Vorarltot 3

Eine Reise durch das Untote Ländle.

Von Alois G. Bösch

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorwort

(von Marcel Raich Zombietzky)

 

Sollten sie nach dem Konsum dieser Lektüre, an Albträumen leiden, fragen sie nicht ihren Arzt oder Apotheker. Die können ihnen sowieso nicht helfen.

Vielmehr sollten sie Vorräte anlegen, ihr Haus zu einer Festung ausbauen und sich bewaffnen.

Das werden ihre Nachbarn zwar als seltsam empfinden, das macht aber nichts. Sie sind die Ersten, die bei einer solchen Seuche sterben werden.

Wenn diese Nachbarn sie auch jetzt auslachen werden, trösten sie sich damit, dass sie derjenige sein werden, der sie dann von ihrem Leid erlösen wird.

„Ruhet in Frieden, oder geht wo anders hin.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kloster Zimmern.

Deiningen, zwischen Löpsingen und Pfäfflingen. Nähe Nördlingen.

Landkreis Donau-Ries, Bayern. Deutschland.(Aahhh, da ist das.)

29. März 2015.

 

 

Es stand schlecht um die Sekte, „Die zwölf Stämme.“

Viele ihrer Mitglieder hatten ihr Gottesfürchtiges, von selbstgewählten, irdischen Qualen geprägtes Leben aufgegeben.

Zugegebener Maßen, nicht freiwillig.

Sie waren entweder tot, oder das Andere.

Nein, nicht am Leben. Die neue Existenzebene dazwischen.

Untot, Zombiefiziert, wandelnde Leichen oder wie man sonst noch dazu sagte.

Sektenkritiker würden sagen: „Immer noch besser, als ein gedemütigtes, in abartige Schemata gepresstes Leben zu führen.“

Dennoch unternahmen die überlebenden Mitglieder der zwölf Stämme, alles menschenmögliche, ihren eigenen Tod zu verhindern.

Frei nach dem Motto; lieber beschissen gelebt, als glücklich tot.

Das mit dem beschissen leben, betraf natürlich nur jene Sektenmitglieder, die nicht zu den Anführern gehörten und geistig labil genug waren, sich solchen Regeln unterzuordnen.

Also eigentlich alle, bis auf den Sektenführer.

Karl Ranseier bekleidete dieses Amt. Nicht ohne Stolz. Wer konnte schon sagen, dass im seine Anhänger bis in den Tod folgten?

Das durfte man allerdings nicht zu wörtlich nehmen.

Sie würden ihm nicht folgen, sondern sie würden ihm voraus gehen. Und er würde ihnen sicher nicht folgen.

Bruder Ranseier, wie ihn seine Anhänger nannten, hatte zu dieser Versammlung gerufen, um seiner Schar wichtige Entscheidungen mitzuteilen.

Der Aufbruch ins gelobte Land würde eine Woche früher, als geplant stattfinden. Also Morgen und nicht erst am Osterwochenende.

Das bedeutete für den irregeleiteten, halbverhungerten Haufen, sie würden die ganze Nacht durcharbeiten müssen, um alle Fahrzeuge zu beladen und startbereit zu machen.

Die Verlegung des geplanten Termins hatte einen guten Grund.

Karl Ranseier hatte Hunger. Er wollte nicht noch eine Woche auf vertrockneten Maiskolben herumnagen, die sich seine treuen Brüder und Schwestern, für ihn vom Mund absparten.

Er war schließlich ihr Hirte und sie waren seine Herde.

Die Pflicht der Herde war es, streng nach den Gesetzen des alten Testaments zu leben. Sie mussten lange und hart arbeiten.

Da sie keinen Zugang zu irgendwelchen Medien haben, wissen sie über die Welt da draußen nur das, was ihnen ihr Hirte predigt.

Eigenes Denken und Individualität sind unerwünscht. Körperliche Züchtigung und die Angst vor Satan bestimmen ihren Alltag.

Allein ihr Hirte und ein fester Glaube, konnte sie vor der Hölle bewahren.

Die einstmals nicht unbeträchtliche Anzahl der Sektierer, die das ehemalige Zisterzienserinnen-Kloster bewirtschafteten, war in den letzten Monaten arg geschrumpft.

Waren es Anfangs die Zombies, die ihre Reihen lichteten, war es später der Winter, kombiniert mit einer unvermeidlichen Hungersnot. Etwas Krankheit war natürlich auch dabei, so wie bei jedem Disaster.

Und wie immer, bei solch Gottgewollten Ereignissen, traf es zuerst die Alten, die Schwachen und die Kinder.

Karl Ranseier, der in seinem 68 Jahre währenden Leben, stets dafür gesorgt hatte, bei der Vermehrung seiner Schar selber tatkräftig mitzuwirken, hatte schwere Verluste hinnehmen müssen.

Er plante, diese Verluste so schnell wie möglich wieder gut zu machen. In schweren Zeiten wie diesen, war es ein Leichtes, neue Anhänger für seine Sache zu finden. Existenzangst und Hunger brachten die Menschen dazu, sogar den abartigsten Theorien glauben zu schenken. Die Geschichte war voll von solchen Beispielen.

Bruder Ranseier war ein Mensch, der die Leute sogar dazu gebracht hätte, Micky Maus anzubeten.

Er versprühte ein gewisses Charisma, das auf psychisch labile und Kleingeister, wie ein Magnet wirkte.

Aber um seine Anhänger zu ködern, hatte er zu etwas halbwegs seriösen gegriffen. Der Bibel.

Menschen mochten Dinge, die sie schon von Klein auf kannten.

Selbst wenn es sich dabei um Geschichten, von grausam an ein Kreuz genagelte Menschen handelte.

Das Osterwochenende als Aufbruch Termin, hatte Bruder Ranseier ursprünglich geplant, weil es für seine Zwecke perfekt war.

Das Ende der Fastenzeit als Neuanfang sozusagen.

Feiertage waren ein wunderbares Mittel, den Menschen die Wichtigkeit eines Ereignissen klar zu machen, dass an so einem Tag stattfand. Auch wenn es nur der Aufbruch von einem Haufen Verrückter war, die in die Welt hinauszogen, um noch mehr Leid zu verbreiten als es ohnehin schon gab.

Obwohl es sich um eine sogenannte, „Christliche“ Sekte handelte, durfte man sie nicht unterschätzen. Sie waren sehr gut bewaffnet und bereit alles zu tun, was ihrem Hirten gerade in den Sinn kam.

Er allein war in der Lage, zu erkennen, welche Menschen von Satan besessen waren. Also alle, die nicht bereit waren, sich ihnen bedingungslos anzuschließen.

Da sie nach dem alten Testament lebten, kannten sie sich mit Mord und Totschlag bestens aus.

„Auge um Auge, Zahn um Zahn“, war für sie nicht bloß ein Bibelzitat, sondern gelebter Glaube.

„Gott hat zu mir gesprochen!“ Sagte Hirte Ranseier feierlich zu den versammelten Hungerhaken.

Andächtig hingen sie an seinen Lippen. Gespannt zu erfahren, was er denn gesagt hat.

Nach einer theatralischen Pause fuhr der Hirte fort:

„Unser Aufbruch ins gelobte Land kann nicht mehr warten.“

Ein Raunen ging durch die Menge.

„Schon morgen werden wir diesen Ort verlassen. Gott will uns damit prüfen. Er will sehen, ob wir auch jederzeit bereit sind, es mit Satan aufzunehmen. Und wir werden ihn nicht enttäuschen. Hab ich Recht?“ Eine rein rhetorische Frage. Der Hirte hatte immer Recht.

„Wir werden kämpfen, so wie David gegen Goliath gekämpft hat.

Und wir werden Satan erschlagen, wo immer er uns in Menschengestalt begegnet. So wie einst Kain seinen Bruder Abel erschlug.“

Die Zustimmung seiner Herde viel etwas schwach aus. Das lag wohl an ihrer schlechten Verfassung.

Ranseier war bereit, darüber hinweg zu sehen. Nachsicht und Güte waren zwar nicht seine Stärke, aber die Umstände sprachen für sich.

„Gott hat mir nun endlich gezeigt, wo das gelobte Land liegt.“

Die Herde bekreuzigte sich demutsvoll.

„Wir ziehen nach Süden. Nach Österreich. Genauer gesagt, ins Bundesland Vorarlberg.“

Die Herde neigte ihre Köpfe und sagte: „Amen.“

„Das ist der Wille des Herrn und wir werden uns fügen.“

Wieso Ranseier ausgerechnet diese Gegend ausgesucht hatte, wusste er selbst nicht so genau. Aber einer landläufigen Meinung zufolge, war dort alles besser als sonst wo. Das war schon vor der Katastrophe so. Warum sollte sich das jetzt geändert haben.

„Und nun meine Brüder und Schwestern, betet und bereitet alles vor. Es ist Gottes Wille, dass wir beim ersten Tageslicht aufbrechen. Ach ja, noch etwas. Der Herr möchte, dass ich mit den drei jüngsten Schwestern, in  meinem Gemach für die bevorstehende Reise bete. Bringt sie zu mir und vergesst den Messwein nicht. Amen.“

 

Hohenems, Marktstrasse.

Papier und Schreibwarengeschäft Schmid.

10. Juli 2014. Kurz vor dem Ausbruch.

 

 

„Hey Jonas, mach du mal. Der Kunde hier hat einen Sonderwunsch.“ Lehrling Shakira Holzknecht hatte es heute mal wieder voll drauf. So kurz vor dem Wochenende, fiel ihre Arbeitsmoral immer auf einen Tiefpunkt, der jenseits von Gut und Böse lag. Ihr Umgangston mit Vorgesetzten, würde wohl auch noch einiges an Gesprächsbedarf erfordern.

Mit offenem Mund Kaugummi kauend, lehnte sie lässig an der Verkaufstheke. Durchaus bereit, von ihrem Vorgesetzten zu lernen, wie man lästige Kunden abwimmelte.

„Um was geht’s denn?“ Fragte ihr Lehrlingsausbilder, wenig erfreut, beim Zeitung lesen gestört zu werden.

Er machte sein, „sprechen sie mich nicht an“ Gesicht. Wie üblich, wenn ein Kunde mehr wollte, als nur zu bezahlen.

Das funktionierte allerdings nur in den seltensten Fällen.

Kunden sahen es als ihre heiligste Pflicht an, Verkäufer in den Wahnsinn zu treiben. Hatten sie es einmal geschafft, durch langes herumstehen oder nervöses herum trippeln vor der Kassa, auf sich Aufmerksam zu machen, war man so gut wie verloren.

Aber der versierte Verkäufer kannte Mittel und Wege, sich auch aus solch ausweglos erscheinenden Situationen zu befreien.

Man holte sich Unterstützung bei einem Vorgesetzten, und ließ ihn dann einfach, mit der „Persona non grata“ stehen.

Zu spät erkannte Lehrlingsausbilder Jonas, dass er gerade mit einem seiner eigenen Tricks, aufs Kreuz gelegt wurde.

Lehrlinge lernen schnell, wenn sie wollen.

„Ich hätte hier einen USB-Stick auf dem sich, eine, für mich sehr wichtige Datei befindet.“ Sagte der Kunde.

„Soso!“ Meinte Lehrlingsausbilder Jonas mit schlecht gespieltem Interesse.

„Und jetzt wollte ich fragen, ob sie nicht so nett wären und mir diese Datei ausdrucken könnten. Ich würde es ja zuhause selber machen, aber ich hab’s wirklich eilig. Man erwartet mich am Flugplatz.“ Fuhr der Kunde fort.

Bevor Lehrlingsausbilder Jonas eine halbwegs glaubwürdige Ausrede parat hatte, legte der Kunde eine hundert Euro Note auf den Tisch und sagte: „Ich würde mich auch erkenntlich zeigen.“

„Shakira! Bring unserem neuen Stammkunden doch einen Kaffee, solange er warten muss.“ Sagte Jonas schnell.

„Ich danke ihnen.“ Sagte der Kunde. „Es handelt sich um eine Landkarte und eine Seite Text. Wenn sie mir die Karte auch noch Laminieren könnten, wäre ich ihnen sehr verbunden.“

„Ich eile!“ Sagte Lehrlingsausbilder Jonas gut gelaunt.

Sein Stimmungswechsel hatte natürlich nichts mit dem Trinkgeld zu tun. Kundenzufriedenheit war sein oberstes Gebot.

Darum hatte er es auch so weit gebracht, auf der Karriereleiter.

 

Flugplatz Hohenems.

10. Juli 2014.

 

 

Jerome Klaus-Maria Getzner Doppler-Mayr, Milliardär, Extremsportler, Hobbypilot und Träger eines ziemlich langen und in gewissen Kreisen sehr geschätzten Namens, war startbereit.

Sein Gepäck bestand nur aus einer Herrenumhängetasche. Ein „Must have“, für den modernen Mann von Heute.

Früher wäre man für so ein Accessoire, in der Männerwelt ausgelacht worden. Aber jetzt, wo die Frauen auf weinerliche Machos, sportliche Couchpotatos, Bodybilder mit Waschbärbauch und Frauen verstehende Chauvinisten standen, war so ein Täschchen aus Plüschtierleder einfach Pflicht. Außerdem war es wirklich praktisch. Man konnte darin Dinge verstauen, die einem sonst die Hose, nur an den falschen Stellen ausgebeult hätten.

Der Inhalt dieses extrem teuren, metrosexuellen und nicht aus tierischen Produkten bestehenden Teils, bestand aus einer Landkarte, einem bedruckten Blatt Papier und einer beträchtlichen Menge an Goldmünzen.

Jerome Klaus-Maria war dabei sich abzusetzen. Mit seinem Ultraleicht Flugzeug. Eigentlich war es ja nur ein Hängegleiter mit einem Motor dran, aber Ultraleicht Flugzeug klang einfach cooler.

Da dachte jeder gleich an James Bond, oder so.

JKM, wie er von seinen Freunden auch genannt wurde, war nicht etwa auf der Flucht vor dem Finanzamt. Nein. Was aber gar nicht so abwegig gewesen wäre. Ein beträchtlicher Teil seines Vermögens, bestand nämlich aus nicht bezahlten Steuern.

Er war unterwegs zu einem Ort, an dem er, vor einer kurz bevorstehenden Katastrophe, sicher sein würde.

Einer Katastrophe, von der bis jetzt nur sehr wenige wussten.

Als einer der Reichen und dadurch auch mächtigen dieses Landes, hatte er Zugang zu Informationen, die den normalsterblichen solange vorenthalten wurden, bis es sowieso zu spät war.

Diese Pandemie, die inzwischen so gut wie jedes europäische Land erreicht hatte, war nicht mehr zu stoppen.

In den Medien, war von solchen Hiobsbotschaften natürlich nichts zu hören. Anscheinend war es für die Politiker von Vorteil, wenn die Menschen an Naturkatastrophen starben, anstatt durch Massenpanik ausgelöste Unfälle.

Jerome Klaus-Maria hatte einen, der äußerst begehrten Plätze, in einem Atom-Bunker in den Schweizer Alpen ergattert.

Mit einer horrenden Summe und Beziehungen zu den höchsten Kreisen, durfte er sich zu den wenigen Auserwählten zählen, die diese Seuche in einem ausgehöhlten Berg, bei Davos aussitzen würden. Selbstverständlich mit dem nötigen Stil.

Persönlicher Butler, Champagner und Kaviar, waren nur ein kleiner Teil davon.

Die Schweizer, die dafür bekannt waren, nicht nur Löcher in Käse zu bohren, hatten ganze Berge ausgehöhlt. Ursprünglich zu militärischen Zwecken.

Der erwartete Angriff von bösen Nichtschweizern, hatte allerdings nie stattgefunden. Jedenfalls nicht auf militärischer Basis.

Paranoia und die Milliarden anderer Leute, hatten dazu geführt, dass die Anzahl der ausgehöhlten Berge, sich bar jeder Vernunft vervielfacht hatte. Die Eidgenossen waren gezwungen, einige dieser Hohlräume, für viel Geld an Privatpersonen zu verkaufen.

Alles was Jerome Klaus-Maria benötigte, um Zutritt zu dieser exklusiven Arche Noah zu erhalten, befand sich in seiner

Herrenumhängetasche.

Nämlich eine Landkarte, mit dem genauen Standort des Bunkers. Der Verkäufer des Schreibwarenladens, war so nett gewesen sie zu laminieren, damit sie sich bei einem Notfall nicht gleich in ihre Bestandteile auflöste. Ohne diese Karte wäre er aufgeschmissen gewesen. Es gab verständlicherweise, keine Hinweisschilder zu diesem geheimen Ort.

Mit dabei war auch noch ein Blatt Papier auf dem die neunstellige Kombination stand, mit der sich die Bunkertüre öffnen würde.

Nicht zu vergessen, der Beutel voller Goldmünzen. Sein Notgroschen sozusagen.

Gold verlor auch in den schwersten Zeiten nicht seinen Wert.

Derart ausgerüstet hatte er vor, mit seinem Ultraleicht-Flugzeug

und seiner Herrenumhängetasche nach Davos zu fliegen.

In weiser Voraussicht hatte er dieses Transportmittel gewählt, um dem zu erwartenden Flüchtlingsstrom auf den Strassen zu entgehen.

Die Flugplatzverantwortlichen hatten ihn vor den vorherrschenden starken Südwinden, auch Föhn genannt, gewarnt.

Aber als erfahrener Extremsportler hatte man das Privileg, solche Warnungen in den Wind zu schlagen.

 

Obere Saluveralpe, Freschengebiet.

Vorarlberg.

Anfang August 2014.

 

 

„Häl Häl, Häl Häl.“ Schallte es über die Wiesen unter dem Hohen Freschen. Ein in dieser Gegend gebräuchlicher Ruf, für Wolle spendende Huftiere.

Die grasenden Schafe hoben ihre Köpfe. Das hätten sie auch getan, wenn man „Pizza Pizza“ gerufen hätte. Sie reagierten sowieso auf  alles, das nicht wie „Mäh“ klang.

Aber Schäfer waren nun mal der Meinung, dass ihr individueller Lockruf, besonders gut auf die Tiere wirkte.

Schafe waren einfacher gestrickt als man vielleicht dachte. Sie antworteten sowieso auf jede Frage mit „Määähhh“.

Schäfer Witzemann war gerade dabei, seine Herde zusammen zu suchen, um mit ihnen ein Stück weiter zu ziehen.

Was hätte er auch sonst tun sollen? Seit dem Ausbruch dieser Seuche, die ihm alles genommen hatte was er kannte, wusste er nicht wirklich wohin er sich wenden, oder was er tun sollte.

Laterns, ein kleiner Ort im Gebirge, war ausgerottet. Im Rest des Landes sah es auch nicht besser aus. Er hatte es gesehen.

Als einer der Wenigen, die trotz des ausgerufenen Notstandes, ihre Arbeit nicht vernachlässigen wollten, hatte er den Untergang der Zivilisation live miterlebt.

Retten, bergen, löschen war seine Berufung. Ein Feuerwehrmann war dort anzutreffen, wo andere das Weite suchten.

Aber im Laufe der Zeit musste auch er erkennen, dass das Weite suchen, die einzige Option war, um das eigene Leben zu retten.

Innerhalb weniger Tage wurden seine Kollegen von den Untoten zerfleischt. Einer nach dem anderen, bezahlte seine aufopfernde Hilfsbereitschaft mit dem Leben.

Witzemann, letzter von Zug 11 der Rankweiler Feuerwehr und traumatisierter Überlebender dieses grausamen Gemetzels, sah nur noch einen Ausweg.

Bewaffnet mit einer Feuerwehraxt, schwang er sich auf sein Quad und flüchtete sich in seine Heimatgemeinde Laterns.

Dort würde er den Menschen, seinen Verwandten und Freunden, im Kampf gegen diese Invasion der Hölle beistehen.

Aber er kam zu spät.

Laterns war gefallen. Viele der menschlichen Opfer, die von Untoten angegriffen worden waren, konnten nicht mehr identifiziert werden. Ihre Überreste erinnerten an eine afrikanischen Fleischmarkt. Gleichmäßig verteilte Gliedmaßen, gespickt mit Innereien und übersäht mit Schwärmen von schwarzen Fliegen.

Ein nicht zu überbietendes Bild an Grausamkeit.

Ein Bild, das jeden Menschen unweigerlich verändert.

Witzemann verlor nicht nur seinen Mut, sondern auch seinen Lebenswillen.

Verzweifelt ließ er sich dort auf die Knie fallen, wo er gerade war. Mitten auf der Straße, in einem Meer aus Gedärmen. Er wollte nur noch sterben und hoffte, dass es schnell gehen würde.

Aber wie der Zufall es wollte, hatten die Untoten gerade etwas anderes zu tun.

Das warten auf den Tod gestaltete sich für Witzemann zunehmend qualvoller. Die Hitze des Tages und der Verwesungsgeruch, ließen ihn sein Vorhaben, nach einiger Zeit noch mal überdenken.

Wieso nicht im Schatten sterben, wenn man schon die Wahl hatte.

Er raffte sich auf und trottete, immer noch auf einen schnellen Tod hoffend, zu seinem Haus. Dort schloss er sich ein und pflegte eine ganze Woche lang seine tiefe Depression.

Wenn Hunger und Durst dann übermächtig werden, und der Körper Botenstoffe ausschüttet, die das Gehirn dazu bringen, Überlegungen anzustellen, wie dieser Misstand beseitigt werden kann, wird sogar die schönste Depression zweitrangig.

Seine Situation noch mal überdenkend, kaute er auf Dingen herum, die er früher nicht einmal eines Blickes gewürdigt hätte.

Kalte Grünkernlaibchen und Tofu Salami.

Extreme Situationen erfordern eben extreme Überlebensstrategien.

Das kleine Lebensmittelgeschäft von Laterns, war auf keinen Fall von Veganern geplündert worden. Sonst wär dieser Scheiss nicht übriggeblieben. Aber traurige Kalorien waren besser als gar keine.

Mit betäubten Geschmacksnerven fasste Witzemann den Entschluss, diesen Ort des Grauens zu verlassen.

Damit war auch das Lebensmittelgeschäft gemeint.

Er wollte weg. Laterns war nicht mehr seine Heimat. Hier gab es nur noch Tod und Trauer.

Mit seiner kleinen Schafherde, die er als Hobbybauer betreute, zog er weiter hinauf ins Gebirge. Dorthin wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten. Und Halbschuhtouristen vom Hubschrauber abgeholt wurden.

Auf der Saluveralpe, unter dem Gipfel des Hohen Freschen, fand er Zuflucht von all diesem Wahnsinn.

„Häl Häl, Häl Häl!“ Rief Witzemann. Er konnte sich einfach nicht erklären, warum seine Schafe nur ab und zu auf seinen Lockruf reagierten. Eigensinnige Viecher. Vielleicht hätte er es doch mit Ziegen versuchen sollen.

 

327 Meter über Hohenems.

10. Juli 2014.

Jerome Klaus-Maria Getzner Doppler-Mayr, Extremsportler und

Wettervorhersage-Ignorant, schraubte sich gerade mit seinem Ultra-Leicht-Flugzeug auf Reiseflughöhe. Sofern es so etwas, bei so einem Fluggerät überhaupt gab.

Die ersten Ausläufer des Föhns waren schon zu spüren.

Mit zunehmender Höhe würden die Turbulenzen noch zunehmen.

Jerome Klaus-Maria wusste das.

Die Definition „Extremsportler“, wollte schließlich verdient werden.

Seit der Erfindung dieses Begriffs, waren Sportler gezwungen, sich in eine Zwei-Klassen Gesellschaft einordnen zu lassen.

Entweder man tat etwas, um sich diesen zweifelhaften Titel zu verdienen, oder man gehörte zu denen, die wegen ihrer Sportart belächelt wurden.

Letztere waren diejenigen, die wegen ihrer Arbeit nur am Wochenende Zeit hatten, sich in hautenge Multifunktionskleidung zu schmeißen, um ihren Waschbärbauch und ihren Hüftspeck in Form zu pressen. Nur um dann verschwitzt, (ob vor Anstrengung oder aus Angst sei dahingestellt) in einem Gastgarten zu sitzen, und bei ein paar Bieren seine Heldentaten preiszugeben.

Erstere hingegen, waren entweder reich, arbeitslos oder beides. Sie hatten den ganzen Tag zeit, ihr Können zu perfektionieren. Was sie dann dazu veranlasste, Dinge zu tun, die einem normal denkenden Menschen niemals in den Sinn kamen.

Wie zum Beispiel, mit einem Fallschirm von einem Hochhaus zu springen, oder mit Haien zu tauchen, oder mit dem Mountainbike einen Hang hinunter zu fahren, der sogar zum Klettern zu steil war.

Oder der Klassiker; bei Föhnsturm, mit instabilen Fluggeräten in die Luft zu gehen.

Die ersten drei Dinge hatte Jerome Klaus-Maria schon hinter sich.

Das mit dem Föhn war sozusagen eine Premiere.

Wer nicht wagt, wird nicht verweht, oder so ähnlich.

Von einem Träger eines dreifach Namens wird erwartet, nicht dumm zu handeln.

Unvernünftig zu handeln hingegen, war fester Bestandteil eines Extremsportlers.

Um beide Eigenschaften lückenlos miteinander zu verbinden, hatte er einen Rettungsfallschirm dabei. Zusätzlich zu seiner Herren-Umhängetasche.

Mit gewagten Manövern, gewann er durch föhnige Böhen, immer mehr an Höhen. 

 

Wildpark Feldkirch.

Wolfsgehege.

Sommer 2014.

 

 

Wolfgang Heim war seit zehn Jahren Tierpfleger im Wildpark Feldkirch. Und er konnte es gar nicht leiden, wenn er seines Berufes wegen, „Rehstreichler“ genannt wurde.

Schließlich hatte er auch noch mit anderen Tierarten zu tun.

Mit den Wölfen zum Beispiel. Eindeutig seine Lieblinge.

Bis jetzt war nämlich noch niemand auf die Idee gekommen, in deswegen Wolfstreichler oder Wolfflüsterer zu nennen.

Oder gar; der mit dem Wolf tanzt.

Er verachtete Menschen, die meinten Witze über seinen Beruf machen zu müssen. Oder über seinen Namen. Oder über Tiere. Menschen mit Humor waren ihm sowieso zuwider. Humor war unlogisch, etwas völlig irrationales und komplett unnötig für das tägliche Leben. Deshalb liebte er Tiere. Sie machten keine Witze über andere. Einer der beliebtesten, blöden Sprüche wurde in Verbindung mit seinem Namen gemacht.

Wolfgang Heim. Wenn man die Silben einzeln betonte, war es eine Aufforderung an selbiges Rudeltier, sich nach Hause zu begeben.

Einfach nur doof, wie er fand.

Eigentlich mochte er gar keine Menschen. Deshalb war er auch Tierpfleger geworden und nicht Krankenpfleger.

Das Wolfsrudel hatte es ihm angetan. Er verbrachte soviel Zeit wie möglich mit ihnen. Sie dankten es ihm damit, dass sie ihn nur selten bissen. Wölfe konnte man nicht zähmen, das war ihm klar.

Wolfgang Heim stand vor dem Tor zum Wolfsgehege. Er schwankte leicht. Die vielen Bisswunden und der daraus resultierende Blutverlust machten ihm schwer zu schaffen.

Diesmal waren es nicht die Wölfe, die ihn gebissen hatten.

Seine Tierpfleger Kollegen und der alte Mann vom Kiosk waren dafür verantwortlich. Als hätten sie nur darauf gewartet, dass er heute Morgen seinen Dienst antrat.

Heimtückischer weise, hatten sie ihn in der Umkleide überrascht.

Aus diesem Grund stand er jetzt blutverschmiert und in Unterwäsche vor dem Wolfsgehege.

Auch er hatte diese verdammte Seuche unterschätzt. Die Behörden hatten zwar davor gewarnt, das Haus zu verlassen, aber wer glaubte diesen Pfeifen schon. Außerdem hätte ihn nicht einmal der Weltuntergang davon abhalten können, sich um seine Wölfe zu kümmern.

Noch realisierte er nicht ganz, dass genau dieses Szenario gerade eingetreten war. Wäre ihm die Konsequenz seiner Bisse bewusst gewesen, hätte er sich mehr um sich selber den Kopf zerbrochen, als um seine Wölfe.

Unwissenheit konnte in manchen Fällen eine Gnade sein.

So sah er es als seine heilige Pflicht an, die Wölfe in die Freiheit zu entlassen. Nur das konnte zurzeit ihr Überleben garantieren.

In dem allgemeinen Chaos das überall herrschte, würde sich niemand um ein paar eingesperrte Wildtiere sorgen.

Die Wölfe, schon ziemlich nervös und gereizt, durch den Blutgeruch den er verströmte, erwarteten ihn schon.

Fünfzehn Augenpaare verfolgten jede Bewegung des blutenden Tierpflegers. Der Leitwolf, ein schwarzes Ungetüm mit eisigem Blick, hatte den Kopf gesenkt und die Ohren nach vorne gerichtet.

Sein Rudel hatte sich hinter ihm verteilt und schien auf irgendetwas zu warten.

Wolfgang Heim, durch seine Verletzungen etwas abgelenkt und unkonzentriert, schob den Riegel auf. Das Tor rollte quietschend auf.

Normalerweise greifen Wölfe keine Menschen an.

Normalerweise bluten sie auch nicht.

„Na los Jungs“. Sagte Wolfgang.

„Raus mit euch. Von jetzt an müsst ihr euer Fressen selber jagen.“

Menschen erwarten sich Dankbarkeit für ihr Tun.

Diese auch von Tieren zu erwarten, war eine allzu menschliche  Eigenschaft.

Dem Leitwolf, dessen Jagdinstinkt durch das viele Blut sowieso schon geweckt war, musste man das nicht zweimal sagen.

Er stieß ein kehliges Knurren aus. Ein Zeichen an seine Mitwölfe, dass die Jagd eröffnet war.

Mit einem Satz an Wolfgang Heims Kehle, nahm das uralte Spiel, von Jäger und Gejagtem seinen Lauf.

Zahnbewehrte Kiefer schnappten zu und rissen ihm, mit einen Biss den Kehlkopf heraus. Qualvolle Schmerzensschreie wurden von einem Gurgeln abgelöst.

Das Wolfrudel zeigte seine Dankbarkeit, indem sie ihren Pfleger schnell töteten. Aber leider nicht schmerzlos.

Wölfe jagen keine Menschen. Menschen sind so blöd, sich zu den Wölfen zu begeben, um ihnen die Arbeit des Jagens abzunehmen.

Es dauerte nicht lange und jeder aus dem Rudel, hatte seinen angemessenen Teil von Wolfgang Heim. Durch Kauen und Schlingen, wurde er in lebensnotwendige Kalorien umgewandelt.

Der Kreislauf des Lebens. Da er nur Unterwäsche trug, war der Anteil an Ballaststoffen ziemlich gering.

 

 

 

 

 

Obere Saluveralpe, Freschengebiet.

Vorarlberg.

31. März 2015.

„Häl Häl, Häl Häl.“ Schallte es über die teilweise, noch mit Schnee bedeckten Wiesen.

Die Reaktion der Schafe darauf, war wie üblich äußerst mäßig.

Schäfer Witzemann tat wie üblich so, als würde ihm das nichts ausmachen. In seinen Gedanken jedoch, stellte er sich immer wieder vor, wie er den Leithammel, eigenhändig und mit großer Befriedigung erwürgen würde.

Schäfer Witzemann wurde der Bezeichnung „Schäfer“, nicht ganz gerecht. In den über acht Monaten, die er mit den Schafen hier oben verbracht hatte, war ihm das inzwischen mehr als klar.

Vielleicht lag es ja an seinem Geruch. Durch den langen und intensiven Kontakt mit ihnen, hatte seine Ausdünstung nicht mehr viel Menschliches an sich. Wahrscheinlich hielt ihn der Leithammel deshalb, nur für ein weiteres Anhängsel seiner Herde.

Eines das ab und zu seltsame Laute ausstieß.

Schäfer Witzemann wollte heute mit seiner Herde zur Unteren Saluveralpe, ein Stück den Berg hinunter. Er erhoffte sich dort ein paar Vorräte für sich. Die Schafmilch gehörte inzwischen nicht mehr zu seinen bevorzugten Lebensmitteln.

Selbstverständlich würde er vorher mit seinem Leithammel noch ein intensives Gespräch führen. Witzemann wollte ja nicht über seinen Kopf hinweg Entscheidungen treffen. Leithammels Kopf war nämlich eindeutig der Größere.

 

Krankenhaus Feldkirch.

Mitarbeiter-Wohngebäude.

1. April 2015.

1. April. Ich hatte mich auf dieses Datum gefreut, wie ein Kind auf Weihnachten. Endlich eine Gelegenheit um Frau Meier, sozusagen offiziell eins Auszuwischen. Da der 1. April so etwas wie internationaler Feiertag für Verarschungen war, durfte sie sich eigentlich nicht körperlich an mir rächen. Wie sonst immer.

So meine Theorie.

Mein extrem fieser und von Nachhaltigkeit geprägter Aprilscherz sah vor, dass ich Frau Meiers Dusche mit einer bestimmten Substanz  präparierte, die mir bei einem „Einkaufbummel“, in der Stadt zufällig in die Hände gefallen war..

Es handelte sich dabei um Holzbeize in Pulverform. Vermischt mit Wasser, konnte man damit Holz, in den wunderschönsten Tönen einfärben.

Wer schon mal damit gearbeitet hat weiß, dass dieses Zeug dort am besten wirkt, wo es nicht soll. Auf der menschlichen Haut.

Um ihre Dusche ungestört manipulieren zu können, brauchte ich einen Komplizen. Und wer war dazu geeigneter als Kwai Chang.

Mein alter Freund und Mitstreiter gegen das Böse.

Ein Mensch mit dem man Pferde stehlen konnte.

Ein Mensch der in allen denkbaren Situationen an meiner Seite war.

Ein Mensch dem man bedenkenlos sein Leben anvertrauen konnte.

Ein Mensch der all diese Prinzipien auf den Müll warf, wenn er von Frau Meier ins Kreuzverhör genommen wurde.

Er war eingeknickt. Der Psychofolter erlegen.

Von Frau Meier weichgekocht. Dem alten Spiel; „gute Frau Meier, böse Frau Meier“, auf den Leim gegangen.

Nur noch ein Schatten seiner selbst, hatte er ihr meinen Plan verraten.

Und was das allerschlimmste war, er wurde gezwungen, meinen eigenen Plan gegen mich anzuwenden.

Meine Ehre war mit Füssen getreten worden. Mein Ruf dahin.

Mein Vertrauen in die Menschen zerstört, wie die Mauern von Jericho.

Mein Lieblingstag, der 1. April, ein persönliches Waterloo.

Und meine Haut, rot wie ein Pavianarsch.

Mission; 1. April war kläglich gescheitert.

Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass die Phantasie meiner Mitüberlebenden keine Grenzen kannte, wenn es darum ging, sich Namen für mich auszudenken.

Nach intensiven Gesprächen mit Dr. Ammann und Schwester Anita,

die der Meinung waren, das würde in ein, zwei Wochen schon viel besser aussehen, stellte ich mich dem Unvermeidlichen.

Die wöchentliche Krisensitzung stand an.

Wir hatten den Winter überlebt. Deniz hatte die Operation gut überstanden und konnte Dank Ilse Mangeng, schon fast wieder normal laufen.

Und ich hatte Frau Meier überlebt. Bis jetzt.

Mit vereinten Kräften hatten wir es geschafft, einen Großteil des Krankenhauses und das dazugehörige Mitarbeiter-Wohnhaus, von den Zombies zu reinigen. Genügend Platz für alle war also kein Problem mehr. Genügend Lebensmittel jedoch schon.

Eine dreiundzwanzigköpfige Gruppe zu verköstigen war nicht einfach.

Bald sollte es noch einer mehr sein. Silke, das junge Mädchen, war inzwischen im achten Monat schwanger. Aldo und Leon hatten es aufgegeben darum zu streiten, wer von ihnen nun der Vater des Kindes sei. Mit Hilfe von Pater Adrian hatten sie sich darauf geeinigt, zu zweit für das Kind zu sorgen.

Außerdem versorgten wir teilweise auch noch die „Old Squad“ mit Vorräten. Die alten Leute waren froh um jede Hilfe.

Die Schattenburg war nach wie vor ihr Hauptquartier. Unseren Vorschlag, sie sollten doch bei uns im Krankenhaus wohnen, lehnten sie ab. Alte Mauern für alte Menschen, war ihre Devise.

Nach ihrer Zeit im Altersheim, wollten sie so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben führen. Keine erzwungenen Wasch- und Duschorgien mehr. Keine Gesangsabende mehr. Jedenfalls nicht ohne den nötigen Alkohol. Und vor allem, keine fettarme, glutenfreie, geschmacksarme und salzlose Kost mehr.

Dennoch kam fast täglich, mindestens einer von ihnen bei uns vorbei, um sich von Dr. Ammann oder Schwester Anita ein Alterswehwehchen behandeln zu lassen.

Dr. Ammann meinte, so viele Patienten wie in den letzten drei Monaten, hätte er früher in einem ganzen Jahr nicht behandelt.

Einen Arzt in der Gruppe zu haben, war schon ein großer Vorteil.

Diesen wahnsinnigen Dr. Frankenstein, der sich bei unserer Ankunft abgesetzt hatte, wurde von niemandem mehr gesehen.

Er war entweder tot oder ziemlich weit weg.

Mit Anna, seiner ehemaligen Helferin, sah das anders aus.

Da keiner so genau wusste, was man mit ihr anfangen sollte, wurde sie eingesperrt.

Wir wollten uns da nicht einmischen. Das was sie getan hatte, musste sie vor den anderen verantworten.

Die erste Zeit in ihrer „Zelle“, war wohl mehr als hart. Der kalte Entzug brachte sie an ihre körperlichen Grenzen. Während der ersten drei Wochen, versuchte sie sich zweimal das Leben zu nehmen.

Dr. Amman hätte es verständlicherweise dabei belassen und ihr sogar noch die letzte Ölung gegeben. Schwester Anita und Pater Adrian waren da aber ganz anderer Meinung. Zweite Chance und so. In Zeiten wie diesen, wo der Mensch an die erste Stelle der aussterbenden Arten gerückt war, hatten sie wohl recht.

Nachdem beschlossen worden war, sie freizulassen, bei weitem nicht Einstimmig, nahm sich Pater Adrian ihrer an.

Dass er sich mit schwierigen Menschen auskannte, hatte er ja schon bewiesen. Er hatte es geschafft, den natürlichen Feind des Erwachsenen zu zähmen. Den Jugendlichen. Eine wahre Meisterleistung.

Da das Hauptthema des heutigen Treffens sowieso meine Person betreffen würde, erlaubte ich mir ein paar Minuten zu spät zu kommen. Fest entschlossen, mich durch niemanden provozieren zu lassen, besonders nicht durch Frau Meier, betrat ich den Versammlungsraum.

Zu meinem Glück fand gerade eine hitzige Debatte über die Lebensmittelzuteilung statt. So wie eigentlich immer. So viele Leute zu verköstigen war eine Kunst. Die Supermärkte und Bioläden in der Nähe hatten wir schon durch. Wenn es nach mir ginge, wäre es vollkommen in Ordnung, zukünftig Bioläden zu meiden. Als Tierfreund, wollte ich den Vögeln nicht die ganzen Körner wegfuttern.

Die Hoffnung, mich unbemerkt unter die Leute zu mischen, war natürlich reines Wunschdenken. Bei meiner Hautfärbung wäre ich wohl nur bei einem Treffen der anonymen Teufel unbemerkt geblieben.

Ich genoss den Augenblick, des von allen angestarrt Werdens, so gut es ging und setzte mich neben Kwai Chang. Meinen einstmals sehr guten Freund.

„Hasst du mich jetzt für diesen Aprilscherz?“ Fragte er reumütig.

„Aber sicher, was denkst du denn?“ Sagte ich.

„Das vergeht wieder.“ Meinte er zuversichtlich.

„Warts ab.“ Sagte ich, ohne ihn eines Blicken zu würdigen.

Bei unseren wöchentlichen Sitzungen ging es darum, gemeinsam Lösungen für unsere Probleme zu finden.

Fanden wir keine, handhabten wir es wie in der Politik. Wir schoben das Problem solange vor uns her, bis es von allen vergessen wurde. Beim Thema Lebensmittel war das allerdings etwas schwierig. Hunger konnte man nicht einfach vergessen.

Ich hatte es einmal versucht. Aber das Knurren meines Magens, hatte die Erinnerung an gutes Essen immer wieder aufgefrischt.

Fettzellen vergingen nicht heimlich, still und leise. Während ihres Schwindens machten sie einem das Leben zur Hölle. Diese kleinen nachtragenden Scheisser.

Ein weiteres Thema, das uns schon länger beschäftigte, waren unsere Freunde in Lech. Wir hatten schon länger vor sie zu uns zu holen. Der Schnee in den höheren Lagen, verhinderte bis jetzt eine großangelegte Rettungsmission.

Jetzt wo der Frühling in vollem Gange war und nicht nur Schnee und Eis auftauten, war der Zeitpunkt gekommen, sich diesem Problem zu widmen.

Die frisch erblühende Botanik und der süßliche Duft, der auftauenden Winterleichen, war allgegenwärtig.

Der zombiefizierte Teil der Weltbevölkerung, der eindeutig in der Überzahl war, hatte den Winter auch überstanden. Allerdings hatten viele von ihnen, anscheinend so was wie Frostbrand erlitten. Die Minustemperaturen und das anschließende, wieder auftauen, war ihrem sowieso schon gruseligen Aussehen, nicht sehr zuträglich gewesen. Nasen, Lippen, Ohren, Backen und Kopfhaut waren die Opfer dieses harten Winters. Das verlieh ihnen einen ganz neuen Look. Der diesjährige Sommertrend sozusagen.

Noch zwei, drei Winter und die Bande hatte sich vielleicht von selbst aufgelöst. Ich nahm mir vor, Frau Meier von meiner Theorie zu unterrichten.

Deniz unser Pilot, hatte sogar den Vorschlag gemacht, uns alle auszufliegen. Wir müssten nur ein genügend großes Flugzeug finden und startklar machen.

Zwei vernachlässigbare, kleine Probleme. Ich versprach ihm Ausschau nach so einem Transportmittel zu halten und bei meiner nächsten Lebensmittel-Beschaffungstour ein Modellflugzeug zum selber zusammenbauen mitzubringen.

Er meinte darauf, er hätte schon mehr gelacht.

Darauf ich: „Bevor ich Frau Meier kennenlernte, ging es mir auch so.“

 

Freschengebiet.

Höhe: Schwankend.

Geschwindigkeit: Auch.

Wetterlage: Föhnsturm.

Situation: Nicht nur emotional ein Auf und Ab.

10. Juli 2014.

Jerome Klaus-Maria Getzner Doppler-Mayr kannte keine Panik.

Je extremer die Situation, desto ruhiger und überlegter handelte er.

Der Föhnsturm versuchte sein Ultraleichtflugzeug in seine Einzelteile zu zerlegen.

Er war inzwischen bereit zu zugeben, dass es ein Fehler war, nicht auf den Wetterbericht gehört zu haben. Das war ein äußerst seltenes Eingeständnis. Fehler zu machen, gehörte nicht zum Repertoire eines Extremsportlers.

Manche Fehler machte man nur einmal. Nein, nicht weil man aus ihnen lernte, sonder weil sie ganz einfach tödlich waren.

Hatte man, entgegen aller Vernunft das Glück, so einen Fehler doch zu überleben, war sozusagen eine neue Extremsportart geboren.

In diesem Fall hätte man sie wahrscheinlich „Ultralightföhnen“ genannt.

Jerome Klaus-Maria saß so ruhig und überlegt im Sitz seines Ultraleichflugzeugs, ein Außenstehender Beobachter hätte es als

„starr vor Angst“ bezeichnet. Ein Fehler den viele „nicht Extremsportler“, beim Beobachten von Extremsportlern machten.

Intensives analysieren einer Gefahrensituation, führte automatisch zu extremer Bewegungsunfähigkeit. Ein Phänomen, das natürlich nur Extremsportler kannten.

Derart starr… sorry, derart ruhig, kam ihm gerade in den Sinn, dass er sich mit seinem Rettungsfallschirm noch nicht wirklich vertraut gemacht hatte. Nicht so intensiv wie mit seiner Herrenumhängetasche.

Er kam auch nicht mehr dazu, sich die Gebrauchsanweisung dieses überaus wichtigen, für Piloten unabdingbaren Accessoires, in Erinnerung zu rufen.

Ein Flügel seines extrem sportlichen Fluggerätes knickte weg.

Augenblicklich wechselte er vom Analyse-Modus in den Handlungs-Modus. Er löste seinen Sicherheitsgurt und ging in den freien Fall über. Seine geringe Höhe über den Gipfeln des Freschengebietes, erforderte ein rasches Handeln.

Da er aber gedanklich erst auf Seite zwei des Rettungsfallschirm-Handbuches war, schaffte er es nicht mehr, ihn rechtzeitig auszulösen. Mit einem schmatzenden Geräusch prallte er auf.

Jerome Klaus-Maria Getzner Doppler-Mayr, träger eines langen Namens und einer Herrenumhängetasche, Milliardär und Extremsportler, war jetzt ein Extremsportler a. D.

Oder genauer gesagt, ein Extremsportler R.i.P.

Er steckte, mit dem Kopf voran, bis zur Gürtellinie in dem sumpfigen Teil einer Bergwiese. Für einen zufällig vorbeikommenden Wanderer, hätte es wohl so ausgesehen, als wolle er sich gerade in einem Loch verkriechen. Mit seiner … Dingsda.

 

Lindau, am Bodensee.

1. April 2015.

 

 

Die Sekte der Zwölf Stämme hatte Lindau erreicht.

Bezüglich der Anzahl ihrer Sektenmitglieder, konnte die Reise hierher, leider nicht als Erfolg verbucht werden.

Die ständigen Zombieangriffe hatten ihren Tribut gefordert.

Ein Tribut der Gottes Wille war, wie Karl Ranseier immer wieder behauptete. Und was der Hirte sagte, war Gesetz.

Zum Bedauern aller, waren fünf schwangere Frauen unter den Opfern. Zum Bedauern Ranseier`s, waren alle fünf von ihm schwanger gewesen.

Sein Befehl, sie alle im Laderaum eines Kleintransporters unterzubringen und die Tür mit einem Vorhängeschloss zu versehen, war im Nachhinein ein Fehler gewesen.

Aber Gottes Wege waren eben unergründlich.

Das Fahrzeug stürzte von einer Brücke, als der Fahrer, einer größeren Gruppe Zombies ausweichen musste.

Der Fahrer konnte sich retten, indem er kurz vor dem Absturz noch absprang. Sei Überleben, war aber nicht von Dauer. Der Hirte hatte in daraufhin beschuldigt, mit dem Teufel in einem Bund zu sein.

Was in dieser Sekte, neben unzähligen anderen Dingen, einem Todesurteil gleichkam.

Da die Sekte nach dem alten Testament lebte, war so ein Urteil alles andere als human. Ohne jetzt näher darauf einzugehen, es war extrem schmerzvoll, sinnlos in die Länge gezogen, brutal grausam, äußerst blutig und auch für hartgesottene kein schöner Anblick.

Mit diesen fünf Frauen starb auch Ranseier`s Plan, seine Herde auf natürlichem Wege zu vermehren.

Mehr weibliche Mitglieder hatten sie nämlich nicht.

Da der Hirte bei seinen Plänen immer auf Gott zurückgreifen konnte (wie praktisch), hatte er schnell einen Neuen parat.

Neue Frauen mussten her.

 

Rankweil.

Friedhof bei der Nervenheilanstalt Valduna.

1. April 2015

 

 

Er kam gut zurecht mit dem Tod. Dem alten Tod. Mit dem neuen Tod allerdings, konnte er sich nicht so recht anfreunden.

Mad Mathis, wie er von allen genannt wurde, früher jedenfalls, hatte gerade Pause. Ein Ritual, das er auch nach dem Weltuntergang pflegte.

Als langjähriger, ehemaliger Insasse der Nervenheilanstalt, im Volksmund auch Narrenhaus genannt, hatte er seine Bestimmung als Friedhofswärter gefunden. Die Arbeit mit den Toten ernährte ihn. Sie gab ihm ein Dach über dem Kopf und sie gab ihm einen Sinn im Leben. So war er nicht gezwungen, es frühzeitig zu beenden. Er erhielt kein Geld für seine Tätigkeit.

Alles was er benötigte, wurde ihm von der Anstalt gestellt.

Viele von den hier liegenden Toten hatte er begraben. Menschen, die in dieser Anstalt ihr Leben beendeten und keine Angehörigen mehr hatten. Verrückte, Schizophrene, Menschen mit Handicap,

Zwangsneurotiker, Demente und solche die sich ihr Gehirn durch Drogen zerstört hatten, lagen hier. Ein paar Genies die dem Wahnsinn verfielen, waren auch dabei. Ob auch Lehrer unter ihnen waren wusste er nicht. Er mochte keine Lehrer. Die hatten ihn immer geschlagen.

Einem der hier lag, hatte man sogar das Gehirn entfernt, um es in einem Glas Formaldehyd aufzubewahren.

Soviel Mad Mathis wusste, geschah das aber erst nach seinem Tod.

Er begrub seine Toten lieber in einem Stück. Man stellte sich schließlich auch keine halbvollen Marmeladegläser in den Keller.

Früher, als der Tod noch seiner Bestimmung folgte und nicht herumzappelte, wenn man ihn begrub, bekam Mad Mathis zu seiner Pause immer ein Wurstbrot und ein kleines Bier.

Das vermisste er am meisten. Das und das Zuschaufeln der Gräber in aller Stille. Es war etwas Beruhigendes, Endgültiges und Unumkehrbares.

Heute hingegen, war es das komplette Gegenteil. Wenn sich einer dieser lebenden Toten auf seinen Friedhof verirrte und er ihn in ein geöffnetes Grab lockte, war daran gar nichts beruhigend. Sie zappelten herum und er musste sie mit Steinen beschweren um sie ordentlich zuschaufeln zu können. Es waren auch schon welche dabei, sie sich selber wieder ausgegraben hatten.

Mad Mathis hockte auf seinem Lieblingsgrabstein und knabberte, an bessere Zeiten zurückdenkend, an einem Kornriegel.

Dazu trank er einen Energydrink. Der erinnerte ihn an Gummibärchen. Er mochte Gummibärchen. Sie waren etwas Beruhigendes.

Es war wichtig ruhig zu sein. Das hatte ihm der Doktor immer wieder gesagt. Wenn er nicht ruhig war tat er schreckliche Dinge. Jedenfalls früher. Der Doktor gab ihm immer Pillen, damit er ruhig blieb. Aber der Doktor war tot.

Die Toten, die keine Ruhe gaben, hatten ihn auf dem Gewissen.

Er hatte ihn hier begraben. Gleich neben dem, der kein Gehirn mehr hatte.

Und obwohl er keine Pillen mehr bekam, blieb er trotzdem ruhig.

Es passierte auch nicht viel, dass seine Ruhe gestört hätte.

Nur einmal, da waren zwanzig von ihnen aufgetaucht. Diese unruhigen Toten, trampelten auf seinen Gräbern herum und warfen die Kreuze um. Da war er plötzlich nicht mehr ruhig.

Er erschlug sie in einem Rausch, wie er ihn schon sehr lange nicht mehr gefühlt hatte. Ein Blutrausch, der jede Vorstellung sprengte. Er brauchte eine ganze Woche um diese Sauerei wieder in Ordnung zu bringen.

Mad Mathis setzte seine Mütze auf und schulterte seine Schaufel.

Die Pause war vorbei. Ein paar Extragräber auszuheben war keine schlechte Idee. Man konnte ja nie wissen, wer noch zu Besuch kam.

 

Untere Saluveralpe, Freschengebiet.

Vorarlberg.

1. April 2015.

„Häl Häl, ihr Arschlöcher!“ Schallte es über die Wiesen der Unteren Saluveralpe.

„Entweder ihr kommt jetzt, oder ihr könnt mich mal.“

Schäfer Witzemann hatte zu wenig geschlafen. Kein Wunder. In aller Herrgottsfrühe, hatte eine von Leithammels Angetrauten, ein Lämmchen geboren. Von da an war natürlich Sense mit Schäfchen zählen.

Aber das war noch nicht einmal der Hauptgrund für Witzemanns Laune. Die doofen Schafe suchten sich ihren Weg zum Grasen, ausgerechnet über die letzten Schneeflecken. Da konnte das kleine nicht mithalten und der Schäfer, also er, musste es ihnen hinterher tragen.

„Herrgottsackkruzifix!“ Witzemanns Toleranzgrenze war erreicht.

„Bleibt endlich stehen. Ich hab euer Kind!“ Schrie er ihnen nach.

Ein verzweifelter Versuch, die Tiere zur Kooperation zu zwingen.

Und tatsächlich. Sie sammelten sich in einer kleinen Senke und fingen an zu grasen. Ob durch sein Zutun, oder durch Zufall war ihm egal. Nur das Ergebnis zählte.

Hätten ihn die Schafe mit ihrer Milch nicht am Leben erhalten, er hätte sich längst von ihnen verabschiedet und ihnen alles Gute auf ihrem weiteren Lebensweg gewünscht.

Er setzte das Lamm ab und ließ sich erschöpft auf einen morschen Baumstumpf fallen. Der gab krachend nach und gab den Blick auf etwas frei, mit dem Witzemann hier oben nicht gerechnet hätte.

Der Baumstamm war eine verwitterte, graue Hose und das Krachen kam nicht von Holz, sondern von Knochen. Von menschlichen Knochen.

Er hatte sich gerade auf eine verweste Leiche gesetzt. Der untere Teil einer Leiche zumindest.

Da man sich als normaler Mensch nicht auf Tote setzt, schon gar nicht um sich darauf auszuruhen, erschrak Witzemann zu Recht etwas. Seine Schafe nahmen das gelassener. Es interessierte sie sowieso nur mäßig, was ihr menschliches Anhängsel so trieb.

Nachdem sich Witzemann vergewissert hatte, dass dieser Teil der Leiche ihn nicht fressen wollte, er hatte zur Sicherheit mit seinem Stock ein paar mal draufgehauen, untersuchte er seinen Fund genauer. Dem Zustand der Kleidung nach zu urteilen, lag er hier schon eine Weile rum. Auf jeden Fall schon über den Winter.

Der Oberkörper des Toten steckte in der Erde fest. Seltsam.

Witzemann fiel auf die Schnelle kein Bestattungsritual ein, bei dem man den Verstorbenen nur zur Hälfte begrub.

Er wusste zwar, dass es in einigen Vorarlberger Seitentälern noch

Bräuche gab, deren Sinn nicht mal die Einheimischen verstanden, aber so etwas gehörte seines Wissens nicht dazu.

Mit seinem Stock, stocherte er in der halben Leiche herum, wie ein bekennender Fleischesser in seinem Salat.

Dabei förderte er einen Gegenstand zu Tage, der auf den ersten Blick, wie eine Herrenumhängetasche aussah. Auf den zweiten auch.

Der Inhalt, dieses Accessoires für den modernen Mann von Heute, war ziemlich ungewöhnlich, für jemand der in den Bergen unterwegs war.

Die laminierte Landkarte wäre ja noch zu verstehen gewesen, wenn sie nicht die Berge um Davos in der Schweiz gezeigt hätte. Der kleine Beutel mit Goldmünzen war auf alle Fälle seltsam.

Aber in einer Welt, in der tote Menschen die Lebenden auf ihrem Speiseplan hatten, war „Seltsam“ zur Normalität geworden.

Gold war etwas, das bei Schäfer Witzemann nicht sehr weit oben, auf der Liste der benötigten Dinge stand. Gold war zwar essbar, aber in dieser Dosierung sehr schwer verdaulich.

Als er sich mit dem Studium des Inhaltes etwas Zeit gelassen hatte, wurde ihm klar, was er da gefunden hatte.

Es war so etwas wie eine Eintrittskarte. Eine Eintrittskarte in ein besseres Leben. Ein Leben ohne Schafe.

Ein Leben, in dem das Wort Schaf, nur in Verbindung mit dem Pullover den man gerade trug, gebracht wurde.

Er hielt hier alles in den Händen, was er brauchte, um so ein Leben führen zu können. Das Einzige was er tun musste war, sich zu diesem Bunker in der Schweiz zu begeben.

Was aber nicht hieß, dass das so einfach war. Das arme Schwein, das hier im Boden steckte, war auf jeden Fall daran gescheitert.

In Gedanken versunken, machte er sich mit der Herren-Umhängetasche auf den Weg zurück zur Alpe.

Die Schafe hatten gerade nichts Besseres zu tun und folgten ihm unaufgefordert.

„Määähhh!“

 

Krankenhaus Feldkirch.

Mitarbeiter-Wohngebäude.

2. April 2015.

„Jonas, deine Freunde warten unten auf dich.“

Aldo war extra zu mir aufs Dach gekommen um mir das mitzuteilen.

Hierhin zog ich mich immer zurück, wenn ich eine Auszeit brauchte.

„Ich habe keine Freunde.“ Sagte ich missmutig.

„Na so wie du aussiehst, wundert mich das gar nicht.“ Meinte er frech und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück.

Als ehemaliger Lehrlingsausbilder wusste ich aus Erfahrung, dass Kopfnüsse bei Jugendlichen nichts brachten. Verschwendung wichtiger Ressourcen.

„So jung und schon ein Witzbold. Mal sehen was Pater Adrian zu deinem frechen Mudwerk meint.“ Sagte ich drohend.

„Ja, sorry Mann. Musst nicht gleich eingeschnappt sein. Hab’s nicht so gemeint.“ Sagte er schnell.

Ich musste grinsen und klopfte ihm im vorbeigehen auf die Schulter.

„Na dann komm. Wollen mal sehen was meine Ex-Freunde von mir wollen.“

 

„Was gibt’s denn so wichtiges, dass ihr mich bei meiner täglichen Meditation stören müsst?“ Fragte ich die Anwesenden.

Sie hatten mir extra einen Platz am großen Tisch freigehalten.

Er war sogar mit einem Namenskärtchen versehen.

„Hellboy“ stand drauf.

Ich ignorierte diese Anspielung und setzte mich.

„Und?“ Fragte ich als mich wieder alle nur anstarrten.

„Du wurdest rausgewählt und musst das Haus verlassen.“ Meinte Frau Meier mit einem Grinsen.

„Erwarten sie darauf wirklich eine Antwort Frau Meier?“ Fragte ich.

„Eigentlich nicht. Dein Gesicht reicht mir schon.“ Sagte sie.

„Wenn wir dann anfangen könnten.“ Sagte Prenn ungeduldig.

„Wie bereits beschlossen, besteht unser vorrangiges Ziel darin, unsere Freunde von Lech hierher zu bringen.“ Prenn machte eine kurze Pause und blickte in die Runde.

Alle nickten.

„Parallel dazu hat Deniz den Vorschlag gemacht, nach einem Flugzeug Ausschau zu halten, um uns von hier auszufliegen.

Nach Zypern, um genau zu sein. Die Details zu seinem Plan kann er euch selber besser erläutern.“ Prenn und Deniz hatten es schon lange aufgegeben, sich mit ihrem militärischen Rang anzusprechen.

Wozu auch? Es gab keinen Oberbefehlshaber mehr. Frau Meier mal ausgenommen.

Das mit dem Flugzeug war ihm scheinbar doch ernst gewesen.

Ich erwartete mir jetzt, dass jemand eine grosse Karte in den Raum schob, die mit taktischen Zeichnungen und militärischen Begriffen übersät war. Und Deniz würde uns mit einem großen Zeigestock, seinen bis aufs kleinste Detail ausgeklügelten Plan näherbringen.

Fehlanzeige!

Er stand auf und sagte: “Ein Flugzeug zu finden, dürfte nicht schwer sein. Eines startklar zu machen, schon eher. Fürs erste sollte eine Gruppe von vier bis fünf Leuten ein geeignetes Objekt ausfindig machen und den Weg dorthin möglichst soweit vorbereiten, dass wir es dann mit unseren Fahrzeugen ungehindert erreichen können.

Der zweite Teil des Plans beinhaltet dann die Startvorbereitungen und den Transport der Überlebenden dorthin.“ Erwartungsvoll blickte Deniz in die Runde.

Der Beifall blieb aus. Dazu waren wir alle zu sehr Realisten. Was bei Plänen alles schiefgehen konnte, hatten wir alle schon am eigenen Leib erfahren.

„Ich weiß selber, dass das alles einfacher klingt als es ist.“ Sagte Deniz als er merkte, dass sich die Begeisterung in Grenzen hielt.

„Aber überlegt doch mal. Was haben wir denn für Alternativen? Wir sperren uns hier selber ein und warten jeden Tag aus Neue darauf, dass uns die Vorräte ausgehen. Wie lange werden wir das noch durchhalten?“ Sagte Deniz.

„Kaum kann der Junge wieder laufen, da will er auch schon wieder fliegen. Also ich bin dafür.“ Meinte Frau Meier.

„Wofür?“ Fragte ich sie.

„Na fürs fliegen Jonas. Mein letzter Urlaub ist schon ne Weile her.

Und nach Zypern wollte ich schon lange mal.“ Sagte sie.

„Und was ist mit unserem Ausflug nach Lech? Ich dachte das hat Vorrang.“ Gab ich zu bedenken.

„Wir haben eigentlich vor, das gleichzeitig zu erledigen.“ Übernahm Prenn das Wort.

„Aha! Und wann wolltet ihr mir das sagen?“ Fragte ich leicht verstimmt.

„Eigentlich schon gestern. Aber du musstest ja den ganzen Tag beleidigte Leberwurst spielen.“ Mischte sich Frau Meier wieder ein.

„Könnten wir wenigstens für ein paar Minuten meine Hautfarbe aus dem Spiel lassen? Das nervt nämlich.“ Sagte ich.

„Wenn wir dann weitermachen könnten.“ Sagte Prenn.

Ich konnte genau sehen wie er sich ein Grinsen verkniff.

„Die Einteilung der Teams hat im Moment Vorrang. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Anforderungen dieser zwei Missionen, habe ich vorab schon mal eine provisorische Einteilung vorgenommen.“ Prenn konnte seine militärische Ausbildung nicht leugnen. Bei solchen Sachen lief er zur Höchstform auf.

„Die Fähigkeiten und Ortskenntnisse eines jeden Einzelnen, wurden dabei natürlich berücksichtigt. Die Hautfarbe hat bei der Auswahl keine Rolle gespielt.“ Sagte er mit einem verhaltenen Lachen.

Die Anwesenden kannten weder Rücksicht noch Mitgefühl. Sie stimmten ein Gelächter an, das im Ganzen Haus zu hören war.

Als sich alle wieder beruhigt hatten und sich die Tränen aus den Augen wischten, fuhr Prenn fort: „Team „Rot“ begleitet Deniz auf der Suche nach einem Flugzeug, während Team „nicht Rot“ sich nach Lech begibt.“

Das Gelächter ging von vorne los.

„Okay, okay, jetzt ist Schluss. Ich versprech`s.“ Sagte Prenn und putzte sich die Nase.

Ich hatte mich voll im Griff. Mit steinernem Gesicht saß ich da und harrte der Dinge, die noch kommen sollten.

Schadenfrohes Gesindel.

 

Lindau, am Bodensee.

2. April 2015.

Karl Ranseier war schlecht gelaunt. Er hatte Hunger, war müde und sehnte sich nach einer oder zwei Flaschen Wein. Von anderen Bedürfnissen gar nicht zu reden.

Der Hirte war nicht an Verzicht und körperliche Anstrengung gewöhnt. So wie seine Herde.

Sein Ganzes denken und tun, basierte nur darauf, diesen unangenehmen Lebensabschnitt so kurz wie möglich zu halten.

Lindau, die Inselstadt beherbergte einige Überlebende. Genauso wie er es gehofft hatte.

Was er nicht vorhergesehen hatte, sie waren gegen ungebetenen Besuch ziemlich gut abgesichert. Auf den beiden Landzugängen waren Barrikaden errichtet worden und sie waren gut bewacht.

Das Plündern, rauben und morden, würde also nicht ganz so einfach werden, wie sie geglaubt hatten. Ranseier verkaufte das seiner Herde als weitere Prüfung Gottes.

Er verglich sich mit Moses und die Überlebenden hinter den Barrikaden als die bösen Ägypter, die das auserwählte Volk bedrohten. Da es im Alten Testament nur zwei Möglichkeiten gab einen Konflikt zu lösen, entweder zu töten oder getötet werden, war es der Herde von vornherein klar, um was es hier ging.

Im Namen eines Gottes zu töten kam scheinbar nie aus der Mode.

Man musste kein schlechtes Gewissen haben, da man ja nur ausführendes Werkzeug war. Der Wille des jeweiligen Gottes durfte auf keinen Fall hinterfragt werden. Frevel, Blasphemie, Häresie.

Begriffe, die kein wahrer Gläubiger in Zusammenhang mit dem eigenen Namen hören wollte. Waren sie doch gleichzusetzen mit einem Todesurteil. Wahre Gläubige hinterfragen sowieso nichts.

Dafür reicht ihre Phantasie nicht. Sie folgen und töten das, was man ihnen sagt.

So auch Ranseier`s Herde. Sie töteten wo sie konnten und sie töteten was sie konnten. Und wie alle Fanatiker, die fernab von Bildung und Information lebten, taten sie das voller Inbrunst und Überzeugung.

 

Jutta Schmidt war gerade dabei Brot zu backen. Die Glut in dem riesigen Kugelgrill, Marke Angeber, war genau richtig. Hätte man das Ding ins All geschossen, es wäre glatt als Satellit durchgegangen.

Weit ausholend klatschte sie kleine Teigklumpen auf ein Blech.

Es brauchte Schwung, um das klebrige Zeug von den Fingern zu bekommen. Das Rezept dafür hatte sie aus einem Überlebenshandbuch. Leider fehlte eine wichtige Seite.

Der Begriff Brot, war vielleicht etwas hoch gegriffen für das, was am Ende rauskam.

Wenn man nur Mehl, Wasser und Salz zur Verfügung hatte, war das auch kein Wunder. Geschmacklich waren die kleinen, auf einer Seite hellschwarzen Fladen, eigentlich mit nichts zu vergleichen.

Außer man hatte schon mal Wellpappe probiert.

Echtes Survival-Food eben.

Trotzdem hatte sich schon eine kleine Schlange gebildet. Hunger war eben doch der beste Koch.

Ihr Mann Rüdiger war wie üblich der Erste.

Und wie üblich stellte er die gleiche Frage: „Schon fertig?“

Es waren die kleinen Dinge, die eine Ehe auf die Probe stellten.

Jutta schwor sich zum wiederholten Male, ihm den nächsten extrem klebrigen und geschmacklosen Teigklumpen, mitten ins Gesicht zu klatschen, wenn er diese Frage noch einmal stellte.

Sie beließ es dann doch bei einer spitzen Bemerkung. Ihrer Ehe zuliebe.

„Schluck erstmal die Brösel, die dir noch im Bart hängen.“

Rüdiger war, wie fast alle Männer auf der Insel, zur Wache eingeteilt. Das war eine lange und ermüdende Tätigkeit.

Mit leerem Magen würde er das nicht durchstehen.

Seit Monaten tat er nichts anderes als Wache schieben.

Wache schieben und Untote erledigen, die sich durch das Flachwasser auf die Insel verirrten. Manchmal wurde auch ein Boot angespült, auf dem sich noch einer befand. Das kam aber inzwischen nicht mehr so oft vor.

Letzten Sommer, als sie nach einer längeren Odyssey hier in Lindau ankamen, war das noch ganz anders. Da war die Insel noch nicht von Zombies befreit. Die Überlebenden verbarrikadierten sich im Bahnhof und im Hafengebäude. Jeden Tag wurde gegen Untote gekämpft und versucht Boden gut zu machen.

Es war ein harter, grausamer und von vielen Opfern überschatteter Kampf. Hartnäckigkeit und Überlebenswillen siegten schlussendlich. Lindau war nicht nur eine Insel im Bodesee. Sie war jetzt auch eine Überlebensinsel, in einem Ozean voller Zombies.

Die Vorkehrungsmaßnahmen gegen Zombies waren hier ziemlich effektiv. Sie hatten schon seit vielen Wochen keine Verluste mehr zu beklagen.

Aber leider waren die Untoten nicht die einzige Gefahr, in einer Welt ohne Recht und Ordnung.

Die ersten von Juttas Prothesenbrechern, wie sie von allen genannt wurde, waren gerade fertig, als die Alarmsirene zu heulen anfing.

Rüdiger fluchte und schnappte sich gleich zwei der Teigdinger direkt vom Grill. In seiner Gier hatte er nicht bedacht, dass sie ungefähr die gleiche Temperatur wie die glühenden Holzkohlen hatten. Er jonglierte sie während des Laufens in seinen Händen hin und her und verbrannte sich die Finger so oft, dass er sie schließlich doch wegwarf.

Jutta versuchte indessen ihre Teiglinge loszuwerden, indem sie ihre Hände wie verrückt schüttelte. Bei der Klebkraft der Dinger, ein sinnloses Unterfangen.

Die Sirene war schon lange nicht mehr zu hören gewesen. Wegen ein paar herumstreunenden Untoten wurde kein Alarm gegeben.

Es musste sich also um etwas Ernstes handeln.

 

Krankenhaus Feldkirch.

2. April 2015.

Die Teams für unsere zwei Missionen waren eingeteilt.

Und um eines gleich klarzustellen, es gab kein Team rot.

Und noch eins. Ich hatte mich freiwillig in das Team gemeldet, in dem Frau Meier war. Es wäre ja sowieso soweit gekommen.

Man lernt nicht nur aus Fehlern, sondern auch aus unangenehmen Situationen.

Was war nur mit mir passiert? Ich war früher so gut darin, lästige Menschen los zu werden. Der Meister der Ausrede. Der König des Abwimmelns. Der Grand Seigneur der Vermeidung unnötiger Konfrontationen.

Na ja, auch der Beste muss einmal einsehen, dass es immer noch einen Besseren gibt. Das war einfach der Lauf der Dinge.

Aber noch gehörte ich nicht zum alten Eisen. Mein Comeback war so sicher, wie das Amen in der Kirche.

Frau Meier und ich, würden Deniz auf der Suche nach einem Flugzeug begleiten. Mit dabei in unserem unschlagbaren Team war auch Pater Adrian.

Er sah seine Bestimmung in der Welt da draußen. So seine Worte.

Über seinen Entschluss uns zu begleiten, waren wir sehr froh.

Deniz war nicht gerade Herkules und Frau Meier nicht die Kriegerprinzessin Xenia. Da war ein Ex-Legionär eine willkommene Aufwertung des Teams. Auch wenn er wie Gandalf aussah.

So musste ich wenigsten nicht alles Böse alleine erledigen. Auch Helden brauchen Unterstützung.

Kwai Chang, Prenn und Anna würden zeitgleich nach Lech aufbrechen, um unsere Freunde abzuholen. Die hoffentlich noch am Leben waren.

Anna hatte sich sofort freiwillig gemeldet. Sie war froh von hier weg zu kommen. Viele der Überlebenden brachten ihr nur Ablehnung entgegen. Was ja kein Wunder war.

Die benötigten Fahrzeuge hatten wir uns in der Tiefgarage des Krankenhauses besorgt. Die Auswahl war überwältigend. Unsere beiden Spezialisten im Autoknacken, Aldo und Leon, hatten uns einen Schnellkurs im Kurzschließen von Fahrzeugen gegeben. Wie sie uns gegenüber beteuerten, hatten sie das früher nur getan, um Menschen zu helfen, die ihren Autoschlüssel verloren hatten.

Ich versicherte ihnen darauf, dass ihre Selbstlosigkeit in dieser Hinsicht, einfach einzigartig sei.

Was sie mit; „jo, voll krass Alda“, quittierten.

Ich nahms nicht persönlich und freute mich einfach, etwas Neues gelernt zu haben.

Team „Flughafen“, also unter anderem meine Wenigkeit, zwängte sich in zwei kleine Allradfahrzeuge. Ein Suzuki Jimny und einen Fiat Panda.

Nicht etwa wegen dem geringeren Co2 Ausstoß, sondern um leichter durch die verstopften Straßen zu kommen.

Mit diesen geländegängigen Schuhschachteln kam man praktisch überall durch. Wenn man es schaffte sich in sie hinein zu zwängen.

Team „Lech“, das Team dem ich nicht angehörte, hatte natürlich ein viel cooleres Fahrzeug. Wie konnte es auch anders sein.

Sie fuhren einen Mercedes Unimog. Ein kleiner Allrad LKW mit Ladefläche. Einerseits, weil ihr Weg sie ins Gebirge führte, andererseits, weil sie auf dem Rückweg mehrere Personen transportieren mussten.

Wir waren uns der Gefährlichkeit unserer Unternehmungen bewusst. Aber um an unserer Situation etwas zu verändern, führte leider kein anderer Weg vorbei. Helden taten nun mal, was Helden tun mussten.

Wir wünschten uns zum Abschied gegenseitig Glück.

Was, wie ich fand, überflüssig war. Profis wie wir, konnten sich einzig und allein auf ihr Können verlassen. Hoffentlich.

Pater Adrian ließ es sich nicht nehmen, sich von seinen Schützlingen, den drei pubertierenden Besserwissern, persönlich zu verabschieden.

„Hört zu! Während wir weg sind habt ihr hier das Sagen.“ Sagte er mit ernster Mine.

„Wow, echt jetzt? Das is ja voll der Burner.“ Meinte Leon dazu.

„Ja voll. Echt krass Mann. Danke.“ Sagte Aldo begeistert.

Pater Adrian gönnte ihnen ein paar Sekunden und sagte dann:

„Sorry Jungs. War `n Witz. April und so, ihr versteht schon.“

Die Beiden machten ein ziemlich dämliches Gesicht und hatten, wahrscheinlich das erste Mal in ihrem Leben nicht das letzte Wort.

„Ihr tut was man euch sagt. Sollte ich was anderes hören, lernt ihr mich kennen. Klar?“ Pater Adrian bemühte sich unheilvoll zu klingen. Um die Dramaturgie der Situation noch etwas zu erhöhen, schwang er seinen Stab wie ein Kampfsportler. Damit er nicht weiter ein Grinsen unterdrücken zu musste, drehte er sich um und ließ die Beiden sprachlos stehen.

 

Rankweil.

März 2015.

Er lief um sein Leben. Das tat er jetzt schon ziemlich lange. Seit acht Monaten um genau zu sein. Darum hatte er auch schon reichlich Übung darin. Seine Kondition reichte inzwischen aus, um den Untoten problemlos davon zu rennen. Auch auf sehr langen Strecken.

Doch diesmal waren es nicht die Untoten die ihn verfolgten.

Er rannte so schnell er konnte. Seine Lungen fühlten sich an, als würden sie mit Nadeln traktiert. Seine Beinmuskeln brannten wie Feuer. Lange würde sein Körper diese Anstrengung nicht mehr aushalten. Der Kollaps war vorprogrammiert.

Er durfte nicht aufgeben. Die Rettung, in Form eines Heustadels, war nur noch etwa fünfhundert Meter entfernt. Dort wäre er vor ihnen in Sicherheit.

Seine Verfolger teilten sich auf. Sie wollten ihn in die Zange nehmen. Verdammt, sie waren schlauer als er dachte.

Ein letzter Spurt noch. Ein Blick über die Schulter. Und tatsächlich, sie waren etwas zurückgefallen.

Er konnte es schaffen. Den Blick wieder nach vorne.

Scheisse! Der Schwarze stand direkt vor ihm. Sie hatten ihn voll verarscht. Sie hatten mit ihm gespielt. Intelligente Scheissviecher.

Noch bevor er zum Stehen kam, sprang ihm der Schwarze an die Kehle.

Ohne sich nennenswert anzustrengen, riss der Schwarze ihm mit einem Biss den Kehlkopf heraus. Für eine kurze Zeit, nahm die eingeatmete Luft eine Abkürzung über den offenen Hals, anstatt wie üblich durch Mund oder Nase.

Normalerweise fressen Wölfe keine Menschen.

Normalerweise fressen sie Schafe und so ein Zeug. (Ab und zu auch mal eine Großmutter.)

Aber wenn keine Schafe da sind (oder eine Großmutter), tut’s auch ein Mensch.

 

Fiat Panda, Beifahrersitz.

Zwischen Feldkirch und Rankweil.

2. April 2015.

 

 

Altenrhein war unser erstes und hoffentlich einziges Ziel.

Bis zu diesem kleinen Flughafen war es ungefähr fünfunddreißig

Kilometer. Er lag gleich hinter der Grenze zur Schweiz, direkt am Bodensee.

Deniz war ziemlich zuversichtlich dort ein geeignetes Flugzeug zu finden. Ich hatte da zwar meine Bedenken, behielt sie aber für mich.

In den ersten Tagen des Untergangs ging es mehr als turbulent zu.

Die Menschen versuchten mit allem Möglichen zu flüchten. Natürlich auch mit Flugzeugen. Darum war ich mir nicht so sicher, ob man so eine Fluchtmöglichkeit wie ein Flugzeug, einfach hatte stehen lassen.

Unser kleiner Familienausflug hatte gerade erst begonnen und ich fühlte mich schon etwas unwohl. In einem so winzigen Auto zwischen Zombies, kam man sich vor wie ein Fleischgericht beim Running Sushi.

Ich muss wohl nicht lange erklären, wieso nicht ich das Auto fuhr.

Es gab dafür einen guten Grund. Frau Meier war dagegen.

Daraufhin bezeichnete ich sie als „Böse Schwiegermutter“.

Handelte es sich nämlich um einen Familienausflug, führte ich weiter aus, wäre genau das ihre Rolle.

Darauf führte sie eine Vollbremsung durch und ich holte mir an der Windschutzscheibe eine Beule. Mein Wunsch daraufhin, bei den Anderen mitfahren zu dürfen, wurde von ihr ohne Kommentar ignoriert.

Zum Ausgleich dieser Ungerechtigkeit, summte ich Lieder, in denen das Thema Schwiegermutter auf den Arm genommen wurde.

Den vollen Text zu singen, erschien mir Aufgrund der beengten Verhältnisse doch etwas zu riskant.

Frau Meiers Fahrkünste zu beanstanden auch.

Ich war ja schon einiges gewöhnt. Meine Frau hatt nämlich auch so etwas ähnliches wie einen Führerschein. Aber Frau Meier war in der Lage, auch das noch zu toppen.

„Wenn sie nicht aufhören, dort Slalom zu fahren wo gar keine Zombies sind, wird es nicht lange dauern und ich kotze ihnen auf die Füße.“ Warnte ich sie.

„Das nennt man, sich mit dem Fahrzeug vertraut machen.“ Meinte sie altklug.

„Würden sie mich fahren lassen, könnten wir uns das ersparen.

Aber wie ich sie kenne, wollen sie mir nichts ersparen. Stimmt`s?“

Sagte ich.

Sie grinste nur und wich weiter mit quietschenden Reifen den Zombies aus. Mein Vorhaben, sie dafür im Gegenzug durchgehend zu nerven, nahm immer mehr Gestalt an.

Wir hatten vor, auf unserem Weg die Ballungszentren zu meiden.

Wenn man diesen Begriff auf die kleinen Gemeinden überhaupt anwenden durfte, ohne maßlos zu übertreiben.

Begegnungen mit Zombieansammlungen zu vermeiden, hatte Priorität. Die Strassen durch und um diese Gemeinden, waren ziemlich sicher, nicht problemlos passierbar. Wie überall.

Die Feld und Radwege entlang des Rheins waren unser Ziel.

Weg von den Verkehrsstaus und Zombiegrüppchen.

Um die unweigerlich auftretenden Hindernisse, wie Schranken und sinnlos in die Gegend gesetzten Pfosten beseitigen zu können, hatten wir vorgesorgt.

Tim Taylor der Handwerker König, wäre neidisch auf unsere Werkzeugsammlung gewesen, die wir mitführten.

Als wir die Stadt hinter uns ließen und das Grünzeug die Oberhand gewann, wurden die wandelnden Leichen immer rarer.

Sogar Frau Meiers Fahrstil wurde menschlicher.

Der Tag würde sich vielleicht doch noch zum Guten wenden.

 

Rankweil.

2. April 2015.

Mad Mathis verließ seinen Friedhof nur sehr ungern.

Die Welt da draußen, wirkte sich nicht gerade positiv auf seine innere Ruhe aus. Aber er musste essen um bei Kräften zu bleiben.

Die Wege um sich Lebensmittel zu besorgen, wurden mit der Zeit immer länger. Was gleichbedeutend mit längerer Unruhe war.

Was wiederum bedeutete, dass die Zeit in der er sich nicht unter Kontrolle hatte, auch länger wurde.

Auf seinem Weg hinterließ er eine grausige Spur von Gehirnmasse, Eingeweide und Gliedmaßen. In seiner „Unruhe“, wütete er wie ein Berserker unter den Untoten. Hätten sie die Fähigkeit des Denkens noch besessen, sie wären erstaunt gewesen, dass jemand außer ihnen selbst in der Lage war, so ein Gemetzel zu hinterlassen.

Mad Mathis war ein wahrer Künstler mit seiner Schaufel.

Ein Performancekünstler der menschlichen Überreste.

Seine Ausstellungen fanden unter freiem Himmel statt. Und es gab im Anschluss kein Buffet, wie das sonst so üblich war.

 

 

 

Lindau, Insel.

2. April 2015.

Ranseier`s Horde hatte die Barrikaden überwunden. Der fehlgeleitete Haufen, bahnte sich schießend und raubend einen Weg durch die Stadt.

Fast der ganze Haufen. Einer war so ungeschickt und schoss sich, beim Überklettern der Barrikaden, selber den Kopf weg. Seine unmittelbar nachfolgenden Betbrüder, erhielten dadurch ungewollt eine makabre Kriegsbemalung, aus Gehirnwindungen und Blut verpasst. Was sie noch gefährlicher aussehen ließ.

Die Herde der zwölf Stämme, mitsamt ihrem Hirten, hatte auf ihrem Weg hierher einen gewissen Ruf erlangt.

Einen Ruf, wie ihn in früheren Jahrhunderten, nur den Wikingern zuteil wurde. Brutalität und Grausamkeit war ihr Markenzeichen.

Treffsicherheit mit Schusswaffen gehörte allerdings nicht dazu.

Vielleicht lag das daran, dass es im alten Testament noch keine Gewehre gab. Wenn man Schaufeln und Hacken plötzlich mit Gewehren tauschen  muss, kann es schon mal vorkommen, dass man sie falsch herum hält.

Dennoch, der Überfall kam für die Inselbewohner so überraschend, dass ihnen keine Zeit blieb sich zu organisieren. Da hätte auch ein hoch bezahlter Manager nichts ausrichten können.

Militärisch und taktisch unausgebildet, bewegte sich die bewaffnete Herde so konfus und unorthodox durch die Häuser, dass keine geordnete Gegenwehr zustande kam.

Die teils verwinkelten Gassen der Altstadt machten es den Verteidigern auch nicht leichter. Kaum hatten sie eine kleine Verteidigungslinie aufgebaut, schon bog der Feind wieder unvorhergesehen ab.

Durch dieses Versteckspiel, hielten sich die Verluste auf beiden Seiten in Grenzen.

Bei den Verletzten leider nicht. Seltsamerweise, waren es aber keine Schussverletzungen, die die verteidigende Partei zu beklagen hatte.

Das vom letzten Regen noch nasse Kopfsteinpflaster, war dafür verantwortlich.

Die panisch herumrennenden Wahllindauer, rutschten darauf aus und prellten oder verstauchten sich, unter anderem Körperteile, die sonst nur in Krankenhaus-Serien zur Sprache kamen.

Ranseier`s Herde plünderte, was ihnen unter die Finger kam.

Bedauerlicherweise, waren auch zwei Frauen darunter.

Im Verstecken vor raubenden und mordenden Horden nicht sehr versiert, hatten sie ausgerechnet  dort Zuflucht gesucht, wo auch die Lebensmittel gelagert wurden.

Von Außen auch noch mit einem Schild gekennzeichnet, auf dem genau das zu lesen war. Auch für weltfremde Sektierer eine Einladung, der sie nicht widerstehen können.

Um von ihrem wikingerhaften Einkaufsbummel durch die Stadt etwas abzulenken, legten sie ein paar Brände. Das sorgte für noch mehr Durcheinander.

 

Jutta mit den Teigfingern, rannte ihrem Mann Rüdiger hinterher.

Seine Spur verlief sich allerdings sehr schnell im Lindauer Häusergewirr. Geschlechtsspezifischen Vorurteilen folgend, verließ sie ihr Orientierungssinn schneller als sie dachte.

Jemand der es gewohnt war, sich anhand von Schuhgeschäften zu orientieren, anstatt an Straßenschildern, konnte sich leicht verlaufen.

Die bei Frauen sonst übliche Option, „Nach dem Weg fragen“, fand mangels Passanten hier leider keine Anwendung.

Eine etwas wirre Mischung aus, nicht genau zu wissen wo man sich befand und nicht genau zu wissen wo man eigentlich hin will, ließ sie öfter die Richtung wechseln, als ein flüchtendes Kaninchen.

Wie die Filmindustrie uns immer wieder bestätigt, haben Frauen die einzigartige Fähigkeit, ihrem Unheil direkt in die Arme zu laufen.

Jutta nahm die falsche Abzweigung, wie eigentlich schon die ganze Zeit und stand plötzlich direkt vor den Plünderern.

Soviel Pech hatte sie nicht mehr gehabt, seit sie letzten Sommer in der Kirche von Andelsbuch, von Zombies belagert wurden.

 

Rüdiger mit den verbrannten Fingern, rannte dorthin, wo er die Ursache des Alarms vermutete. Zur Barrikade an der Straße, die auf die Insel führte. Über ein paar Abkürzungen gelangte er innerhalb kürzester Zeit dorthin. Er war schließlich ein Mann. Orientierung ohne Hilfsmittel, war eine Grundvoraussetztung, um sich so nennen zu dürfen.

Seine Vermutung war richtig. Jemand hatte die Barrikade mit einem LKW durchbrochen. Dieser Jemand hatte sich aus dem Staub gemacht und eine Lücke hinterlassen, die umgehend von Untoten ausgefüllt wurde.

Als diese Gefahr halbwegs gebannt war, wurden drei Gruppen eingeteilt. Gruppe Eins kümmerte sich um den Wiederaufbau der Barrikade. Gruppe Zwei und Drei übernahm die Verfolgung der Eindringlinge.

Rüdiger, der sich inzwischen Sorgen um seine Frau machte, meldete sich für den Verfolgertrupp.

Ihre Spur aufzunehmen war leichter als einem Kind den Lollie zu klauen. Eingeschlagene Fenster und Türen säumten ihren Weg.

Trotzdem war Vorsicht geboten. Ihrem Rumgeballer nach zu urteilen, scheuten sie sich nicht, von ihren Waffen Gebrauch zu machen.

 

Hirte Ranseier musste sich eingestehen, etwas unüberlegt gehandelt zu haben. Die Barrikaden zu überwinden war nicht schwer gewesen.

Auch ihr Raubzug konnte als Erfolg verbucht werden.

Aber er hatte nicht mit einer so heftigen Gegenwehr gerechnet.

Die Überlebenden die sie bisher getroffen hatten waren unorganisiert und schlecht bewaffnet gewesen. Perfekt um im Namen Gottes abgeschlachtet zu werden. Diese Truppe hier, hatte allerdings etwas mehr zu bieten.

Zu Ranseier`s Pech, waren es viel mehr als er erwartet hatte.

Und zu allem Überfluss, hatte er aus lauter Gier nicht daran gedacht, sich einen Plan B für die Flucht zurecht zu legen.

Langsam wurde es eng.

Schwer beladen, die drei Frauen als Schutzschild benutzend, befanden sie sich auf dem Rückzug. Auf einem Rückzug ohne Plan.

 

Nach mehreren Schusswechseln, die stark an die alten Western erinnerten „viel schießen wenig treffen“, ging den Indianern der zwölf Stämme langsam die Munition aus.

Die Lindauer Kavallerie hatte es geschafft sie im Hafen zusammen zu treiben. Um die Frauen nicht zu gefährden, verzichtete man darauf, sie einfach über den Haufen zu schießen.

Abgesehen davon, wäre keiner von den Lindauern kaltblütig genug gewesen so etwas zu tun.

Abgesehen von Rüdiger, der nahe dran war etwas Unüberlegtes zu tun. Machtlos musste er zusehen, wie sich die Plünderer auf ein Segelboot zurückzogen.

Jutta und die zwei anderen Frauen wurden gefesselt und gezwungen am Heck Aufstellung zu nehmen. Als lebender Schutzschild.

Langsam schipperten die zwölf Stämme aus dem Hafen hinaus.

Ihre Unkenntnis in Sachen Booten, war ihnen dabei nicht behilflich.

Der Steuermann, dessen Bootskenntnisse sich auf Tretboote beschränkten, streifte die Hafenmauer. Darauf hin gingen die drei Frauen in die Knie, um nicht über Bord zu fallen.

Diese Gelegenheit ließ sich der verzweifelte Rüdiger nicht entgehen.

Ohne lange nachzudenken, legte er an und schoss, auf den hinter den Frauen stehenden Plünderer.

Das brachte ihm seine Jutta aber leider auch nicht zurück.

Verzweifelt musste er zusehen, wie das Boot langsam in der Ferne verschwand.

 

Ranseier wurde von Gott schwer geprüft.

So sah es jedenfalls seine Herde. Er selber betrachtete es etwas nüchterner. Und vor allem schmerzvoller.

Diese Schweine hatten ihn erwischt. Mitten durch beide Arschbacken.

Das waren gleich zwei Eintrittswunden und zwei Austrittswunden.

Ein äußerst unglücklicher Treffer.

Hätte das Boot nicht gewackelt, sie wären unbehelligt davon gekommen. Er auf jeden Fall. Mit schmerzverzerrten Arschbacken, nahm er sich vor, den Steuermann für diesen Fehler büßen zu lassen. Eines konnte er jetzt schon versprechen, es würde qualvoll werden.

 

Rankweil.

2. April 2015.

Schäfer Witzemann war jetzt kein Schäfer mehr. Er hatte diese frustrierende Tätigkeit an den Nagel gehängt.

Alles was ihn jetzt noch mit Schafen in Verbindung brachte, war sein Geruch.

Ein Körperloses nicht greifbares Etwas, dass je nach Windrichtung, entweder vor oder hinter ihm war. Eine allgegenwärtige Existenz, eines nicht sehr wohlriechenden Aromas, das sich aus all dem zusammensetzte, was ein Schaf im laufe der Zeit ausschied.

Und das war nicht wenig.

Nach acht Monaten intensivem und engem Zusammenleben mit den Bewohnern einer Schafs-WG, war dieser Geruch ein fester Bestandteil von Witzemann. Er hüllte ihn ein wie ein Kraftfeld.

Er beschützte ihn sogar vor den Zombies. Wenn er ihnen nicht zu nahe kam, nahmen sie keine Notiz von ihm.  Der Geruch war sozusagen das Abschiedsgeschenk seiner Schafsherde, die er auf der Alpe zurückgelassen hatte.

Nach reiflichen Überlegungen, die nicht wirklich lange gedauert hatten, entschied er sich für diesen Schritt. Sein Leben mit den Schafen war nicht so verlaufen, wie er sich das vorgestellt hatte.

Es war Zeit für eine Veränderung.

Und den Schlüssel zu dieser Veränderung, trug er in der Herrenumhängetasche bei sich.

Witzemann reiste mit leichtem Gepäck. Er wollte beweglich und flexibel sein. Schwere Sachen wären da nur hinderlich.

Sein Geruch wog zwar auch schwer, den roch er aber selber nicht.

Der Abschied von seinen Schafen, war ihm anfangs nicht ganz leicht gefallen. Er hatte gehofft sie würden ihm nachlaufen. Das war aber nicht der Fall. Sie hatten nämlich gerade was Besseres zu tun.

Witzemann hatte eigentlich keinen richtigen Plan, was seine Reise anging. Improvisation war sein Talent. Irgendetwas ergab sich immer. Man musste es nur erkennen und die Gelegenheit beim Schopfe packen. Diese Lebensphilosophie, war in seinem bisherigen Leben immer hilfreich gewesen.

Von der Alpe bis hierher ins Tal, war er auf keine nennenswerten Probleme, seitens der Untoten getroffen. Fälschlicherweise schob er das auf seinen Instinkt, anstatt auf seine Ausdünstung.

Den Eigenen Geruch zu kritisieren gehörte nicht zu den menschlichen Eigenschaften. Leider!

Der Plan, den er eigentlich nicht hatte, sollte ihn zu einem Transportmittel führen, dass in der Lage war, ihn zu seinem Ziel zu bringen. Bis jetzt beschränkte sich sein Glück allerdings nur auf ein Mountainbike und einen Scooter. Letzteren klappte er zusammen und hängte ihn sich um die Schulter. Für Notfälle. Besser schlecht gefahren als gut gelaufen.

Die zombiefizierte Bevölkerung von Rankweil, wurde Aufgrund ihrer steigenden Anzahl pro Quadratkilometer, immer aufdringlicher. Ein einzelner Tourist, der sich auf einem orientalischen Markt verirrte, sah sich mit exakt dem gleichen Problem konfrontiert.

Als Mann der Berge, dem Sportlichkeit schon in die Wiege gelegt wurde, war er mit einem Mountainbike bestens vertraut. Deshalb meisterte er den Spiessroutenlauf durch die Untoten mit Bravour.

Sein vorläufiges Ziel war die Bahnlinie, die sich durch das Rheintal zog. Das war augenscheinlich der direkteste und hoffentlich ungefährlichste Weg in die Schweiz.

 

Hohenems, Rheinauen.

2. April 2015.

„Neiiin, Frau Meier tun sie es nicht!“ Schrie ich verzweifelt.

Doch zu spät, sie hatte die CD schon in das Autoradio geschoben.

„Musikantenstadl“, stand auf der Hülle.

Ich würde also einen Qualvollen Tod sterben müssen. Beginnend mit Ohrenbluten, Übelkeit und Durchfall. Die üblichen Symptome bei dieser Art von Musik.

„Mach nicht so ein Theater Jonas. Ein bisschen Musik ist gut fürs Gemüt. Und so wie du aussiehst, brauchst du das dringend.“

Sagte Frau Meier in einem fast schon fürsorglichen Ton.

„Was ich brauche, sind ein paar Wochen Urlaub und sonst nichts.“

Sagte ich.

„Urlaub? Wo willst du denn hin? Die Zombies sind doch überall.“

Frau Meier sah mich fragend an.

„Ich brauch auch keine Auszeit von den Zombies, sondern von ihnen. Und jetzt machen sie diesen Scheiß aus, sonst gehe ich zu Fuß.“ Sagte ich genervt.

„Jonas, es verletzt mich wirklich, dass du so über mich denkst.“

Sagte sie traurig.

Ich beobachtete sie ein paar Sekunden und sagte dann: „Netter Versuch Frau Meier, aber ich kenn sie jetzt schon zu lange, um ihnen diesen Quatsch abzunehmen. Sie müssen das schon etwas subtiler angehen. Außerdem zuckt ihr Rechtes Auge etwas, wenn sie versuchen jemanden zu verarschen. Ich hab sie durchschaut.“

„Soso, machen wir jetzt einen auf Siegmund Freud, oder was?

Jonas und die Psychoanalyse, dass ich nicht lache. Hahaha.“

An ihrer Stimmlage konnte ich erkennen, dass sie sich ertappt fühlte. So schlecht war ich also doch nicht.

Jahrelanger Umgang mit unerwünschten Personen, wie Kunden in Verkäuferkreisen auch genannt wurden, ließ einem ein Gespür für solche Dinge bekommen.

„Lachen sie nur Frau Meier. Sie wären erstaunt zu erfahren, was alles in mir steckt.“ Sagte ich mit Stolz geschwellter Brust.

„Ja dann können wir nur hoffen, dass es auch dort bleibt, wo es jetzt steckt.“ Meinte sie nur.

Ich ignorierte ihre letzte Bemerkung und dachte mir schon mal eine Erklärung für das bevorstehende Verschwinden der Musikantenstadl-CD aus.

Wir fuhren gerade am alten Rhein entlang, auf Höhe des Erhohlungszentrums Rheinauen. Ein ehemaliger Baggersee, der zu einem großen Schwimmbad umfunktioniert worden war.

Was dann auch die herumirrenden Badehosenzombies erklärte.

Frau Meier, etwas abgelenkt durch ihre Humtata-Musik, fuhr etwas zu schnell in eine unübersichtliche Kurve.

Die plötzlich vor uns stehenden, gruseligen Badegäste, zwangen sie zu einem fatalen Ausweichmanöver.

Sie kam über den Fahrbahnrand hinaus und rammte einen Begrenzungsstein. Womit sich gleichzeitig der rechte Vorderreifen verabschiedete.

„Na super! Ein Platten mitten im Zombieland.“ Mehr fiel mir auf die Schnelle nicht dazu ein.

Unsere Begleiter stoppten wie ein Sondereisatzkommando. Mit quietschenden Reifen stellten sie ihr Fahrzeug quer. Blitzartig stürmten sie aus dem Auto und metzelten alles nieder, was Badehosen trug und verfault aussah. Wobei der größte Teil Pater Adrian zuzuschreiben war. Das lag aber nicht an der unterschiedlichen Kampfmoral der beiden, sondern daran, dass Deniz seine volle Beweglichkeit noch nicht wiedererlangt hatte.

Pater Adrian schwang seinen Stab so virtuos wie ein Dirigent, der ein makabres Orchester dirigiert. Und wer den Ton nicht traf, bekam den Schädel gespalten.

Deniz erledigte das Gesockse, das sich durchzuschwindeln versuchte, mit seiner Machete. Echte Teamarbeit.

Als wir aus dem Auto ausstiegen, war das Spektakel schon vorbei.

Gemeinsam begutachteten wir den Schaden, den wie ich nicht oft genug erwähnen konnte, auf Frau Meiers Konto ging.

In einem unbeobachteten Moment gelang es mir, die CD in meinen Besitz zu bringen. Ich entließ sie in die Freiheit, indem ich sie wie einen Frisbee warf. Sie flog in hohem Bogen über das Eingangsgebäude des Schwimmbades und verschwand aus meinem Blickfeld. Eine Sorge weniger.

Frau Meier begutachtete den von ihr verursachten Schaden auf allen vieren. Ihr Fachwissen über Autos hielt sich dabei in Grenzen.

„Kann man das ausbeulen?“ Fragte sie etwas kleinlaut.

„Nein Frau Meier, kann man nicht. Aber sie können ja versuchen die Todesursache des Reifens herauszufinden, während wir das Rad wechseln.“ Sagte ich mit einer Genugtuung wie ich sie schon länger nicht mehr gefühlt hatte. Sagte ich eigentlich schon, dass Frau Meier diesen Unfall verursacht hatte?

„Wir könnten unsere Zwangspause dazu nutzen um nach ein paar Lebensmittel zu suchen.“ Sagte Pater Adrian und deutete zum Schwimmbad.

„Ja gute Idee.“ Sagte ich. „Ich nehm Frau Meier mit. Da kann sie ihre Zerstörungswut auf andere Dinge konzentrieren.“

Zack, schon hatte ich ihren Ellbogen zwischen den Rippen. Die Hornhaut, die sich dort dank ihr schon gebildet hatte, verhinderte schlimmeres.

„Kommen sie Frau Meier, hier können sie sowieso nichts tun. Die Räder die sie schon gewechselt haben, waren sicher noch aus Holz.“ Sagte ich aus sicherem Abstand.

„Kann ich mir mal kurz ihren Stab ausleihen Pater Adrian? Geht auch ganz schnell.“ Fragte Frau Meier.

„Tut mir Leid, aber ich denke, das kann ich mit meinem Glauben nicht vereinbaren.“ Meinte Pater Adrian mit einem Grinsen.

Frastanz, das Tor zum Walgau.

2. April 2015.

 

 

„Also Jungs, ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich könnte ein Bier vertragen.“ Sagte Anna zu ihren beiden Begleitern.

„Wieso kommst du jetzt ausgerechnet auf diese Idee?“ Fragte Kwai Chang verwundert.

Prenn, der ihr Gefährt steuerte, zog eine Braue hoch und warf einen Blick auf die Uhr.

„Um diese Zeit?“ Fragte er.

Es war gerade mal acht Uhr und sie waren erst seit zwanzig Minuten unterwegs.

„Also erstens, wir fahren gerade an einer Brauerei vorbei.

Zweitens, leben wir in einer Zeit, in der man jede sich bietende Gelegenheit nutzen sollte. Und drittens, die Welt ist im Eimer. Da spielt es keine Rolle um welche Zeit man ein Bier trinkt.“ Sagte Anna.

„Dafür haben wir keine Zeit.“ Meinte Kwai Chang.

„Genau. Und ich muss fahren.“ Gab ihm Prenn recht.

„Echt jetzt? Das sind eure Ausreden?“ Anna klang enttäuscht.

„Das sind keine Ausreden. Wir sind auf einer Rettungsmission.“ Sagte Prenn ernst.

Anna konnte sehen wie er sich über die Lippen leckte. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er nur allzu gerne ein Bier getrunken hätte.

Auch Kwai Chang schluckte ein paar mal leer.

Anna war noch nicht bereit aufzugeben.

„Eure Freunde da oben in Lech, warten jetzt schon den Ganzen Winter. Da kommt es auf eine Stunde auf oder ab nicht mehr drauf an. Und für unseren so pflichtbewussten Fahrer finden wir sicher etwas Alkoholfreies. Gebt euch n Ruck Jungs.“

Prenn sah kurz zu Kwai Chang rüber, zuckte die Schultern und meinte dann: „Wo sie recht hat, hat sie recht. Ein Bier kann nicht schaden und zwei sind nie zuviel.“

Er riss das Lenkrad herum und bog mit quietschenden Reifen zur Brauerei ab.

Kwai Chang behielt seine Meinung für sich. Sein Mund war plötzlich zu trocken zum sprechen.

 

Bahndamm.

Zwischen Rankweil und Feldkirch.

2. April 2015.

Ex Schäfer Witzmann war zufrieden mit sich und der Welt.

Jedenfalls im Moment. Untote waren weit und breit keine zu sehen.

Das Wetter war herrlich. Es waren keine Schafe da, die ihn nervten.

Und die Aussicht, seinem Ziel wenigstens ein bisschen näher gekommen zu sein, stimmte in zuversichtlich.

Sogar ein paar Hunde balgten sich ausgelassen auf dem Feld vor ihm. In dieser Idylle konnte man fast vergessen, dass die Menschheit fast ausgestorben und von Toten übernommen worden war.

Er wollte gerade ein altes Wanderlied anstimmen, als ihm bei den Hunden etwas komisch vorkam.

Es waren ziemlich große Hunde und alle sahen sich auffallend ähnlich. Wie Schlittenhunde. Nur etwas größer. Aber auf diese große Entfernung war es schwierig, das genau zu erkennen.

Gerade als ihm Geschichten über verwilderte, hungrige Hunde durch den Kopf gingen, verschwanden sie in dem Waldstück neben der Bahn.

Nach ein paar Minuten hatte er den Vorfall schon fast wieder vergessen. Abgelegt im hintersten Winkel seines Gehirns, dort wo auch die Schafe waren.

In Gedanken versunken, ging er seines Weges und versuchte erfolglos, seinen Schrittrythmus an die Bahnschwellen anzupassen.

Der Erfinder der Bahngeleise musste ein sehr kleiner Mann gewesen sein. Nach einer Weile befand er, dass es wichtigeres gab als über dieses Problem nachzudenken. Wie zum Beispiel dieser große, schwarze Hund, der plötzlich vor ihm stand.

Witzemann hatte keine Angst vor Hunden. Er war mit Hunden aufgewachsen und kannte sich mit ihnen aus. Obwohl, so einer war ihm bis jetzt noch nicht untergekommen.

Hätte er es nicht besser gewusst, er hätte ihn glatt für einen Wolf gehalten. Das war aber nicht möglich. In diesen Breiten gab es schon lange keine Wölfe mehr. Und Hunde, die Wölfen ähnlich sahen gab es viele. Eine Theorie besagte, dass die Wölfe ausgestorben waren, weil es keine Rotkäppchen mehr gab.

Aber Theorien waren wie Nasen. Jeder hatte eine.

Als der Schwarze zähnefletschend und knurrend, langsam auf ihn zukam, war er schon fast bereit, seine Meinung über die Verbreitung von Wölfen zu überdenken.

Die Herrenumhängetasche schützend vor sich haltend, wich er ein paar Schritte zurück.

Nur nicht wegrennen. Hunde interpretierten so eine Handlung nämlich als Aufforderung, einem in den Hintern zu beißen.

Witzemann war sich nicht sicher, ob diesem unfreundlichen Tier ein Hintern auch reichen würde.

Vielleicht würden ja ein paar gut gezielte Steine zur Entschärfung der Situation führen. Ein Treffer an der richtigen Stelle und er würde sich jaulend davon machen.

Witzemann bückte sich nach einem Stein und nahm aus dem Augenwinkel eine Bewegung hinter sich wahr.

In der gebückten Haltung verharrend, drehte er langsam den Kopf in diese Richtung.

Erschrocken musste der ehemalige Schäfer einsehen, dass seine Wolfstheorie voll für den Arsch war.

Gleich ein ganzes Rudel, dieser hier eigentlich nicht heimischen Tierart, hatte sich hinter ihm versammelt.

Sein zweiter Gedanke galt seiner Bewaffnung. Die war nämlich nicht vorhanden. Das Schweizer Taschenmesser mit seinen siebzehn Funktionen, war anhand der gefährlichen Übermacht wohl nicht relevant.

Witzemann bereute es jetzt seine Schafe verlassen zu haben. Nur zu gerne hätte er den Wölfen eines seiner Tiere überlassen. Leithammel zum Beispiel.

Der bekannte Spruch: „Hinterher ist man immer klüger.“, traf in seinem Fall zu hundert Prozent zu. Leider.

Der Schwarze, der offensichtlich doch kein Hund war, machte wie üblich den Anfang. Dicht gefolgt von seinem Rudel.

Zu Witzemanns Leidwesen, war der Biss des Leitwolfs nicht gleich tödlich. So erfuhr er am eigenen Leib, was es hieß, von hungrigen Wölfen zerrissen zu werden. Zuschnappende Kiefer ließen Knochen brechen und Kleidungsfetzen wurden samt dem darunterliegenden Fleisch herausgerissen. Ein Fressrausch, von dem sogar die Zombies noch etwas hätten lernen können.

Normalerweise fressen Wölfe keine Menschen.

Normalerweise riechen Menschen auch nicht wie Schafe.

Als sich das Rudel wieder etwas beruhigt hatte, zerrten sie Witzemanns Überreste in den Wald.

Die Herrenumhängetasche ließen sie auf den Gleisen liegen.

 

Schwimmbad Rheinauen, Hohenems.

2. April 2015

 

 

Frau Meier und ich standen am Kassahäuschen vom Schwimmbad und überlegten uns, wie wir die Zombies vom SB-Restaurant weglocken konnten. Es gab eine kurze Diskussion darüber, wer wohl geeigneter war, sie abzulenken. Ich mit meinem roten Gesicht, oder Frau Meier im Bikini.

Ich war mir sicher, Frau Meier wäre die bessere Wahl gewesen.

Meine Theorie blieb aber leider unbewiesen, da sie keine Badekleidung dabei hatte. Den Vorschlag, es doch ohne zu versuchen, behielt ich vorsichtshalber für mich.

So blieb es wieder einmal an mir hängen, wie ein aufgescheuchtes Huhn über die Liegewiese rennen. Im Schlepptau halb verweste Tote in Badehosen. Ein wirklich groteskes Bild, das noch durch einen etwas dicklichen Untoten, mit Schwimmreifen um die Hüften abgerundet wurde.

Ich schaffte es, den Grossteil von ihnen im Sportbecken zu versenken, wo sie sogleich auf den Grund sanken. Ein Wasserballet der besonderen Art. Der Schwimmreifentyp hingegen, schaukelte übers Wasser wie eine Boje.

Den Rest hängte ich locker in der Röhrenrutsche ab. Die wollte ich sowieso schon lange mal ausprobieren.

Aber ohne Wasser war es dann doch nicht so cool, wie ich mir das vorgestellt hatte.

Frau Meier, wie wir wissen eine Frau der Tat, hatte inzwischen im SB-Restaurant für Ordnung gesorgt. Als ich zu ihr stieß, lagen drei Untote mit gespaltenen Köpfen, vor ihr auf dem Boden.

„Make Love, not War, ist nicht so ihr Ding. Stimmt`s Frau Meier?“

Sagte ich und betrachtete die Sauerei.

„Sagen wir einfach, ich hab rot gesehen.“ Meinte sie mit einem Blick in mein Gesicht.

Da der Klügere bekanntlich nachgibt, schwieg ich zu diesem Thema.

Die Köstlichkeiten die das Restaurant zu bieten hatte, beschränkten sich leider nur auf ungesunde Sachen. Schokoriegel, Kekse, Lutscher, Kaugummi und so ein Zeug. Alle anderen Lebensmittel sahen mangels Kühlung, ungefähr so aus wie die Untoten.

Ziemlich eklig eben.

Wir packten ein was wir tragen konnten und machten uns auf zu unserem Auto.

Unsere Begleiter warteten schon und das Rad war gewechselt.

„Diesmal übernehme ich das Steuer, wenn sie nichts dagegen haben Frau Meier.“ Sagte ich ohne jegliche Hoffnung.

Aber zu meinem Erstaunen willigte sie ohne Widerrede ein.

Als wir losfuhren sagte Frau Meier zu mir: „Ach ja, bevor ich`s vergesse, Ich hab hier noch was für dich. Das hab ich im Schwimmbad gefunden.“

Sie griff in ihre Jackentasche und zog etwas glänzendes, rundes heraus. Vor Schreck wär ich fast in den Graben gefahren.

Meine Pechsträhne wollte kein Ende nehmen. Sie hatte doch glatt diese verdammte Musikantenstadl-CD wieder gefunden. Ich verfluchte mich dafür sie nicht zerbrochen zu haben.

Mit einem sadistischen Lächeln, schob Frau Meier sie betont langsam, in das Radio.

 

Brauerei Frastanz.

2. April 2015

 

 

In der Brauerei stank es fürchterlich. Eine schwer zu eruierende Mischung aus Ingredienzien, die eigentlich niemand kennen möchte.

Die Quelle war nicht schwer festzustellen. Es waren die großen Kupferkessel. Jemand hatte sich die Mühe gemacht, tote Zombies

darin zu versenken. Das unfertige und inzwischen faule Bier, vermischte sich langsam mit den Verwesungssäften der Untoten.

Außerdem hatte sich noch ein nicht unbeträchtlicher Teil, der heimischen Insektenwelt eingefunden. Eine Brutstätte für Maden aller Art. Was dem Ganzen das Aussehen von Nudelsuppe mit Einlage verlieh.

Durch diesen Anblick, vom Hungergefühl für den Rest des Tages befreit, machten sich Anna, Prenn und Kwai Chang auf die Suche nach dem Objekt ihrer Begierde. Auch „kühles Blondes genannt“.

Die Lagerräume waren bis obenhin voll mit Kisten und Fässern.

Mit dem Ausbruch der Seuche, sank anscheinend auch der Bierkonsum.

Die überwältigende Menge an Gerstensaft und ihre nicht freiwillige, längere Abstinenz, verleitete sie dazu, den „Einkauf“, gewaltig zu übertreiben.

Ihr erstes Bier seit langem, wurde deswegen auch auf Ex getrunken.

Anna ging bei diesem kleinen Wettbewerb klar als Sieger hervor.

Dicht gefolgt von Prenn und Kwai Chang. Letzterer ließ sich das Bier noch mal durch den Kopf gehen, indem ein Teil davon als Schaum wieder aus seiner Nase kam.

Eine durchaus übliche Vorgehensweise bei solchen Trinkspielen.

Ihr Motto für heute hieß eindeutig; „am Morgen ein Bier und der Tag gehört dir.“

Nach dem beladen des Unimog und einem weiteren Bier, war ihre Laune auf einem, schon lange nicht mehr erreichten Höhepunkt.

Deshalb sahen sie es als eine hervorragende Idee an, herumstreunende Zombies, mit ihrem Mercedes Unimog von der Strasse zu katapultieren und ihnen Haltungsnoten für ihren Abgang zu geben. Unter schallendem Gelächter natürlich.

Die durch den Alkohol herbeigeführte Euphorie, hielt aber nicht lange an. Mit der Rückkehr der Vernunft, kehrte auch gleichzeitig der Durst zurück. Da der Tag noch jung war und sie ja noch was zu erledigen hatten, einigten sie sich auf etwas Alkoholfreies.

Als sie Bludenz erreichten wurde das Vorankommen zunehmend schwieriger. Verlassene Fahrzeuge, ausgebrannte Wracks und hastig errichtete Straßensperren, zwangen sie zu zeitraubenden Umwegen. Nicht zu vergessen, die Untoten. Die neigten nämlich, wie in allen größeren Städten, zur Gruppenbildung.

 

Hohenems.

Grenzübergang zur Schweiz.

2. April 2015.

 

 

Ich hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch.

Das lag zum einen an der musikalischen Untermalung, zum anderen an den fünf Schokoriegeln, die ich innerhalb kürzester Zeit verschlungen hatte.

Frau Meier hatte mich noch gewarnt, es mit dem süßen Zeug nicht zu übertreiben. So wie eine Mutter, die ihrem Kind sagt; „iß nicht zuviel von der Schokolade, sonst wird dir schlecht.“

Und was tut so ein verzogener Fratz dann?

Genau. Er handelt im Trotz und haut rein bis er kotzt.

Da ich mir natürlich keine Blöße geben wollte, öffnete ich das Fenster, genoss die frische Luft und frönte meiner Übelkeit.

Männer sind eben hart im Nehmen.

Kurz vor dem Zollamt, fand unsere Fahrt entlang des alten Rheins,

mit seiner herrlichen Natur, ein jähes Ende.

Der Grenzübergang, der meine Heimatstadt mit der Schweiz verband, führte über eine Brücke, die den alten Rhein überspannte.

Im Umkreis von ein paar Kilometern die einzige Brücke.

Was in diesem Falle, den äußerst regen und einseitigen Grenzverkehr erklärte.

Ein unaufhaltsamer Strom von Untoten Schweizern, strömte ohne Passkontrolle auf unsere Seite des Rheins.

Dass es sich um Schweizer handelte war natürlich nur eine Vermutung. Bekräftigt durch die Richtung aus der sie kamen und die Geschwindigkeit, mit der sie sich bewegten.

Es mussten tausende sein, die in Richtung Hohenems wanderten und die Stadt überschwemmten. Wie in alten Zeiten. Doch diesmal kamen sie nicht um Einzukaufen.

Es blieb uns nichts anderes übrig, als schleunigst umzudrehen.

Ob Schweizer oder nicht, es waren einfach zu Viele.

Wir wandten uns nach Osten um dieser Invasion zu entgehen. Aber je näher wir dem Stadtzentrum kamen, desto klarer wurde uns, dass wir abgeschnitten waren.

Auf einer Seite die Berge, auf der anderen der Rhein. Dazwischen Zombies soweit das Auge reichte. Mit dem Auto kamen wir hier nicht mehr durch.

An einer gut übersichtlichen Stelle hielten wir an und besprachen unser weiteres Vorgehen.

„Also wenn ihr mich fragt, ist jetzt Frau Meier dran mit Zombies ablenken. Ich hab heute schon mal.“ Sagte ich.

„Dich fragt aber niemand.“ Meinte sie nur.

„Wir brauchen konstruktive Vorschläge.“ Sagte Pater Adrian ernst.

„Was bleiben uns für Möglichkeiten? Wie gehen wir weiter vor?“

Er blickte uns der Reihe nach fragend an.

„Das heißt dann wohl, umkehren oder nicht. Vereinfacht gesagt.“

Deniz klang enttäuscht.

„Vereinfacht gesagt ja. Aber ich glaube nicht, dass umkehren wirklich eine Option ist.“ Warf Pater Adrian ein.

„Das ist auch meine Meinung Pater. Langfristig gesehen löst das nämlich keines unserer Probleme.“ Sagte Frau Meier.

„Sollte diese Masse an Untoten sich nach Feldkirch bewegen, säßen wir auf Monate hinaus fest. Das wäre ziemlich sicher unser Tod.“ Fuhr sie fort.

„Also wenn das der Fall ist, müssen wir unsere Freunde so schnell wie möglich evakuieren. Fragt sich nur wohin.“ Warf ich ein.

„Es gibt nur eine Lösung. Wir verfolgen unseren bisherigen Plan, finden ein Flugzeug und verschwinden von hier.“ Sagte Deniz bestimmt.

„Im Prinzip bin ich deiner Meinung. Vorausgesetzt wir finden einen Weg zum Flughafen Altenrhein.“ Gab Pater Adrian zu bedenken.

„Ich glaube das ist noch unser kleinstes Problem. Über die Berge führen genügend Wege. Da ist das Gelände größtenteils so steil, da treffen wir garantiert auf keine Zombies.“ Sagte ich.

Was mir zu Denken gibt, wie bringen wir die ganzen Leute zum Flugplatz? Wenn sich dieser Schwarm nicht verzieht haben wir mit Autos keine Chance.“

Betretenes Schweigen machte sich breit. Unser ach so schöner Plan, hakte anscheinend an allen Ecken und Enden. Wir hatten wieder einmal nicht an alles gedacht. Aber alles zu bedenken, hätte vorausgesetzt, allwissend zu sein. Dem konnte nicht mal ich entsprechen. Auch wenn ich nah dran war.

Meistens kommt es eben anders als man denkt.

Schon wieder so ein doofes Sprichwort das sich bewahrheitete.

„Das ist aber noch lange kein Grund gleich aufzugeben.“ Sagte Frau Meier, nach einem Moment des Schweigens.

„Probleme sind da um gelöst zu werden. Lasst euch mal was einfallen. Das Ding auf eurem Hals kann man auch zum Denken benutzen.“ Sie versuchte wohl die aufkommende, trübe Stimmung etwas aufzuhellen.

„Also Jonas.“ Fuhr sie fort. „Du hast doch sonst auch immer irgendwelche Ideen.“

„Ja schon, aber die werden von ihnen ja nie beachtet.“ Antwortete ich.

„Nur nicht den Mut verlieren, vielleicht ist ja mal ne brauchbare darunter.“ Meinte sie.

„Und was ist mit unserem „Top Gun“ Piloten Deniz? Dein letzter Geistesblitz ist auch schon ne Weile her.“ Frau Meier sparte mal wieder nicht mit Komplimenten.

„Aber…aber….“ Stammelte Deniz.

„Stottern bringt uns jetzt auch nicht weiter.“ Meinte sie trocken.

Deniz machte ein beleidigtes Gesicht. Er kannte Frau Meier`s seltsamen Humor noch nicht so gut wie ich.

„Wie steht’s mit unserem christlichen Beistand. Haben sie heute schon für eine gute Idee gebetet Pater?“ Bohrte sie weiter.

„Mann, Frau Meier. Sie haben es heute aber wirklich drauf sich Freunde zu machen.“ Sagte ich dazwischen.

„Ach was, Jonas. Freunde werden überbewertet. Da bist du ein gutes Beispiel dafür.“

„Haha. Wenn ich sie nicht so gut kennen würde, müsste ich doch glatt beleidigt sein. Auf ihre Art wollen sie uns doch nur sagen, wie sehr sie uns schätzen. Stimmt`s?“

„Pfft.“ Machte sie und winkte ab.

„Kommen sie schon. Zeigen sie uns mit einem Lächeln, dass ich recht habe. Dann gehe ich ihnen auch für den Rest des Tages nicht mehr auf die Nerven.“ Versprach ich.

„Dein Wort in Gottes Ohr.“ Sagte sie.

„Haben sie denn einen Vorschlag zur Lösung unseres Problems, Frau Meier?“ Fragte Pater Adrian.

„Naja, kommt drauf an.“ Antwortete sie geheimnisvoll.

„Aha, und auf was?“ Fragte ich.

„Darauf, ob unser Crashpilot hier, in der Lage ist einen Hubschrauber zu fliegen.“ Sagte sie und klopfte Deniz auf die Schulter.

Crashpilot machte ein etwas saures Gesicht. Wahrscheinlich, weil er mit dieser Bezeichnung nicht ganz glücklich war.

„Und, kann er?“ Fragte ich als er keine Anstalten machte etwas zu sagen.

Deniz verschränkte die Arme vor der Brust wie ein trotziges Kind.

„Das wird er euch nur verraten, wenn ihr ihn nicht mehr Crashpilot nennt.“ Sagte er mit einem missbilligenden Blick auf Frau Meier.

„Sorry. Wusste nicht, dass du deine Tage hast.“ Meinte sie achselzuckend.

Deniz hatte schon die Hand erhoben, um ihr den Mittelfinger zu zeigen, ließ sich dann aber aufgrund ihres Gesichtsausdrucks, eines besseren belehren.

„Könnten wir dieses kindische Getue jetzt beenden und weiter machen.“ Sagte ich und klebte Frau Meier unbemerkt, einen Sticker von einer Schokoriegelverkackung auf den Rücken.

„Nicht Lustig“ stand in großen, grellbunten Lettern drauf.

„Die ersten Ausläufer der Zombieüberschwemmung nähern sich nämlich schon.“

 

Bahndamm.

Zwischen Rankweil und Feldkirch.

2. April 2015.

Mad Mathis kam aus dem Wald heraus und erklomm die kurze Steigung zum Bahndamm. Auf seine Schaufel gestützt, vergewisserte er sich mit einem kurzen rundum Blick, ob keine Untoten in der Nähe waren. Aber es war alles ruhig. Ganz so als würden sie ihn meiden. Vielleicht ahnten sie ja was ihnen blühen würde.

Langsam folgte er dem Gleis in Richtung Feldkirch. Den Blick auf die Bahnschwellen gerichtet. Eins zwei drei vier…, fing er an die Schwellen zu zählen.

Mad Mathis zählte gerne. Es beruhigte ihn.

Schon als Kind hatte er angefangen alles zu zählen. Ganz besonders die Schläge, die er immer von seinem Vater bekam.

Fünf sechs sieben acht…. Er zählte auch immer wie viele Schaufeln Erde es benötigte, um ein Grab auszuheben.

Neun zehn elf zwölf…. Oder die Atemzüge, die er brauchte um wieder ruhig zu werden.

Dreizehn vierzehn fünfzehn sechzehn…. Oder die Dinge, die er auf dem Gleis fand.

Vor ihm lag eine Tasche. Eine Umhängetasche. Mad Mathis hatte schon mal gesehen, dass Männer solche Taschen trugen. Und das, obwohl sie keine Briefträger waren. Er hob sie auf, hängte sie sich um und setzte seinen Weg fort. Die Blutflecken darauf störten ihn nicht.

Siebzehn achtzehn neunzehn zwanzig….

 

Bodensee, vor Bregenz.

2. April 2015.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ranseier und sein Gefolge hatte es geschafft, sich mit ihrem Segelboot soweit vom Lindauer Hafen zu entfernen, dass sie nicht mehr Gefahr liefen, beschossen zu werden.

Für Ranseier eine ungemeine Erleichterung. Die Schusswunden, die er erlitten hatte, waren für einen Tag mehr als genug.

Mit Rudern und so etwas ähnlichem wie segeln, waren sie mit ihrer Beute entkommen. Keiner von ihnen hatte auch nur annähernd eine Ahnung vom Segeln. Und Gott war ihnen in der Hinsicht auch keine Hilfe.

Ranseier nahm sich vor, den nächsten Raubzug dieser Art, etwas besser zu koordinieren. Und vor allem brauchte er einen Stellvertreter. Am Besten jemand der von Gott dafür auserkoren wurde und auch noch dankbar für diese Bürde war. Beim Militär funktionierte diese Strategie ja auch hervorragend. Kein General beteiligt sich persönlich am Gemetzel. Wär ja schade um die schöne Uniform.

Solchen Unternehmungen, würde er in Zukunft nur noch aus sicherer Entfernung beiwohnen. Um so ein Schauspiel in Zukunft genießen zu können, musste sich aber erst mal jemand um seine Löcher im Arsch kümmern.

Die Blutung hatte inzwischen etwas abgenommen. Die Schmerzen allerdings nicht. Der Mangel an Verbandsmaterial und Schmerzmitteln, machten ihm schwer zu schaffen.

Unglücklicher Weise konnte er sich von seiner Mannschaft, die dringend benötigte, medizinische Hilfe nicht erwarten. Durch ihren bildungsfreien Lebensstil, war keiner von ihnen in der Lage, mehr als einen einfachen Verband anzulegen. Die männlichen Sektenmitglieder waren für so eine Tätigkeit auch nicht ausgebildet. Das hatten bisher ihre Frauen erledigt. Von denen war aber leider keine mehr am Leben.

Der einzige Beistand, den Hirte Ranseier von seiner Herde bekam, waren ein paar Gebete. Und die wurden nur undeutlich gemurmelt, weil sie gleichzeitig ihre ausgemergelten Körper, mit den erbeuteten Lebensmitteln stärkten.

Ranseier ernannte Stefan Jürgens zu seinen Stellvertreter.

Ein junger, kräftiger Kerl mitte zwanzig. Er war vielleicht nicht der Hellste unter seiner Führung, aber er brachte das richtige Maß an Fanatismus und Skrupellosigkeit mit, die Ranseier erwartete.  Unerlässliche Eigenschaften, um es in einer Sekte zu etwas zu bringen. Ein Mann nach Ranseier`s Geschmack.

Seine erste, verantwortungsvolle Aufgabe bestand darin, die drei entführten Frauen unter Waffengewalt dazu zu zwingen, Ranseier so gut wie möglich zu versorgen.

Unter solch bedrohlichen Umständen, waren eine Fußpflegerin, eine Änderungsschneiderin und eine Chefsekretärin gezwungen, ein provisorisches Notarztteam zu bilden.

Jede von ihnen fand ihren Aufgabenbereich, entsprechend ihrer früheren Tätigkeit. Verbandsmaterial organisieren, Wunden säubern und Wunden zusammennähen.

Bei ihrer Odyssee auf dem Bodensee, kam ihnen der Zufall zu Hilfe.

Ranseier nannte es Gottes Wille.

Der Wind trieb sie in Richtung Bregenz. Aber es war nicht die Stadt, die sein Interesse weckte.

Direkt vor der Hafeneinfahrt ankerte ein großes, futuristisch aussehendes Schiff. „Sonnenkönigin“ war darauf zu lesen.

Ein seltsamer Name für ein seltsames Schiff.

Ranseier nahm sich vor das zu ändern. Wenn das Schiff erst mal ihm gehörte und daran hatte er nicht die geringsten Zweifel, würde er es auf „Sonnenkönig“ taufen lassen. Eine wirklich passende Bezeichnung in seinen Augen.

Und er würde diese Bezeichnung auch für sich selbst beanspruchen.

Der Titel „Hirte“ hatte ausgedient. Er war zu höherem geboren, als nur eine Herde zu führen. Wer vor hatte eine neue Weltordnung zu gründen, brauchte auch einen dementsprechenden Namen.

Sonnenkönig Karl I., Stellvertreter Gottes auf Erden. Ja, das hörte sich gut an. So war es von Gott vorherbestimmt.

Das Wundfieber ließ in phantasieren. In seinem Delirium sah er sich selber bei der Krönungszeremonie. Ein wunderbarer Anblick.

 

Hohenems. (Das Schwungrad der Welt)

2. April 2015

Ich atmete erst mal kräftig durch, um die herrliche Luft meiner Heimatgemeinde zu genießen. Es war einfach wundervoll, nach so langer Zeit wieder hier zu sein. Da kamen all die Erinnerungen wieder hoch. An den Verwesungsduft konnte ich mich allerdings nicht erinnern. Auch nicht an all die Zerstörungen und die mit Autowracks verstopften Strassen.

Man konnte behaupten, das Flair dieser Kleinstadt war verloren gegangen.

Wo wir schon mal hier waren, wollte ich unbedingt bei mir zuhause vorbeischauen. Ich hatte da noch ein paar Lieblingsklamotten im Schrank, die nur darauf warteten, meinen Körper umschmeicheln zu dürfen. Meine seidenen Unterhosen zum Beispiel.

In meiner Wohnsiedlung war es noch ziemlich ruhig. Das würde sich aber bald ändern. Die Zombies aus der Schweiz würden bald hier sein. Da es nicht unser Wunsch war, ihnen „Grüezi“ zu sagen, musste ich mich beeilen.

Frau Meier, neugierig wie alle Frauen, ließ es sich nicht nehmen, mich in meine Wohnung zu begleiten.

Sie nannte es natürlich; „Rückendeckung für alle Fälle“.

Frauen wahren Meister der Umschreibung. Das erleichterte ihnen zwar nicht das Leben, aber darum ging es ihnen auch nicht.

Ihr Hauptanliegen war es, den Männern das Selbe möglichst schwer zu machen. Was ihnen in vielen Fällen auch gelang.

Aber als abgebrühter Profi, was das anbelangte, ließ ich sie gewähren.

„Sehen sie doch inzwischen in der Küche nach, ob sie noch was Essbares finden Frau Meier. Ich pack inzwischen ein paar Sachen ein.“ Sagte ich.

„Ach ja, wenn sie Schokolade finden, lassen sie die Finger davon“.

„Wieso, ist sie schimmlig?“ fragte sie.

„Nein, die gehört mir. Mir allein klar?“ Antwortete ich.

„Aber Jonas, die Zeiten wo dir etwas allein gehörte, waren schon vorbei als du geheiratet hast.“ Rief sie aus der Küche.

Ich hasste es, wenn sie recht hatte.

„Nett hast du es hier. Wenn das alles vorbei ist, kann ich dann bei euch einziehen? Ich brauch auch nicht viel Platz.“ Sagte Frau Meier.

„Nein, tut mir leid. Meine Frau erlaubt mir keine Freundin. Auch keine alte.“ Das Hupsignal von unseren Freunden, bewahrte mit mich vor einem Fußtritt von Frau Meier. Sie mochte es gar nicht, wenn man sie als alt bezeichnete. Das nächste Mal sollte ich vielleicht den Begriff „gereift“ verwenden. Um Schmerzen vorzubeugen.

Ein Blick aus dem Fenster reichte, um uns zu beeilen. Die Front der Untoten war näher gerückt. Pater Adrian und Deniz vergnügten sich bereits mit den ersten Vorboten der Hölle. Da wollten wir nicht fehlen. Zeit zu verschwinden.

 

Bahndamm.

Zwischen Rankweil und Feldkirch.

2. April 2015.

 

 

Einhundertsiebenundachtzig einhundertachtundachtzig einhundertneunundachtzig …. Ein tiefes Knurren ließ Mad Mathis stoppen. Widerwillig löste er seinen Blick von den Bahnschwellen.

Es beunruhigte ihn, beim zählen gestört zu werden. Und wenn er sich verzählte, würde er furchtbar wütend werden.

Vor ihm stand ein großer schwarzer… Hund?

Nein, das war ein Wolf. Wie war das möglich? Die gab es hier doch gar nicht.

Da, wieder ein Knurren. Diesmal von hinten. Er blickte sich verwundert um. Hinter ihm hatte sich gleich ein ganzes Rudel dieser Tiere versammelt.

Mad Mathis war hin und her gerissen, zwischen Verwunderung und Wut. Er hatte sich verzählt. Das war nicht gut.

Durch das aggressive Verhalten der Tiere, wich seine Verwunderung der Wut. Lässig schwang er seine Schaufel von der Schulter. Er nahm eine seitliche Haltung ein, die es ihm erlaubte, sowohl das Rudel als auch den Schwarzen, aus den Augenwinkeln zu beobachten.

Normalerweise greifen Wölfe keine Menschen an.

Aber inzwischen, waren sie es einfach so gewöhnt.

Das Rudel täuschte einen Angriff vor. Im selben Moment sprang ihn der Schwarze an. Die mit Schwung geführte Schaufel traf in an der Seite und änderte seine Flugbahn.

Jaulend rollte er sich überschlagend, den Bahndamm hinunter.

Das Rudel schien ohne seinen Anführer, etwas an Entschlossenheit

verloren zu haben. Zähnefletschend umkreisten sie Mad Mathis.

Der schwang seine Schaufel wie ein Hammerwerfer im Kreis und hielt sie so auf Abstand.

Mad Mathis war klar, dass das auf die Dauer aber nicht genug war.

Um ein Exempel zu statuieren und die Meute zu demoralisieren, sucht er sich das stärkste Tier aus und griff es an.

Mit einem einzigen, kräftigen Schlag seiner Schaufel, brach er ihm das Rückgrad. Laut winselnd, versuchte das Tier sich mit lahmen Hinterläufen, aus der Gefahrenzone zu schleppen.

Mad Mathis setzte nach und zertrat ihm mit seinen schweren Bergschuhen den Schädel. Gleichzeitig holte er wieder aus.

Ein besonders mutiges Tier verbiss sich von hinten in sein Bein.

Mad Mathis schrie auf, drehte sich und rammte ihm die Schaufel in die Eingeweide. Abwechselnd tretend und schlagend ging er auf die Wölfe los.

Das gab den Ausschlag. Die Meute gab klein bei. Jaulend und winselnd verschwanden sie im Wald. Mit so einer heftigen Gegenwehr hatte sie nicht gerechnet.

Mad Mathis betrachtete die toten Tiere und beruhigte sich langsam.

Ruhe war gut für ihn. Und für seine Umgebung.

Er hob einen der Wölfe auf und legte ihn sich über die Schultern.

Wie würde so ein Wolf wohl schmecken, fragte er sich.

Normalerweise essen Menschen keine Wölfe.

Normalerweise essen sie was Anderes.

Eins zwei drei vier…. Auf ein Neues, sagte er sich.

 

Robert Loner, Lokführer in Rente und ÖBB-Agent, hatte nach wochenlangen Verschubarbeiten, den Streckenabschnitt zwischen Feldkirch und Bregenz freigeräumt. Sein Auftrag, den Feind außer Landes zu bringen, oder ihn zu töten, hatte nach wie vor Bestand.

Sein heutiges Ziel war Bregenz. Die „Österreichische Behörde für besonderes“ hatte seinem Agenten nahegelegt, die Landeshauptstadt auf seiner Prioritätenliste ganz nach oben zu setzen. Als pflichtbewusstes Mitglied dieser Organisation, fragte er nicht nach dem Warum, sondern bemühte sich seinen Auftrag zu aller Zufriedenheit zu erledigen.

Mit Höchstgeschwindigkeit raste er durch Feldkirch, Richtung Bregenz.

 

Dreiundsechzig vierundsechzig fünfundsechzig sechsundsechzig…. Der tote Wolf lastete schwer auf Mad Mathis` Rücken. Das Zählen viel ihm dadurch immer schwerer. Was wiederum dazu führte, dass er etwas unruhig wurde.

Das und der Umstand einen Wolf um die Ohren zu haben, der sein Gehör beeinträchtigte, war schuld daran, dass er den herannahenden Zug überhörte.

Die Gewalt des Zuges traf ihn so überraschen, dass er gar nicht bemerkte was geschah. Als der Lärm, des sich entfernenden Zuges verebbte, lag er blinzelnd auf den Gleisen und betrachtete seine Beine. Die lagen etwas abseits von ihm und zuckten noch ein letztes Mal. Da es nur zwei waren, machte er sich nicht die Mühe sie zu zählen. Er wünschte sich noch, er könnte das Blut zählen, das aus ihm heraus floss. Dunkelheit umschloss ihn langsam.

Mad Mathis starb in dem Wissen, sich verzählt zu haben. Beunruhigend.

 

Robert Loner bemerkte den Vorfall gar nicht. Gedanklich befand er sich gerade in einer Welt, die nur in seinem Kopf existierte.

Bei seinem nächsten Kontrollgang, würde er sich allerdings wundern, wieso ein toter Wolf mit einer Herrenumhängetasche, vorne an seiner Lok klebte.

 

St. Anton im Montafon.

2. April 2015.

 

 

Gretchen van der Vaart war eine Profi-Heulsuse. Ihrem Gatten, Rudi van der Vaart, war das mehr als klar. Er liebte sie trotzdem.

Darum tat es ihm auch leid, dass sie gebissen worden war.

„Tu doch was. Du bist der Mann.“ Jammerte sie.

Gretchen lag auf dem zurück geklappten Beifahrersitz und hielt ihre schmerzende Hand. Auf der Stirn einen nassen, kühlenden Waschlappen.

„Und was soll ich deiner Meinung nach tun?“ Fragte Rudi.

„Die Schmerztabletten hast du alle schon lange aufgebraucht. Wenn du nicht wegen jedem kleinen Wehwehchen eine genommen hättest, wären jetzt noch welche übrig. Du bist selber schuld.“ Warf Rudi ihr vor.

„Es hilft mir rein gar nichts, wenn du mir Vorwürfe machst. Das ist einfach nur gemein von dir.“ Sagte sie weinerlich.

„Ist doch wahr. Ich hab dich noch gewarnt, aber du hast es ja mal wieder besser gewusst.“ Sagte Rudi.

Er hatte eiserne Nerven, wenn es um das Gejammer seiner Frau ging. Aber ab einem gewissen Punkt, war auch bei ihm Schluss.

„Lass mich doch. Mir passiert schon nichts. Ich weiß schon was ich mache.“ Äffte Rudi mit hoher Stimme seine Frau nach.

„Das hast du jetzt davon.“ Ein bisschen Genugtuung schwang in seiner Stimme mit.

Das war zuviel für Gretchen. Sie fing an zu heulen.

Rudi kannte sie lange genug um zu wissen, dass mindesten fünfzig Prozent davon nur Theater war.

Normalerweise kam nach solchen Szenen, immer der Satz von ihr: „Ich will die Scheidung.“

Mit dem drastischen Rückgang der Weltbevölkerung, verlor dieser Spruch aber immer mehr an Bedeutung.

Die Auswahl an geeigneten, anderen Männern war nämlich ziemlich beschränkt.

Gretchen hatte auch die Angewohnheit, solche Meinungsverschiedenheiten, mit den Worten „du Schuft“, zu beenden. Eine Bezeichnung, die sie aus den Liebesromanen übernommen hatte, die sie immer las.

Rudi und Gretchen van der Vaart waren in das schöne Vorarlberg gekommen, um hier ihren Urlaub zu verbringen.

Im Montafon um genau zu sein.

Um auch wirklich in aller Ruhe entspannen zu können, zog es sie in den etwas abgelegenen Ort Gargellen. In einem kleinen Hochtal gelegen, direkt an der Baumgrenze. Ein Seitental in einem Seitental,

sozusagen.

Mit der erhofften Ruhe, war es dann leider schnell zu Ende, als eine neue Weltordnung hereinbrach.

Der Umstand, einen solch abgelegenen Ort gewählt zu haben, trug einen wesentlichen Beitrag, zu ihrem Überleben bei.

Der Großteil der Einheimischen Bevölkerung kannte Gargellen zwar dem Namen nach, hatte aber keine Ahnung wie man da hin gelangte. Was wiederum dazu beitrug, dass nur sehr wenige Untote diesen Ort besuchten.

Als gebürtige Holländer, die sie waren, sahen sie es als ihre heilige Pflicht an, in den Sommermonaten mit ihrem Wohnwagen zu verreisen.

Fast alle Holländer hatten einen Wohnwagen. Das lag an ihrer angeborenen Abneigung gegen Hotelzimmer.

Obwohl Holland ein sehr schönes, flaches Land war, das teilweise sogar unter dem Meeresspiegel lag, zog es die Einwohner zu bestimmten Zeiten in die Ferne.

Einem Gerücht zu folge, lebten alle in Wohnwagen, Wohnmobilen oder Hausbooten. Das war aber nur ein modernes, romantisiertes Märchen. Es gab nämlich auch richtige Häuser in Holland.

Der Bau dieser Häuser war ein Versuch, seitens der Regierung, die Bevölkerung sesshafter zu machen.

Leider nur ein Teilerfolg.

Auch der Häuser bewohnende Teil der Holländer, verließ zu bestimmten Zeiten ihre Heimat, um mit dem Wohnwagen durch Europa zu ziehen.

Diese Tradition hatte letzten Sommer ein jähes Ende gefunden.

Rudi und Gretchen waren zwei der Letzten ihrer Spezies.

„Halt an. Ich will mich in den Wohnwagen legen. Du willst mir ja nicht helfen.“ Sagte Gretchen beleidigt, als ihre Tränendrüsen ausgetrocknet waren.

Ihre verletzte Hand hielt sie ihm direkt unter die Nase und wedelte damit herum.

Rudi kannte dieses Procedere schon. Zuerst heulen dann beleidigt spielen und sich verziehen. Nur um nach kurzer Zeit wieder so zu tun, als wär nix gewesen.

„Ich kann dir nicht helfen. Wir haben weder Verbandsmaterial noch Medikamente.“ Rudi vermied es diesmal, darauf hinzuweisen, dass sie selbst für diesen Engpass verantwortlich war.

„Außerdem kann ich nicht anhalten, da draußen laufen Zombies rum.“

Das stimmte zwar, war aber nur eine Ausrede. Bis jetzt hatten sie sich die Untoten ziemlich gut vom Leibe gehalten.

„Du wirst an dem Biss schon nicht sterben. Also hör auf zu jammern.“ Sagte Rudi.

Böser Fehler.

„Ach, und woher willst du das wissen? Herr van der Neunmalklug.“

Fragte sie spitz.

„Weil das blöde Pony, das  dich gebissen hat, nicht einmal deine Haut verletzt hat. Du bekommst also keine Blutvergiftung.“

Machte Rudi ihr klar.

„Es tut aber trotzdem weh.“ Sagte sie trotzig.

„Das ist die Strafe dafür, dass du wieder einmal gegen meinen Rat gehandelt hast. Dummheit bestraft sich selber.“

Das war zuviel. Gretchen bekam einen roten Kopf und blies die Backen auf.

„Du liebst mich einfach nicht mehr so wie früher.“ Sagte sie.

Auch so ein Spruch mit dem sie ihn immer nötigte.

„Wenn ich dich nicht mehr so lieben würde wie früher, hätte ich dich schon lange… schon lange….“ Rudi kam ins stottern als ihm klar wurde, was er fast gesagt hätte.

„So! Was hättest du schon lange?“ Fragte Gretchen mit einem empörten Gesicht.

Rudis Rettung aus diesem Dilemma, kam in Form von fünf aufgetauten Winterzombies, die planlos auf der Straße standen.

Er bremste behutsam. Mit einem zweieinhalb Tonnen schweren und zehn Meter langem Wohnwagen hinten dran, fuhr man so, als hätte man Nitroglyzerin geladen. Äußerst vorsichtig.

Die Beiden hatten Gargellen aus mehreren Gründen verlassen.

Einer davon war Nahrungsmangel, wie heutzutage vielerorts.

Sie waren aufgebrochen, ohne ein richtiges Ziel zu haben.

So wie sie das früher öfters taten. Wenn man die eigene Wohnung hinter sich her zog, konnte man dort verweilen, wo es einem beliebte. Eine sehr praktische Art des Reisens.

So ähnlich, wie bei einer Schnecke. Leider war auch die Reisegeschwindigkeit so ähnlich.

Ein weiterer Grund war, die langsam unerträglich werdende Einsamkeit. Für Gretchen, als eine sehr kommunikativ veranlagte Vertreterin ihres Geschlechts, ein schwer zu ertragender Umstand.

Rudi fuhr im Schritttempo weiter und drängte die Untoten von der Strasse. Es war ein sehr mühevolles vorankommen. Manchmal waren aufwendige Rangiermanöver nötig, um liegengebliebene Fahrzeugkolonnen zu umfahren.

Jahrzehntelange Übung, im Umgang mit Wohnwagen, machte sich da bezahlt.

„Nur um dich daran zu erinnern, meine Hand schmerzt immer noch.“ Sagte Gretchen als sie wieder etwas flotter unterwegs waren.

„Ich werde dich von deinen Schmerzen befreien mein Schatz. Ich versprech`s dir.“ Sagte Rudi zu seiner Frau, um sie etwas zu beruhigen.

„Was soll denn das jetzt wieder heißen? Willst du mir den Gnadenschuss verpassen, oder was?“ Gretchen war offenbar immer noch auf Konfrontationskurs.

„Aber Liebling, wir haben doch gar keine Schusswaffe.“ Gab Rudi, dem es langsam aber sicher zu Bunt wurde, zurück.

 

Hohenems.

2. April 2015

 

 

Verdammt! Wie konnten die nur so schnell hier sein. Sie kamen zwischen den Häusern hervor, wie ein Ameisen-Staat auf der Wanderung. Damit hatten wir nicht gerechnet.

Unterschätze niemals deinen Feind.

Schon gar nicht, wenn er schon tot ist.

Als Frau Meier und ich aus dem Haus kamen, versuchten unsere Begleiter verzweifelt, das tote Gesindel von unseren Autos fernzuhalten.

Deniz schoss beidhändig, wie ein echter „Gangsta“, auf die Köpfe seiner hartnäckigsten Verehrer. Ein wahres Feuerwerk, aus zerplatzenden Köpfen umgab ihn. Herumfliegende Schädeldeckenteile ignorierend, tat er alles Menschenmögliche, die untote Flut auf Abstand zu halten.

Die wiederum, tat alles Untotenmögliche, um das Gegenteil zu erreichen. Ein Kräftemessen, das eigentlich schon entschieden war.

Pater Adrian hielt sein Stab quer vor der Brust und drängte die Zombies auf breiter Front zurück. Angesichts der schieren Menge, eine reine Verzweiflungstat.

Frau Meier, mal wieder der Meinung überall dabei sein zu müssen, stürzte sich todesmutig ins Getümmel. Nur mit einer recyclebaren Öko-Einkaufstasche voller Konserven bewaffnet.

Ein Greenpeace-Aktivist hätte nicht umweltfreundlicher in den Kampf ziehen können.

Mir war klar, dass das kein gutes Ende nehmen würde.

Die Fahrzeuge waren sowieso verloren. Selbst wenn wir es geschafft hätten einzusteigen, es hätte kein Durchkommen mehr gegeben.

Bei dieser Masse an Untoten wären sie zur Todesfalle geworden.

Ich riss Frau Meier aus der Umarmung eines fetten Zombies und rief: „Wir müssen hier weg. Das hat keinen Sinn.“

Am Kragen ihrer Jacke zog ich sie weiter aus der Gefahrenzone.

Eine sehr riskante Aktion. Der letzte Schwinger mit ihrer Einkaufstasche, hätte mich fast am Kopf getroffen.

„Schnell, da hinten über den Zaun. Der wird sie eine Weile aufhalten.“ Sagte ich.

Etwa dreißig Meter hinter uns, verlief über die gesamte Ostseite der Wohnsiedlung, ein hoher Maschendrahtzaun.

Frau Meier und ich waren als erste dort. Ganz klassisch, half ich ihr mit einer Räuberleiter.

Um sicher zu gehen, dass das Ganze auch schnell von Statten ging, half ich mit einem kräftigen Ruck nach. Vielleicht ein bisschen zu kräftig. Entweder war ich stärker als ich dachte, oder Frau Meier war leichter als sie aussah.

Auf jeden Fall, flog sie in einer perfekten Parabel über den Zaun und landete mit dem Gesicht, in einem frischen Maulwurfshügel.

Um noch etwas Praxis in dieser Tätigkeit zu erlangen, wandte ich bei Deniz dieselbe Methode an.

Diesmal mit Erfolg. Er landete auf den Beinen.

Pater Adrian und ich waren von Natur aus mit einer Körpergröße gesegnet, die es uns erlaubte, ohne eine derartige Hilfestellung den Zaun zu überwinden.

„Ich denke wir sollten uns in die Berge verziehen. Dort können wir sie besser abhängen.“ Sagte ich, als wir alle hinter dem Zaun waren.

Deniz und Pater Adrian nickten nur. Sie waren noch zu sehr außer Atem.

„Geht`s wieder Frau Meier? Sie müssen sich beim abrollen etwas mehr Mühe geben. Sonst könnten sie sich ernsthaft verletzen.“

Ich gab mich mitfühlend.

Ihre Antwort darauf konnte ich leider nicht ganz verstehen, da sie den Mund noch voller Erde hatte. Ich war mir aber ziemlich sicher, das Wort „Depp“ vernommen zu haben.

Der Verlust der Fahrzeuge war zu verschmerzen. Um zum Flugplatz zu gelangen, mussten wir Hohenems über die Berge umgehen.

Da hätten sie uns nichts genutzt.

Der Weg bis dort hin, gestaltete sich aber alles andere als leicht.

Er wurde zu einem mörderischer Spießrutenlauf, der unsere körperliche Konstitution auf eine harte Probe stellte.

Es glich einem militärischen Hindernislauf. Haken schlagen, Zäune überklettern, Zombies töten und rennen bis zur totalen Erschöpfung.

Der Preis für diesen grausamen Wettkampf war kein Pokal, sonder das Überleben.

Als Frau Meier zu schwächeln begann und etwas zurückfiel, machte ich eine kurze Bemerkung über ihr Alter. Das wirkte Wunder. Sie mobilisierte ihre Reserven. Als hätte man ihr ein Dopingmittel für Pferde verpasst, preschte sie nach vor und erreichte den Wald als Erste.

Ich würde sie später daran erinnern, dass ich ihr schon wieder das Leben gerettet hatte. Psychologische Tricks waren meine Spezialität.

Das steile Gelände im Wald war nicht einfach zu bewältigen, aber es hinderte die Untoten am Weiterkommen.

Das verschaffte uns eine kurze Verschnaufpause.

Da Frau Meier sich Voll und Ganz, um die Sauerstoffsättigung in ihrem Blutkreislauf kümmern musste, hatte ich im Moment nichts von ihr zu befürchten.

Wäre ich nicht selber mit atmen beschäftigt gewesen, hätte ich die Situation natürlich schamlos ausgenutzt.

Meine hervorragenden Ortskenntnisse in diesem kleinen Teil der Welt, konnte man ohne zu übertreiben, als äußerst hilfreich bezeichnen.

Auf schmalen Pfaden, die auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen waren und Abkürzungen die nur Einheimische kannte, führte ich meine Begleiter durch die Wälder und Berge von Hohenems. Ziemlich anstrengend, dafür aber sicher.

 

Bludenz.

Abzweigung Montafon.

2. April 2015.

Gretchen van der Vaart hatte beschlossen, ihre Heulsusentaktik etwas zu ändern. Das mit der schmerzenden Hand hatte nicht ganz den Erfolg, den sie sich erhofft hatte.

Bevor sie nämlich nicht die Worte; „mein Schatz, ich liebe dich über alles“, von Rudi gehört hatte, gab sie nicht auf. Besonders dann nicht, wenn ihr langweilig war. So wie jetzt.

„Ich habe Hunger.“ Sagte sie in einem Ton, der eine Erwiderung darauf sowieso sinnlos machte.

Rudi hatte darauf mehr als nur eine Antwort parat. Im Sinne der Geschlechterverständigung, entschied er sich aber, den Mund zu halten.

Gretchen war eigentlich gar keine Heulsuse, sie liebte es einfach nur diese Rolle zu spielen. So konnte sie sich der ungeteilten Aufmerksamkeit von Rudi sicher sein.

Natürlich war es ein äußerst schmaler Grat, auf dem sie sich da bewegte. Es erforderte ein großes Maß an Menschenkenntnis und Feingefühl, zu wissen wie weit man gehen durfte.

Für Frauen wahrscheinlich eine Standardfähigkeit.

Zu wissen wenn man aufhören musste, um es nicht zu übertreiben, gehörte für Frauen nicht zum Standard.

Es gehörte zu ihrem und Rudi`s Beruf, eine Rolle überzeugend zu spielen. So wie Schauspieler.

Gretchen und Rudi waren aber keine Schauspieler.

Sie beseitigten Dinge, die für gewisse Leute ein Problem waren.

Sauber und Endgültig.

Meistens arbeiteten sie im Team. Aber auch einzeln waren sie sehr effektiv in ihrem Job.

Ihr unscheinbares Äußeres und ihre Tarnung als Ehepaar, kam ihnen dabei zugute. Es ließ sie in der Masse praktisch unsichtbar werden.

Wer vermutete schon hinter der Fassade eines Ehepaares in den

Dreißigern, das auch noch mit dem Wohnwagen unterwegs war, ein

Profikiller-Team.

Nach Vorarlberg waren sie eigentlich aus zwei Gründen gekommen. Erstens, um einen Job zu erledigen und zweitens, um Urlaub zu machen. Warum nicht das Berufliche mit dem Angenehmen verbinden. Außerdem würde niemand vermuten, dass ein Mörder seinen Urlaub, in der Nähe des Tatortes verbrachte.

Ihre Zielperson war ein reicher Russe dem ein Hotel in Lech gehörte. Ein gewisser Smirnoff. Mit seinen Nebengeschäften war er anscheinend jemandem in die Quere gekommen, der es gar nicht schätzte seinen Kuchen teilen zu müssen.

Wie auch immer, dieser Job war jetzt hinfällig. Die Zombies hatten das sicher schon erledigt.

Das Leben eines Profikillers bestand nicht nur, wie viele glaubten, aus essen, schlafen, töten, coole Autos fahren und die Welt bereisen.

Nein, um eine perfekte Tarnung aufrecht zu erhalten, mussten die Beiden einer richtigen Arbeit nachgehen.

Gretchen verdiente sich ihr unblutiges Geld als Yoga-Lehrerin und Feng Shui- Beraterin.

Mit Vorliebe erklärte sie ihren Klienten, die Vorteile einer harmonisierten Umbebung und die damit einhergehenden, positiven Ergebnisse auf Gesundheit und Erfolg.

Dass ihnen das aber nichts mehr nützen würde, da sie sie ja töten musste, erwähnte sie erst am Schluss.

Gretchen befreite ihre Opfer gerne mit Gift, Medikamenten-Cocktails, Stromschlägen oder ausgefallenen asiatischen Todesgriffen von ihrem Leiden. Auch Leben genannt.

Rudi hingegen, der als Vertreter für Küchenmesser seine offiziellen Brötchen verdiente, ging da schon etwas direkter vor.

Sein bevorzugtes Mittel zum Zweck, wie konnte es anders sein, waren Messer aller Art. Aber auch Alltagsgegenstände zählten zu seinem Werkzeug. Man würde sich wundern, was alles dazu geeignet war, einen Menschen zu töten.

Kreditkarten, Kugelschreiber, Schuhlöffel, ja sogar eine zusammengerollte Zeitschrift, wenn sie fachgerecht verwendet wurde. Töten ohne Schusswaffen galt in Killerkreisen als Königsdisziplin und wurde auch immer beliebter.

Gretchen und Rudi beherrschten dies wie fast kein Anderer.

Was ihnen auch einen Platz in den „Top Ten“, beim „World wide Killer-Ranking“ einbrachte.

Um ein erfolgreicher Problemlöser zu sein, waren viele Talente erforderlich. Sich freundlich und zuvorkommend zu geben, war nur eines davon.

„Huuunggeeer.“ Sagte Gretchen, betont in die Länge gezogen.

„Aber ja mein Schatz, ich hab dich schon verstanden.“ Sagte Rudi lakonisch und überfuhr einen am Boden liegenden Zombie.

Das knackende Geräusch der brechenden Knochen, erinnerte ihn daran, wie man nervige Leute zum Schweigen brachte.

Was ihm wiederum ein verträumtes Lächeln ins Gesicht zauberte.

 

Bludenz.

Abzweigung Montafon.

2. April 2015.

„Wir sollten auf der Bundesstrasse bleiben, da haben wir mehr Ausweichmöglichkeiten.“ Sagte Prenn.

Sie standen mit ihrem, zum Biertransporter umfunktionierten Unimog, an einer Abzweigung.

„Ja, das denke ich auch. Auf der Schnellstrasse gibt es ein paar Tunnel, die könnten schnell zur Falle werden.“ Gab Kwai Chang ihm recht.

„Ich schließe mich jeglicher Meinung an, solange sie eine Bierpause beinhaltet.“ Gab Anna ihre Sicht der Dinge zum Besten.

„Gute Idee. Mein Elektrolythaushalt schreit geradezu nach Mineralstoffen in flüssiger Form.“ Sagte Prenn, dessen Laune sich bei dem Wort Bier, schlagartig gebessert hatte.

„Ich weiß nicht so recht. Wir haben noch einen langen Weg vor uns.

Vielleicht sollten wir das verschieben.“ Sagte Kwai Chang, obwohl auch er einer prickelnden Erfrischung, nicht abgeneigt war.

Ich denke, das werden wir Heute sowieso nicht mehr schaffen. Es ist schon spät.“ Gab Prenn zu bedenken.

Kwai Chang warf einen Blick auf seine Rolex, ein Souvenir von einem untoten Lecher Juwelier.

„Dann suchen wir uns eben eine Unterkunft für die Nacht. Auf einen Tag mehr kommt es jetzt auch nicht mehr an.“ Sagte Kwai Chang schließlich.

Während sich die beiden Männer über mögliche, sichere Schlafplätze unterhielten, wanderte Anna`s Blick die Strasse entlang, wo einzelne Untote erfolglos versuchten, eine gemeinsame Richtung zu finden.

Ein Anblick, den inzwischen jeder Überlebende, nur noch am Rande wahrnahm. Deshalb war sie mit ihren Gedanken ganz wo anders.

Anna stellte sich immer eine Welt vor, in der sie ein erfolgreiches und angenehmes Leben führte. Eine Welt ohne Drogen und Gewalt.

Und natürlich ohne Zombies. Eine fiktive Welt eben. Leider.

Deshalb realisierte sie auch nicht gleich, was da langsam auf sie zugefahren kam.

In einer prä-Zombiewelt, wäre das Wohnwagengespann auch ein vollkommen normaler Anblick gewesen.

„He Jungs, zwickt mich mal. Ich glaub ich träume.“ Sagte sie, als es ihr dämmerte.

Die „Jungs“ staunten nicht schlecht, als sie sahen, was da auf sie zukam. Es war selbst für abgebrühte und durch die Hölle gegangene Untotenvernichter, kein alltäglicher Anblick.

Mit einem riesigen Wohnwagen, auf Zombieverseuchten Strassen rum zu tuckern, erforderte auf alle Fälle ein gewisses Maß an Verrücktheit.

„Was ist denn das für ne durchgeknallte Truppe?“ Wollte Kwai Chang wissen.

„Das ist doch verrückt.“ Sagte Prenn.

„Auf alle Fälle verrückter, als mit einer Ladung Bier rum zu fahren.“ Meinte Anna.

Das Wohnwagengespann hatte inzwischen angehalten. Sie hatten anscheinend bemerkt, dass in dem Unimog keine Untoten saßen.

Menschen die bis jetzt überlebt hatten, waren nicht zu unterschätzen. Und ob sie Freund oder Feind waren, ließ sich aus der Entfernung nur schwer einschätzen.

Das gegenseitige abschätzen verlief genauso, wie in einem Westernfilm, wenn sich zwei duellieren. Fehlte nur noch die dramatische, musikalische Untermalung.

„Dieser Anstarrwettbewerb wird mir jetzt zu blöd. Ich steig aus.“ Meinte Anna nach einer Weile.

„Und was dann? Willst du ihnen vielleicht ein Bier servieren? Du weißt nichts über sie.“

Sagte Prenn. Als ehemaliger Militär-Offizier war es seine Pflicht, Fremden zu misstrauen.

„Gar keine schlechte Idee. Dann sehen sie, dass wir keine Feinde sind.“ Sagte sie und stieg aus.

Mit einem Six-Pack in der Hand, spazierte sie lässig, zu dem wartenden Wohnwagengespann hinüber.

Da Berufskiller von Haus aus immer einen Schritt voraus denken, steckte sich Rudi gleich mehrere Messer ein, bevor er ebenfalls ausstieg. Er lächelte freundlich und winkte. Wie das Killer so machen.

Sein Gegenüber streckte die Arme aus, um zu zeigen, dass sie unbewaffnet war. Bier wurde nämlich in keiner Kultur als Waffe angesehen.

Rudi blieb hinter der offenen Fahrertür stehen. Er wusste zwar, dass sie einer Kugel nicht standhalten würde, aber es vermittelte einfach Sicherheit.

Anna blieb kurz vor dem Wagen stehen, nahm  ein Bier aus dem Six-Pack und hielt es ihm hin.

„Keine Angst, wir beißen nicht.“ Sagte sie.

Mit der Linken griff Rudi langsam nach dem Bier. Die Rechte, im dem er ein Messer hielt, verbarg er hinter dem Rücken. Immer bereit für einen gezielten Wurf.

„Sie werden verstehen, dass ein gewisses Misstrauen unsererseits angebracht ist. Man trifft heutzutage nicht nur auf freundliche Menschen.“ Sagte Rudi mit seinem Killerlächeln.

„Dann lass uns doch bei einem Bier herausfinden, zu welcher Sorte Menschen wir alle gehören.“ Sagte Anna und öffnete mit ihren Zähnen die erste Flasche.

 

Hohenems, mitten im Wald.

2. April 2015.

Deniz bestand auf einer Pause. Er war immer noch etwas eingeschränkt, wegen seiner alten Verletzung.

Er meinte auch, er hätte sich nicht zum Piloten ausbilden lassen, um im Wald herum zu rennen.

Ein berechtigter Einwand. Unser Mitleid hielt sich trotzdem in Grenzen.

Auch Frau Meier begrüßte den Vorschlag, etwas zu verschnaufen.

Mit der Einkaufstasche, die sie immer noch bei sich trug, machte sie den Eindruck, als käme sie gerade von einer stressigen Einkaufstour. Was eigentlich auch zutraf.

Pater Adrian äußerte sich zwar nicht zu unserer Pausen-Diskussion, sein hochroter Kopf sprach aber Bände.

Ich hätte gelogen, wenn ich behauptete, nicht genauso erschöpft zu sein wie meine Begleiter. Deshalb hielt ich den Mund und tat so, als wäre ich noch Topfit.

Eine Taktik, derer sich Ausdauersportler gerne bedienten.

„Und Frau Meier, macht der Ausflug Spaß?“ Fragte ich, damit unser Verschnaufen nicht so schweigsam verlief.

Smalltalk eben. Etwas, das man als ehemaliger Verkäufer aus dem Effeff  beherrschte.

„Komm doch etwas näher Jonas und ich werde dir meine Auffassung von Spaß demonstrieren.“ Meinte sie zwischen zwei Atemzügen.

„Danke, aber so genau wollte ich es gar nicht wissen.“ Gab ich zurück.

„Weißt du eigentlich noch wie wir zum Flugplatz kommen, oder haben wir uns schon verlaufen?“ Fragte mich Frau Meier.

„Wir gehen einfach immer nach Norden, dann können wir ihn nicht verfehlen.“ Antwortete ich.

„Und wo ist Norden du Schlaumeier?“

„Aber Frau Meier, das weiß doch jeder Idiot.“

„Genau deshalb frag ich dich ja.“ Sagte sie mit einem gemeinen Grinsen.

„Solange sie noch Luft zum Witze reißen haben Frau Meier, macht es ihnen sicher nichts aus, wenn wir von nun an ein flotteres Tempo anschlagen.“ Gab ich zurück.

Das saß. Das Grinsen verschwand so schnell aus ihrem Gesicht, wie es gekommen war.

„Ich denke wir sollten uns eine Bleibe für die Nacht suchen. Es ist schon spät.“ Meldete sich Deniz zu Wort.

Das mit dem Schnelleren Tempo schien ihm gar nicht zu gefallen.

„Eine ausgezeichnete Idee.“ Warf Frau Meier schnell ein.

„Wegen der Dunkelheit und so.“ Versuchte sie verzweifelt eine Begründung zu finden.

„Wenn ihr meint.“ Sagte ich betont gleichgültig und machte lässig ein paar Dehnungsübungen.

Vielleicht werde ich heute noch eine Runde Joggen gehen, ich brauch einfach noch ein bisschen Bewegung.“

Pater Adrian sah mich an und zog die rechte Augenbraue hoch.

Ich hatte wohl etwas zu dick aufgetragen.

„Also!“ Sagte ich und klatschte in die Hände.

„Wie wär`s, wenn wir heute in einer richtigen Burg übernachten würden? Zufällig kenn ich da eine, ganz in der Nähe.“

 

Wohnwagen der van der Vaart`s.

2. April 2015.

Das Misstrauen war schnell verflogen, als man anfing, sich gegenseitig, das Erlebte zu erzählen.

Gretchen und Rudi gaben natürlich nur ihr offizielles Leben Preis.

Die meisten Menschen reagieren etwas zurückhaltend, wenn man ihnen sagt, dass man sein Geld als Profikiller verdient. Klingt komisch, ist aber so.

Der gemeinsame Abend, endete damit, dass alle mehr oder weniger angeheitert waren. Anna und Prenn etwas mehr als die anderen.

Seit es Niemanden mehr gab, für den Prenn ein Vorbild sein musste, war er viel lockerer geworden. Etwas zu locker vielleicht.

Anna hingegen, war schon ihr ganzes Leben lang locker.

Die van der Vaart`s boten ihnen an, im Wohnwagen zu schlafen.

Ein Fahrbares Haus hat so seine Vorteile, meinten sie.

Bei Gefahr, fuhr man einfach ein Stück weiter.

Anna und Prenn nahmen dankend an. Sie hätten sowieso nicht mehr gerade laufen können.

Kwai Chang wollte unbedingt im Unimog schlafen. Für alle Fälle.

Aber es hatte auch einen anderen Grund. Irgendetwas stimmte mit den Holländern nicht. Er konnte nicht genau sagen was es war, aber etwas passte nicht. Sie waren etwas zu freundlich und nett. Außerdem war ein Dauerlächeln, wie sie es praktizierten, in diesen Zeiten nicht normal. Wer bis jetzt überlebt hatte, dem war normalerweise nicht zum Lachen.

Er konnte sich natürlich auch täuschen. Wer wusste schon, wie sich solch eine Ausnahmesituation, auf die Psyche der Menschen auswirkte. Vielleicht waren sie auch nur froh, auf andere Überlebende getroffen zu sein.

 

Schloss Glopper, Hohenems.

2. April 2015.

 

 

Schloss Glopper, bis vor kurzem noch Gräflicher Wohnsitz, wurde im 14. Jahrhundert erbaut. Da es seit dieser Zeit fast durchgehend bewohnt wurde, war es in einem sehr guten baulichen Zustand.

Die jetzigen Bewohner, Graf und Gräfin von Untot, waren überaus begeistert von unserem Besuch. Sie empfingen uns überschwänglich, mit ausgestreckten Armen und klappernden Gebissen. Wahrscheinlich hatten sie schon länger nichts mehr gegessen.

Da uns nicht der Sinn nach einer Konversation mit ihnen stand, lockten wir sie kurzerhand auf den Turm, wo sie mit etwas Hilfe unsererseits, die herrliche Aussicht im freiem Fall genossen. Vielleicht nicht gerade ein pietätvoller Umgang mit bereits Verstorbenen, aber das ersparte uns die eklige Arbeit der Leichenbeseitigung.

Mitleid war etwas das wir uns nicht leisten konnten.

Das tägliche Leben mit Frau Meier härtete eben ab.

Nach getaner Arbeit, machten wir es uns im kleinen Rittersaal gemütlich. Umgeben von Rüstungen und antiken Waffen, die wahrscheinlich irgendwann einmal, schon einen Schädel gespalten hatten. Da schmeckte das Essen doch gleich viel besser.

In der heutigen Zeit, war der Anblick von Tötungswaffen etwas Beruhigendes und vermittelte Sicherheit.

Unsere mitgebrachten Bohnen in Dosen, wurden kalt verschlungen.

Die allgemeine Erschöpfung, hinderte uns erfolgreich daran,  das Essen mühevoll zu erwärmen.

Ein wirklich Königliches Festmahl.

„Das nenn ich mal wohnen mit Stil.“ Sagte Deniz und betrachtete interessiert das Interieur.

„Sollte diese Scheisse je ein Ende haben, werde ich dieses Schlösschen annektieren und mir eine passende Königin dazu suchen.“ Meinte er, während er mit einem alten Schwert herumfuchtelte.

„Na dann viel Glück bei der Suche. Graf Bruchpilot.“ Frau Meier hatte scheinbar schon wieder genug Energie, um ihre Sticheleien an den Mann zu bringen.

Dass neuerdings immer öfter Deniz daran glauben musste, kam mir sehr gelegen. Seit seiner Notlandung im Gebirge, wenn man diesen Absturz überhaut so nennen konnte, zog sie ihn damit auf.

Deniz, mit seinem südländischen Temperament, brachte das zur Weißglut. Was natürlich nur dazu führte, dass dieses Spiel kein Ende fand.

Er warf ihr einen bösen Blick zu, verzichtete aber auf eine Erwiderung. Er war wohl zu müde dafür.

Als die gewünschte Wirkung auf ihre Bemerkung nicht eintrat, wechselte sie das Thema und fragte: „Wo genau, in diesem alten Kasten, sollen wir eigentlich schlafen?“

„Eine berechtigte Frage Frau Meier. Ich würde ihnen ja das Zimmer des jungfräulichen Burgfräuleins empfehlen, aber da bin ich wahrscheinlich etwa fünfzig Jahre zu spät dran.“ Sagte ich zu ihr und versuchte gleichzeitig, Pater Adrian als Deckung zu nutzen.

Als Mann Gottes, würde er nicht zulassen, dass sie Hand an mich legte.

„Da nehm ich doch lieber dein Zimmer.“ Sagte sie. „Die Kammer des Hofnarren.“

„Wenn wir diese Diskussion jetzt beenden könnten.“ Sagte Pater Adrian müde. „Ich bin erschöpft und würde gerne schlafen gehen.

Im Bett des Königs, wenn`s genehm ist.“

„Und wo soll ich schlafen?“ Fragte Deniz dazwischen.

„Bei den Hühnern natürlich. Die können nämlich auch nicht fliegen.“ Meinte Frau Meier beiläufig.

Pater Adria konnte ihm gerade noch rechtzeitig das alte Schwert aus der Hand nehmen, bevor er damit auf Frau Meier losgehen wollte.

„So und jetzt gute Nacht. Es war ein langer Tag.“ Sagte ich schnell, bevor noch jemand verletzt wurde.

„Ach ja, noch was. Wenn sie ein Gespenst in ihrem Zimmer sehen, Burgfräulein Meier, erschrecken sie nicht. Es ist nur ihr eigenes Spiegelbild.“

Geschickt wich ich dem fliegenden Teller aus und verließ schnell den Raum. Ich würde wohl nicht darum herum kommen, meine Zimmertüre heute Nacht abzuschließen.

 

Sonnenkönigin.

Bodensee, vor Bregenz.

3. April 2015.

 

 

Ranseier`s, vom Allmächtigen gesegnete Truppe, hatte das Party und Eventschiff noch am Vortag in Besitz genommen.

Es war keine große Sache. Die etwa vierzig bis fünfzig Passagiere, die genaue Anzahl war nicht mehr feststellbar, weil viele angefressene Teile nicht mehr zugeordnet werden konnten, waren allesamt schon ein bisschen tot.

Tot, oder so: Eine Reise durch das Untote Ländle
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