen. Die Arbeitsforscherin Lynda Gratton nennt dieses Vorgehen »Meisterschaft in Serie erwerben« und sieht darin das Karrieremodell der Zukunft.8 So machte es Thomas, der seine Kompetenz für Sprache und Sprechen zusammen mit seiner Empathie und Integrationsfähigkeit im Beruf des Logopäden neu einsetzte. Das logopädische Fachwissen musste sich Thomas neu erwerben, aber was er bereits aus seiner Biografie als Schauspieler mitbrachte, machte ihn für seine spezielle Zielgruppe besonders attraktiv und unterschied ihn von vielen anderen Kollegen.
Allgemein formuliert bezeichnen wir als Kompetenzen übergeordnete Fähigkeiten, die in der persönlichen Struktur eines Menschen latent vorhanden sind und die wir in entsprechenden Situationen aktivieren können. Wenn wir von Talent sprechen, meinen wir Gaben, die von Geburt an angelegt sind, zum Beispiel Musikalität, Bewegungsgeschick oder eine mathematische Begabung. Ob jemand daraus auch eine Kompetenz entwickelt, hängt davon ab, ob er sein Talent pflegt, also übt und lernt. Nur durchs Tun wird aus dem Talent auch eine Kompetenz. Talente können auch verkümmern oder ein Hobby bleiben.
Kompetenzen hingegen schlagen eine Brücke zwischen Erfahrungen der Vergangenheit und zukünftigen Anforderungen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Genau darum geht es bei der KAIROS-Methode: aus der Biografie eine aktuelle Frage zukunftsfähig zu beantworten und im entscheidenden Moment umzusetzen.
Manche Kompetenzen führen lange Zeit ein berufliches Schattendasein, bis ihre Zeit gekommen ist. So ging es Stefanie. Sie hatte ihre hohe Sozialkompetenz und Intuition nebenbei schon immer in Ihre Tätigkeit als Bilanzbuchhalterin und Teamchefin einfließen lassen: »Mein Chef wäre ohne mich recht aufgeschmissen. Wenn er wissen will, was bei seinen Mitarbeitern los ist, fragt er mich. Ich bin diejenige, die mitbekommt, wo bei den anderen der Schuh drückt.« Nach ihrer positiven Erfahrung als Co-Trainerin in einem Kommunikationstraining hat Stefanie jetzt den Mut, diese Kompetenzen auch hauptberuflich einzusetzen.
Listen mit vorgegebenen Kompetenzen, aus denen man einzelne auswählt, setze ich im KAIROS-Biografie-Coaching nicht ein; nur manchmal nutze ich sie als Anregung für meine Klienten, um ihnen eine Vorstellung für Formulierungen zu geben. Im Anhang dieses Buchs finden Sie eine solche Kompetenzsammlung und können sich davon inspirieren lassen. Das Besondere an einer biografischen Kompetenzanalyse im Rahmen der KBC-Methode ist vielmehr, dass die gefundenen Kompetenzen auf Ihrer eigenen Biografie fußen.9 Sie werden dadurch jede einzelne Kompetenz authentisch mit Szenen Ihres Lebens verbinden können, was Ihr Selbstbewusstsein stärkt. Diese Sicherheit zeigt sich besonders in Bewerbungsgesprächen, egal ob formeller Natur oder informell bei einem Stehempfang. Sie können Ihr Können belegen, und man wird sich daran erinnern, dass Sie die Person sind, die bereits als Neunjährige ihr Talent für Wirtschaftsprozesse unter Beweis gestellt hat, indem sie für die geführte Besichtigung einer Sandburg einen kleinen Eintritt verlangte, mit dem sie ihr Sparschwein fütterte.
Kompetenzlisten bleiben häufig allgemein, jeder könnte sie haben. Erst mit einer persönlichen Geschichte füllen Sie eine Kompetenz mit Leben. Und das überzeugt auch Ihr Gegenüber. Sozialkompetenz oder Teamgeist zum Beispiel geben vermutlich viele Bewerber als Stärke an. Ich selbst aber werde nie vergessen, wie eine Klientin ihre Geschichte von sozialer Kompetenz analysierte. Aufgrund der beruflichen Tätigkeiten ihrer Eltern war sie die ersten neun Jahre in einem asiatischen Land aufgewachsen. Dort hatte sie sehr früh verstanden, was es heißt, bei anderen Menschen auf einen möglichen Gesichtsverlust zu achten und ihn zu vermeiden. Zurück in Deutschland organisierte sie mit zehn Jahren eine Schultombola für ihre Klassenstufe. In der Vorbereitung (sie besaß auch eine hohe Organisationskompetenz) vergab sie präzise Aufträge, was jeder für die Tombola mitbringen sollte. Dabei achtete das Mädchen genau darauf, dass die Geschenke den vermuteten finanziellen Verhältnissen angemessen waren. »Ich wollte kein Kind und keine Familie in Verlegenheit bringen«, erklärte sie rückblickend mit größter Selbstverständlichkeit – eine Zehnjährige! Tatsächlich verhält es sich mit unseren Kompetenzen aber genau so. Ist beispielsweise Sozialkompetenz in uns biografisch verankert, dann ist es für uns das Normalste der Welt, sie auch zu zeigen. Oder gut organisiert zu sein oder Fremdsprachen bereits mit den Ohren aufzunehmen und sofort akzentfrei nachsprechen zu können. Wir bewegen uns in unserem Kompetenzreservoir wie ein Fisch im Wasser.
Im folgenden Analyseschritt Ihrer Biografie filtern Sie also aus Ihrem Datenchart heraus, was Sie wirklich gut können, was Sie im Kern ausmacht. Am Ende dieses Auswertungsschrittes werden Sie acht Kompetenzen benennen können, die Sie auszeichnen, denn einmalig werden wir auch durch die ganz spezifische Mischung unserer Kompetenzen. Im KAIROS-Biografie-Coaching geht es nicht zuletzt darum, dass Sie sich hinsichtlich Ihres nächsten Jobs für eine Tätigkeit, eine Arbeitsweise bzw. -form und ein Umfeld entscheiden, wo Sie möglichst viele Ihrer Kompetenzen einsetzen können.

Wie filtern Sie Ihre Kompetenzen heraus?

Kompetenzen basieren auf konkretem Tun, auf Fertigkeiten. So beherrschen Sie vielleicht ein verbreitetes betriebswirtschaftliches Softwareprogramm oder ein Datenbanksystem, und diese Fertigkeiten haben Sie in einem Fachgebiet in vielen Zusammenhängen häufig eingesetzt und somit »trainiert«. Zeigt sich in Ihrer Biografie, dass Sie generell in der Lage sind, sich schnell in neue Softwaresysteme einzuarbeiten, dann verfügen Sie über eine fachlich-technische Kompetenz für deren Anwendung. Unabhängig davon, ob Sie in Ihrem nächsten Job in einem Steuerbüro den Umgang mit einem neuen Datensystem oder in einem Multimediastudio die neueste Software für Bildbearbeitung erlernen müssen, sind Sie mit ihrer technischen Kompetenz für Software bestens gerüstet.
Ein gängiges Schema unterscheidet vier Felder von Kompetenzen. Eines davon ist Ihre Fachkompetenz, also erworbenes Fachwissen. In der Kompetenzanalyse werden Sie jedoch auch die sogenannten Soft Skills untersuchen, das heißt Ihre personale und Ihre soziale sowie Ihre methodische Kompetenz – zum Beispiel die Moderation eines Meetings oder planerische Kompetenzen im Bereich Projektmanagement.
Die vier Kompetenzbereiche sind:10
  • Personale Kompetenz: wie ich mit mir selbst umgehe, was mich ausmacht
  • Fachliche Kompetenzen: meine fachlich gelernten Voraussetzungen
  • Methodische Kompetenz: wie ich an Dinge/Aufgaben/Probleme herangehe
  • Soziale Kompetenz: wie ich mit anderen umgehe
Die fachlichen Kompetenzen machen also nur ein Viertel Ihrer Fähigkeiten aus, und über viele der nicht fachlichen Kompetenzen gibt leider auch kein Zeugnis oder Hochschuldiplom Auskunft – und das, obwohl gerade die personalen, sozialen und methodischen Kompetenzen einen entscheidenden Erfolgsfaktor im Berufsleben darstellen, was auch die Forschung zu dem Thema belegt. In unserer Wissensgesellschaft veraltet Fachwissen zunehmend schnell, man muss sich up to date halten, und daher ist eine generelle Lernfähigkeit gefragt. Es wird immer weniger wichtig, ob Sie beispielsweise ein für Ihre angestrebte Tätigkeit genutztes Computerprogramm beherrschen. Ihre Fähigkeit, sich in eine bestimmte Software einzuarbeiten und Ihre Fähigkeiten in ein Team einzubringen, wird in Zukunft mehr denn je gefragt sein.
Kompetenzen können in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen erworben werden, nicht nur im Beruf. Auch deshalb stellt die biografische Kompetenzanalyse eine so zukunftsweisende Methode dar. Bei der Suche nach Ihren Kompetenzen werden Sie sich also nicht ausschließlich auf die Analyse Ihres bisherigen Berufslebens beschränken, sondern in jedem Lebensstrang können Sie Kompetenzen erworben haben.
Übung 6: Spurensuche nach Kompetenzen im KAIROS-Datenchart
Um ein erstes Gespür für Ihre Kompetenzen zu bekommen, lade ich Sie ein, dass Sie zunächst drei Szenen aus Ihrem Leben auswählen, in denen Sie sich »kompetent«, also fähig und erfolgreich, gefühlt haben. Diese werden Sie zunächst intuitiv und im Überblick auf Kompetenzen untersuchen. Beschränken Sie sich dabei nicht nur auf Ihre Berufsbiografie. Unsere Protagonisten haben zum Beispiel diese Szenen für eine Kompetenzanalyse ausgewählt:
  • Stefanie: Organisation der Feier meines 30. Geburtstags
  • Christina: »Das letzte Spiel« – Abschied von meiner Hockeykarriere
  • Thomas: Die Aufnahmeprüfung zur Schauspielschule vorbereiten und bestehen
Wählen Sie nun selbst drei solcher Szenen aus Ihrer Biografie aus; führen Sie sich dann noch einmal die Leitfragen für Kompetenzen vor Augen:
  • Personale Kompetenz: wie ich mit mir selbst umgehe, was mich ausmacht
  • Fachliche Kompetenzen: meine fachlich gelernten Voraussetzungen
  • Methodische Kompetenz: wie ich an Dinge/Aufgaben/Probleme herangehe
  • Soziale Kompetenz: wie ich mit anderen umgehe
Schreiben Sie nun separat für jede ausgewählte Szene auf, welche Kompetenzen darin sichtbar wurden. Zur Anregung können Sie sich die Kompetenzliste im Anhang dieses Buchs anschauen. Vielleicht kommt auch die eine oder andere Kompetenz unserer Protagonisten bei Ihnen vor? Stellen Sie jedoch in jedem Fall einen Bezug zu Ihrer eigenen Biografie her und übernehmen Sie nicht einfach Begriffe, die Ihnen gut gefallen.
Hier die Kompetenzen unserer Protagonisten:
Christina:
  • Personale Kompetenzen: Durchhaltevermögen, Lernhaltung
  • Soziale Kompetenzen: Offenheit für Andersartigkeit, Perspektivübernahme
  • Methodische Kompetenzen: Projektmanagement, Analysefähigkeit
  • Fachliche Kompetenzen: Sozialmanagement, Europäisches Vergaberecht für Förderung von Sozialprojekten
Stefanie:
  • Personale Kompetenzen: Lernwille, Intuition
  • Soziale Kompetenzen: Menschenkenntnis, Interkulturelle Offenheit (Augenhöhe)
  • Methodische Kompetenzen: Intuitives Organisationsvermögen, Fremdsprachenkompetenz
  • Fachliche Kompetenzen: Touristikbranchen-Wissen, neu: Trainingsgestaltung, alt: Finanzbuchhaltung (aber ohne Elan, daher keine zentrale Kompetenz mehr)
Thomas:
  • Personale Kompetenzen: Bereitschaft zur Selbstentwicklung, Entspanntheit
  • Soziale Kompetenzen: Empathie, Integrationsvermögen
  • Methodische Kompetenzen: Zeitmanagement, Textaneignung
  • Fachliche Kompetenzen: Charaktere darstellen können (Schauspiel), Umgang mit Sprache und Sprechen
Schreiben Sie auf, was – auf den ersten Blick und eher intuitiv betrachtet – Ihre Kompetenzen in jedem der vier Kompetenzbereiche sind. Notieren Sie die Antworten auf einem Blatt Papier; diese können Ihnen als erste Orientierung dienen.
Die nächste Übung zur Kompetenzanalyse ist wesentlich genauer, allerdings auch zeitaufwändiger. Trotzdem: Machen Sie sich die Mühe, denn so werden Sie sich einen stolzen Fundus an Kompetenzen erarbeiten, der nicht auf Ihrer Vorstellung beruht, sondern auf den Fakten Ihrer Biografie.
Wenn Sie bereits mit der ersten intuitiven Bestandsaufnahme Ihrer Kompetenzen zufrieden sind, können Sie sofort all Ihre gefundenen Kompetenzen im Arbeitsblatt »Meine Kompetenzen« notieren. Dann übertragen Sie eine Auswahl von insgesamt nur acht Kompetenzen in Ihre KAIROS-Gesamtauswertung (zwei pro Kompetenzbereich). Um diese Auswahl zu treffen, können Sie Ihre intuitiv gefundenen Kompetenzen noch einmal überprüfen. Dazu gehen Sie weiter zu Übung 8 »Kompetenzen vertiefen und überprüfen«.
Übung 7: Fertigkeiten analysieren und zu Kompetenzen bündeln
Kompetenzen gehen auf konkrete Fertigkeiten zurück, also auf etwas Beobachtbares. Daher liegt es auf der Hand, sich die einzelnen Ereignisse Ihres Datencharts anzuschauen und zu fragen, was Sie genau gemacht haben. Jeweils ein Bündel an ähnlichen Fertigkeiten lässt sich zu einem Oberbegriff zusammenfassen, einer Kompetenz. In der folgenden Übung gehen Sie also von der Basis der vielen Fertigkeiten zu den übergeordneten Begriffen der Kompetenzen. In der ersten Übung zur intuitiven Kompetenzanalyse haben Sie »top down« gleich nach den Oberbegriffen gesucht. Dieses Vorgehen birgt die Gefahr, dass man Kompetenzen übersieht oder hinsichtlich seiner tatsächlichen Kompetenzen nicht präzise ist. Die folgende Übung, von vielen Fertigkeiten auf wenige übergeordnete Kompetenzen zu kommen, erfordert ein wenig Genauigkeit und Durchhaltevermögen, denn Sie werden hier im ersten Schritt sehr ins Detail gehen. Vermutlich werden Sie die Übung in mehreren Etappen durchführen. Doch bleiben Sie dran, es lohnt sich!
Was Sie brauchen:
  • Ihr KAIROS-Datenchart
  • Ein Auswertungsblatt (mehrere Seiten davon). Sie können den Vordruck aus dem Anhang kopieren (Arbeitsblatt »Eigene Fertigkeiten analysieren«) oder selbst auf ein Blatt Papier oder in eine Datei übertragen.
Nehmen Sie sich jetzt eine erste Kompetenzszene vor. Entweder Sie haben bereits in Übung 6 eine Szene ausgewählt oder Sie tun es jetzt (schauen Sie sich einfach in der ersten Übung die Beispiele der Protagonisten an). Insgesamt hat es sich bewährt, drei unterschiedliche Ereignisse zu analysieren. So erhält man im Allgemeinen einen guten Überblick über alle zentralen Kompetenzen. Sie notieren in der linken Spalte das »Projekt« (die Szene, in der Sie sich kompetent gefühlt haben) und unterteilen es grob in die Teilschritte, zeitlich oder inhaltlich, um einen besseren Überblick zu schaffen.
Ich erkläre Ihnen die Methode am Beispiel von Stefanie, die die Feier ihres 30. Geburtstags auf Fertigkeiten analysierte.
Projekt: Organisation der Feier meines 30. Geburtstags
Teilschritte:
  • Erste Idee und Vision entwickeln
  • Planung der Feier: Ort/Location, Catering, Gäste, Unterbringung von Freunden, Musik/DJ, Einladung designen und versenden
  • Die Feier selbst: Spaß haben, Leute ins Gespräch miteinander bringen, tanzen …
  • Nach der Feier: Organisation der Aufräumarbeiten, Dankeskarten/-mails schreiben, ein digitales Fotoalbum erstellen
Schreiben Sie für jeden einzelnen Teilschritt in Ihrem Kompetenzprojekt präzise auf, was für dessen Umsetzung nötig war. Lassen Sie für jeden Teilschritt ausreichend Platz, oder machen machen Sie Ihre Notizen zunächst auf einem separaten Blatt und übertragen diese nacheinander in das Arbeitsblatt. Wenn Sie mit einer elektronischen Datei arbeiten, können Sie natürlich einfach gegebenenfalls weitere Zeilen einfügen.
Stellen Sie sich jetzt für jeden Teilschritt die folgenden Fragen, die ich gern die »Kinderfragen« nenne. Sie kennen doch sicher neugierige Fünfjährige, die immer »Warum?«, und »Und was hast du dann gemacht?«, fragen. Tun Sie so, als würden Sie einem Kind beschreiben, was man genau tun muss, um Ihr Projekt umzusetzen. Dazu gehört auch, was Sie im Kopf geplant und bedacht, mit wem Sie kommuniziert und welche äußeren Hilfsmittel Sie genutzt haben (Planungstabellen, Internet, To-do-Listen).
  • Wie sind Sie vorgegangen?
  • Was haben Sie als Erstes getan, gedacht, geplant, was als Nächstes?
  • Was haben Sie dazu eingesetzt?
  • Was von dem, das Sie tun, ist sichtbar, was ist nicht sichtbar?
  • Was denken, planen Sie für diese Tätigkeit?
  • Mit wem müssen Sie dazu kommunizieren, verhandeln, sprechen?
  • Mit welchen Kommunikationsmitteln tun Sie das?
Zwei allgemeine Fragen, die durch Ihre Antworten klar geworden sein sollten sind:
  • Was müsste jemand können, der diese Tätigkeit ausübt?
  • Was würden Sie mir alles erklären, damit ich diese Tätigkeit ebenfalls ausüben kann?
Der folgende Ausschnitt aus Stefanies Fertigkeitenliste zeigt das Vorgehen anhand des Teilschritts »Planung der Feier: »Location aussuchen«. Der Kompetenzbereich wird hier zunächst noch nicht festgelegt. Das folgt im zweiten Schritt bei der Clusterung der Fertigkeiten.
Wenn Sie Ihre Kompetenzszenen auf diese Weise durchgehen, werden Sie sehr lange Listen erhalten von dem, was Sie in Ihrem Leben schon alles getan, gedacht und geschafft haben.
Allein dieses Gefühl ist oft sehr motivierend. Gerade wer bisher damit gehadert hat, dass er diesen oder jenen offiziellen Abschluss nicht vorweisen kann, wird spätestens hier erkennen, wie viel er oder sie doch kann!
Der nächste Schritt besteht darin, diese Fertigkeiten zu Kompetenzen zu clustern, also zu Oberbegriffen – Ihren Kompetenzen – zusammenzufassen.
Dazu sind zwei Schritte notwendig. Einerseits die Zusammenführung ähnlicher Fertigkeiten (aus allen Szenen, die Sie analysiert haben, nicht nur aus einer) unter einer »Überschrift«, also einem übergeordneten Kompetenzbegriff. Zweitens sollen Sie diese Kompetenzen jeweils einem der vier Kompetenzbereiche zuordnen. Denn am Ende sollten Sie genau acht Kompetenzen ausgewählt haben, zwei in jedem Bereich. Diese Reduktion auf acht Kompetenzen hat sich bewährt, weil man mehr Kompetenzen selten gut darstellen oder aufzählen kann.
Zur Erinnerung hier noch einmal die vier Kompetenzbereiche:
  • Personale Kompetenz: wie ich mit mir selbst umgehe, was mich ausmacht
  • Fachliche Kompetenzen: meine fachlich gelernten Voraussetzungen
  • Methodische Kompetenz: wie ich an Dinge/Aufgaben/Probleme herangehe
  • Soziale Kompetenz: wie ich mit anderen umgehe
Ich stelle Ihnen zwei Wege vor, wie Sie Ihre Fertigkeiten clustern können; wählen Sie einfach den für Sie passenden. Im Anschluss an meine Beschreibung können Sie sehen, zu welchen Ergebnissen Stefanie bei der Zusammenstellung ihrer Kompetenzbereiche gelangt ist.
Weg 1: Ordnen Sie Fertigkeiten zuerst einem Kompetenzbereich zu. Markieren Sie in der dritten Spalte hinter jeder Fertigkeit zunächst, welchem Kompetenzbereich Sie diese zuordnen können. Sie können dies mit einem Buchstaben als Abkürzung tun oder direkt im Text arbeiten, indem Sie Leuchtmarkierstifte nutzen: Jede Farbe steht für einen Kompetenzbereich.
Schauen Sie dann, welche der markierten oder mit dem gleichen Buchstaben versehenen Fertigkeiten sich unter Oberbegriffe zusammenfassen lassen. Sie können dazu auch die markierten Begriffe separat auf Haftnotizen übertragen, um sie besser clustern zu können.
Das Formulieren von Kompetenzbegriffen ist ein schöner, aber auch kniffeliger Arbeitsschritt. Sie können sich dabei Zeit lassen und auch zunächst einen Probebegriff aufschreiben, um Fertigkeiten zusammenzufassen, zum Beispiel »Organisationskompetenz«. Bei einer zweiten Betrachtung nehmen Sie vielleicht eine Änderung in »Planungskompetenz« vor, weil dieser Begriff für Sie stimmiger ist. Lassen Sie sich auch von den Begriffen unserer Protagonisten inspirieren oder von den Kompetenzlisten.
Durch den ersten Arbeitsschritt der Zuordnung Ihrer Fertigkeiten zu den Kompetenzbereichen sind damit automatisch Ihre Kompetenzbegriffe den Bereichen personal, sozial, methodisch und fachlich zugeordnet. Sie können dieses Ergebnis aber natürlich noch einmal auf Stimmigkeit überprüfen und verändern.
Schauen Sie, dass Sie mindestens zwei Kompetenzen für jeden Bereich erarbeitet haben. Ansonsten müssten Sie noch weitere Szenen aus Ihrer Biografie analysieren. Meistens ist dies aber nicht nötig. Die endgültige Auswahl Ihrer acht zentralen Kompetenzen erarbeiten Sie mit Übung 8.
Weg 2: Finden Sie zuerst eine Überschrift für ähnliche Fertigkeiten. Markieren Sie einfach jeweils Fertigkeiten, die Ihnen ähnlich vorkommen. Auch hier können Sie diese auf Haftnotizen übertragen, um sie besser clustern zu können, oder sie in der Datei zusammenkopieren. Aber auch Notizen auf einem separaten Blatt können helfen. Für die als ähnlich markierten Fertigkeiten finden Sie dann jeweils passende übergeordnete Kompetenzbegriffe.
In einem zweiten Schritt ordnen Sie nun die von Ihnen gefundenen Kompetenzbegriffe jeweils einem passenden Kompetenzbereich zu.
Im Ausschnitt »Planung der Feier: Location aussuchen« aus Stefanies Beispiel sind ähnliche Fertigkeiten zusammengefügt und Kompetenzbereichen zugeordnet. Diesen hat Stefanie erste mögliche Kompetenzbegriffe zugeordnet (in Klammern geschrieben).
Wie Sie sehen, lassen sich manche Fertigkeiten/Kompetenzen durchaus in zwei Kategorien unterbringen. Dies gilt in Stefanies Fall für soziale und methodische Kompetenzen. Aber auch fachliche und methodische Kompetenzen können je nach Berufsfeld unterschiedlich zugeordnet sein. Man entscheidet dann jeweils aus dem Zusammenhang, wie die Kompetenzen entstanden sind. Außerdem müssen letztlich Sie sich damit wohlfühlen, wo Sie eine Kompetenz zuordnen würden.
Für Stefanie erschloss sich bereits aus diesem Beispiel – was mehrere andere Szenen bestätigten –, dass sie über eine gut ausgeprägte Intuition und Menschenkenntnis verfügt. »Das habe ich auch in den Trainings gemerkt«, sagt die Finanzfachfrau. »Ich konnte meinem Trainer jeweils sehr genau sagen, wie die Stimmung ist und was wir als Nächstes tun müssen, um die Gruppe ›wach‹ zu halten.«

Kompetenzen auswählen und überprüfen

In einem dritten Schritt lernen Sie Ihre Kompetenzen noch besser kennen und überprüfen sie sozusagen auf Herz und Nieren. Nicht zuletzt soll Ihnen das Wissen um und der sichere Umgang mit Ihren Kompetenzen Ihre berufliche Entscheidung erleichtern, denn Ihre neue Tätigkeit soll schließlich Ihnen entsprechen.
Als wesentlich anzusehen sind die acht Kompetenzen, die Sie als Person typisch charakterisieren und auch Ihren Werten entsprechen. Menschen bilden Kompetenzen am ehesten in Bereichen aus, die auch von ihren persönlichen Werten unterstützt werden. Und andererseits sind Kompetenzen nicht wirklich nützlich für eine zukünftige Berufswahl, wenn diese nicht von den eigenen Werten unterstützt werden, so wie es bei Stefanie der Fall ist: Ihre Finanzbuchhaltungsfertigkeit bedeutet ihr eher wenig; sie möchte sie zukünftig nicht mehr als Hauptkompetenz einsetzen müssen.
Schauen Sie sich noch einmal Ihre Kompetenzbegriffe an, und zwar dahingehend, ob sich hinter ihnen vielleicht Werte verbergen oder ob Sie solche zusätzlich notieren können. So mache ich im Coaching immer wieder die Erfahrung, dass manche Begriffe, die der Klient oder die Klientin zunächst als Kompetenzen benannt hat, sich eher als Werte festhalten lassen. Disziplin, Ordnung, Freiheit, Neugier und Lernen können beispielsweise Dinge sein, die einem wichtig sind, doch um eine Kompetenz handelt es sich jeweils nur, wenn sich damit auch Fertigkeiten und konkrete Tätigkeiten verbinden lassen. Werte sind das, was uns wichtig ist. Kompetenzen das, was wir können. Im folgenden Kapitel werden wir uns detailliert mit dem Thema Werte auseinandersetzen. Denn diese sind der Kompass bei Ihrer beruflichen Orientierung.
Übung 8: Kompetenzen vertiefen und überprüfen
Als Nächstes bitte ich Sie, Ihre acht wichtigsten Kompetenzen zu vertiefen und damit auch zu überprüfen.11 Dafür benötigen Sie vielleicht noch einmal Ihr Datenchart. Außerdem sollten Sie Papier bereitlegen, ein Blatt für jede Ihrer Kompetenzen. Schauen Sie sich die Situationen und Ereignisse an, die Sie im Chart notiert haben, und überlegen und notieren Sie für jede Kompetenz,
  • wie lange diese schon eingesetzt wurde,
  • in welchen unterschiedlichen Kontexten Sie auf sie zurückgegriffen haben,
  • in welcher Komplexitätsstufe sie eingesetzt wurde,
  • wie diese mit anderen Kompetenzen vernetzt ist oder gemeinsam eingesetzt wird.
Die ersten beiden Punkte sind sicher selbsterklärend und lassen sich anhand der Szenen in Ihrem Datenchart genau überprüfen und belegen. Die dritte Frage nach dem Komplexitätsgrad betrifft den Schwierigkeitsgrad, auf dem eine Kompetenz eingesetzt wurde. »Vorträge halten« kann eine Ihrer methodischen Kompetenzen sein. Aber es macht einen Unterschied, ob Sie Vorträge in Ihrem lokalen Tennisclub, einem vertrauten Arbeitsteam oder regelmäßig auf internationalen Fachkongressen halten. »Konflikte schlichten« mag eine soziale Kompetenz von Ihnen sein, doch ein Meister darin sind Sie erst, wenn Sie auch Konflikte schlichten können, in denen extrem zerstrittene Partner involviert sind. Nehmen Sie eine ehrliche Bestandsaufnahme vor, denn nicht in jeder Kompetenz müssen Sie schon meisterlich sein – Sie können sich ja auch noch entwickeln!
Die Überprüfung verdeutlicht einerseits Ihre Virtuosität im Einsatz dieser Kompetenzen. Mittels der von Ihnen gefundenen Beispiele können Sie etwa im Bewerbungsgespräch zeigen, dass Sie bestimmte Kompetenzen nicht bloß behaupten, sondern durchaus schon häufig eingesetzt haben. Auch die Verbindung von Kompetenzen macht Sie einmalig. Erinnern Sie sich an das Beispiel der Frau, die bereits als Zehnjährige nicht nur eine Schultombola organisieren konnte, sondern dies noch mit einem erstaunlichen sozialen Feingefühl für ihre Mitschüler umgesetzt hatte.
Andererseits lässt sich durch die Überprüfung manchmal eine Kompetenz entlarven, die nicht wirklich zu Ihren Kernkompetenzen zählt. Beispielsweise hatte einer meiner Klienten »Anderen zuhören« in einer Kompetenzszene herausgefiltert. Als wir überprüften, wie lange und auf welchem Komplexitätslevel er diese Kompetenz schon einsetzte, musste er einsehen, dass er sich hier noch in einem Lernfeld bewegte. »Ich habe auf diesem Gebiet in den letzten zwei, drei Jahren große Fortschritte gemacht«, erklärte er, »aber meine Frau würde sagen: Das hast du erst in letzter Zeit dazugelernt.« Es handelte sich also nicht um eine Kompetenz, die meinen Klienten typisch charakterisierte. Natürlich können Sie Kompetenzen Ihr Leben lang erwerben, jedoch ist es für einen Umstieg in ein neues Berufsfeld sinnvoll, auf Kompetenzen zurückzugreifen, die Sie bereits gut gefestigt haben. So können Sie neue Arbeitgeber oder Investoren am besten überzeugen, dass Sie ihr Know-how auch in Zukunft in neuen Tätigkeitsfeldern gut einsetzen werden. Denn so sind Kompetenzen schließlich definiert: als übergeordnete Fähigkeiten, die man in zukünftige Situationen übertragen kann.

Resümee: Von der Kompetenzanalyse zur »Fahrstuhl-Akquise«

Betrachten Sie nun Ihre Kompetenzen, was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie an Ihre ursprüngliche berufliche Fragestellung denken? Lässt Sie die Klarheit hinsichtlich Ihrer Kompetenzen eher abwägen, die sich bietende Option noch einmal kritisch abklopfen, oder haben Sie das Gefühl, genau, das ist es? Sehen Sie vielleicht in der Kombination Ihrer Kompetenzen neue Berufsfelder, die sich eröffnen? So wie es bei dem Schauspieler Thomas der Fall war, der eine ideale Kompetenzmischung auch für beratende und helfende Berufe besitzt.
Ob Sie Ihre Kompetenzen auch wirklich anwenden können, hängt natürlich immer auch von den äußeren Umständen ab. Frustrierend kann es sein, wenn in Ihrer beruflichen Situationen Ihre Kompetenzen eher nicht zum Tragen kommen. Die Motivation von Mitarbeitern, so haben Umfragen gezeigt, basiert stark darauf, dass man mehrmals in der Woche, am besten aber jeden Tag, das tun kann, was man am besten beherrscht.12
Machen Sie sich also auf den Weg zu dem Job, in dem möglichst viele Ihrer Kompetenzen – wenn nicht sogar alle – oft zum Einsatz kommen!
Auf jeden Fall sind Sie nach einer detaillierten Kompetenzanalyse für den sogenannten »elevator pitch«, die »Fahrstuhl-Akquise«, bestens gerüstet. So nennt man die fiktive Begegnung mit einer wichtigen Person, bei der man nur wenige Minuten – eben bis zum Aussteigen – Zeit hat, um auf den Punkt zu kommen. Meistens sind dies nicht mehr als zwei bis drei Minuten. Daher eignen sich »elevator pitches« auch für Empfänge, Netzwerktreffen und Kongresse, also alle Gelegenheiten, bei denen Sie nur wenig Zeit haben, um bei fremden Menschen »anzudocken«. Wenn Sie also demnächst auf einem Kongress im Aufzug einer potenziellen Arbeitgeberin oder einem Mentor begegnen, und er Sie fragt, was Sie denn so machen und können, dann haben Sie Ihre Kompetenzbegriffe parat und zu jeder Ihrer Kompetenzen eine schöne Anekdote zu erzählen. Beim Überreichen Ihrer Visitenkarte können Sie lächelnd aussteigen – und das alles in der Zeit vom Erdgeschoss bis zum vierten Stock. Viel Erfolg dabei!