10
»Aber selbstredend erinnere ich mich noch an den Kollegen Seligmann.« Oberstudiendirektor Schnellinger machte seinem Namen Ehre und nahm überraschend flink hinter einem vor seiner mächtigen Figur zierlichen Schreibtisch Platz. »Sehr gut sogar. Ist was mit ihm?«
Vom Flur drangen die gedämpften Geräusche eines jetzt, am Freitagnachmittag, nahezu leeren Schulhauses herein. Die Klingel schrillte, eine Tür fiel zu, leichte Schritte trappelten eilig über harten, gefliesten Boden. Dieser Geruch nach Schule, der einen nie im Leben mehr loslässt. Plötzlich fühlte ich mich in meine Jugend zurückversetzt, litt mit den armen Kindern, die hier jeden Morgen verschlafen und frustriert auf ihre Lehrer warteten, um von ihnen Dinge zu lernen, die sie nicht wissen wollten und vermutlich niemals in ihrem Leben brauchen konnten.
Das Hölderlin-Gymnasium, fast mitten in der Altstadt gelegen, war von der Direktion bequem zu Fuß zu erreichen wie überhaupt so vieles in Heidelberg. Inzwischen hatte ich begriffen, dass es sich oft nicht lohnte, einen Wagen zu nehmen, weil die anschließende Parkplatzsuche meist länger dauerte als der Fußweg, den man sich dadurch ersparte. Den Schulhof betrat man durch einen finsteren Durchgang von der Friedrich-Ebert-Anlage her, den nur ein geistig verwirrter oder ungewöhnlich zynischer Architekt sich ausgedacht haben konnte. Das große, einen ganzen Block einnehmende Schulgebäude dagegen war ein heller, überwiegend in freundlichem Gelb gestrichener Bau.
Mit sonniger Neugier strahlte der Schulleiter mich an. Er erwartete eine Antwort auf seine Frage.
»Er ist verschwunden. Und wir machen uns Gedanken, warum und wohin.«
»Sie erwarten hoffentlich nicht, dass ich Ihnen sage, wo Sie ihn suchen müssen?«
»Natürlich nicht. Ich würde nur gerne von Ihnen hören, was für ein Mensch er ist.«
»Treiben Sie immer einen solchen Aufwand, wenn ein Erwachsener verschwindet?«
»Unter gewissen Umständen, ja.«
»Und was sind diese gewissen Umstände?«
Ich hob die Schultern und lächelte ihn unschuldig an.
»Natürlich, natürlich.« Schnellinger lachte auf. »Geht mich einen feuchten Kehricht an, da haben Sie Recht.« Er schwieg einige Sekunden und zupfte an der schon ein wenig speckigen Manschette seines fast weißen Hemdes herum. »Sind immerhin schon einige Jährchen ins Land gegangen, seit unser Seligmann in Pension ging. Ich war damals ganz frisch auf meinem Posten. Deshalb kann ich Ihnen leider nicht viel über ihn erzählen.«
»Gibt es Kollegen, die mehr über ihn wissen?«
Schnellinger ließ von seiner Manschette ab und fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung durchs schüttere und reichlich verschwitzte Haar.
»Natürlich, klar gibt es die. Ich kann Ihnen nachher ein paar Namen aufschreiben. Aber was möchten Sie nun von mir hören? Ob er geklaut hat? Hat er meines Wissens nie. Ob er Schülerinnen unter den Rock gefasst hat? Nein, hat er auch nicht.«
»Ich möchte mir einfach nur ein Bild machen von dem Mann. Deshalb sitze ich hier und stehle Ihnen die Zeit.«
»Das wird Ihnen helfen, ihn wiederzufinden?«
»Wohl kaum.«
»Dann steckt also noch mehr dahinter?«
»Möglicherweise. Aber ich darf und möchte …«
»Natürlich, natürlich.« Schnellinger sah zum Fenster hinaus. »Geht mich immer noch nichts an, schon verstanden.«
Wieder liefen draußen eilige Füße den Flur entlang. Diesmal schwerere. Der Hausmeister vielleicht oder ein Lehrer auf dem Weg zu seiner Klasse, die mit Nachmittagsunterricht geplagt war. Ob es heute noch die Strafe des Nachsitzens gab? Meine Töchter mussten nie nachsitzen. Zumindest erfuhr ich nichts davon. Ob ihnen das norddeutsche Essen inzwischen besser schmeckte? Was wohl Sarahs Zahnschmerzen machten? Unwillkürlich musste ich gähnen. Ein alter Reflex aus Jugendzeiten – Schulluft machte mich immer noch müde.
»Seligmann«, sagte der Direktor nachdenklich und betrachtete dabei ratlos die flache Hand, die eben noch sein dünnes Haar gebändigt hatte, »war schon ein merkwürdiger Geselle.«
»Inwiefern?«
»Ein Autist in gewisser Weise. Hatte nicht viele Freunde im Kollegium. Der war sich selbst genug. Hat seine Arbeit gemacht, und der Rest hat ihn nicht interessiert. Pünktlich war er, unser Seligmann, pünktlich und gewissenhaft, da gab es nichts. Aber in den Pausen, da saß er immer für sich.«
»Wie war sein Verhältnis zu den Schülern?«
»Bestens. Die Kinder haben ihn gemocht. Das war eigentlich seltsam, denn er war nicht besonders witzig, hat sich nicht angebiedert, konnte auch mal streng sein. Ich habe es mir folgendermaßen erklärt: Sie sahen in ihm eine Art Verbündeten. Gegen die Schule, gegen uns andere, normale Lehrer.«
Für einige Sekunden schwieg Oberstudiendirektor Schnellinger und sah wieder hinaus auf die Bäume mit dem frischen Grün, die sich im leichten Nachmittagswind des Frühsommertages wiegten. Dann fuhr er fort:
»Als ich hier mein Amt antrat, da habe ich reihum bei allen Kollegen hospitiert. Um mir ein Bild zu machen, meine Truppen kennen zu lernen, ihren Stil. Und Seligmann, was soll ich sagen, er war ein Phänomen. Ich habe selten erlebt, dass eine Klasse einem Lehrer so aus der Hand frisst. Er war, man kann es nicht anders ausdrücken, als Pädagoge ein Naturtalent. Ich habe versucht herauszufinden, wie er das anstellt. Es ist mir nicht gelungen. Er hat seine Schüler ernst genommen, vielleicht ist es das. Als Persönlichkeiten, jeden Einzelnen. Und dann diese merkwürdige Ruhe, die er ausstrahlte. Sie hatten Respekt vor ihm, ja, richtigen, ehrlichen Respekt. Das findet man leider selten heutzutage. Seine Ergebnisse waren vorbildlich. Bei ihm gab es keinen einzigen Schüler, der nicht mitkam, absackte, verloren ging. Er hat sich um jeden Einzelnen gekümmert. Ohne viele Worte, ohne Getöse. Er hat’s einfach getan, weil es zu seinem Job gehörte. Wirklich schade, dass er dann so bald krank werden musste.«
»Dürfen Sie mir sagen, woran er erkrankt ist?«
»Die Seele.« Er blickte mir ins Gesicht, ohne mich zu sehen. »Er hatte einen schweren psychischen Zusammenbruch, von dem er sich leider nie wieder erholt hat. Dann fing er auch noch mit dieser Trinkerei an und … Nun ja.«
»Was ich Sie jetzt frage, dürfen Sie bitte nicht missverstehen.«
Schnellinger musterte mich mit dem friedlichen Blick eines Pädagogen, der seinem Schüler Mut machen will, mit der Wahrheit herauszurücken, auch wenn sie wehtut.
»Halten Sie Herrn Seligmann für fähig, ein Verbrechen zu begehen? Ein schweres Verbrechen?«
Schmunzelnd betrachtete er seine sauber aufgeräumte hellgraue Schreibtischplatte, wo exakt in der Mitte meine Visitenkarte lag.
»Herr Gerlach«, begann er, »sehen Sie, ich bin nun seit über fünfundzwanzig Jahren Lehrer. Ich habe tausende von Schülern kommen und gehen sehen. Wie sie hier begannen, in der Fünften, was später aus ihnen geworden ist.« Plötzlich war er sehr ernst. »Und wenn ich eines gelernt habe in all den Jahren, dann dies: Jeder Mensch ist im Prinzip zu allem fähig. Es müssen lediglich die Umstände entsprechend sein, dann werden auch Sie zum Mörder und ich genauso.«
»Das sehe ich natürlich schon auf Grund meines Berufs ein wenig anders.«
»Sie glauben an das Gute im Menschen? An das Böse? An Schuld?«
»Ich glaube, was ich sehe«, erwiderte ich nun ebenso ernst. »Und ich sehe, dass manche Menschen Verbrechen begehen und andere, die vielleicht ein schlimmeres Schicksal zu ertragen haben, ehrlich bleiben. Ich sehe, dass Menschen zu Dieben werden, obwohl sie viel wohlhabender sind als mancher andere, der nicht stiehlt. Ich sehe, dass Menschen zu Mördern werden, obwohl es ihnen an nichts fehlt im Leben.«
»Vielleicht lassen wir das Thema lieber«, versetzte Schnellinger fröhlich. »Freitag ist vielleicht kein guter Tag zum Philosophieren.«
Als ich vor die Schule trat, auf den asphaltierten, mit bunten Kreiden bemalten und in der Sonne flimmernden Hof, war es schon halb drei. Ich musste mich sputen.
In der Lebensmittelabteilung des Kaufhof erledigte ich hastig die notwendigen Einkäufe. Das Glück war mit mir, es gab Seezungen bereits fertig filetiert. Das Kopfabschneiden und Haut-vom-Schwanz-her-Abreißen blieb mir somit erspart. Die Zeit reichte gerade eben, meine Beute zu Hause in den Kühlschrank zu werfen. Dann war es vier.
Ich machte noch einen letzten Kontrollgang durch die Wohnung, und da läutete es auch schon. Wir hatten verabredet, dass wir uns nicht gemeinsam sehen lassen würden. Vermutlich war es albern, aber es wäre mir peinlich gewesen, von Nachbarn im Treppenhaus zusammen mit einer fremden Frau gesehen zu werden.
Als ich die Tür öffnete, brach ich in Lachen aus. Theresa wirkte wie eine hoffnungslos untalentierte Schauspielerin, die eine Geheimagentin darstellen soll. Ihr volles Haar hatte sie unter ein buntes Tuch gezwängt. Im Gesicht trug sie eine große dunkle Sonnenbrille, bei deren Anblick Audrey Hepburn Luftsprünge gemacht hätte und die vermutlich auch aus deren Zeit stammte. Die Frau meiner einsamen Träume war ungewohnt nervös und fand meine Heiterkeit vollkommen unpassend, wie sie mir an Stelle eines Begrüßungskusses erklärte.
»Es könnte mich jemand sehen!«
»Aber hier kennt dich doch niemand, meine kleine Süße.«
Wenn man Theresa nachhaltig auf die Palme bringen wollte, dann brauchte man sie nur »meine kleine Süße« zu nennen. Damit lag man nur noch eine Stufe unter dem Spitzenplatz, den sich »Zuckerschneckchen« mit »Schätzelchen« teilte. Und natürlich war sie weder klein noch süß. Theresa war eine selbstbewusste, große und, nach ihrer eigenen Meinung, zu üppige Frau.
Ich nahm sie tröstend in die Arme. Beim Versuch, sie zu küssen, biss sie mich in die Unterlippe.
»Und es ist auch wirklich niemand hier?«, fragte sie, plötzlich von irgendwelchen inneren Kräften von ihrem Zorn abgelenkt.
Ich half ihr aus dem Chanel-Blazer, nahm ihr sachte die dunkle Brille von der Nase. Offenbar war ihr warm, denn sie streifte auch gleich das D&G-Shirt über den Kopf, das sie unter der Jacke trug.
»Du bist der widerlichste Kerl, den ich kenne«, seufzte sie und fiel mir in die Arme. Um ein Haar hätten wir dabei das Gleichgewicht verloren und wären der Länge nach in den Flur gestürzt.
Ein Vorteil etwas üppigerer Frauen ist, dass sie in der Regel auch üppige Brüste haben, stellte ich wieder einmal zufrieden fest. Inzwischen klebte sie mit jedem Zoll ihres so begehrenswert duftenden Körpers an mir. Ein Hagel von heißen Küssen ging über meinem Gesicht nieder, der mir fast den Atem nahm.
»Ich habe eine Flasche Prosecco aufgemacht zur Begrüßung«, bekam ich zwischendurch heraus.
»Keinen Durst.«
»Ein Häppchen Käse? Was Süßes?«
»Du bist mir im Moment süß genug, Honey. Und du hast den Vorteil, ohne Kalorien und auch noch alkoholfrei zu sein.«
»Gibt’s sonst irgendwas, womit ich dir zur Begrüßung eine Freude machen kann?«
Aber es war längst offensichtlich, auf welche Art von Freude Theresa aus war. Sie fummelte schon an meinem Gürtel.
Irgendwie waren wir inzwischen in die Küche geraten. Irgendwie gelang es mir, dieses verflixte Gespinst von BH aufzuhaken, ohne es dabei zu zerreißen. Aus irgendeinem Grund saß Theresa plötzlich rittlings auf der Küchenarbeitsplatte. Im letzten Moment gelang es mir noch, mein Brotmesser in Sicherheit zu bringen, sonst wäre unser Wochenende schon nach fünf Minuten zu Ende gewesen. Und wie hätte ich meinem Chef erklären sollen, dass seine Gattin sich in meiner Küche und mit einem meiner Messer ins prächtige Hinterteil geschnitten hatte? Noch dazu, ohne dass dabei ihre Jeans zu Schaden kam?
Noch niemals hatte ich Sex mit einer Frau gehabt, die auf der Arbeitsplatte meiner Küche saß. Erstaunlich, was alles geht.
»Wir haben uns ja nicht mal anständig ausgezogen«, stellte ich fest, als ich wieder sprechen und denken konnte. »Ich dachte, wir könnten uns zur Abwechslung mal richtig Zeit lassen.«
Sie lachte hell, hüpfte herunter und küsste mich auf die Nase. »Wir können uns noch so oft Zeit lassen in den nächsten zwei Tagen!«
Merkwürdigerweise trug sie noch immer ihren schwarzen Slip, wie ich jetzt erst feststellte. Sie vor sich hin summend, ich leise pfeifend, machten wir uns daran, unsere Sachen aufzusammeln. Theresa hatte zwei Taschen mitgebracht. In der einen befand sich praktisch nichts als ein flauschiger, tannengrüner Morgenmantel, in den sie umgehend schlüpfte. Die andere war schwerer, und etwas klimperte vielversprechend darin.
»Ich habe ein wenig in Egonchens Keller geräubert«, erklärte sie mir strahlend.
»Hoffentlich merkt er es nicht.«
»Wenn doch, dann werde ich ihm erzählen, dass Viola überraschend zu Besuch kam.«
Viola, das war ihre alte Busenfreundin aus Darmstadt, die schon des Öfteren als Ausrede und Alibi hatte herhalten müssen. Entweder besuchte Theresa sie angeblich übers Wochenende, oder Viola kam selbst zu Besuch, wie diesmal.
Ich zählte fünf schlanke Flaschen. »Trinkt sie denn so unmäßig?«
»Aber ja!«, erwiderte Theresa gut gelaunt. »Die gute Viola säuft wie ein Nilpferd. Komm, lass mich deine Wohnung ansehen.«
Die Besichtigung dauerte nicht lange. Sie fand alles hübsch und freundlich und ansonsten nicht weiter erwähnenswert. Manchmal war ihr anzusehen, wie sie im Kopf schon Pläne machte, was umzuräumen, was wegzuwerfen, was anders zu arrangieren wäre, wenn sie hier etwas zu melden hätte. Hatte sie aber nicht. Ich fand meine Wohnung perfekt. Es war alles da, was ich zum Leben brauchte, alles am richtigen Platz, und es blieb genug Raum dazwischen zum Leben. Nur das Zimmer meiner Töchter betrachtete Theresa lange und mit einem wehmütigen Zug im Augenwinkel.
»Ein Mädchenzimmer«, murmelte sie und schmiegte sich an mich. Ihr Morgenmantel öffnete sich ganz von selbst. Inzwischen hatte ich aus Gründen der Symmetrie und Zeitersparnis auch meinen angezogen.
»Nicht im Kinderzimmer!« Ich versuchte, ihre ruhelosen Hände einzufangen. Brummelnd ließ sie ab von mir.
»Sieh mal.« Ich zupfte ein Etwas aus Bändchen und einem bisschen Stoff aus der untersten Schublade der Kiefernholz-Kommode. »Wenn ich nicht ahnen würde, was das ist, würde ich es vermutlich für einen Nasenwärmer halten. Obwohl dieses Ding bestimmt nicht viel Wärme gibt.« Ich drückte ihr das Objekt meiner Neugierde in die Hand. »Kannst du mir erklären, wozu das gut sein soll?«
Theresa kugelte sich vor Lachen. »Das nennt man String-Tanga«, erklärte sie mir. »Die Mädels lieben so was heute.«
»Und wozu, bitte schön, trägt man das? Sie könnten genauso gut nackt herumlaufen!«
»Manches tragen Frauen nicht, damit sie etwas anhaben«, schnurrte sie mit verruchtem Blick, »sondern damit sie etwas ausziehen können. Für mich ist er leider ein paar Nummern zu klein, sonst könnte ich dir zeigen, wie er am Körper aussieht. Würde dir bestimmt gefallen.«
»Hör mal«, versetzte ich, »die Mädchen sind fast noch Kinder! Ich weiß überhaupt nicht, woher sie dieses unanständige Zeug haben.«
»Es gibt Geschäfte, da kann man solche Sachen kaufen. Ganz normale Geschäfte, wo auch ganz normale Teenager einkaufen können.«
Schon wieder war sie gefährlich nah. Ich stopfte das String-Dingsbums in die Schublade zurück. »Sie tun die Dinger nie in die Wäsche. Vermutlich waschen sie sie mit der Hand, damit ich sie nicht zu Gesicht bekomme.«
»Du wirst dich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass deine Töchter jetzt sehr rasch erwachsen werden.« Theresa nahm mich tröstend in die Arme. »Du hast doch hoffentlich darauf geachtet, dass sie Kondome mitnehmen auf ihre Klassenfahrt?«
»Theresa!« Ich stieß sie weg. »Sie sind vierzehn!«
»Eben deshalb«, erwiderte sie verwundert. »Ein bisschen früh, um schwanger zu werden, findest du nicht auch? Aber vermutlich haben sie sich selbst versorgt. Sie sind ja nicht auf den Kopf gefallen.«
»Hör bitte auf damit! Ich finde das gar nicht witzig!«
»Das sollte es auch nicht sein, Süßer.«
Erst seit ich Theresa kannte, wusste ich, wie oft ein Mensch Sex haben kann. Und wie verrückt Frauen, zumindest bestimmte Exemplare, auf diese Art von körperlicher Betätigung sind. Diesmal landeten wir auf der Couch im Wohnzimmer. Norah Jones, deren erste CD ich eigens für diesen Zweck eingelegt hatte, kam nicht zum Einsatz.
Später saßen wir, nun wieder züchtig in unseren Morgenmänteln, in der Küche, knabberten Käse zu Baguette und tranken den vorzüglichen Kerner meines ahnungslosen Chefs dazu. Ich studierte das Etikett. Er war vom Bodensee aus der Nähe von Meersburg.
Mein Handy brummte auf dem Tisch. Gegen Theresas dramatischen Protest hatte ich mit dem unanfechtbaren Argument »die Kinder« durchgesetzt, dass es eingeschaltet blieb. Es war nur eine kurze SMS von Louise. »S. hat immer noch Zahnweh. Frau K. hat ihr Tabletten besorgt. Mir ist schlecht. Das blöde Essen. Muss dauernd aufs Klo. Sonst geht’s uns super. Küsschen, L.«
Falls die beiden wirklich Kondome im Gepäck hatten, sie würden sie kaum ihrem Zweck zuführen können, kam mir in den Sinn. Theresa erriet meinen Gedanken und schimpfte mich einen gräßlichen Rabenvater, der seinen armen Töchtern keinen Spaß gönnte.
»Sex ist doch kein Spaß!«, brummte ich.
»Ach nein?«, fragte sie mit runden Augen. »Wie nennst du das denn, wenn ich fragen darf?«
Da mir keine gescheite Antwort einfiel, nahm ich sie in die Arme und küsste sie. Theresas Bademantel fiel schon wieder ganz von alleine auseinander und legte schamlos ihre Reize frei. Ihre Arme waren heiß. Ihr Mund schmeckte nach Wein.