Kurze Geschichten und Anekdoten

Abdallah Ibn Eselam, einer der ersten Rechtgläubigen, hatte einen Freund namens Zeid, den er mehr als einmal zur Annahme des wahren Glaubens aufgefordert hatte, doch immer ohne Erfolg. Eines Tages, als er in die Moschee ging, erblickte er ihn zu seinem nicht geringen Erstaunen unter den Moslems. Er fragte ihn, was ihn denn zur Annahme des Islams bewogen habe, da ihn des Freundes Zureden nicht hatte bewegen können; Zeid bekannte, daß die überaus große Sanftmut des Propheten ihn auf den wahren Weg gebracht habe, und erzählte ihm die Veranlassung seiner Bekehrung folgendermaßen:

»Ich las eines Tages im Buche der Weisheit, als ich eben den Ruf in die Moschee vernahm. Ich will doch hingehn, dacht ich bei mir, um zu sehen, ob Mohammed dem Bilde eines Weisen entspricht. Ich setzte meine Besuche mehrere Tage hindurch fort, und hingerissen von dem Strome seiner Beredsamkeit, bewunderte ich doch noch weit mehr seine außerordentliche Sanftmut. Einmal, inmitten der Predigt, kam ein Araber auf einem Dromedar angetrabt. Er sprang herab, und als ein wahrer Beduine, schrie er sogleich den Propheten, ohne die geringste Rücksicht auf ihn oder seine Zuhörer zu nehmen, an: ›Mein Stamm‹, schrie er, ›sendet mich zu dir; wir haben deinen Glauben angenommen, allein wir haben nichts zu essen, rette uns.‹ Der Prophet wandte sich in seiner gewöhnlichen Milde gegen Ali und sprach: ›Ist uns etwas geblieben von unserm Vorrate?‹ Als der mit ›Nein‹ antwortete, schritt ich hervor und sagte: ›Ich will dir Geld leihen, o Mohammed, bis auf die Dattelernte.‹ Der Prophet nahm das Geld und gab es dem Beduinen. Als die Zeit der Dattelernte herangekommen war, ging ich über Feld und fand den Propheten, der eben bei einem Grabe ein Totengebet verrichtete. Ich ging mit vieler Unverschämtheit auf ihn los und packte ihn hart an: ›O Sohn Abdallahs,‹ schrie ich, ›gib mir Geld oder Datteln, und bestiehl ehrliche Leute nicht um ihr Hab und Gut.‹

In diesem Augenblicke hörte ich ein Geschrei hinter mir. Ich sah mich um, und es war Omar, der schon das Schwert gezogen hatte, um mir den Kopf zu spalten. Der Prophet hielt ihn zurück; ›O Omar,‹ sagte er, ›hier bedarf es nicht des Schwertes, sondern der Datteln. Geh und befriedige den Mann, und gib ihm zwanzig Bündel mehr für den Schrecken, den du ihm eingejagt hast.‹ Omar steckte das Schwert in die Scheide; ich aber konnte solcher Milde und Sanftmut nicht länger widerstreben, sondern ging in mich und wurde Moslem.«

Omar machte eines Nachts selbst die Runde in Medina und kam an ein verfallenes Gebäude, wo er eine Stimme und seinen Namen hörte. Er ging hinzu, und siehe da, es war ein Weib mit zwei Kindern, die in einem übers Feuer gesetzten Kessel Wasser umrührte und dabei immer: »O Allah, verschaffe mir Recht bei Omar!« wiederholte. »Was machst du denn hier, und was hat dir Omar getan?« redete sie der Kalif an. »Er hat meinen Mann in den Krieg gesandt und mich zur Witwe und meine Kinder zu Waisen gemacht. Und ich habe nichts, sie zu ernähren, und rühre das Wasser um über dem Feuer, um sie wenigstens eine Zeitlang mit der Hoffnung auf Nahrung zu täuschen und ihr Geschrei zu stillen.« »Warte hier,« sprach Omar, »bis ich wiederkomme.« Und er ging in die Stadt und lud sich selbst zwei Säcke auf, in deren einem Reis, in dem andern aber Fleisch und Brot war. So beladen, kam er an den Ort, wo er das arme Weib gelassen hatte. Nach verzehrter Mahlzeit nahm er statt der leeren Säcke die beiden Kinder auf die Arme und ging mit ihnen der Stadt zu. »O Weib,« sagte er, »beklage dich nun nicht mehr über Omar, er hat sich selbst diese Last auferlegt, um die Last seiner Schuld abzutragen. Künftig sorgt er für dich und deine Kinder!«

Omar Ibn Al-Khattab, der Kalif, ersuchte eines Tages den Tapfersten seiner Tapferen, Amru, den Sohn Modikorbs, des Zobeiditen, ihm von der größten Feigheit und von der größten Tapferkeit, die ihm in seinem Leben vorgekommen sei, zu erzählen.

»Ich war eines Tages«, erzählte Amru, »auf die Jagd ausgegangen. Da fand ich auf der Heide ein Pferd an einen Pfahl gebunden, eine Lanze senkrecht in die Erde gesteckt und einen Menschen daneben ins Gras gelagert. Er spielte mit seinem Schwertgehenke. ›Habeacht‹ rief ich ihm zu, ›du bist ein Kind des Todes.‹ ›Und wer bist du?‹ fragte er mich mit halb erstickter Stimme. ›Ich bin Amru, der Sohn Modikorbs, des Zobeiditen, der Held; weitberühmt unter den arabischen Stämmen.‹ Kaum hatte ich diese Worte vollendet, als der Mann einen Schrei ausstieß und seine Seele von sich gab. Und solches ist das Beispiel der größten Feigheit, die mir je vorgekommen ist.

Ein andermal tummelte ich mein Pferd auf der Heide, bald rechts, bald links, ohne bestimmten Zweck. Ich begegnete einem blühenden Jüngling, der von Jemama herkam. Er grüßte mich und ich ihn, und ich fragte dann nach seinem Namen. ›Ich bin‹, sprach er, ›Hareß, Saads Sohn.‹ ›Habe acht,‹ rief ich ihm zu, ›du bist ein Kind des Todes.‹ ›Und wer bist du, o Elender, der du so zu prahlen wagest?‹ ›Ich bin Amru, der Sohn Modikorbs, berühmt unter den Arabern.‹ ›Dein Stammbaum soll dich nicht retten‹, rief er, und wir rannten mit vorgehaltenen Lanzen gegeneinander. Ich stieß ihn gerade auf die Brust, aber der Stoß prallte ab, und ich empfing einen mächtigen Hieb auf das Haupt. ›Laß ab,‹ rief er, ›o Amru, nimm dies als Lehrgeld, ich will mich nicht mit deinem Blute beflecken.‹ Ich war gedemütigt und hätte den Tod tausendmal der Schande vorgezogen. Dreimal brachen wir unsere Lanzen, dreimal wurde ich auf dieselbe Weise gedemütigt. Endlich bat ich ihn, mein Freund zu sein. ›Ich brauche deine Freundschaft nicht‹, erwiderte er, und dieses Wort demütigte mich mehr denn alles Vorhergehende. Doch ließ ich nicht von zudringlicher Vorstellung ab. ›Unglück über dich!‹ sprach er, ›du weißt nicht, daß mein Weg gerade in den blutigen Tod führt.‹ ›Es sei,‹ entgegnete ich, ›ich will ihn Hand in Hand mit dir wandeln.‹ Wir ritten einen ganzen Tag lang miteinander, des Abends kamen wir an ein Zelt. ›Siehst du,‹ sprach er, ›o Amru, dort ist das Zelt des blutigen Todes. Nun steige ab und halte mir mein Pferd, auf daß ich mich vorbereiten kann; oder willst du es lieber, so halte ich deines.‹

Ich ließ es mir gefallen, den Stallknecht zu machen, und hielt sein Pferd. Er ging gegen das Zelt und rief eine Jungfrau heraus, die schönste, die ich jemals gesehen habe, und setzte sie auf ein Kamel, und indem er mir den Zügel in die Hand gab, sprach er: ›Führe sie, ich werde sie geleiten, oder wenn du es lieber willst, so geleite du sie, und ich werde sie führen.‹ Ich nahm geduldig den Zügel des Kamels und führte es. So zogen wir die ganze Nacht. Gegen Tagesanbruch fragte mich der Jüngling: ›O Amru, siehst du etwas?‹ ›Ich sehe Reiter von weitem in grauender Dämmerung.‹ ›Sind es deren viele,‹ fuhr er fort, ›so hat es nichts zu sagen, sind es aber wenige, so ist der blutige Tod unter ihnen.‹ ›Nun sehe ich deutlicher, es sind deren nur vier.‹ ›Wohlan, halte die Rechte des Weges, ich halte die Linke.‹ Die vier Reiter aber kamen näher und näher. Es war der Vater der Jungfrau und ihre drei Brüder. Sie grüßten uns, wir sie. ›Leiste auf meine Tochter Verzicht‹, rief der Greis dem Jüngling zu. ›Wenn ich sie lassen wollte,‹ erwiderte dieser, ›so hätte ich sie nicht entführt!‹ Der erste der Brüder des Mädchens rannte nun auf ihren Entführer los und blieb tot auf den ersten Lanzenstoß. Dasselbe Los hatten die beiden andern Brüder. Der Vater beweinte den Tod seiner drei Söhne und bat den Jüngling noch einmal inständig, von seiner Tochter abzulassen. ›Wenn ich von ihr ablassen wollte, hätte ich sie nicht mitgenommen!‹ war seine Antwort. Nun stürzten sie beide aufeinander los. Der Greis riß mit seiner Lanze die Brust des Jünglings auf, der jedoch spaltete den Kopf des Greises. Sie fielen zu gleicher Zeit. Der Kampf hatte mir vier Lanzen und vier Pferde verschafft. Die Jungfrau, sei es, daß sie mehr den Tod ihres Vaters und ihrer Brüder als den ihres Geliebten rächen zu müssen glaubte, sei es, weil sie lebenssatt war, stürzte sich jetzt auf mich. Ich mußte mich wider meinen Willen gegen ihre Stöße verteidigen. Sie fiel unter den meinigen. Solches war der Vorgang der blutigen Vernichtung, das Beispiel der größten Tapferkeit, das mir auf meinen Zügen vorgekommen ist.«

Omar machte eines Abends in Medina als Kalif selbst die Runde. Aus einem Hause, dessen Tor gesperrt war, tönte ihm gedämpfter Lautenschall entgegen. Er stieg auf das Dach und sah einen Mann, der mit einer Buhlerin sang und trank und koste. »O Nichtswürdiger!« rief ihm Omar von der Terrasse aus zu, »dir ists nicht genug an einer einfachen Übertretung des Gesetzes, sondern Weib und Wein und Saitenspiel mußt du vereinen, auf daß du dreifache Schuld auf dich ladest!« »O Fürst der Rechtgläubigen, wenn du deinen heiligen Eifer ein wenig mildern möchtest, so hätte ich dir auch ein Wort zu sagen!« »Sprich!« »Wenn ich dreifache Schuld auf mich geladen, so hast dus nicht minder; denn der Koran spricht: Hütet euch, den Ausspäher zu machen – du aber kamst als solcher. Weiter: Geht durch die Türen ins Haus hinein – du bist durchs Dach hereingekommen; und endlich: Wenn ihr ein Haus betretet, so grüßt seine Bewohner – du aber bist ohne Gruß hereingekommen!« Omar, der Kalif, bestieg eines Tages den Gebetstuhl, in der einen Hand den Koran, in der andern das Schwert. Seine ganze Rede bestand aus zwei Worten: »Was brauch ich euch zu sagen? Denen, die auf dem geraden Wege wandeln, genügt Allahs Wort, der Koran, die andern aber soll das Schwert gerade machen. Inschallah!«

Muawijah Ibn Sufjan, der erste Kalif aus der Familie der Umaijaden, saß an einem der heißesten Sommertage auf dem umschatteten Balkon seines Palastes zu Damaskus, den die Luft von vier Seiten durchstrich. So genoß er einiger Kühle in der größten Hitze des Mittags.

Er sah hinaus ins Freie und hinunter in die Stadt. Dort sah er nichts als den Wasserschein, der von den Feldern aufstieg, hier den Sonnenglanz, der von den weißen Mauern und Terrassen der Häuser widerschien. Endlich erblickte er einen Mann, der allein in den leeren Straßen gegen den Palast heraufkam. Mit großen Schritten arbeitete er sich durch den Staub, den er mit seinem Schweiße begoß.

»Könnt ihr euch etwas Unangenehmeres denken«, sprach der Kalif zu den Hofleuten, die ihn umgaben, »als in dieser Stunde des Tages auszugehen?« Einer der Anwesenden nun bemerkte alsbald, daß dieser arme Mann sich in großer Not befinden und gekommen sein dürfte, um eine Gnade beim Kalifen zu suchen. »In diesem Falle soll er sogleich hereingelassen werden!« sprach Muawijah.

Er erschien und warf sich zu den Füßen des Kalifen nieder, der ihn fragte, woher er sei und was er wolle. Es war ein Araber aus dem Stamme Temim, und er war gekommen, Gerechtigkeit am Fuße des Thrones zu suchen wider die Ungerechtigkeiten und die Unterdrückungen des Statthalters Merwan, des Sohnes Alhokms. »Ich hatte«, sprach er weinend, »ein Weib, das ich von ganzer Seele liebte. Sie war die Freude meiner Augen und mir mehr wert als alle meine Kamele. Die Hungersnot des letzten Jahres fraß mein Hab und Gut auf; mir blieb nichts übrig, um meine Freunde zu bewirten. Als mein Schwiegervater die schlimme Lage, in die ich geraten war, vernommen hatte, nahm er seine Tochter mit Gewalt zurück. Ich brachte meine Klage bei deinem Statthalter Merwan an, dem Sohne Alhokms. Statt mir Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, schickte er mich ins Gefängnis und begehrte, ich solle mich von meinem Weibe scheiden, auf daß er es nehmen könne. Ich weigerte mich standhaft; desungeachtet nahm er sie mit Gewalt zur Frau, und erst nach vollbrachter Hochzeit, und nachdem ich tausend Foltern ausgestanden hatte, ließ er mich wieder los. Der erste Gebrauch, den ich von meiner Freiheit mache, ist, daß ich, o Fürst der Rechtgläubigen, zu deinen Füßen um Gerechtigkeit flehe!« Muawijah konnte die Regungen eines gerechten Zornes gegen seinen Statthalter nicht unterdrücken. Er schrieb ihm eigenhändig einen strengen Verweis und sandte einen besonderen Abgeordneten aus, um das Weib des Arabers zu holen. Merwan, der Sohn Alhokms, vergoß Tränen bitterer Reue beim Empfange des Handschreibens und schied sich sogleich von der Beduinin und flehte um die Verzeihung des Kalifen. Dieser verzieh und befahl, die Beduinin vorzuführen.

Er sah ein Weib von außerordentlicher Schönheit; er sprach mit ihr und wurde bezaubert von ihrem Geiste und ihrer Beredsamkeit. Und er machte dem Araber den Vorschlag, sein Weib mit der schönsten Sklavin des Harems zu vertauschen und obendrein eine ansehnliche Summe Geldes zu nehmen. Der Araber stieß ein erbarmungswürdiges Geschrei aus: »Um die Schätze des Kalifats«, sprach er, »würde ich mein Weib nicht geben; ob der Ungerechtigkeit des Statthalters habe ich beim Kalifen geklagt, und der Fürst der Rechtgläubigen ist noch ungerechter! Ich suche wider ihn Zuflucht am Throne des Weltenrichters!«

»Ich will dir kein Unrecht tun«, sprach Muawijah; »und will die Wahl deinem Weibe Saad lassen, sie selbst soll entscheiden zwischen mir und dir. Sprich denn, o Saad, was du lieber willst, den Fürsten der Rechtgläubigen in all seiner Macht und Herrlichkeit, oder Merwan, den Statthalter, mit seiner himmelschreienden Ungerechtigkeit, oder den Beduinen mit seiner Armut und mit dem Elend der Wüste.« »O Fürst der Rechtgläubigen,« antwortete die Beduinin, »mich blendet nicht der Schimmer des Thrones, wo ich keinen Freund finden würde. Mein Gemahl ist mein alter und treuer Freund, mit dem ich die Tage des Unglücks verleben will, wie ich mit ihm die Tage des Glücks verlebt habe!«

Den Kalifen rührte die Treue dieses Beduinenpaares, er schenkte ihnen tausend Dirhems und sandte sie vergnügt und glücklieh in die Wüste zurück.

Abdorrahman Hatebi meldet von der Tochter Abu Selmas, des berühmten Geschichtenerzählers, folgendes Abenteuer:

»Ich befand mich eines Tages auf meinem Spaziergange vor einem herrlichen Palaste und befahl meinen Sklaven, den Teppich auszubreiten, und zwar auf der steinernen Estrade vor dem Tore des Palastes, um das, sagte ich, was ich den Tag über geschrieben habe, bei mir überlesen zu können. Durch den Torweg hindurch sah ich im Hofe fünfzig Sklavinnen in grüne Seide gekleidet mit goldenen Gürteln, eine schöner als die andere, und in ihrer Mitte eine Dame, deren Schönheit die ihrer Sklavinnen bei weitem übertraf.

Die nun vertrieb sich die Zeit mit Schießen nach dem Ziel. Der Bogen war aus Gold, die Pfeile mit kostbaren Steinen besetzt. Sie hatte mich kaum erblickt, so rief sie ihren Sklavinnen zu: ›Wer ist der Fremde? Schließet das Tor zu, ziehet den Vorhang vor.‹ Ich war halb verzweifelt und brannte vor Ungeduld, zu erfahren, wem der Palast gehöre, und gab einem meiner Sklaven den Auftrag, sich nach dem Namen des Eigentümers zu erkundigen, und ich vernahm, er gehöre Dunje, der Tochter Abu Selmas, des berühmten Geschichtenerzählers; sie habe hunderttausend Dinare von ihrer Mutter geerbt, und von vielen Emiren und Wesiren zum Weibe begehrt, habe sie bisher ihre Hand standhaft ausgeschlagen, denn sie ziehe dem Ehestande das freie Leben als Mädchen vor und vertreibe sich die Zeit mit Jagen und Fischen, Spaziergängen und Scheibenschießen. Nach dieser eingeholten Nachricht aber blieb ich sitzen, wo ich war, bis Abu Selma selbst nach Hause kam. ›Ich befinde mich hier,‹ redete ich ihn an,›um deine Tochter zum Weibe zu begehren; du kennst mein Herkommen und meinen Stand.‹ ›Ich weiß,‹ antwortete er, ›daß du, wie ich, in gerader Linie vom Blute des Propheten herstammest, denn sonst würde ich mir ein Gewissen daraus machen, deinen Antrag nur anzuhören. So habe ich zwar nichts dagegen, aber die Schwierigkeit kommt von meiner Tochter selbst, die sich nicht vermählen will. Um dich indessen zu befriedigen, will ich ihr den Vorschlag machen!‹ Er lüftete den Vorhang und ging in den Hof hinein. ›O meine Tochter,‹ hörte ich ihn sprechen, ›ich traf vor der Türe einen jungen, wohlgebildeten Menschen von guter Familie an.‹ ›Was will er, o mein Vater? Will er eine Sklavin kaufen? Gefällt ihm vielleicht eine der meinigen? Befindet er sich in Geldmangel?‹ ›Nichts von alledem, o meine Tochter, er begehrt dich zur Gemahlin!‹ ›Er ist närrisch, und du auch, o mein Vater. Denn wie oft habe ich dir nicht gesagt, daß ich von solchen Vorschlägen nichts hören will.‹ Abu Selma kam beschämt und zornig zurück. ›Du hast nun mit eigenen Ohren gehört,‹ sprach er, ›was für ein Wildfang sie ist.‹ ›Tut nichts zur Sache,‹ antwortete ich, ›gib sie mir immer zum Weibe, ich werde ihrer schon noch Meister werden.‹ Der Scheich, dessen Geduld durch die Weigerung seiner Tochter schon längst erschöpft war, gab meinem Vorschlag Gehör und versprach, noch selbigen Abends meinen Heiratsvertrag zu unterschreiben und seine Tochter außer der Erbschaft mit zwanzigtausend Dinaren auszustatten.

Wir sprachen noch zusammen, als eine Sklavin herauskam und zum Scheich sagte: ›Gruß zuvor von meiner Herrin, sie hat sich endlich entschlossen, in den Stand der Ehe zu treten; aber erst in einem Monate, von heute angefangen. Dann komme der Bräutigam; aber mit dem Mute Antars, mit der Herzhaftigkeit Modikorbs und mit Alis Tapferkeit bewaffnet.‹ Diese Botschaft hätte leicht einen andern als mich zurückgeschreckt, mich entflammte sie nur mit neuer Begier. Dreißig Tage nach dieser Unterredung ging ich ins Bad, ließ mich scheren und mir die Nägel abschneiden, wie sichs für einen Bräutigam geziemt, und setzte mich zu Pferde und begann den Zug gegen den Palast hin.

Zehn schwarze und ebensoviel weiße, in Goldstoff gekleidete Eunuchen kamen mir entgegen. Sie hielten goldgestickte Tücher in den Händen, womit sie die Stirn meines Pferdes abwischten; und küßten danach seinen Huf. Mein Gefolge blieb an dem ersten Tore zurück, ich aber setzte meinen Weg ins Innere des Palastes fort. Zu beiden Seiten standen zweihundert in reiche Stoffe gekleidete Sklavinnen mit silbernen und goldenen Gürteln. Die mit silbernen Gürteln hielten silberne Rauchfässer in der Hand, denen Moschus- und Ambraduft entströmte; die goldumgürteten sandten mir aus goldenen Rauchfässern Wolken von Aloedampf entgegen. Ich ging durch ihre Mitte in einen großen Saal, worinnen elf Ruhebetten mit den reichsten Stoffen aufgepolstert standen. Kaum hatte ich mich niedergelassen, so vernahm ich Pantoffelgeschlürfe. Ein von Edelsteinen schimmerndes Weib mit einem brillantenbesetzten Dolch in der Hand nahte sich mir, von zwei schönen, reichgekleideten Zofen begleitet. Ich dachte, es sei die Braut, und stand vom Ruhebett auf. ›Meine Herrin wird gleich kommen; erlaube mir unterdessen, mich niederzusetzen‹; und mit diesen Worten nahm sie ihren Platz auf einem der elf Ruhebetten ein. Acht andere von Edelsteinen schimmernde Frauen, jede einen brillantenbesetzten Dolch in der Hand, kamen und setzten sich wie die erste auf die anderen Ruhebetten. Endlich hörte ich Freudengeschrei und Segensrufe, wie wenn der Fürst der Rechtgläubigen im Prunke durch die Straßen von Bagdad einherzieht. Es war die Braut, wie der Kalif in einen fürstlichen schwarzen, goldgestickten Mantel gekleidet, mit einem brillantenbesetzten Degen umgürtet. Zweihundert Sklavinnen, die alle schwarz ausgestattet waren, folgten ihr auf dem Fuße nach. Wir standen alle auf und bewillkommten sie, wie man den Kalifen bewillkommt, mit dem Gruße: ›Heil dir, o Fürstin der Rechtgläubigen, Allahs Barmherzigkeit und Allahs Segen über dich.‹

Sie nahm ihren Platz auf dem elften Ruhebette ein und winkte uns niederzusitzen. Ich ließ zwei große, mit Silber und Gold gefüllte Vasen, die auf meinem Zuge vor mir hergetragen worden waren, herbeibringen. Sie teilte das Gold unter ihre vertrauten Zofen und das Silber unter ihre Sklavinnen aus. Diese brachten große Waschgefäße aus Gold und Silber herbei; wir wuschen uns die Hände und trockneten sie in musselinenen und gestickten und durchdufteten Tüchern ab. Hierauf wurde der Tisch gebracht, der, so wie die Schüsseln, aus einer einzigen Kristallplatte bestand.

Die Gerichte hatten alle möglichen Farben und Wohlgerüche. Orangen und Granatblüte, Ambra und Sandel, Safran und Moschus. Das Mahl wurde beendigt und der Scherbett herumgereicht. Nun gingen zur rechten und linken Seite des Saales zwei Türen auf, und man erblickte schwarze Vorhänge, die mit Gold und Perlen bestickt waren. Hinter diesen tönten zwei Silberstimmen, die im Wechselgesange das Glück der Liebe priesen. Ich setzte mich zu meiner Braut, deren Augen wie Sonnen funkelten und deren Busen durch den schwarzen Flor, wie der Stern der Liebe durch die schwarze Nacht, hindurchschimmerte.

Ich wollte ihr einen Kuß rauben. Bei der Bewegung, die ich dazu machte, rief sie ihren Vertrauten zu: ›Auf, o ihr Mädchen!‹ Und sogleich stürzten diese mit ihren brillantenbesetzten Dolchen auf mich los.

›Ich will nicht,‹ rief sie, ›daß ihr ihn verwundet, aber wohl, daß ihr ihn züchtigt.‹ Sie schlugen und stießen nun mit den diamantenen Knöpfen der Dolche unbarmherzig auf mich los. Ich verlor all meine Besinnung, und als ich wieder zu mir kam, fand ich mich allein im Saale, wo ich die Nacht für einen Bräutigam sehr schlecht zubrachte. Am Morgen kamen die Sklavinnen, um mich zu fragen, ob ich nicht ins Bad gehen wollte, wie dies der Gebrauch ist nach der Hochzeitsnacht. ›Weswegen ins Bad,‹ fragte ich, ›vielleicht um mir die Schläge vom Rücken zu waschen?‹ Nun verrichtete ich das Morgengebet und kleidete mich in ein sehr reiches Gewand, das ich mir aus meinem Hause hatte kommen lassen.

Ich wurde in einen anderen Saal geführt, der gelb ausgeschlagen, sonst aber wie der gestrige eingerichtet war. Die neun Frauen nahmen ihren Platz auf den Ruhebetten ein, und endlich erschien mein Weib wie gestern im Staate des Kalifen.

Alles ging vor sich wie am Abend vorher. Zwar hatte ich mir bestens vorgenommen, dem Rausche der Begierden zu widerstehen, als aber hinter den Vorhängen die zwei Zauberkehlen den Wechselgesang der Liebe anstimmten, da zogs mich unwiderstehlich zu meiner Gebieterin hin. Sie rief ihre Mädchen zu Hilfe, und diese mißhandelten mich noch unbarmherziger als gestern. Ich mußte den Wundarzt holen lassen und war kaum nach sieben Tagen wieder imstande, dem Hochzeitsfeste beizuwohnen. Indes hatte mir dieser Zeitraum dazu genügt, ein Mittel zu ersinnen, wodurch dem Spiele ernstlich ein Ende gemacht wurde. Mein Arzt hatte mir ein Schlafmittel von aromatischen Kräutern gegeben. Als nun der Scherbett herumging, warf ich das Mittel geschickt in den Becher, und es brachte bald seine Wirkung hervor.

Als die Türen aufgingen und der Gesang ertönte, fühlte ich mich stärker denn jemals vom Taumel der Liebe ergriffen. Ich umarmte meine Geliebte, die kaum ihr schmachtendes Auge offen halten konnte. Mit halberstickter Stimme sprach sie die Worte: ›Zu Hilfe, o Mädchen!‹ Diese wollten herbeistürzen, konnten sich aber kaum aufrecht halten vor Schlaf und Taumel. Ich wurde leicht mit ihnen fertig, indem ich eine nach der andern zurück und zur Türe hinausschob, die ich hinter ihnen schloß. Nun hatte ich mit niemandem zu kämpfen als mit meiner Gebieterin. Der Kampf aber war süß und währte lang.

Ich brachte sie in ihr Gemach und legte mich in dem meinigen nieder, wo ich denn den Rest der Nacht über köstlich schlief. Am Morgen kamen die Sklavinnen, mich ins Bad einzuladen. ›Von Herzen gerne,‹ antwortete ich, ›heute weiß ich, warum ich ins Bad gehe.‹ Nach dem Bade begab ich mich ins Gemach meiner Gemahlin. Sie kam mir entgegen, küßte mir die Augen und sprach: ›O mein Herr und Gebieter, ich konnte bisher nicht glauben, daß ein Mann meiner Meister werden könne; da es nun aber einmal so gekommen ist, füge ich mich darein als deine gehorsame Magd.‹ Ich aber umarmte sie und erneuerte oft die Freuden der Brautnacht; denn in zehn Jahren hatten wir sieben Kinder.

Amru, der Sohn Rebias, der Fürst der Dichter, der Vetter des Kalifen Abd al-Malik, erzählte von sich selbst die folgende Geschichte:

»Ich las eines Tages ganz ruhig in meinem Hause, als sich ein altes Weib bei mir melden ließ. ›Ich will dir‹, sagte es, ›Gelegenheit verschaffen, die größte Schönheit unter der Sonne zu schauen, doch unter der Bedingung, daß du ihr nicht zu nahe trittst und daß deine Worte bescheiden und wohlabgemessen sind.‹ Ich beschwor es auf den Koran. Und dann mußte ich mir die Augen verbinden lassen, und sie führte mich eine geraume Zeit in mancherlei Richtungen, bis sie mir die Binde abnahm.

Ich befand mich aber in einem prächtigen Zelte aus rotem Sammet mit großen goldenen Blumen, voll der schönsten Sklavinnen. Ein Sitz von Ebenholz stand für mich bestimmt da. Und ich hatte mich noch nicht von meinem Erstaunen erholt, als ein Vorhang aufrauschte und eine Dame von überirdischer Schönheit sich an meiner Seite niedersetzte. Wir kosten und sangen die ganze Nacht hindurch. Gegen Morgen sang sie eins meiner Lieder, das mit dem Verse anfängt: Sie, deren schwellender Busen. ›Wer ist diese Schönheit mit schwellendem Busen?‹ fragte sie. ›Ich kenne sie nicht,‹ antwortete ich, ›es ist ein luftiges Dichtergebilde oder, wenn man lieber will, eine Gazelle.‹

›O Lügner,‹ rief sie, indem sie mir einen derben Backenstreich gab; ›so seid ihr alle, ihr andern Dichter. Dein Lied ist weitberühmt in Hidschas und Irak und Syrien, und du behauptest, es handle bloß von einem Luftgebilde. O Sklavinnen, schafft mir den Lügner vom Halse!‹ Man verband mir die Augen und führte mich nach meinem Hause.

Am folgenden Tage abermaliger Besuch des alten Weibes und wiederholter Vorschlag. Ich ging die Bedingungen ein und beschwor sie auf den Koran. Die Binde wurde mir in einem schwarzen, mit Gold durchstreiften Zelt abgenommen. Meine Dame erschien, von ihren Sklavinnen umgeben, setzte sich neben mir nieder und begann wie gestern die Unterredung.

›Die Stunden verflossen wie die der vorigen Nacht unter Sang und Scherz. Endlich fragte sie mich: ›Wer ist der Verfasser des bekannten Liedes:

Hast du mich jüngst gesehn – In der Mitte dreier Schönen. ›Ich bins‹, antwortete ich. ›Nun, wer sind die drei Schönen?‹ ›Auf meine Ehre!‹ erwiderte ich, ›ich kenne sie nicht, und sie leben nur im Liede.‹ ›So also,‹ fiel sie mir in die Rede, ›wenn kein wahres Wort daran ist, was unterstehst du dich, mit Gunstbezeigungen dich zu brüsten, die du nicht erhalten hast! Da, o Lästerer!‹ Und sie gab mir einen derben Backenstreich. ›O Sklavinnen, entfernt ihn aus meinem Angesichte!‹

Ich kam in mein Haus mit verbundenen Augen und brennenden Wangen. ›Verzweifle nicht‹, sprach das alte Weib im Weggehen. Ich warf mich aufs Bett nieder, aber kein Schlaf kam in meine Augen.

Am andern Tage erschien das alte Weib früher als gewöhnlich und fragte nach meinem Wohlbefinden und ob ich nicht Lust hätte, zu meiner Dame zurückzukehren. Ich beschwor dieselben Bedingungen auf den Koran, sann zugleich aber auf ein Mittel, die Wohnung meiner Schönen ausfindig zu machen. Und färbte meine linke Hand mit Safran, und als wir uns an der Türe befanden, fuhr ich mit der Hand auf dem Türflügel herum, als ob ich nach der Tür tappte.

Die Binde wurde mir abgenommen, und ich befand mich in einem Zelte von grünem Atlas mit großen silbernen Blumen. Die Dame kam, setzte sich neben mich und lachte nicht wenig, als sie sah, daß meine Wange noch von dem gestrigen Backenstreiche brannte. Wir unterhielten uns von tausenderlei Gegenständen und von Abenteuern aus Jemen und Hidschas, von den merkwürdigen Begebenheiten der arabischen Geschichte und von der Liebe und ihren Süßigkeiten. Ich glaubte mich wahrhaftig ins Paradies versetzt. Endlich fragte sie mich: ›Wem gehören die bekannten Verse zu:

Die Sänfte ging vorüber, – Ich sah sie nicht, ich hört ihr Kosen,
Da lüftete der Wind den Schleier – Und wehte Wohlduft von der Wangen Rosen.

Ich bekannte mich zum Verfasser. ›Und wer ist denn die Schöne in der Sänfte, die du nicht sahst, sondern nur hörtest, und mit der du, wie das Lied ausgeht, in der Sänfte glücklich warst?‹ ›Habe Mitleiden mit mir,‹ sprach ich, ,o schönste der Herrinnen! Ich habe nichts hierauf zu antworten, als was ich schon gestern und vorgestern gesagt habe!‹ ›Also, so lästerst und verleumdest du die Frauen. Du bist ein Nichtswürdiger, der ihrer Gesellschaft nicht wert ist; o Sklavinnen, züchtigt ihn, wie er es verdient!‹ Sie fielen über mich her mit Fäusten und Nägeln, zerschlugen und zerkratzten mich auf eine erbarmungswürdige Weise, und das alte Weib übernahm mich mit verbundenen Augen. Aber statt mich diesmal in mein Haus zu begleiten, hörte ich, daß sie auf der Straße einen Menschen anredete, ihm Geld und den Auftrag gab: ›Geh und führe diesen Mann mit verbundenen Augen in das Haus Amrus, des Sohnes Rebias, des Dichters, der ein großer Taugenichts ist und dessen Schwelle ich nicht mehr betreten will.‹

Ich konnte den Augenblick nicht erwarten, in mein Haus zu kommen, und warf mich aufs Bett, ohne ein Auge zu schließen. Was mir begegnet war, und der Schmerz der empfangenen Schläge hielten den Schlaf von meinen Wimpern fern.

Mit Tagesanbruch versammelte ich alle meine Sklaven, gab ihnen den Auftrag, das Haus oder das Zelt ausfindig zu machen, dessen rechter Türflügel mit Safran gefärbt war, und versprach dem Entdecker tausend Dinare. Noch vor Mittag kam einer derselben mit freudigem Gesichte gelaufen. ›Gute Nachricht, o Gebieter, ich habe die Türe gefunden, deren rechter Flügel mit einer in Safran getauchten Hand bezeichnet ist.‹ ›Richtig‹, rief ich voll Freuden, zahlte ihm die tausend Dinare aus und ließ mich an Ort und Stelle führen.

Wie groß war nicht mein Erstaunen, als ich sah, daß das bezeichnete Zelt eines der Zelte der Prinzessin Merwe war, der Tochter des regierenden Kalifen Abd al-Malik. Sogleich ließ ich meine Zelte in der Nähe aufschlagen und schlenderte lang genug herum, um von der Prinzessin bemerkt zu werden. Sobald sie sah, daß sie entdeckt war, kam sie heraus und lüftete den Schleier und sagte: ›Sieh da, o Amru, hast du keine Lust, dein Abenteuer zu besingen, wenigstens läufst du nicht Gefahr zu lügen, und hast nicht not, die Schläge aus der Luft zu greifen, wie deine erdichteten Schönen.‹

Ich sagte sogleich aus dem Stegreife mehrere Verse her, die mir die zärtlichste Liebe eingab und die bald in jegliches Munde waren. Das Gerede, das sie verursachten, und das Gerücht von der Verlegung meiner Zelte drang gar bald bis in das Serail des Kalifen, der damals in Damaskus residierte. Er aber berief seine Tochter zu sich, und ich machte diese Reise in ihrem Gefolge. Doch die Glut der Leidenschaft verzehrte mich, und ich war sehr krank, ohne es zu wissen.

Zwei Tagereisen von Damaskus kamen Abgesandte, um der Prinzessin zu melden, der Kalif mit allen Prinzen seines Hauses komme ihr entgegengezogen. Der Zug kam bald nachher an.

Der Kalif stieg ab und ging ins Zelt, beglückwünschte die Prinzessin zu ihrer glücklichen Ankunft und sagte: ›O meine Tochter Merwe, du mußt nach der Sitte deinen Einzug bei Nacht halten, auf daß dich niemand sieht.‹ ›Sehr wohl, o mein Vater, mir ists übrigens einerlei, ob mich die Leute sehen oder nicht sehen.‹

Beim Herausgehen erblickte er meine Zelte und fragte, wessen sie wären? ›Amrus, des Sohnes Rebias‹, war die Antwort. Ich nahte mich und grüßte den Kalifen nach hergebrachter Sitte mit den Worten:

›Heil und Allahs Erbarmen über dich, o Fürst der Rechtgläubigen!‹ ›Weder Heil noch Erbarmen über dich‹, antwortete der Kalif. ›Und warum, o mein Vetter, behandelt mich deine Erhabenheit so unfreundlich?‹ ›O Unglücklicher, du hast doch meine Tochter mit deinen Versen in üblen Ruf gebracht!‹ und er sagte die Verse auf, die ich aus dem Stegreife gedichtet hatte, als die Prinzessin aus dem Zelte kam. ›Vergebung, o Fürst der Rechtgläubigen, die Verse gehen die Prinzessin nichts an, sie sind an eine erdichtete Schönheit gerichtet, die, wie deiner Erhabenheit bekannt ist, nur in dem Hirne der Dichter lebt.‹ ›Du lügst‹, sprach der Kalif lachend, aber dann auf einmal mit veränderter Gesichtsfarbe und in sehr ernstem Tone: ›Hast du ein Weib?‹ ›Ich kenne nur eine, und das ist deine Tochter, o Fürst der Rechtgläubigen‹, antwortete ich mit großem Mute. ›Nun, so nimm sie denn,‹ fuhr der Kalif fort, ›ich vermähle sie dir.‹

Trunken vor Freude rief ich aus: ›Wie verdiene ich so großes Glück, ich Sklave des Fürsten der Rechtgläubigen, ich, der ich nur eine Klinge aus dem Waffenschatze seiner Macht bin! Wie bin ich wert befunden worden dieser Verbindung mit dem größten Herrscher unserer Zeit!‹

›Das Sprichwort sagt,‹ antwortete der Kalif darauf, ›wer um den Schleier fragt, der kauft ihn‹; und er ließ auf der Stelle Kasis und Zeugen rufen, um den Heiratsvertrag der Prinzessin abzufassen. Er gab ihr fünfzigtausend Dinare zur Aussteuer. Die Hochzeit wurde auf der Stelle gefeiert. Ich lebte drei Jahre mit ihr, die glücklichsten meines Lebens, dann starb sie und hinterließ mir drei Perlenangebinde zum Angedenken, die mich ins Grab begleiten werden.«

Der Kalif Waßik Billab war einer der sanftmütigsten Menschen seiner Zeit. Ein Dichter, der eine Satire wider ihn verfertigt hatte, kam, um von ihm eine Gnade zu begehren. Aber durch einen Mißgriff zog er statt der Bitt- die Stachelschrift aus der Tasche und reichte sie hin. Der Kalif aber, der den Irrtum bemerkte, gab ihm die Satire zurück und begnügte sich, ihm zu sagen: »Sei behutsamer, auf daß dir solches mit keinem anderen begegnet, der weniger bereit ist, zu verzeihen und Gnaden zu erteilen, als der Kalif.«

Der Kalif Abd al-Malik ibn Marwan gab seinem Statthalter Hadschdschadsch, dem Sohne Jusufs, den Auftrag, ihm die drei schönsten Sklavinnen, die er finden könnte, zu senden. Hadschdschadsch nun wandte sich an die drei berühmtesten Sklavenhändler des Reichs, die ihm alsbald die drei größten Schönheiten, die sie ausfindig gemacht hatten, zuführten. Hier folgt die Beschreibung ihrer Vorzüge, die Hadschdschadsch dem Kalifen einsandte und die sich aus den geheimen Archiven des Kalifats bis auf unsere Zeit erhalten hat:

Die erste hat funkelnde Augen und schön gerundete Arme. Ihr Busen sproßt und treibt wie die Rosenknospen in den ersten Tagen des Frühlings; ihre Schenkel leuchten wie polierter Alabaster im Mondenschein; sie ist weiß wie ein geglättetes Silber.

Die zweite ist ein Beispiel des schönsten Ebenmaßes aller Glieder. Der süße Ton ihrer Stimme würde Kranke heilen und Tote zum Leben erwecken. Sie ist eine anziehende Braunhaarige.

Die dritte hat die Augen der Gazelle, die Gesichtsfarbe der Rose, den Wuchs der Zypresse, den Wohlgeruch des Moschus, das Haar schwärzer als Ebenholz, die Zähne weißer als Elfenbein. Ihre Wimpernhaare sind so viel Pfeile, welche die Herzen durchbohren, und das Mal auf ihrer Wange ist dunkel wie das Korn des Lebens auf der glänzenden Flur des Paradieses.

Hadschdschadsch übergab die drei Sklavinnen, nachdem er sie besichtigt und beschrieben hatte, den drei Sklavenhändlern mit dem Befehle, sie wohlverwahrt dem Kalifen zuzuführen. Einer der drei Kaufleute aber, alt und gebrechlich, wie er war, bat, der Reise enthoben zu werden und statt seiner seinen Sohn stellen zu dürfen, was Hadschdschadsch gerne gewährte. Auf dem Wege lüftete der Wind auf einen Augenblick den Vorhang der Sänfte, und der junge Mensch wurde auf der Stelle sterblich verliebt in die ihm von seinem Vater anvertraute Schöne. Er aber sang aus dem Stegreife:

Selbst durch den Schleier dringt der Pfeil ins Herz – Und es zerbricht aus übergroßem Schmerz.
Es birst die Erde vor dem Sonnenfeuer – Wiewohl es sich verbirgt im Wolkenschleier.

Eine überaus wohltönende Stimme antwortete aus der Sänfte:

Verräter ist der Tag, die Scheelsucht wacht – Vertraue dein Geheimnis nur der Nacht.

Der junge Mann verstand den Wink und wollte ihn benutzen, sobald es dunkel geworden war. Und er machte den Versuch, seine Schöne zu entführen, aber von seinen Gefährten entdeckt und eingeholt, wurde er auf ein Kamel gebunden und als ein Verbrecher bis in den Palast des Kalifen mitgeführt.

Abd al-Malik ließ sich die Sklavinnen vorführen und überlas zugleich die Beschreibung ihrer Vorzüge, die ihm Hadschdschadsch eingesandt hatte. Bei den ersten beiden traf alles auf ein Haar ein; die dritte aber hatte nicht, wie es in der Beschreibung hieß, die Farbe der Rose, sondern sie war blaßgelb.

»Was ist das?« fragte der Kalif erzürnt die Sklavenhändler. Sie warfen sich ihm zu Füßen, baten im voraus um Gnade und erzählten ihm dann die Liebesgeschichte des jungen Mannes. Des Kalifen Zorn ging in Mitleid und Rührung über. Statt den Liebhaber als Majestätsverbrecher zu bestrafen, machte er ihm die Sklavin mit all ihrem Staate zum Geschenk.

Die Verliebten waren außer sich vor Freude und Entzücken. Sie durchschwärmten die Nacht in inbrünstigen Umarmungen. Des Morgens fand man beide tot einander in den Armen; das Übermaß der Leidenschaft hatte sie getötet. Man erstattete hiervon Bericht dem Kalifen, der sich nicht wenig ob dieses außerordentlichen Abenteuers verwunderte und gar nicht begreifen konnte, wie es möglich war, aus Liebe zu sterben.

Hadschdschadsch, der Sohn Jusufs, hatte eines Abends große Gesellschaft. Dessenungeachtet wurde ihm die Zeit lang, und er sprach zu Khalid, dem Sohn Gersafas: »Geh in die Moschee und suche uns jemanden, der durch Erzählungen die Zeit kürze. Es ist eben Gebetstunde, und es kann dir nicht fehlen, deinen Mann zu finden.« Khalid ging in die Moschee, grüßte den ersten jungen Menschen, der ihm aufstieß, und lud ihn ein, sich mit ihm in den Palast zu begeben. Der Jüngling nahm die Einladung an, und sie traten beide in den Gesellschaftssaal. »Liest du den Koran?« fragte Hadschdschadsch den Fremden. »Ja, und ich weiß ihn auswendig.« »Bist du mit den arabischen Dichtern bekannt?« »Ja, vom Anfang bis zum Ende«, war die Antwort; und er sagte einige der schönsten Stellen. »Nun, da es dir, wie ich sehe, an Wohlredenheit und Sachkenntnis nicht fehlt, so erzähle uns etwas, indessen soll man dir zum Lohn eine Sklavin und viertausend Dirhems bereiten. »Des Himmels Segen über den Kalifen und seinen Statthalter,« antwortete der Jüngling, »ich wüßte nichts Außerordentlicheres zu erzählen als meine eigene Geschichte.« »Nun, so erzähle sie denn der versammelten Gesellschaft!«

»Ich verlor sehr jung meinen Vater und wurde erzogen in dem Hause meines Oheims. Der hatte ein überaus schönes Mädchen zur Tochter, mit der ich die ersten Jahre der Jugend verlebte und die ich, ohne es zu wissen, liebte. Als sie heranwuchs, bewarben sich viele Freier um ihre Hand, und mir wurde damit alle Hoffnung genommen, sie jemals zu bekommen. Der Kummer brachte mich aufs Krankenlager; mitten unter den Ausbrüchen von Fieberphantasien ersann ich folgenden Ausweg, um zu meinem Ziele zu gelangen: Ich füllte einen Sack mit Sand und Erde an, und in einem Augenblicke, wo ich wußte, daß ich beobachtet wurde, vergrub ich ihn mit vieler Sorgfalt und Herumspähen, als sollte es nicht gesehen werden, unter meinem Kopfkissen, um glauben zu machen, es sei ein heimlicher Schatz. Dann ließ ich meinen Oheim rufen und sagte ihm: ›Ich besitze einen heimlichen und sehr ansehnlichen Schatz, den ich in der Wüste gefunden habe, und fürchte, der Tod übereilt mich, ehe ich ihn jemand entdeckt habe, oder man bestiehlt mich. Gib mir daher, ich bitte dich, eine Wache von zwölf Personen, und leihe mir unterdessen tausend Dinare, um die Kosten meiner Krankheit zu berichtigen, auf daß ich nicht nötig habe, meinen Schatz ans Licht zu bringen und ihn anzuzeigen.‹ Mein Oheim glaubte fest, was ich ihm gesagt hatte, und erzählte es seinem Weibe wieder. Diese, die mich für steinreich hielt, hatte nun nicht die geringste Einwendung wider meine Verbindung mit ihrer Tochter und ließ mir durch ihren Gemahl einen Vorschlag machen. ›Ich habe es nie gewagt,‹ antwortete ich, ›meine Augen bis zu deiner Tochter zu erheben, um so weniger, als ihr Betragen gegen mich meine Wünsche nicht im mindesten begünstigte.‹ ›O das hat nichts auf sich, das Mädchen fürchtete sich nur vor ihrer Mutter; nun wird es sich schon geben.‹ Sogleich versammelte man den Stamm, und die Hochzeit wurde noch selbigen Abends gefeiert.

Die folgenden Tage überhäufte mich mein Schwiegervater mit Geschenken. Er hatte für mehr als zehntausend Dirhems Kleider und Schmuck gekauft, alles in der Hoffnung auf einen reichlicheren Ersatz aus dem Schatze. Endlich begehrte er, ihn zu sehen. Sogleich ließ ich Träger kommen, um den Sack auszugraben und zu meinem Schwiegervater zu bringen, der, wie ihr euch denken könnt, nicht wenig toll gewesen sein muß, als er Sand statt Gold fand. Ich war unterdessen so klug gewesen, mit meinem Weibe die Flucht zu ergreifen; und ich irre nun seitdem in Moscheen herum, ohne daß ich weiß, wie das Ende sein wird.«

Hadschdschadsch befahl, dem Erzähler die Sklavin zu übergeben und zehntausend Dirhems zu verabreichen, die am nächsten Morgen ausgezahlt werden sollten. Der junge Mann war voll der Freude und eilte zu seiner Gattin, die zu ihrer Mutter nach Hause zurückgekehrt war. Er stürzte zur Tür hinein und rief, daß er zehntausend Dirhems in der Schatzkammer guthabe. Als Mutter und Tochter dies hörten, erhoben sie ein großes Geschrei, weil sie glaubten, er sei von Sinnen gekommen. Der Vater dachte, es sehe mit den zehntausend Dirhems nicht besser aus als mit dem Schatze, und ließ den Schwiegersohn als einen Betrüger binden. Er mochte ihnen noch so oft seine Geschichte mit Hadschdschadsch erzählen, es half nichts. Die einen glaubten, es sei ein Fiebertraum, die andern, es sei eine Erfindung.

Hadschdschadsch, der den jungen Mann nicht wiederkehren sah, um sein Geld zu holen, ließ ihn suchen.

Der Gefundene erzählte, was ihm von neuem begegnet war, und wie also das Ende seiner Geschichte noch viel sonderbarer sei als der Anfang.

Hadschdschadsch überhäufte ihn mit neuen Geschenken.

 

Hadschdschadsch, der Sohn Jusufs, ist berühmt in der arabischen Geschichte durch seinen unersättlichen Blutdurst. Man sagt, daß er als neugeborenes Kind die Brust seiner Mutter Caria nicht habe nehmen wollen. Haress Ben Kelde riet den Eltern, eine schwarze Ziege zu schlachten und das Kind mit ihrem Blute zu tränken. Dies geschah drei Tage lang, am vierten aber säugte die Mutter das Kind. Die arabischen Geschichtsschreiber sind der Meinung, Satanas selbst habe diesen Rat gegeben, und erklären hieraus des Tyrannen seltene Blutgier, der nur wenige der bezeichneten Schlachtopfer durch außerordentliche Freimütigkeit oder kalte Verachtung des Todes entgingen.

Eine solche Ausnahme war die folgende: Bei einem öffentlichen Gastmahle bemerkte Hadschdschadsch, daß ein Beduine die Schüsseln mit Halwa auf das gierigste leerte. »Wer von Halwa etwas anrührt, ist des Todes!« donnerte Hadschdschadschs Stimme, und alle Hände, die auf die Schüssel zugefahren waren, erstarrten auf dem Wege. Der Beduine allein konnte die den Bewohnern der Wüste angeborene Freßlust nicht verleugnen. Nachdem er einige Zeit unbeweglich geblieben war, rief er: »O Emir, ich empfehle dir mein Weib und meine Kinder!« und fiel mit Hast über die Schüssel her. Hadschdschadsch sank vor Lachen auf den Rücken und ließ die Drohung unvollzogen.

Hadschdschadsch hatte soeben die Flammen eines Aufruhrs mit Strömen von Blut gelöscht. Unter den eingebrachten Gefangenen wurde ein freies arabisches Weib ihm vorgeführt. »Warst du es nicht,« fuhr sie Hadschdschadsch voll Grimm an, »warst du es nicht, die gestern noch das Volk empörte und zum Morde meiner Krieger wild entflammte?« »Du hast es gesagt, ich wars«, antwortete das arabische Weib. »Ihr habt es gehört«, sprach Hadschdschadsch, indem er sich zu seinen Wesiren umwandte; »was ist nun euer Urteilsspruch über die Schuldige?« »Eile,« riefen sie einstimmig, »sie hinzurichten.« Das Weib aber lachte hell auf. »Was lachst du?« fragte Hadschdschadsch. »Darüber, daß die Wesire deines Bruders, des ägyptischen Drängers Pharao, doch bessere Menschen waren als deine!« »Wieso?« fragte Hadschdschadsch. »Als Pharao«, antwortete die Araberin, »sie befragte, was mit Moses und Aaron zu tun sei, sprachen die: ›Heb sie auf für andere Zeiten.‹ Die deinigen aber raten dir, mit der Hinrichtung zu eilen!« Die Freimütigkeit gefiel dem Tyrannen, und statt den Blutbefehl zu erlassen, gab er ihr eine Anweisung auf die Schatzkammer.

»Was hältst du von Hadschdschadsch«, fragte der Tyrann einen Beduinen, auf den er unerkannt in der Wüste stieß. »Daß er ein Dränger und Tyrann ist!« »Nun, wenns so ist, warum führst du denn nicht Klage wider ihn am Throne des Kalifen Abd al-Malik, des Sohnes Marwans?« »Der ist um kein Haar besser, wenn nicht schlimmer. Allahs Fluch über beide!« Jetzt kam das Gefolge des Statthalters angeritten, und der Beduine erkannte seinen Mann. »Höre, o Emir,« sprach er, »das Geheimnis, das ich dir soeben anvertraute, bleibt unter uns; wenn auch Allah etwas davon wissen sollte, so weiß ers besser.« Hadschdschadsch mußte ob der sinnreichen Wendung lachen und beschenkte den Beduinen.

Hainand, der Geschichtsschreiber, erzählt: »Ich war in großer Gunst bei Walid, dem Sohne Abd al-Maliks. Als sein Bruder Jesid den Kalifenstuhl bestieg, floh ich nach Kufah, wo ich die große Moschee zu meinem Aufenthaltsorte auserwählte. Siehe da kam ein Bote Mohammeds, des Sohnes Jusufs Et-takfi. Er kündete mir an, er habe ein Schreiben des Kalifen erhalten, der ihm befehle, mich in das Serail zu führen. Wir setzten uns zu Pferde, und er gab mir einen Beutel von tausend Dinaren für die Unkosten der Reise. Am achten Tage nach unserer Abreise langten wir zu Damaskus an. Der Abgesandte holte die Erlaubnis zu meinem Empfange ein und führte mich dem Kalifen vor. Ich fand ihn in einem Saale von rotem Granit, dessen Decke ein Zelt aus rotem Damast war. Die Vorhänge waren aus roter Seide, und roter Damast bildete die Bekleidung des Fußbodens. Alles war rot, und neben dem Kalifen standen zwei ebenfalls rot gekleidete Sklavinnen, in der einen Hand goldene Becher, in der andern Hand kristallene Gefäße mit rotem Weine haltend.

Ich grüßte ihn und wünschte ihm Glück als Kalif, und er gab mir den Gruß zurück. Dann sprach er: ›Nahe, und sage mir, ob du weißt, warum ich dich holen ließ.‹ ›Nein, o Fürst der Rechtgläubigen.‹ ‹Ich sandte nach dir, um aus dem Schatze deines Gedächtnisses einige Verse zu holen, deren Anfang mir entfallen ist, von denen ich aber nur soviel weiß, daß sie mit dem Worte Kanne endigen.‹

Ich fing an, meinen Versvorrat im Gedächtnis durchzugehen, und erinnerte mich endlich einiger Verse eines alten Königs aus Jemen, die also lauten:

Früh sind die Tadler und die Neider aufgewacht! – Es schelten mich so Feind als Freund mit Vorbedacht.

Was kümmerts mich! es grünet frisch im Morgentau die Tanne – Das Mädchen hält den Morgenwein in goldner Kanne.

›Bei Gott!‹ rief Jesid aus, ›das sind gerade die Verse, die ich im Sinne hatte‹, und begehrte zu trinken. Er befahl der Sklavin, auch mir einzuschenken, was sie dreimal tat, so daß mir alle Sinne vergingen. ›Dreimal,‹ sprach ich, ›o Fürst der Rechtgläubigen, ist meine Vernunft schon davongelaufen.‹ ›Nun, was wünschest du denn, um sie noch ein viertes Mal zu verlieren?‹ ›O Herr, eine der beiden Sklavinnen, die zu deiner Seite stehen, wäre solches zu bewirken mehr als hinreichend.‹ ›Nun, du sollst sie alle beide haben, mit ihrem ganzen Anzug, und hunderttausend Dirhems obendrein.‹ Ich wußte nicht mehr, wie mir geschah, indem ich alles für einen Traum hielt. Am nächsten Morgen aber zog ich mit dem versprochenen Geschenke nach Kufah, wo ich seitdem ein vergnügtes Leben führe.«

 

Ein Sänger sang eines Tages in Gegenwart des Kalifen Jesid die folgenden Verse:

Wenn ich aus Sehnsucht tot zu Boden stürze – Weckt deine Schönheit mich vom Tode auf;

In meiner Seele brennt der Liebe Würze – Die hält den Leib vor der Verwesung auf.

Dem Kalifen gefielen die Verse; er fragte, wem sie zugehörten. Man wußte es nicht. »So geht und holt mir den Zeheri, der weiß es gewiß!« Es war schon Mitternacht vorbei, und Zeheri war eben nicht ganz ruhig, als man ihn um diese Stunde zum Kalifen rief. »Sei unbesorgt,« redete ihn Jesid an, »ich will nur wissen, wem die Verse zugehören, die soeben gesungen wurden.« »O Herr, der Verfasser ist Achus.« »Wo ist er denn?« »Er schmachtet seit langem im Gefängnisse.« Jesid befahl, ihn freizulassen, und ließ ihm noch ein Geschenk von vierhundert Dirhems verabfolgen. Auch Zeheri wurde belohnt.

Ebaseid Eleshedi erzählt: »Ich ging eines Tages zu dem Kalifen Sulaiman, dem Sohne Abd al-Maliks. Er saß in einem Saale, dessen Wände mit rotem Marmor, dessen Boden mit grünem Sammet belegt war. Vor den Fenstern des Saales, der mitten im Garten lag, rauschten Flieder und Quellen ins Lied der Nachtigallen und ins Gekose der Turteltauben. Am Kopf und zu den Füßen des auf ein Ruhebett hingestreckten Kalifen standen Mädchen, eine schöner als die andere. Die Sonne sank eben unter, und Rubinenglut durchfloß den smaragdenen Schmelz der Bäume, deren Äste sich zum Wohllaut der Vögel wiegten.

›Heil dir!‹ sprach ich, ›o Fürst der Rechtgläubigen, o Nachfolger des Propheten, Allahs Barmherzigkeit und Segen komme über dich!‹ Der Kalif hob sein Haupt auf und sprach: ›O Ebaseid, wünsche mir Frieden und Ruhe in solcher Zeit.‹ ›Allah möge dir Frieden und Ruhe schenken und ihren Preis dazu!« ›O Ebaseid, und was wünschest denn du dir?‹ ›O Herr, ich wünsche mir nichts als einen rubinroten Trank in spiegelndem Kristall; aber kredenzt müßte er mir werden durch das schönste und leicht geschürzteste Mädchen von Bagdad, und ich möchte ihn aus ihrer hohlen Hand trinken und dann den Mund an ihrem Arme abwischen.‹

Sulaiman schwieg, aber Funken des Zornes sprühten aus seinen Augen. Grimmig rollten die, und die schönen Sklavinnen zitterten. Endlich hob er das Haupt empor und sprach: ›O Ebaseid, deine letzte Stunde ist gekommen, und ich lasse dir wahrlich den Kopf vor die Füße legen, wenn du mir nicht sogleich in Wahrheit gestehest, wie du zu diesem Wunsche gekommen bist, der gewiß nicht ohne außerordentliche Veranlassung deinem nüchternen Gehirn entdampfte!« ›Deine Erhabenheit hat es erraten. Ich saß am Throne deines Bruders Saad, des Sohnes Abd al-Maliks, als sich die Pforten öffneten und ein Mädchen aus dem Palaste trat, das war zart und luftig wie eine Gazelle, die dem Netze des Jägers entwischt. Es war gekleidet in ein feines durchsichtiges Hemd von alexandrinischer Seide, das den schönen Busen weder drückte noch schmückte, sondern Form und Farbe gleich verriet. Goldene Fußbänder aber klirrten an den Knöcheln, deren Weiße vom roten Saffian der Pantoffeln wie weißer Sammet abstach. Ihre Brauen hatten Bogen gespannt über den mit Zauberei erfüllten Augen. Die Wangen waren aus weißen und roten Rosenblättern aufgehaucht, und der Mund schien ein aufgeschnittener Pfirsich, aus dem Blut träufelt.

Sie sprach für sich im Gehen: ›Was klaget die Laute, was lärmet das Tamburin? Was flötet die Nachtigall, was seufzet die Rose? Ach! Liebe und Leben, wie bitter und kurz! Das Herz pocht, der Verstand grollt, der Geist ermattet, die Kraft erstirbt. Ein langer Schlaf senkt sich herunter auf die Müden. Allahs Segen über die, so getrennt leben, aber doch vereint sterben! Ach wie schön, wenn sich das Glück durch List und die Liebe nach Wunsch fände; wie glücklich wäret ihr nicht alsdann, o ihr Männer! o ihr Frauen! Doch wer hat Anka gesehen auf dem Gipfel des Gebirges Kaf?‹

Als sie ausgesprochen hatte, redete ich sie an: ›O Mädchen, bist du eine Menschentochter oder eine Dschinnijah? Ein irdisches oder ein himmlisches Geschöpf? Dein hoher Geist, dein tiefes Gefühl haben mir Herz und Sinne geraubt!‹ Sie verhüllte dann ihr Gesicht mit den Ärmeln ihres Hemdes, als ob sie mich nicht vorher schon gesehen hätte. ›Verzeih,‹ sprach sie, ›o du Schönredner, traurig ist die Stunde, allwo sich das Herz allein ergießt und kein Vertrauen als die Luft anspricht!‹ Sie kehrte um und entfloh. Und bei Gott, o Fürst der Rechtgläubigen, seitdem schwebt mir ihr Bild in jedem Augenblicke vor den Augen. Ich kann nichts Gutes genießen, ohne mich an sie zu erinnern, ich kann nichts Schönes sehen, ohne ihrer eingedenk zu sein.‹

›Deine Beschreibung, o Ebaseid,‹ sprach der Kalif, ›hat meinen Unwillen versöhnt, und ich fühle mich dir wieder in Gnaden gewogen, wiewohl sich mein gefaßter Verdacht mit Gewißheit bestätigt hat. Ich dachte sogleich, es müßte ein außerordentliches Geschöpf gewesen sein, dem es gelang, einen Kopf wie deinen, o Ebaseid, in helle Flammen zu setzen. Ich dachte, dies müßte nur meiner Delfa möglich sein, und so ist es, Delfa ists, die du gesehen hast, mein Liebling Delfa, von der mit Recht der Dichter gesungen:

Delfa, du bist ein einziger Rubin aus Bedachschans Minen – Der aus dem Säckel das Geld fürstlichen Käufern entlockt.

Tausendmal tausend und mehr geb ich für dich mit Vergnügen – Liebst du nur immer auch mich, den, der am teuersten zahlt.

Immer von Liebe beseelt wird dir ein ewiges Leben – Denn der Haß allein wird von dem Grabe gedeckt.«

Abulfaredsch von Ispahan erzählt, daß unter der Regierung des Kalifen Hischam, des Sohnes Abd al-Maliks, der Schreiber Junis eine sehr schöne Sklavin kaufte. Nachdem er sie in allem, was den Geist und den Körper bildet, hatte unterrichten lassen, war sie wenigstens hunderttausend Dirhems wert. Er zog mit ihr gegen Damaskus, und die Karawane machte an einem nicht fern von der Stadt gelegenen Orte ihren gewohnten Halt. Ein junger und wohlgebildeter Mann kam von der Stadt geritten, grüßte den Schreiber und begehrte zu essen und zu trinken als sein Gast.

Er blieb bis gegen Abend und fragte endlich, warum Junis mit der Karawane gen Damaskus gezogen sei? »Um meine Sklavin zu verkaufen!« »Wie teuer?« »Hunderttausend Dirhems.« Der junge Mensch handelte bis auf die Hälfte herunter, verpflichtete sich, das Geld am nächsten Morgen zu bringen, und sprach dem Schreiber mit so vieler Wohlredenheit zu, daß er ihm die Sklavin auf der Stelle übergab. Sobald sie aber abgeführt war, reute es ihn des dummen Streiches, seinen Schatz einem Unbekannten auf sein bloßes Gesicht und ohne andere Sicherheit übergeben zu haben. Er durchwachte die ganze Nacht in der größten Ungeduld.

Mit Tagesanbruch erschienen zwei Sklaven, die nach ihm fragten. Sie sagten ihm, der junge Mensch, der gestern gekommen sei, sei Walid ibn Jesid, der Thronerbe des Kalifats. Junis folgte den beiden Sklaven in den Palast Walids. Der Prinz fragte, ob es ihn nicht schon gereut, seine Sklavin einem Unbekannten verkauft zu haben? Junis, der nichts Beleidigendes antworten wollte, erwiderte, er habe in den Edelmut und Hochsinn, den des Prinzen Gesichtszüge aussprächen, festes Vertrauen gesetzt; »das nicht betrogen werden soll«, fiel ihm der Prinz ein. »Wenn es dich nicht gereuet, deine Sklavin einem Unbekannten anvertraut zu haben, so hat es mich schon zehnmal seit gestern gereut, daß ich mit ihr so davongeeilt bin. Nun wollen wir den Kauf mit etwas kälterem Blute schließen.« Junis dachte, der Prinz würde ihm die Sklavin zurückgeben. »Du läßt sie mir für fünfzigtausend Dirhems, wie gestern, nicht wahr?« »Ja.« »Hier ist das Geld, und hier für die Unruhe, die ich dir durch ihre vorschnelle Entführung hätte verursachen können, fünfzigtausend andere Dirhems.« Der Schreiber kehrte zufrieden aus Damaskus zurück.

Mansur ließ einen rechtlichen Mann, der angegeben wurde, als verhehle er Schätze und Waffen, die dem Stamme der Umaijaden gehörten, vor sich rufen, und befahl ihm, dieselben dem Staate zu überliefern. »Bist du, o Fürst der Rechtgläubigen, der Erbe des Stammes der Umaijaden?« »Ich bin es nicht.« »So hast du kein Recht, was meinen Händen anvertraut worden ist, abzufordern.« »Aber die Fürsten aus dem Stamme der Umaijaden waren Tyrannen, die sich mit dem Hab und Gut der Diener Allahs bereicherten.« »Je nun, da ist erst zu beweisen, daß die mir anvertrauten Schätze ein Teil des mit Unrecht erpreßten Raubes sind, denn die Söhne der Umaijaden waren reich an eigenem Vermögen!«

Mansur blieb lange in stilles Nachdenken versunken, endlich fragte er den Beklagten: »Hast du nichts nötig von mir?« »Ja, o Herr! ich begehre eine Gnade.« »Rede!« »Ich bitte, daß der Ankläger, der mich beschuldigt, Schätze der Söhne der Umaijaden zu verhehlen, vor meinen Augen erscheine, denn ich schwöre dir, daß ich keinen Dirhem habe. Die Antwort aber, die ich gab, kam aus dem lebendigen Gefühle von Recht und Billigkeit, das allen meinen Worten und Taten zur Richtschnur dient und den deinigen zur Richtschnur dienen soll.«

Der Ankläger erschien. »Dieser Mensch ist mir Geld schuldig,« rief der Angeklagte, »hier ist sein Schuldschein, den er sich einzulösen geweigert.«

Der Angeber gestand nicht nur die Schuld, sondern auch die Falschheit seiner Angabe ein. Der Gläubiger zerriß den Schuldschein mit den Worten: »Es wäre mir leid, daß du solchen Bettels willen noch einmal den falschen Angeber machen solltest.«

Mansur, der sich oft dieses Zuges erinnerte, sagte, er habe nie etwas Edleres gesehen als die Freimütigkeit und die Großmut dieses Mannes.

Dscha'Afar Al-Mansur bat den Richter Ibn Sinli, ihn öfters mit der Erzählung sonderbarer Fälle, die ihm in Ausübung seines Amtes aufstießen, zu unterhalten. Eines Tages nun, als der Richter den Kalifen sehr verdrießlich sah, erzählte er ihm die folgende Anekdote:

»Ein altes Weib mit gekrümmtem Rücken, das sich kaum, auf ihren Stock gestützt, halten konnte, kam, um Gerechtigkeit zu begehren wider eine ihrer Verwandten. Ich ließ diese vorrufen. Es war ein junges rundes Weib, deren Busen und Wuchs dem Enthaltsamsten den Mund wäßrig gemacht hätten. Sie setzten sich beide, und die Alte wollte die Klage beginnen, als die Junge bat, daß sie zuerst sprechen und sich entschleiern dürfte. Die Alte erhob Einspruch dawider und machte viel Lärmens. Ich erlaubte der Jungen, sich zu entschleiern und zu sprechen. Sie lüftete den Schleier, und beim Propheten! kein schöneres Gesicht habe ich je gesehen; das Licht des Paradieses strahlt nicht heller von den Wangen der Huris, als ihre Schönheit mir in die Augen strahlte. Sie legte ihren Schleier auf eine sehr verführerische Weise zurecht und begann dann folgendermaßen:

›Allah segne den Richter! Die Klägerin ist meines Vaters Schwester, die nach seinem Tode meine Erziehung bis ins mannbare Alter übernahm. Sie fragte mich, ob ich mich vermählen wollte, und auf mein Ja schlug sie mir einen Wechsler aus Kufah vor, den ich nahm und mit dem ich glücklich zusammenlebte. Meines Vaters Schwester war neidisch auf das Glück unserer Ehe und nur darauf bedacht, es zu stören. Sie hatte aber eine Tochter, die eben mannbar geworden war und die sie meinem Gemahl so oft unter die Augen führte, bis er sie zur Frau begehrte. Meine Verwandte willigte in das Begehren unter der Bedingung ein, daß mein Gemahl sich von mir scheiden und ich mich den Befehlen seiner neuen Frau unterwerfen sollte. ›Wohlan,‹ sprach mein Gemahl, ›ich scheide mich von dir zum ersten, zum zweiten, zum dritten Male.‹ Er hielt hierauf Hochzeit mit meiner Base, und aus der gebietenden Herrin war ich nun die Magd meiner Nachfolgerin geworden. Nicht lange hernach verließ meines Vaters Schwester das Haus, um einen besonderen Haushalt zu führen, und sie führte mich mit sich hinweg. Ihr Gemahl, der lange abwesend gewesen war, kam um diese Zeit von seinen Reisen zurück. Da er mich oft genug sah, verliebte er sich in mich und begehrte mich endlich zum Weibe. Ich willigte in sein Begehren unter der Bedingung, daß er sich von meines Vaters Schwester scheiden und sie mir unterwerfen solle. ›Dein Wille geschehe,‹ sprach er, ›ich scheide mich von ihr zum ersten, zum zweiten, zum dritten Male.‹ Nun ging die Wirtschaft anders, ich herrschte im Hause und meines Vaters Schwester mußte gehorchen. Bald darauf starb aber mein Oheim und zweiter Gemahl und hinterließ mir eine Erbschaft von sechstausend Dirhems. Nachdem ich die Trauer abgelegt hatte, kam mein erster Gemahl, mich zu besuchen. ›Ich habe dich immer‹, sprach er, ›wie meine Seele geliebt; tausendmal habe ich den unglücklichen Tag verwünscht, an dem ich mich von dir getrennt. Ich fliege in deine Arme zurück, wenn du ein zweites Mal mit mir zusammenleben willst.‹ ›Warum nicht,‹ antwortete ich, ›aber unter der Bedingung, daß du dich von deinem jetzigen Weibe scheidest und daß sie mir untergeben ist.‹

›Ich scheide mich von ihr‹, sprach er, ›zum ersten, zum zweiten, zum dritten Male; sie sei künftig deine Magd.‹

So war ich dann die Gebieterin meiner Base und meines Vaters Schwester, der beiden Gemahlinnen meiner Gatten.

›Alles dies ist wahr, von Wort zu Wort,‹ redete die Alte dazwischen, ›sie hat für mich gesprochen und sich selbst angeklagt. Habe ich denn kein Recht, Genugtuung dafür zu fordern, daß sie mir und meiner Tochter unsere Männer geraubt und uns zu ihren Mägden gemacht hat?‹ Der Fall schien mir sehr verworren, und ich wußte nicht, wie ich entscheiden sollte. Unstreitig war eine Übertretung des Gesetzes hier mitunterlaufen. Der Oheim hätte seine Nichte nicht heiraten sollen. Aber er war tot, und keine Klage konnte daher statthaben wider ihn. Ich entschied, daß die Alte frei sein, ihre Tochter in die Rechte einer rechtmäßigen Gemahlin treten und diese mit dem jungen Weibe teilen sollte.

Dies, o Herr,« so endete der Richter Ibn Sinli seine Erzählung, »ist einer der seltsamsten und merkwürdigsten Fälle, die mir je in Ausübung meines Amtes vorgekommen sind!«

Der Kalif Al-Mutasim saß auf dem Balkone seines Palastes und sah einen armen Greis, der sich mit tausend Mühen fortschleppte, einen Esel, der mit Wasserschläuchen beladen war, vor sich hertreibend.

Der Kalif ließ ihn rufen und fragte ihn, wie es käme, daß er unter so mühseligem Tagewerk sein Leben so weit gebracht habe, während die Reichen und Wohllebenden in der Blüte der Jahre stürben. »Die Ursache ist,« sagte der Wasserträger, »weil uns Armen aus dem Schlauche des Lebens alles tropfenweise zusickert, während die Reichen den Schlauch auf einmal öffnen und den Strom der Lebenskraft ausgießen!« Dem Kalifen gefiel die Antwort, und er machte ihm ein ansehnliches Geschenk, um seines Alters besser zu pflegen. Wenige Tage hernach erfuhr der Kalif den Tod des Wasserträgers; »Wahrlich,« sprach er, »der Mann hatte so unrecht nicht und hat nun die Wahrheit seines Wortes durch Leben und Tod bestätigt!«

Dscha'Afar Al-Mansur, der Kalif, hatte ein so glückliches Gedächtnis, daß er jedes Gedicht, das er einmal gehört hatte, auswendig wußte. Er besaß eine Sklavin, die alles Vorgesagte von Wort zu Wort wiederholen konnte, nachdem sie es zweimal gehört hatte, und einen Sklaven, der jedes Gedicht nach dreimaligem Anhören zu wiederholen wußte.

Er war ein großer Liebhaber der Wissenschaften, für deren Gönner er gern gelten mochte; zugleich aber war er so außerordentlich geizig, daß ihm der Name Dewaniki oder Pfennigknicker geblieben ist. Sooft ihm ein Dichter ein Werk darbrachte, befahl er, sein Gewicht in Gold abzuwägen, vorausgesetzt, daß es neu und nicht aus gestohlenen Gedanken zusammengesetzt war. Las nun der arme Dichter sein Lob- und Preisgedicht vor, so wiederholte es der Kalif sogleich vom Anfang bis zum Ende und sagte: »Das ist ja was Uraltes, du siehst, daß ich es schon längst auswendig gewußt habe!«

Der erstaunte Dichter erkühnte sich, manchmal untertänigst zu erinnern, daß dies wohl eine glückliche und außerordentliche Naturgabe seiner Erhabenheit sein möchte, einmal gehörte Gedichte von Wort zu Wort wiederholen zu können. Hierauf sagte Al-Mansur: »Nicht im geringsten; diese Verse kennt ja jedes Kind. Siehst du dort die Sklavin und den Sklaven, sie haben es mir schon mehr als einmal wiederholt!« Hiermit forderte der Kalif diese auf, das Gehörte zu wiederholen, was sie kraft ihrer guten Gedächtnisse leicht tun konnten, indem es die Sklavin zweimal: aus dem Munde des Dichters nämlich und dem des Kalifen; der Sklave dreimal: aus dem Munde des Dichters, des Kalifen und der Sklavin, gehört hatte. So kam es denn, daß der arme Dichter, ganz erstaunt ob dieses ohne sein Wissen begangenen Diebstahles, mit leeren Händen abzog und nicht einmal den geringen Preis des Gewichtes in Gold davontrug.

Asmai, dem diese unwürdige Behandlung seiner Zunftgenossen zu Herzen ging, beschloß, diese und sich selbst am Kalifen zu rächen. Er verfertigte ein kurzes Gedicht, das sich aus den schwersten Worten und härtesten Silben, welche die arabische Sprache hat, zusammensetzte, verkleidete sich als Beduine und kam auf einem Kamele in das Serail des Kalifen gezogen. Der Kalif setzte ihm die bekannten Bedingungen: »O Bruder Araber! Wenn dein Gedicht dein eigen ist, so wäge ichs mit Gold auf, wenn nicht, so erhältst du keinen Dirhem.« Nun sagte Asmai die folgenden Verse auf:

Das Bülbülbül der Nachtigall – Schlug hoch und tief im Herz.
Die Blumenflur! der Wasserfall – Ein Schelmenaug voll Scherz!
Ich sagte, du gebietest mir, – Mein Schatz, mein Schätzelein!
Wie mancher sehnet sich nach dir, – O mein Gazellelein!
Ich pflückte Rosen durch den Kuß – Von ihrem Angesicht.
Ich sagte: Gib mir Kuß auf Kuß, – Sie aber wollte nicht.
Sie sagte: Nein! mitnichten! nein! – Da schritt ich für und für;
Da neigte sich das Mägdelein – Erzürnt auf die Manier.
Sie schrie und weinte, o! und ach! – Und weh! und ach! und ei!
Ich sagte: Weine nicht, gib nach, – Man sieht die Perlenreih.
Als sie ein wenig stiller ward, – Verlangt ich mehr als Kuß.
Verlangte, weil sich alles paart, – Der Liebe Vollgenuß.
Sie sagte: Ists um diese Zeit? – Wohlan, so trink und iß!
Sie machte mir den Wein bereit, – Den Wein, wie Honig süß.
Ich nößelte den Balsamsaft – Der Blumenfluren ein,
Es schien, als duftete die Luft – Von Würzenägelein.
Die Laute schlug: trallalala, – Die Trommel: dum, dum, dum,
Die Tänzer sprangen hopsassa, – Das Dach ging um und um.
In Quittenblättern aufgetischt – Erschien das frohe Mahl;
Zu Turteltauben Girren mischt – Den Klingklang der Pokal.
Allein am Morgen, o der Scham! – Kam es zum Eselsritt,
Auf einem Esel, der halb lahm – Gleich einer Schildkröt schlich.
Das Volk lief mir in Haufen nach, – Klif klaf, klif klaf, klif klaf,
Rundum ward das Getümmel wach – Pif paf, pif paf, pif paf.
Ich aber ritt im vollen Trab – So gut ich könnt, davon.
Und stieg zuletzt am Hofe ab, – Am großen Königsthron.
Man gab mir einen roten Rock – Zum Lohn und Ehrenstrauß,
Dann sprengt ich über Stein und Stock – Zu Bagdads Tor hinaus.
Ich selbst Asmai (habt Respekt) – Geborn in Mosuls Wall,
Hab dieses Liedlein ausgeheckt – Gleich einer Nachtigall.

Der Kalif hatte das Lied der vielen Onomatopöien und harten Silbenversetzungen wegen viel zu schwer gefunden, um es einmal anhörend aufsagen zu können; er sah den Sklaven und die Sklavin an, die kein Wort davon behalten hatten.

Schließlich sprach er verdrießlich: »Nun, so gib dein Gedicht her, auf daß ich es mit Gold aufwiege.« »Sogleich, erlaube mir, daß ich es ablade.« »Wie? ein Gedicht abladen? Was ist das?« »Ja, du sollst es gleich sehen, o Fürst der Rechtgläubigen.« Das Kamel wurde vorgeführt; seine Last aber war eine Säule, auf der das Gedicht eingegraben war. Der Kalif konnte nicht anders, als Wort halten, und er mußte den Stein mit Gold aufwiegen.

Endlich breitete Asmai den Mantel, mit dem er das Gesicht eingehüllt hatte, auseinander und sprach: »Du siehst, ich bin kein Asmai aus der Wüste, sondern der Asmai deines Hofes, o Fürst der Rechtgläubigen, der sich unterstanden hat, deine Erhabenheit hierdurch zu erinnern, daß man den armen Poeten ihr Brot nicht abstehlen muß!«

Harun Al-Raschid sah einen Greis, der einen Baum pflanzte. »O Alter!« sprach er, »das Bauen ginge noch hin, aber was soll das Pflanzen in deinen Jahren! Wie alt bist du denn?«»DreißigJahre.« »Du lügst.« »Nicht doch, o Herr, denn ich rechne die Jahre nicht, die unter der Regierung der Umaijaden verflossen, ich zähle meine Lebensjahre vom Anfang der Regierung deines Stammes.« »Wie magst du aber pflanzen ohne Hoffnung, die Frucht zu sehen?« »Ich pflanze für die Nachkommen, wie die Vorfahren für mich gepflanzt haben!« Der Kalif schenkte ihm tausend Dinare. »O Fürst der Rechtgläubigen,« sprach der Alte, »durch ein Wunder deiner Gnade hat der Baum, der erst in zwanzig Jahren Früchte bringen sollte, schon jetzt getragen!«

Harun Al-Raschid träumte, alle seine Zähne seien ihm ausgefallen. Er ließ einen Traumdeuter kommen und fragte, was der Traum zu bedeuten habe. »Allah wolle dich vor allem Unglück bewahren«, sagte der Ausleger; »der Traum bedeutet, daß du alle deine Verwandten sterben sehen wirst!« Der Kalif, erzürnt ob der üblen Auslegung, ließ ihm hundert Stockstreiche geben und einen andern Ausleger rufen. Dieser antwortete auf die Frage, was der Traum bedeute: »Der Himmel wolle allen deinen Anverwandten ein langes Leben verleihen! Aber der Traum bedeutet, daß du sie alle überleben wirst!« Der Kalif ließ ihm hundert Dinare geben. Im Grunde hatte der eine und der andre Ausleger dasselbe gesagt. So vieles kommt an auf Art und Wendung!

Abu Nowas und Zeineddin ibn al-Wardi, zwei der berühmtesten Hofdichter des Kalifen, unterhielten sich eines Tages zusammen von Gespenster- und Satansgeschichten. Nachdem sie lange darüber in Prosa gesprochen hatten, dichtete der erste die Erzählung des folgenden Abenteuers aus dem Stegreif:

Es kam in einer Nacht zu meinem Bette – Fürst Satan, wie er lebt und leibt.

Er sagte: Ei! hast du ein liebes Mädchen, – Mit dem man sich den Schlaf vertreibt?

Ich sagte: ja. Er sprach: Hast du ein Weinlein – Von Adams Zeiten eingelegt?

Ich sagte: ja. Er sprach: Hast einen Sänger, – Der Steine durch Gesang bewegt?

Ich sagte: ja. Er sprach: Hast einen Tänzer, – Dem Alkohol die Wimpern schwärzt?

Ich sagte: ja. Er sprach: Hast du ein Knäblein, – Das willig mit dir kost und scherzt?

Ich sagte: ja. Er sprach: So schlaf, ich will dich weihen – Zum Tempel, zur Kaaba aller Schelmereien.

Zeineddin ibn al-Wardi entgegnete:

Ich schlief, da kam zu meinem Bett der Teufel – Mit tief durchdachter Höllenlist.

Er sprach: Hast du vielleicht ein Opiatchen, – Das süßen Schlaf in Glieder gießt?

Ich sagte: nein. Er sprach: Hast du kein Weinchen, – Das Feuer durch die Adern sprüht?

Ich sagte: nein. Er sprach: Hast keinen Sänger, – Des Lied die Herzen nach sich zieht?

Ich sagte: nein. Er sprach: Hast du kein Mädchen, – Mit einem hellen Mondgesicht?

Ich sagte: nein. Er sprach: Hast keine Leier, – Um die ein Blumenkranz sich flicht?

Ich sagte: nein. Er sprach: So schlafe fühllos fort, – Du Block von Holz und Stein verdienst kein ander Wort.

~ ~ ~

Ein andermal befand sich Asmai beim Kalifen an einem der längsten Winterabende, um ihm die Zeit zu kürzen. »Wer ist deine Bettgefährtin?« fragte der Kalif. »Ich habe keine, o allergnädigster Herr, und bringe meine Nächte allein auf meinem kalten Lager zu!« »Das ist nicht, wie es sein sollte, der Himmel schickt dir an einem dieser Tage gewiß eine Bettgenossin, unterdessen kannst du für heute schlafen gehen!« Asmai empfahl sich und ging nach Hause. Aber kaum hatte er sich niedergelegt, als ein großes Getümmel vor seiner Tür entstand: Sänften und Fackeln und Sklavinnen und Träger. Er wußte nicht, was das zu bedeuten hatte, und machte die Türe auf, und siehe da, es war die erste Favoritin, von Sängerinnen und Tänzerinnen begleitet, die da kam, um auf Befehl des Kalifen dem Dichter für diese Nacht Bettgesellschaft zu leisten.

Asmai fühlte sich beim Anblick so vieler Schönheiten von Entzücken durchbebt, wußte aber nicht, wie er sich benehmen sollte bei ihrem Empfange. Die Favoritin riß ihn sogleich aus der Verlegenheit, indem sie ihren Sklavinnen Musik zu machen und das Nachtmahl zuzubereiten befahl. Asmai mußte trinken, und zwar von den besten Weinen aus dem Keller des Kalifen. Nach dem Nachtmahle ließ sie Brautgewänder bringen für sich und für Asmai, bekleidete sich mit dem verführerischen Nachtgewande und winkte den Sklavinnen, sich zu entfernen. »Komm,« sprach sie, »o Asmai«, indem sie zuerst ins Bette stieg.

Der arme Asmai stieg hinein, von Begier und von Furcht zugleich ganz außer sich. Denn wie sollte er solchem Reiz widerstehen, und wie sollte er seinen Kopf retten, wenn er sich vermäße, des Kalifen Kleinod zu berühren. Er legte sich an das äußerste Ende des Lagers, ohne sich zu rühren. Die Favoritin ließ nichts unversucht an Liebkosungen, um ihn aus seiner Fassung zu bringen. Es war umsonst, er blieb wie erstarrt, ohne sich zu regen und zu bewegen, halbtot vor Lust und Furcht. Die Favoritin wurde böse, daß ihre Reizungen fruchtlos blieben, und fing an, ihn mit Schimpfworten zu geißeln, die aber nicht mehr Wirkung taten als ihre Liebkosungen. Gegen Morgen klatschte sie in die Hände, um ihre Sklavinnen zu rufen. »Bringt mir«, sprach sie, »eine Badkufe und Wasser und Leintücher!« Asmai zitterte, rührte sich aber nicht. Als die Sklavinnen zurückgekommen waren, befahl sie: »Nehmt die Totenwaschung vor und verrichtet das Grabgebet, denn Asmai ist eine Leiche!« Die Sklavinnen verstanden den Wink, fielen über Asmai her, warfen ihn in die Kufe, rieben und rauften ihn unter dem wehmütigsten Klagegeheul. Umsonst wehrte er sich nach Kräften. Endlich gelang es ihm, sich aus ihren Händen zu retten und mit dem Leichentuche, das sie über ihn geworfen hatten, davonzulaufen. In diesem Aufzuge stellte er sich dem Kalifen vor, der vor Lachen bersten wollte, als er die Geschichte vernahm, zugleich aber die Höfischkeit des Dichters, der die Favoritin nicht hatte berühren wollen, sehr gut zu würdigen wußte. Er kaufte sie um fünfzigtausend Dinare los.

 

Asmai erzählt: Ich war eines Tages ausgezogen in die Wüste, um seltsame Abenteuer aufzusuchen. Weiße Mauern blinkten mir entgegen, wie das weiße Gefieder einer Taube, und ich ging hinein und fand ein leeres Gebäude, wo nur Raben und Schakale hausten und der Wind durch Fenster und Türen heulte. Endlich glaubte ich eine menschliche Stimme zu vernehmen, aber sie kam mir so wild und fürchterlich in die Ohren, daß ich mein Schwert zog, weil ich sonst nicht sicher zu sein glaubte, und mit gezogenem Schwerte herumging. Ich fand einen Mann auf der Erde sitzen, der in einer Hand einen Stab, in der andern ein Bildwerk hielt. Er schlug mit seinem Stabe die Erde und weinte und sagte aus dem Stegreife:

Messias! gib mir Wunderkraft – Zu bändigen die Leidenschaft!

Denn wenn ich nicht den Tod erflehe – Ich wie der Rauch im Wind vergehe.

Ich trat dann schnell vor ihn hin, ohne daß er es gewahr wurde, und grüßte ihn; er hob den Kopf auf und gab mir den Gruß zurück und fragte: »Woher bist du? und wer hat dich an diesen Ort gebracht?« »Allah der Herr«, sprach ich. »Da hast du recht,« antwortete er, »denn auch Gott der Herr hat mich in dieser Einsamkeit von den Menschen abgesondert.«

»Was machst du denn«, fragte ich ihn, »mit dem Bildwerke in deinen Armen?« »O, meine Geschichte ist seltsam und mein Abenteuer wunderbar!« Ich bat ihn, mir das Ganze zu erzählen und keinen Umstand zu verheimlichen. »Wisse,« fing er seine Erzählung an, »ich bin aus dem Stamme der Banu Tamim, und zwar aus dem, der sich zur christlichen Religion bekennt. Dieses Bildnis hier stellt meine Base dar, mit der ich von zarten Kindesjahren an auferzogen wurde. Wir liebten uns, ihr Vater aber, der nichts von unserer Liebe wissen wollte, verwahrte sie unter strenger Aufsicht.

Desungeachtet fand ich Mittel, sie zu sehen. Als ich mich nun eines Tages allein bei ihr befand, klopfte mein Oheim an der Türe. Sie versteckte mich schnell unter ein Ruhebett, ging und machte die Türe auf. ›Wo ist mein Neffe, der Diener des Messias?‹ donnerte der Onkel. ›Ich habe ihn wahrlich nicht gesehen.‹ ›Ich aber habe seine Stimme bei dir gehört.‹ ›Du hast geträumt, o mein Vater.‹ ›Bei Gott! bekenne die Wahrheit und lüge nicht, sonst soll dich der Allmächtige in Stein verwandeln.‹ ›Ja, wenn ich lüge.‹ Mein Oheim hob nun die Augen und Hände zum Himmel auf und sprach: ›O Gott, der du der Herr bist der Vor- und Nachzeit, wenn du weißt, daß meine Tochter lügt, so verwandle sie in harten Stein!‹ Sogleich, schrecklich zu erzählen, erstarrten ihre Glieder. Dies ist die Statue, die ich Tag und Nacht seit vierzig Jahren in meine Arme schließe. Ich nähre mich von den Kräutern der Wüste und trinke von ihren salzigen Quellen. Des Samums brennender Odem ist kühlender Hauch im Vergleich des Flammenhauches meiner Seele, und der Sand, der dir unter den Füßen glüht, scheint mir erfrischender Tau.

Dann sagte er weiter aus dem Stegreif:

Bei Gott, der Herzen enget und erweitert – Der heitre Tag trübt und trübe heitert,

Der Lebende zur Erde tot hinstrecket – Die Toten in das Leben auferwecket,

Bei Gott! dem Ewigen! es macht die Liebe – Das Trübe heiter, und das Heitre trübe,

Sie tötet und erwecket dann zum Leben – Der Herr hat seine Allmacht ihr gegeben.

Hierauf stand er auf und lief wie rasend umher, seine Kleider warf er von sich, und die Augen rollten wild in seinem Kopfe herum, dann kam er auf mich zu und sprach:

»O Sohn des Weges, dir will ich nun drei Verse sagen, und wenn ich entschlafen bin, so sollst du mich und diese Statue begraben und die drei Verse als Inschrift auf mein Grab setzen:

Ihr, die nicht glaubt, daß Liebe tötet – Kommt her zu meiner Grabesstätte,

Ich wandelte in diesem Dom – Durch vierzig Jahre, ein Phantom,

Bis in des Lebens leerer Wüste – Der Tod mich endlich freundlich grüßte.

Als er ausgesprochen hatte, sank er mit der Statue nieder, die er fest mit seinen Armen umklammerte.

Und er tat einen großen Schrei und gab den Geist auf. Ich nahm aber meinen Mantel, um ihn damit statt eines Leichentuches zu umwickeln, und begrub ihn samt der Statue. Auf das Grab schrieb ich die oben angeführten Verse und besuche es noch jährlich einmal, nicht ohne tiefe Rührung.

 

Asmai erzählt: Auf meinem Wege nach der Wüste des Stammes Banu Saad kam ich nach Bassorah in den Tagen der Herrschaft Khalids, des Sohnes Abdallahs al-Kapseri. Und ich fand den Palast angefüllt mit einer Menge Volkes, die sich um einen Jüngling von schöner und edler Gestalt drängte. Und fragte, was der Auflauf bedeute, und man sagte mir, es sei ein Dieb, der die vorige Nacht eingebrochen habe. Khalid, der Statthalter, heftete die Augen auf ihn mit Wohlgefallen und befahl dem Haufen, abzutreten, um ihn allein über seine Schuld auszuforschen. »Die Sache ist,« antwortete der Jüngling, »wie sie sagen, und verhält sich, wie sie es angeben.« »Und was konnte dich denn zu dieser Tat bewegen, dich, dessen edle schöne Gestalt die Ankläger Lügen straft?« »Die Begierde nach Reichtum und das von Allah dem Herrn verhängte Schicksal brachte mich zum Falle.« »Dein Aussehen, deine Sitten, alles spricht für dich und bestärkt mich in der Meinung, daß du durch irgendeinen außerordentlichen Notfall dazu gezwungen worden bist, zu außerordentlicher Hilfe Zuflucht zu nehmen.« »Suche mich nicht zu retten, o Fürst, und vollstrecke das Gesetz des Herrn. Richte mich nach den Werken meiner Hände, Allah, der Herr, ist nicht ungerecht gegen seine Diener.« Khalid schwieg, lange nachdenkend, und sagte dann: »Dir steht frei, deine Aussage im Angesichte der Zeugen umzuändern, denn ich halte dich für keinen Dieb. Vertraue mir deine Geschichte an, und du darfst meines Stillschweigens gewiß sein.« »Laß dir, o Fürst, nichts anderes in den Sinn kommen, als was ich bereits bekannte und gestand; ich habe dir nichts anderes zu vertrauen. Ich brach in das Haus, man ergriff mich und schleppte mich vor dich, um meine verdiente Strafe zu empfangen.« Khalid befahl der Wache, ihn zu ergreifen, und ließ den Gerichtsausruf ergehen. Da schrien die Ausrufer durch ganz Bassorah: »Wer schauen will, was das Gesetz verhängt über die Diebe, finde sich morgen am Richtplatze ein, wo die Hand fallen wird, die fremdes Gut entwendet hat.«

Als der Jüngling in Ketten gelegt war, hörten ihn die Wächter im Kerker singen:

Khalid wollte mich erschrecken – Mit dem Drohn, die Hand mir abzuhauen.

Falls ich sollte nicht entdecken – Was mir niemand darf im Herzen schauen.

Mögen sie den Spruch vollstrecken – Rett ich nur hierdurch die Ehr der Frauen –

Man hinterbrachte die Worte dem Statthalter, und dieser ließ den Jüngling spätabends noch zu sich rufen, um sich mit ihm zu unterhalten. Er fand, daß seine geistige Bildung seiner Gestalt entsprach und daß er in allen schönen Künsten bewandert war.

»O junger Mensch,« sprach Khalid, »ich bin überzeugt, du bist kein Verbrecher, und es hat mit deinem Diebstahl eine andere Bewandtnis. Morgen, wenn die Ankläger zum letzten Male auftreten und die Richter zum letzten Male sprechen werden, kannst du dich noch retten, wenn du nur eine wahrscheinliche Ausflucht vorbringst, die dem Gesetze ausbeugt; sagt doch selbst der Prophet: Beugt den Strafgesetzen durch Zweifel aus!« Hierauf sandte er ihn ins Gefängnis zurück.

Am folgenden Morgen versammelte sich ganz Bassorah auf dem Richtplatze, um die Vollstreckung des Urteils zu schauen. Khalid und die Vornehmsten der Einwohner kamen zu Pferde, die Richter folgten ihnen auf schön gezäumten Mauleseln. Der Jüngling wurde vorgeführt in Ketten, und kein weibliches Auge blieb bei seinem Anblick trocken. Rundum erscholl Weinen und Wehklagen; Khalid sah sich gezwungen, Stille zu gebieten, und redete dann den Jüngling folgendermaßen an: »Diese Leute klagen dich aus Irrtum an, du habest gestohlen; was sagst du hierauf?« »Ich sage, sie haben recht, o Fürst! Ich brach in ihr Haus ein mit dem Vorhaben, zu stehlen.« »Vielleicht hast du gerechte Forderungen an die Eigentümer des Hauses?« »Ich habe keine.« »So hattest du wenigstens Helfer?« »Mitnichten, ich trage die ganze Schuld allein.« Der erzürnte Khalid gab dem Jüngling einen Backenstreich und rief den Henker, daß er durch das Abhauen der Hand die gesetzmäßige Strafe vollzöge. Schon lag die Hand ausgestreckt auf dem Blocke, schon war der Arm des Henkers zum Streiche erhoben, da brach mit Jammer und Zetergeschrei aus den Reihen der Frauen ein junges Mädchen hervor und warf den Schleier zurück und erschien wie der Vollmond in Regenwolken. Es erhob sich ein allgemeines Geschrei bei ihrem Anblicke. »Halt ein, halt ein, o Fürst!« rief sie, »mit der Vollstreckung des Urteils, halt ein, und lies zuvor diese Bittschrift!« Mit solchen Worten reichte sie ihm ein Papier dar, auf dem die folgenden Verse geschrieben waren:

Halt! Khalid, halt! du bist betrogen – Es kam von meiner Brauen Bogen

Der Pfeil des Unheils angeflogen; – Lies hier, was sonst verborgen bliebe,

Es machte ihn die reinste Liebe – zum Ehrenretter – nicht zum Diebe.

Khalid las die Verse mit Rührung und ließ das Mädchen sogleich vor sich kommen, um ihm die ganze Geschichte ausführlich zu erzählen. Sie gestand, der Jüngling brenne schon seit langem von Liebe, die sie nicht unerwidert lasse. Vorgestern habe er sich ins Haus gestohlen, und mit Steinwürfen habe er das abgeredete Zeichen gegeben. Vater und Brüder hätten es gemerkt und sogleich eine Untersuchung vorgenommen. Da der Jüngling nicht mehr entfliehen konnte, griff er nach einigen Stücken Zeuges, die ihm unter die Hände kamen, weil er lieber als Dieb ergriffen und bestraft werden, als den guten Namen seiner Geliebten ins Geschrei bringen wollte. Khalid war entzückt ob des hohen Sinns und der edlen Großmut des Jünglings, küßte ihn auf die Stirne, ließ den Vater des Mädchens vorrufen und sprach zu ihm: »O Scheich! ich war nahe daran, an diesem Jüngling ein ungerechtes Urteil vollstrecken zu lassen. Allah, der Herr, hat mich davor bewahret; ich habe ihm zehntausend Dirhems bei der Schatzkammer angewiesen und ersuche dich nun um die Erlaubnis, ihn mit deiner Tochter vermählen zu dürfen!« »Von ganzem Herzen, o Fürst«, antwortete der Vater des Mädchens. Khalid dankte ihm dafür und nahm sogleich die Vermählung vor mit aller Feierlichkeit und nach der gewohnten Formel: »Ich vermähle dich mit diesem Mädchen nach ihrem und ihres Vaters Willen; sie bringt dir zehntausend Dirhems mit.«

Und der Jüngling antwortete nach dem Brauche: »Ich nehme das Mädchen zur Frau an mit dem genannten Hab und Gut.«

Khalid ließ sogleich das gezählte Geld in silbernen Geschirren in das Haus des Jünglings bringen. Ganz Bassorah war im Taumel der Freude. Wo das beglückte Paar vorüberzog, regnete es aus allen Fenstern Zuckerwerk und Mandeln auf sie, und der Tag endete ebenso freudig, als er traurig begonnen hatte.

 

Asmai, der gern jede Gelegenheit benutzte, von den Beduinen etwas Lustiges zu erzählen, erzählt auch das folgende Geschichtchen:

Die Oberhäupter eines angesehenen Stammes hatten mich zu sich in die Wüste geladen, um mich nach Vermögen zu bewirten. Man trug ganz in Fett schwimmende Mehlklöße auf. Ein Beduine kam, kauerte sich auf die Erde nieder und fing mit solcher Hast an zu fressen, daß ihm die Mehlklöße das Maul stopften und die Butter von dem Barte herabrann. Um mich über ihn lustig zu machen, sagte ich:

Lieblich bist du anzuschaun, harthäutige Saubohn – Sieh! Die Kamele der Heid laufen sich müde nach dir.

Nachdem er eine Weile geschwiegen hatte, sprach er: »Ei! Ei! Die Rede ist weiblich, aber der Gegensatz ist männlich. Höre ihn nun aus meinem Munde:

Saubohn selber bist du, und zwar in dem Hintern des Bockes, wenn er in der Herd schwänzelnd nach Ziegen sich dreht.

»So,« sagte ich, »du verstehst dich also auch auf das Dichten?« »Wie sollte ich nicht, die Dichtkunst ist mein Schoßkind, und du siehst in mir ihren leibhaften Vater und ihre lebendige Mutter.« »Nun,« entgegnete ich, »möchtest du mir nicht ein paar Reime auffinden?« »Recht gerne, sag an, auf was?« Ich dachte lange auf den schwersten Reim der arabischen Sprache und fand endlich keinen schwereren als den folgenden:

Weißt du, daß Gott, der Herr, erschuf – Im Paradies den reinsten Suff?

»Sage mir,« sprach ich, »was ist denn ein Suff?«

Er antwortete:

Ein Suff ist jeder Trunk, es sei – Aus Weinglas oder Wasserkuff.

»Sage mir,« sprach ich, »was ist denn eine Kuffe?«

Er antwortete:

Daran zu denken, macht mich kalt, – Mich friert! He! Gebt mir einen Muff.

»Sage mir,« sprach ich, »was ist denn ein Muff?«

Er antwortete:

Es wärmt der Muff im Winter dich – Wenn du vor Kälte zitterst. Uff!

»Sage mir,« sprach ich, »was ist denn dies Uff?«

Er antwortete:

Uff ist der Ausbruch des Gefühls – Wenn es voll Langerweile wird stuff.

»Sage mir,« sprach ich, »was ist denn dies stuff?«

Er antwortete:

Stuff heißet stumpf; die Stumpfen reizt – Die Kastagnette und das Duff.

»Sage mir,« sprach ich, »was ist denn ein Duff?«

Er antwortete:

Duff heißt die Trommel, die man schlägt; – Zum Beispiel so: piff paff, piff puff.

Und indem er dies sagte, versetzte er mir zugleich einige tüchtige Stöße, vermutlich aus Furcht, daß ich ihn noch weiter um die Erklärung des Puff fragen könnte, die er mir ungefragt auf das handgreiflichste gab. Seine Laune gefiel mir, und ich lud ihn ein, denselben Abend zu mir zum Essen zu kommen. Er nahm die Einladung an, und ich führte ihn in mein Haus.

Ich, meine Frau, meine beiden Söhne und meine beiden Töchter, in allem sieben, setzten uns zum Mahle nieder. Es wurde ein Rebhuhn aufgetragen. »Mache du die Austeilung, o Bruder Beduine«, sprach ich zu meinem Gaste. Er sprach: »Der Kopf gebührt dir, als dem Haupte der Familie, die Flügel den Mädchen, als den Fittichen, und die Füße den Söhnen, als den Schenkeln des Hauses, der Steiß der Hausfrau, aus guter Ursache, und das Gerippe dem Beduinen!«

Hierauf kam eine Tracht von fünf Hühnern, und ich redete abermals meinen Gast um die Austeilung an. Er fragte mich, ob er dieselbe in gleichen oder ungleichen Zahlen machen sollte. »In gleichen«, sprach ich. »Nun, da kommt auf dich und dein Weib ein Huhn, eines auf deine zwei Söhne, eines auf deine zwei Töchter, und zwei auf mich.« »Nein,« sprach ich, »diese Austeilung gefällt mir nicht, mach dieselbe lieber in ungleichen Zahlen.« »Nun also, da kommt auf dich und deine zwei Söhne ein Huhn, eines auf deine zwei Töchter und ihre Mutter und drei auf mich. Weißt du eine bessere Austeilung, so mach sie.« Ich aber wars zufrieden, ließ ihm die drei Hühner und schämte mich, von einem Beduinen zu Mittag in der Dichtkunst und beim Nachtmahl in der Arithmetik übertroffen worden zu sein.

 

Ein ehrwürdiger Greis mit langem Silberbarte, in ein weißes Tuch gewickelt, kam im Galopp auf einem schön aufgezäumten Rappen angeritten. An der Brücke hielt er stille und fing an, Trauer und Lobgedichte zu Ehren der Barmekiden aufzusagen, deren Freigebigkeit und andere Tugenden er bis in den Himmel erhob. Die Wache bemächtigte sich seiner sogleich und führte ihn dem Kalifen vor, dem er sich mit heiterem und unbefangenem Gemüte darstellte. Der Kalif fuhr ihn mit zorniger Stimme an: »Hast du nicht den öffentlichen Ausruf vernommen, der alles Lob der Barmekiden verbietet, und weißt du nicht, daß es sich um dein Leben handelt?« »Ich weiß es, o Kalif, deswegen habe ich mir auch dies Lobgedicht zum Schwanengesang gewählt. Ich bin gekommen, um zu sterben; sieh hier meine Reisegeräte!« Er schlug das weiße Tuch auseinander, das er um den Leib gewickelt hatte; es war ein Leichentuch, mit dem er sich zu seinem Begräbnisse im voraus versehen hatte.

Harun al-Raschid verwunderte sich ob des so festen und entschiedenen Entschlusses, dem Tode entgegenzugehen, und war neugierig, die Ursache einer so treuen Anhänglichkeit an das Haus der Barmekiden kennenzulernen, und verlangte, der Greis solle ihm seine Geschichte erzählen; und dieser erzählte sie also:

»Ich bin, o Fürst der Rechtgläubigen, in Bassorah gebürtig, wo ich meinen Vater früh verlor. Er hatte mir eine sehr ansehnliche Erbschaft hinterlassen, von der ich den möglichst besten Gebrauch machte, zu meinem und meiner Freunde Vergnügen. Als ich mich eines Tages mit zehn derselben in einem Garten belustigte, fing einer an, der Stadt Kairo und dem Nile und der Insel Rausah eine Lobrede zu halten. Ein anderer machte eine Beschreibung von Damaskus und seinen herrlichen Umgebungen; ein dritter besang Schiras und die persischen Täler; ein vierter endlich erwähnte Bagdads und seiner Herrlichkeiten. Sogleich vereinigten sich alle zehn im Lobe seiner Paläste und Gärten; sie priesen die Gastfreiheit seiner Bewohner und die Freigebigkeit der Barmekiden. Wir beschlossen einstimmig, nach Bagdad zu reisen, und setzten unseren Beschluß ins Werk. Dort stiegen wir im Safranviertel ab und brachten beiläufig zwei Monate in Ergötzungen aller Art zu, ohne den Khan zu verlassen, wo wir abgestiegen waren. Da sprach ich nun zu meinen Gefährten: ›Aber warum sind wir denn nach Bagdad gekommen, wenn wir immer im Hause sitzen wollen? Ebensogut hätten wir in Bassorah bleiben können; ich dächte, es wäre Zeit, uns ein wenig unter die Leute zu mischen und Bekanntschaften zu machen.‹ Am folgenden Tage ging ich auch wirklich aus, von meinen Sklaven begleitet.

Kaum war ich durch ein paar Straßen gekommen, als ich einem Menschen begegnete, der in ein antiochisches Hemd gekleidet war und einen Stock mit einem großen silbernen Knopf in der Hand trug. Er grüßte mich, und ich erkannte in ihm einen Sklavenhändler, der alle Jahre seiner Geschäfte wegen nach Bassorah kam. Er führte mich in sein Haus, ließ mich auf einen Stuhl, der aus Stahl bestand, niedersitzen und hieß eine Sklavin herauskommen, die an Schönheit alles, was ich je gesehen habe, übertraf. ›Bring ihr das Wiegenkind!‹ sagte der Kaufmann zu einem Sklaven. Dieser ging und brachte einen Sack von Goldstoff, aus dem die schöne Sklavin ihre Laute zog, die sie drückte und herzte und dann auf den Schoß nahm, als ob es ihr Kind wäre. Sie spielte und begleitete sich selbst mit einer Zauberstimme, welche die Toten zum Leben erwecken konnte. Ich kaufte das Mädchen um zehntausend Dinare. Als ich mit ihr in mein Haus gekommen war, sprach sie: ›Ich bin deine Sklavin, o mein Herr und Gebieter, aber habe nur ein wenig Geduld. Ich gehörte der Gemahlin Dscha'afars, des Barmekiden, an, die mich an diesen Sklavenhändler verkaufte, und bin schwanger und flehe dich um die einzige Gnade, mich bis nach meiner Entbindung nicht zu berühren.‹ Nach derselben lebten wir in der größten Vertraulichkeit. Ich hatte ein Schiff auf dem Tigris gemietet, an dessen Bord ich die heißesten Tage in angenehmer Kühlung verlebte.

Eines Tages aber erschien ein Staatsbote, um mich zu Sulaiman ibn Seini, einem der größten Serailbeamten, zu holen. ›Ich höre,‹ sprach er, ›daß du die und die Sklavin besitzest.‹ ›Ja, und ihr Kind obendrein; denn sie wurde bei mir entbunden, und ich habe sie erst nach ihrer Entbindung berührt.‹ ›Schon gut‹, sprach er und hieß mich gehen. Gegen Abend bestiegen fünfzig Sklaven mit gezogenen Schwertern mein Schiff und führten mich ab samt meiner Familie, die aus meiner Mutter, aus meiner unverheirateten Schwester, aus der Sklavin und ihrem Kinde bestand. Man brachte uns in den Palast Dscha'afars, des Barmekiden; die Sklavin wurde weggeführt, ich aber, meine Mutter und meine Schwester mit der größten Achtung behandelt.

Indessen wurde uns die ehrenvolle Gefangenschaft gar bald langweilig. Wir gingen eines Tages bis an die alte Brücke, wo der Garten aufhört. Dort fanden wir eine Karawane, die nach Rahba zog und an die wir uns sogleich anschlossen. Nachdem wir einige Parasangen zurückgelegt hatten, fingen meine Mutter und meine Schwester, die von Müdigkeit erschöpft waren, an zu weinen. Drei Reiter, die sich unserer erbarmten, nahmen uns auf ihre Pferde hinter sich und brachten uns glücklich nach Rahba. Ich durchstrich die Straßen der Stadt, um einen Nahrungszweig zu suchen, und blieb dann vor dem Gewölbe eines ehrwürdigen Greises stehen. ›O mein Vater,‹ sagte ich, ›wie verdienen hier die Fremden ihr Brot?‹ ›Durch Arbeit‹, antwortete er; ›geh nur ins Gewölbe meines Nachbars, des Schmiedes, es wird dir gewiß an Verdienst nicht fehlen!‹ ›Aber ich habe nie einen Hammer angerührt!‹ ›Tut nichts zur Sache, wirst es schon lernen.‹ Er gab mir einen Jungen, der mich zum Schmiede führte und mich im Namen seines Herrn anempfahl. ›Ist gut,‹ sprach der Schmied, ›hier ist Amboß und Hammer; aber es heißt Tag und Nacht arbeiten, und du erhältst dann alle vierundzwanzig Stunden zwei Dirhems.‹ Zwei Dirhems waren viel für mich in der Lage, worin ich mich befand. Abends kaufte ich um einen Dirhem Brot und einen Dirhem Braten und versorgte damit meine Mutter und Schwester. ›Bei Allah! so bist du gar ein Schmied geworden‹, sagte meine Mutter weinend. Nach einem leichten Nachtmahle kehrte ich zur Esse zurück, um meine Schmiedearbeit von neuem zu beginnen. Ich und ein anderer Junge hämmerten Eisen auf dem Amboß.

Mein Mitgeselle, den der Schlaf überwältigte, hob den Hammer nachlässig. Der Meister ergrimmte über seine Faulheit und rief ihm zu: ›O Taugenichts, wirst du wohl arbeiten!‹ und schleuderte einen glühenden Nagel auf ihn zu, den er soeben aus dem Feuer gezogen hatte. Der Nagel traf den Jungen an den Schläfen, und er stürzte zu Boden. Bei diesem Anblick ergriff der Meister die Flucht und ließ mich allein in der Werkstätte zurück. Was sollte ich als Fremdling in der Stadt und mitten in finsterer Nacht tun? Ich verließ die Werkstätte und wollte so gut ich konnte forttappen; da erblickte ich Fackelschein. Es waren die Wachleute, die die gewöhnliche Runde machten; und sie kamen auf mich zu, ehe ich mich flüchten konnte. ›Was machst du hier zu dieser Stunde?‹ ›Ich arbeitete in der Schmiede.‹ ›Laß sehen, was!‹ Sie fanden meinen Mitgesellen tot und ergriffen mich sogleich als den Mörder. Man ließ mich gar nicht zur Rede kommen, und es war mir unmöglich, meine Unschuld zu verteidigen. Ich wurde in den Kerker geworfen und frühmorgens zum Blutgerüste geführt. Meine Mutter und Schwester wußten nichts davon, aber eine Menge Volks, groß und klein, begleitete mich zur Gerichtsstätte.

In dem Augenblicke, als der Scharfrichter das Schwert aufhob und ich in einem kurzen Gebet meinen Geist Allah empfahl, drängte sich der Schmied durch die Menge herzu und schrie laut, daß ich unschuldig und er der Täter sei. Ich erweckte das Mitleiden des Volkes, das mich kurz vorher mit Verwünschungen bedeckt hatte. Der eine gab mir ein Gewand, der andere einen Schal, der dritte einen Ring. Bereichert durch diese Geschenke, kehrte ich zu meiner Mutter und Schwester zurück, die viele Tränen vergossen, als sie die Begebenheit vernahmen. ›Allah sei Lob,‹ sagte sie, ›der dich von der Blutstätte gerettet hat, während wir in den Armen des Schlafes lagen! Aber was sollen wir länger hier tun? Laß uns all diese Geschenke verkaufen und morgen mit der Karawane nach Damaskus abreisen.‹ Der Vorschlag aber war vernünftig, und wir reisten folgenden Morgens ab.

Als wir in Damaskus angekommen waren, schlugen wir wie alle Armen, die keine Wohnung zu bezahlen imstande sind, unser Lager in der Vorhalle einer Moschee auf. Meine Mutter und Schwester weinten. Ich tröstete sie damit, daß wir ja noch nicht alles uns bestimmte Glück genossen und also noch manches Glück zu erwarten haben dürften. Ein Greis und zwei junge Leute, die eben mit ihrem Gebet fertig geworden waren, betrachteten uns mit teilnehmender Miene und fragten uns, wer und woher wir seien. Ich erzählte ihnen ohne Hehl alles, was mir begegnet war. Darob verwunderten sie sich sehr und verließen uns, kamen aber bald darauf wieder, um uns zu sich zu laden. Wir wurden in einen großen Palast mit fünfzehn Pforten aus Elfenbein, die in goldenen Angeln rollten, geführt.

Oberhalb des großen Einganges aber stand mit goldenen Buchstaben geschrieben:

Gastfreundlich Haus! Es soll dir des Raums allein – Zu wenig für die Gäste sein!

Ein herrlicher Garten umgab den Palast; der Greis saß auf einem Sitze zwischen Palmen und Feigenbäumen und befahl seinen Sklaven, uns sogleich ins Bad zu führen. Das Bad war im Hause. Man gab mir seidene, mit den köstlichsten Wohlgerüchen durchduftete Gewänder. Der Greis und seine beiden Söhne baten mich, ihnen noch einmal meine Begebenheiten zu erzählen, was ich gerne tat, und zu ihrer abermaligen großen Verwunderung. Man trug alsdann das Mahl auf, welches das des Kalifen an Verschwendung übertraf.

Nachdem wir die Hände gewaschen hatten, begaben wir uns in einen großen Saal, wo goldene und silberne Trinkgeschirre auf Schenktischen zur Schau standen. Sie waren mit Rosen- und Moschus- und Tamarinden-Scherbetts gefüllt. Andere Gefäße wieder waren gefüllt mit Datteln, die in Zucker eingemacht, und mit vielen Arten von Halwa oder Zuckerwerk. Mir fehlte nichts zur vollkommenen Zufriedenheit als meine Mutter und meine Schwester. Wie groß war meine Freude, als ich sie um Mitternacht, wo ich mich zurückzog, in meinem Zimmer fand. Sie waren in Goldstoff gekleidet und weinten, aber diesmal vor Freude, und erzählten mir, daß bald, nachdem ich fortgegangen, zehn Sklavinnen sie abgeholt, ins Bad geführt und dann wie mich bewirtet hätten. In der Frühe machte ich dem Alten meine Aufwartung; und dieses Leben lebte ich zehn Tage lang. Am elften fragte mich mein Gastgeber zum dritten Male nach meiner Geschichte; und als ich vollendet hatte, sprach er: ›Sei guten Mutes, o mein Sohn, wenn Allah etwas will, so erleichtert er die Wege dazu. Künftighin bleibst du bei mir, betrachte dies Haus als dein eigenes, mich als deinen Vater, meine Söhne als deine Brüder. Gib einem von ihnen deine Schwester zur Frau, und ich werde dir meine Tochter geben!‹ ›Ich bin zu allem bereit‹, war meine Antwort.

Nach einer Weile hielten ein Maulesel und vier Pferde im Hofe still. Es waren ein Kasi und vier Zeugen zur Abfassung der Eheverträge. Die wurden nun aufgesetzt und unterschrieben und die zweifache Hochzeit drei Tage hernach vollzogen. So lebte ich fünf Monate lang in Damaskus. Als ich eines Tages eben durch die Stadt spazieren ging, bemerkte ich eine außerordentliche Bewegung und Tätigkeit auf den Straßen. Ich erkundigte mich nach der Ursache und hörte, Jahja, der Sohn Khalids, der Vater Dscha'afars, des Barmekiden, sei nach Damaskus gekommen. ›Weh mir!‹ dachte ich, ›er ist gewiß gekommen, um mich wegen der Sklavin hinrichten zu lassen.‹

Ich fragte überall nach der Ursache seiner Ankunft und vernahm, er sei der Luftveränderung wegen gekommen, die ihm von den Ärzten angeraten sei; er hätte seine Zelte vor der Stadt aufgeschlagen, und alles hätte sich hinbegeben, um ihm aufzuwarten und an den gewöhnlichen Proben seiner weitberühmten Freigebigkeit teilzunehmen.

Ich verfügte mich in mein Haus und erzählte den Frauen meines Harems, was ich soeben gehört hatte, und machte ihnen den Vorschlag, auszugehen, um Jahja, den Barmekiden, kennenzulernen. Sie begleiteten mich, und als wir ins Zelt traten, fand ich dort meinen Schwiegervater mit seinen Söhnen, die dort ihre Aufwartung machten. ›Wer bist du, o mein Sohn?‹ fragte Jahja. ›Ich bin‹, antwortete ich, ›ein armer Fremdling und bin der Mann aus Bassorah, der deinem Sohne nicht unbekannt ist.‹ Bei diesen Worten stieß Jahja einen großen Schrei aus. ›Allah sei gelobt!‹ rief er, ›der uns die Gelegenheit an die Hand gibt, das dir zugefügte Unrecht wieder gutzumachen. Deine Sklavin ist mit einem Sohne von dir entbunden worden, den der meinige aufzieht und mit Geschenken überhäuft!‹ Diese Nachricht machte das Maß meiner Freude voll. Jahja blieb vierzig Tage in Damaskus. Am einundvierzigsten zog ich mit ihm nach Bagdad. Die Großen der Stadt aber kamen uns entgegen, und wir stiegen in Jahjas Palaste ab.

Abends begaben wir uns alle nach dem Palaste des Wesirs Dscha'afar. Der fragte seinen Vater, wer ich sei. ›Ein Mensch,‹ antwortete er, ›der sich über dich zu beklagen hat und am Tage des Gerichts von dir Kechenschaft fordern wird.‹ ›Allah sei mein Zeuge,‹ sprach der Wesir, ›daß ich mein Lebtag gegen niemand wissentlieh unrecht getan, als gegen den Mann von Bassorah, dem ich seine Sklavin weggenommen habe.‹ ›Nun, das ist derselbe!‹ Dscha'afar tat einen lauten Schrei, nahte sich mir alsdann und sprach: ›Deine Sklavin, die von dir schwanger war, als sie zu mir kam, ist unberührt geblieben, du sollst sie sogleich mit ihrem Kinde sehen!‹

Man führte mich in einen abgesonderten Flügel des Palastes, wo ich meine Sklavin, von zirkassischen und nubischen Mädchen umgeben, fand, die das Kind besorgten. Sie selbst, von Edelsteinen strahlend, saß auf einer Art von Thron. Sie flog in meine Arme und bestätigte die Wahrheit der Worte Dscha'afars und erzählte mir tausend Züge der größten Freigebigkeit und Großmut, womit er sie behandelt hatte. Der Wesir selbst überhäufte mich an diesem Tage mit Geschenken an Gewändern und Pferden und Sklaven von zehntausend Dinaren Wert. Desgleichen überhäufte er mit Geschenken meinen Schwiegervater und seine Söhne und erlaubte uns nicht, Bagdad zu verlassen. Er ließ mir Rechnung ablegen über die Verwaltung meiner Güter in Bassorah, über die er seit dem Tage, wo ich unsichtbar geworden war, einen eigenen Verwalter gesetzt hatte; und seit jenem Tage bis zu seinem Tode habe ich seiner innigsten Freundschaft genossen!

Glaubst du wohl, o Fürst der Rechtgläubigen, noch länger, daß dein Verbot mir Furcht einflößen und die Stimme der Dankbarkeit in meinem Herzen ersticken kann?«

Der Kalif war gerührt und blieb lange Zeit in tiefes Nachdenken versunken, die Reue über Dscha'afars Hinrichtung aber fiel schwer auf sein Herz.

Er befahl, dem Greis ein Ehrengewand zu geben und zehntausend Dinare auszuzahlen. »Nicht wahr, o Fürst der Rechtgläubigen, wenn ich dir diese Geschichte nicht erzählt hätte, würdest du mir das Lob von Dscha'afars Freigebigkeit nach seinem Tode nicht verziehen haben? Und siehe, das Geschenk selbst, das ich von dir erhalte, ist nichts als eine Wirkung der Freigebigkeit Dscha'afars, weil ich es sicherlich ohne die Erzählung seiner schönen Tat nicht erhalten hätte.« Der Kalif weinte und ließ den Leib Dscha'afars begraben. Sein Grab wurde nicht weniger besucht als sein Palast, da er noch lebte.

~ ~ ~

Einige Zeit nach der Hinrichtung des Barmekiden und dem Erlöschen seiner Familie befand sich Asmai, der Lieblingsdichter Harun al-Raschids, mit ihm auf einem Jagdausflug. Sie kamen bei einem halbverfallenen Palaste vorbei, der den Barmekiden zugehört hatte, an dem sich diese Inschrift befand:

Freundliches Haus! es spielet die Welt mit ihren Bewohnern;
Sind sie einmal verstreut, werden sie nimmer vereint.
Die, so Gutes getan, sind längst zu den Vätern versammelt,
Und es lebt nur noch, wer nichts nützet der Welt.

Den Kalifen rührte der Sinn der Inschrift, und er befahl seinem Begleiter Asmai, ihm einige Züge von der Freigebigkeit des Barmekiden zu erzählen. »Ich horche und gehorche auf Kopf und Augen, das ist so viel, als von ganzem Herzen gerne«, antwortete Asmai. »Zuerst will ich dir, o Fürst der Rechtgläubigen, einen Zug erzählen, mit dem mich Ali ibn Saher bekannt gemacht hat. Ich will ihn selbst reden lassen und mich seiner Worte bedienen.

›Da ich‹, sprach er, ›in Bagdad ein sehr lustiges Leben auf sehr großem Fuße führte, so hatte ich in wenig Jahren für fünfzigtausend Dinare Schulden gemacht. Unvermögend, dieselben zu bezahlen, sollte ich von meinen Gläubigern im Tigris ertränkt werden, nach dem Gesetz, das diese Strafe über mutwillige Verschwender verhängt. In dem Augenblicke, wo ich in den Fluß gestürzt werden sollte, ging Dscha'afar, der Barmekide, vorbei. Er erkundigte sich nach meinen Umständen und trug meinen Gläubigern ein Kapital von hunderttausend Dinaren an, mit dem sie nach Kum und Kaschan in Seidenwaren Geschäfte machen und sich nach und nach von den Interessen des Kapitals (dessen Eigentumsrecht sich Dscha'afar vorbehielt) bezahlt machen könnten. Meine Gläubiger nahmen den Vorschlag an und verdoppelten die Summe gar bald durch den Erfolg ihrer Geschäfte.

Sie behielten die Hälfte, und die andere Hälfte überließ Dscha'afar mir, so daß ich sie als Kapital neuen Unternehmungen zugrunde legen und dann den Gewinst mit ihm teilen sollte. In weniger als vier Jahren aber hatte ich siebenmalhunderttausend Dinare gewonnen, die ich Dscha'afar brachte und ihn bat, mir davon nach seinem Gutbefinden zu geben. Er schenkte mir das Ganze und setzte hinzu, er habe sich das Eigentum des Kapitals nur in der Absicht vorbehalten, um mich zu neuen Unternehmungen anzuspornen und mir einen besseren Wirtschaftsgeist einzuflößen.‹

»Dies«, fuhr Asmai fort, »erzählte mir Ali, der Sohn Sahers; von dem folgenden Vorgange aber war ich selbst Zeuge.

Ich befand mich mit Al-Fasl, dem Sohne Jahjas, des Barmekiden, auf einem Jagdausfluge, als wir von ferne einen Beduinen auf uns zureiten sahen. ›Der kommt zu mir‹, sagte Al-Fasl. ›Wieso,‹ fragte ich, ›und wie weißt du das?‹ ›Dieweil‹, antwortete er, ›ihm sonst niemand zu essen geben würde als ich.‹ Als der Beduine die Zelte sah und den Lärm des Gefolges hörte, glaubte er, dies könne kein andrer als der Kalif sein. Er stieg ab und stellte sich dem Barmekiden vor.

›Heil dir, o Fürst der Rechtgläubigen, und Allahs Segen und Barmherzigkeit über dich!‹ ›Zuviel, zuviel,‹ sprach der Fürst, ›kürze deine Rede.‹ ›Also, Heil dir, o Fürst!‹ ›Nun hast dus getroffen, setze dich.‹ Der Beduine setzte sich, und Al-Fasl fragte ihn: ›Woher kommst du, o Bruder Araber?‹ ›Von der äußersten Spitze Kosaas.‹ Al-Fasl wandte sich gegen mich und fragte mich nach der Entfernung zwischen Irak und der äußersten Spitze Kosaas. ›Es sind‹, antwortete ich, ›achthundert Parasangen.‹ ›Und warum, o Bruder Araber, kommst du von so weit her?‹ fragte Al-Fasl weiter. ›Ich komme, um die Großen und Edlen und Freigebigen aufzusuchen, deren Ruhm sich bis in unser Land verbreitet hat; ich meine die Barmekiden.‹ ›O Bruder Araber, die Barmekiden sind eine große Familie, deren jegliches Glied sich durch Züge von Freigebigkeit auszeichnet. Du mußt, wen du suchst, näher bestimmen.‹ ›Meine Wahl ist getroffen, ich komme zum großmütigsten und freigebigsten von allen, zu Al-Fasl, dem Sohne Jahjas, dem Sohne Khalids; denn wie ich höre, ist er stets von einer Schar Dichter und Redner und Gelehrten umringt.‹ ›Bist du denn ein Dichter?‹ ›Nein.‹ ›Ein Redner?‹ ›Nein.‹ ›Ein Gelehrter?‹ ›Nichts weniger.‹ ›Wie kannst du denn auf Al-Fasls Freigebigkeit rechnen, ohne eine einzige Eigenschaft zu haben, die dir hierauf einiges Recht geben könnte?‹ ›Ich habe mein ganzes Vertrauen auf einen Doppelvers gesetzt, den ich ihm zu Ehren verfertigte!‹ ›Nun, laß hören, und ich will dir im voraus sagen, ob du dir damit etwas bei Al-Fasl verdienen kannst!‹

Siehe, es war schon längst verloren auf Erden die Großmut.
Die Verlorene nahm Al-Fasl als Gast bei sich auf.

›Aber, o Bruder Araber, wie, wenn Al-Fasl dir sagte, er habe dies Distichon schon irgendwo gelesen oder gehört?‹ ›So würde ich ihm auf der Stelle das folgende hersagen:‹

Seinen Kindern empfahl der Vater der Menschen die Großmut,
Aber Al-Fasl allein hat sie von Adam geerbt.

›Aber wie, o Bruder Araber, wenn Al-Fasl auch wider diesen Doppelvers, als gestohlen, Einwendungen macht?‹ ›So würde ich ihm aus dem Stegreife hersagen:‹

Jahjas Sohn, es gebührt dir vor allen Ehre und Lobpreis,
Denn die Tugend hast du dir aus dem Himmel geholt.

Diesen Gedanken kleidete der Beduine drei- bis viermal in verschiedenes Silbenmaß ein, worauf sich Al-Fasl zu erkennen gab und dann weiter fragte, was er von ihm wünsche. ›Zehntausend Dirhems‹, sprach der Araber. Der Fürst antwortete: ›Du sollst ihrer zehnmalzehntausend haben!‹ Und er befahl seinem Schatzmeister, das Geld auszuzahlen. Dieser machte Einwendungen wider die Anweisung und stellte vor, es sei eine gar zu große Verschwendung, einem Beduinen hunderttausend Dirhems für ein Distichon auszuzahlen, das vielleicht obendrein noch gestohlen sei. Man müßte prüfen, meinte er, ob der Araber wirklich aus dem Stegreife zu dichten imstande sei, und er riet daher dem Barmekiden, dem Beduinen mit dem Tode zu drohen, wenn er nicht sogleich etwas aus dem Stegreif dichtete. ›Ist ers nicht imstande, so schwöre ich,‹ sagte der Schatzmeister, ›daß ich ihm, ungeachtet deines Befehls, o Fürst, nur einen Teil der hunderttausend Dirhems auszahlen werde.‹ Der Barmekide nahm seinen Bogen und Pfeil und drohte, den Beduinen auf der Stelle zu durchbohren, wenn er ihm nicht etwas aus dem Stegreife hersagte. Dieser entgegnete mit dem Verse:

Kühn entschwirrte der Pfeil dem goldenen Bogen der Großmut,
Immerhin durchbohr meine Armut damit.

Al-Fasl konnte sich des Lachens nicht enthalten und befahl seinem Wesir, dem Araber zweimalhunderttausend Dirhems auszuzahlen.

Der Araber konnte nichts weiter als vor Rührung und Dankbarkeit weinen. ›Sind das Freudentränen,‹ fragte Al-Fasl, ›die dir der Glanz des Goldes auspreßt?‹ ›Nein, wahrlich nicht,‹ antwortete der Beduine, ›sondern es sind die Tränen, die mir der Gedanke abzwingt, daß Menschen wie du in die Finsternis des Grabes steigen, wo das Licht der Großmut nicht leuchtet.«

~ ~ ~

Einer der gewöhnlichen Gesellschafter und Vertrauten Harun al-Raschids erzählte: »An einem umwölkten regnerischen Morgen gab uns Al-Raschid den Bescheid, fortzugehen und drei Tage in unserem Hause zu bleiben. Die andern Gesellschafter gingen jeder ihren Weg, und ich verfügte mich nach der Wohnung meines Meisters, Ibrahim von Mosul. ›Was macht dein Herr?‹ fragte ich den Türhüter. ›Geh nur hinein,‹ sprach er, ›wenn du es wissen willst.‹ Ich ging hinein und fand ihn, im Vorsaale sitzend, mit einer Flasche Wein und einer Kanne Wasser vor sich.

›O Meister,‹ sprach ich, ›laß den Vorhang des Harems kein Hindernis sein, der uns den Genuß der schönen Stimmen deiner Sängerinnen entziehe.‹ ›Nun, so setze dich,‹ sprach Ibrahim, ›du findest mich ganz verstört. Ich erwachte, wie du siehst, um des Morgentrunks zu genießen, als ich vernahm, eine fremde Sängerin sei gekommen, die meinigen zu besuchen. Ich gab mir alle mögliche Mühe, sie zu besitzen, aber fruchtlos. Umsonst habe ich ihr bis jetzt hunderttausend Dirhems geboten.‹ ›Ei, so gib, was du geboten hast, und biete noch mehr, du bringst es ja bald wieder auf einer andern Seite ein.‹ ›Du hast recht,‹ sprach er, ›mich verdrießt es aber der Mühe, diese Summe jetzt von allen Seiten aufbringen zu sollen, ich möchte sie mir auf eine leichtere Art verdienen. Geh, nimm den Griffel und schreibe, was ich dir ansage:

Kummer und Gram vertreiben den Schlaf von den süßen Augen,
Jahjas Großmut allein senket denselben ins Aug.

Mit diesem Vers verfüge dich zu Jahja, dem Barmekiden, erzähle, was du gesehen hast, und begehre, daß er den Vorhang des Harems lüften lasse, auf daß du den Gesang dieser Worte seiner Sklavin Demanir lehren könntest, die dessen allein würdig ist!‹

Ich tat, wie mir befohlen, und sang die Worte der genannten Sklavin einigemal vor, bis die sie auswendig wußte. Jahja befahl sogleich, für mich zehn- und für Ibrahim hunderttausend Dirhems auszuzahlen. Da es schon spät war, ging ich nicht mehr zum Meister, sondern nach meiner Wohnung, wo ich mit meinen eigenen Sklavinnen lustig war. Am Morgen aber trug ich die hunderttausend Dirhems zu Ibrahim, den ich, wie am vorigen Tage, beim Morgentrunk fand. Er hieß mich andere Worte und andere Musik schreiben, die ich wieder zu Jahja trug und dafür das Doppelte des gestrigen Lohnes erhielt.

~ ~ ~

Maamun, der Kalif, ging eines Tages an Subaidah, der verwitweten Gemahlin des Kalifen Harun al-Raschid, seines Vaters, vorbei. Sie murmelte etwas zwischen den Zähnen. »Wie? fluchst du mir vielleicht noch, o Fürstin,« fragte der Kaliif, »weil ich deinen Sohn, Mohammed al-Amin, hinrichten ließ?« »Nein, wahrhaftig nicht, o Fürst der Rechtgläubigen!« »Nun, was war es denn, das du hermurmeltest?« Subaidah weigerte sich lange, endlich sprach sie: »Ich wiederholte nur mein gewöhnliches Sprichwort: Allah verdamme die Zudringlichen!« »Und warum das?« forschte der Kalif weiter. »Dringe nicht in mich, o Fürst der Rechtgläubigen, du möchtest hören, was dir mißfiele.« Aber je mehr sich Subaidah zu sprechen sträubte, desto zudringlicher wurde der Kalif.

»Ich spielte«, fing Subaidah endlich an, »eines Tages mit deinem Vater, dem Kalifen, Schach, wir zankten uns, wer es besser spiele. Er schlug mir vor, daß, wer die erste Partie verlöre, sich zu allem, was ihm der Sieger auflegen würde, bequemen sollte. Ich ging darauf ein. Der Kalif, dein Vater, gewann. Er befahl mir, mich nackt auszuziehen und dreimal die Runde des inneren Palasthofes zu machen. Ich mußte mirs gefallen lassen, so hart die Buße auch war. Wir erneuerten dieselbe Verabredung für die zweite Partie. Dein Vater verlor. Ich befahl ihm, der häßlichsten Küchenmagd für eine Nacht meinen Platz auf seinem Lager einzuräumen. Er sträubte sich aus allen Kräften und bot mir den Tribut von Syrien und Ägypten an, um sich von der Strafe loszukaufen. Es half nichts, ich blieb taub gegen alle seine Vorstellungen, und je mehr er sich wehrte, desto zudringlicher wurde ich. Er mußte mir in die Küche folgen, und ich selbst wählte die letzte und verworfenste Küchenmagd aus, um sie ihm in sein Schlafgemach zu führen. Bald hernach wurde sie Mutter, und du, o Fürst der Rechtgläubigen, bist die Frucht dieser Umarmungen. Wäre ich minder zudringlich gewesen, so hätte dein Vater nicht Schach gespielt, und du wärest nicht zur Welt gekommen und hättest deinen Bruder und rechtmäßigen Thronerben nicht aus dem Wege geräumt. Von der Zudringlichkeit alles Unglück! Allah verdamme die Zudringlichen!« »Allah verdamme die Zudringlichen«, rief der Kalif und begab sich fluchend und mit Schande bedeckt von hinnen.

Ibrahim, der Sohn Al-Mahdis, lebte nach erhaltener Verzeihung Maamuns beständig im Palaste des Kalifen. Eines Tages, als er in den Straßen von Bagdad allein herumstrich, erblickte er an einem halbaufgemachten Fenster eine kleine, weiße und runde, allerliebste Hand, in die er auf der Stelle verliebt wurde. Nun sann er auf eine List, sich ins Haus hineinzustehlen. Er fragte beim Nachbarn nach dem Namen des Hausherrn und auch nach dem Namen zweier

Gäste, die eben ankamen, um an einem Feste, zu dem sie geladen waren, teilzunehmen.

Ibrahim grüßte sie ganz unbefangen, und indem er sie nach ihrem Befinden fragte, ging er mit ihnen ins Haus. Der Gastgeber glaubte, der Fremde sei ein Freund seiner Freunde, und grüßte ihn als solchen, wies ihm einen Ehrenplatz an und überhäufte ihn mit Aufmerksamkeitsbezeigungen sowohl beim Mahle als im Gesellschaftssaale, wohin man sich nach beendigtem Mahle begab.

Eine Sklavin, die schön war wie der volle Mond, kam mit einer Laute in der Hand und sang:

Liebend hangen meine Augen – An dem schönsten Ideal.
Ach! ich fürchte, daß sie saugen – Blut aus ihrem Schönheitsmal.

Ohne sie zu sehn und kennen – Geb ich ihr mein Herz als Pfand.
Ach! um ewig zu entbrennen – Ist genug die schöne Hand.

Ibrahim, dem diese Worte aus der Seele gesungen waren, konnte sein Entzücken nicht bergen. Indessen war die Sängerin keineswegs die Schönheit, deren kleine, weiße und runde, allerliebste Hand einen so tiefen Eindruck auf sein Herz gemacht hatte. Er dachte, daß die Sängerin ihn vermutlich beobachtet haben müsse, als er auf der Straße, in Liebe zur kleinen, weißen und runden, allerliebsten Hand versunken, unbeweglich nach dem Fenster hinstarrte, und daß sie diesen Umstand glücklich benutzte, um die schönen Verse aus dem Stegreif zu dichten, die, durch den Zauber ihrer Stimme und der Laute gehoben, alle Zuhörer zur einstimmigen Bewunderung hinrissen. Ibrahim, der selbst ein sehr guter Tonkünstler war, nahm die Laute und entlockte ihr melodische Töne, welche Seele und Verstand bezwangen. Den Hausherrn entzückte die Begabung seines neuen Bekannten, und er bat ihn, allein zurückzubleiben, nachdem sich die Gäste nach Hause begeben hätten. Als sie nun allein waren, fragte ihn der Hausherr um seinen Namen und hörte nicht auf, in ihn zu dringen, bis er sich ihm zu erkennen gegeben hatte. »Träume ich, oder wache ich«, rief der Hausherr; »welches unerwartete Glück für mich, o mein Prinz! Wenn du mich würdigst, den Rest der Nacht mit mir zuzubringen, so will ich wahrlich alles aufbieten, sie dir so angenehm zu machen, als es in meinen Kräften steht!« Ibrahim dankte ihm für seine Güte; und in der Folge der Unterredung erzählte er ihm die Begebenheit mit der kleinen, weißen und runden, allerliebsten Hand. Der Hausherr klatschte dreimal in die Hände und wandte sich dann gegen die Seite, wo der Vorhang des Harems war, und rief: »Kleidet euch an und kommt heraus!« Alsbald erschienen vierzig Schöne in dem reichsten Schmucke. Eine nach der andern ließ ein Paar Hände sehen, eines schöner als das ändere, und deren natürliche Schönheit durch den Glanz der Diamanten und Smaragden und Rubinen, mit denen sie beringt waren, ungemein erhöht wurde. Aber die kleine, weiße und runde, allerliebste Hand, die das Herz Ibrahims erobert hatte, war nicht darunter. Er teilte diese für ihn so traurige Entdeckung dem Herrn des Hauses mit. »Meinen ganzen Harem«, sprach er, »haben wir gemustert, nur meine Schwester ist zurückgeblieben; sie soll aber gleich kommen!« Sie kam und war die Schönheit mit der kleinen, weißen und runden, allerliebsten Hand, in die Ibrahim sich so sterblich verliebt hatte. Sogleich wurden zehn Zeugen gerufen, in deren Gegenwart der Hausherr seine Schwester als Frau verschrieb an Ibrahim, den Sohn Al-Mahdis, mit einem Heiratsgut von zwanzigtausend Dirhems.

Diese von Ibrahim dem Kalifen Maamun zu rechter Zeit erzählte Geschichte rettete einem jungen Menschen das Leben, der ein mit zehn Männern besetztes Schiff in der Meinung bestiegen hatte, daß sie zu irgendeinem Feste führen, an dem er ungeladen teilnehmen könnte. Diese Leute aber waren Räuber, welche gefangen vor den Kalifen gebracht und zum Tode verurteilt wurden. Der junge Mensch, der angab, als Schmarotzer mitgefahren zu sein, hätte keinen Glauben gefunden, wenn nicht Ibrahim dem Kalifen aus eigener Erfahrung erzählt hätte, daß solche Stückchen nichts Ungewöhnliches seien. Der Kalif verzieh dem jungen Menschen, und es fand sich, daß es der Sohn Ibrahims und der Dame mit der kleinen, weißen und runden, allerliebsten Hand war.

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Einen Menschen, der, ohne geladen zu sein, sich in eine Gesellschaft einzuschleichen und durch seine Gaben gesellschaftliche Unterhaltungen zu verschönen weiß und deshalb die Ehre, daran teilzunehmen, verdient, einen solchen geistreichen, liebenswürdigen Tischfreund, den mancher mit dem unedlen Namen eines Schmarotzers oder Tellerleckers betiteln würde, nennen die Araber Tofail; und da besonders unter der Herrschaft Haruns und Maamuns die Kunst gesellschaftlicher Unterhaltung in höchster Blüte stand, so sind auch aus dieser Zeit verschiedene Anekdoten von solchen ungebetenen Gästen auf uns gekommen.

So lebte in damaliger Zeit zu Kufah ein junger Mensch von äußerst glücklichen Anlagen und sehr feiner Bildung, die ihn zum geistreichsten und liebenswürdigsten Gesellschafter machten. Er besaß ein außerordentliches Gedächtnis und hohe natürliche Beredsamkeit. Die schönsten Stellen arabischer Dichter waren ihm geläufig, und in der Geschichte war er vollkommen bewandert. Es entging ihm keine Gelegenheit, den Reichtum seiner Belesenheit und seines Witzes geltend zu machen, überall fand er die glücklichsten Beziehungen und Anspielungen auf, und über sein ganzes Wesen war eine sich immer gleiche heitere Laune ausgebreitet.

Er hatte seine schönsten Jahre und sein ganzes Erbe in der besten Gesellschaft von Kufah verlebt, und da ihm von seinem Genuß und Reichtum nichts als das immer rege Spiel seiner Geisteskräfte und eine heitere Gemütsstimmung übriggeblieben waren, so beschloß er, nach Bagdad zu reisen, um dort sein Glück zu versuchen. Er stieg in einem der größten Khane ab und mischte sich sogleich in den Kreis von Fremden und Einheimischen, die sich über die Neuigkeiten des Tages unterhielten. Für heute gab es nichts Wichtigeres, als daß der Kalif Maamun beschlossen hatte, diesen Tag mit seinem Bruder Al-Mutasim ganz allein, das heißt: bloß im vertrautesten Kreise des Harems, zuzubringen. Der junge Mann nun faßte schnell den kühnen Entschluß, sich als dritter in die Gesellschaft des Kalifen und seines Bruders zu stehlen und auf diese Art entweder sein Glück zu machen oder den Kopf zu verlieren. Sogleich suchte er von seinen Bekannten, deren er eine Menge in Bagdad antraf, die nötigsten Kleidungsstücke zu einem glänzenden Hofanzug zu entlehnen. Von diesem Unter- und Überkleid, von jenem Schal und Turban, vom dritten Gürtel und Säbel.

Als er sich ausstaffiert hatte, ging er ins Bad, ließ sich scheren und kneten und salben. Von da ab begab er sich, ein wenig vor Sonnenuntergang, gerade nach dem Palaste Mutasims, wo er sich durch den Torhüter als einen Abgesandten des Kalifen ansagen ließ. Er wurde vorgelassen und sprach:

»O Herr, der Fürst der Rechtgläubigen grüßt dich und fragt dich, ob du deines Versprechens, den heutigen Abend allein mit ihm in heitrer Gesellschaft zuzubringen, vergessen habest?« »Nein! wahrlich nein! Ich hab es nicht vergessen; aber mein Nachmittagsschlaf verspätete mich heute ungewöhnlich.« »So eile nun, o Herr, denn der Fürst der Rechtgläubigen hat mir den Auftrag gegeben, nicht von deiner Seite zu gehen, bis ich dich in seine Gegenwart gebracht habe.«

Mutasim befahl, die Pferde vorzuführen, wusch und kleidete und parfümierte sich, und machte sich auf den Weg in Begleitung des Jünglings, den er für einen der vertrautesten Zechgenossen des Kalifen ansah und mit dem er sich sehr gerne unterhielt; so schön und süß war seine Rede, so einnehmend seine Sitten.

Sie kamen bis an das Tor des Palastes, wo der Jüngling mit Mutasim abstieg und mit ihm das innerste Gemach des Kalifen betrat. Dort setzte er sich, als ob er immer da zu Hause gewesen wäre, zwischen Mutasim und dem Kalifen nieder, der ihn für einen der vertrautesten Zechgenossen und Gesellschafter seines Bruders hielt. Das Gespräch begann, der Jüngling aber wußte so geschickt den Ball der Rede zu schlagen, daß der Kalif und Mutasim mit Vergnügen seinem hochschwebenden Fluge zusahen. Vom Größten bis zum Kleinsten, vom Ernstesten bis zum Leichtesten, alles umfaßte sein Geist, über alles goß er das Schimmerlicht seines Witzes aus und ordnete die mannigfaltigsten Einfälle zu einem schönen Ganzen. Seine Worte waren so viele durchbohrte Perlen, die er an dem Faden des Gespräches zum schönsten Hals- und Armschmucke zusammenzureihen wußte. Der Kalif war entzückt ob seines unbekannten Gastes und konnte seinem Bruder, der ihm den mitgebracht hatte, nicht genug Dank wissen und erwartete nun mit Ungeduld die Gelegenheit, ihm den zu bezeigen. Indessen kam die Stunde des Essens heran. Die Gerichte wurden aufgetragen, und nach aufgehobenem Mahle befahl Maamun, daß die Sklavinnen des Harems unentschleiert vortreten sollten.

Sie sangen und spielten. Da war kein Ton und keine Weise, in welcher der Jüngling unerfahren gewesen wäre, was dann die Hochachtung des Kalifen für ihn nicht wenig erhöhte. Endlich kam der Augenblick, wo ein dringendes Bedürfnis den jungen Menschen zwang, sich zu entfernen. Er wußte wohl, daß er, sobald er den Rücken gewandt hatte, auch entdeckt sein würde, und hielt sich für verloren; indessen hatte er doch Mut genug, wieder zurückzukommen. Während seiner Abwesenheit hatten sich Maamun und Mutasim zugleich mit Fragen angefallen; wer denn des andern Freund und Zechgenosse sei? Keiner wußte Bescheid, und nun war der ungeladene Fremdling entdeckt.

Maamun fuhr im ersten Zorne gewaltig auf und schickte die Sklavinnen des Harems sogleich hinweg. Als der Jüngling zurückkam, die Mädchen auf der Flucht und den Kalifen voller Grimm erblickte, wandte er sich mit festem und ruhigem Ton an den Bruder des Kalifen. »O Ebi Ishak,« – dies war sein Vorname – redete er ihn an, »das ist wieder ein gegebenes Wort, so sind wir nicht eins geworden, daß du mir wieder einen deiner gewöhnlichen Streiche spielen und dem Fürsten der Rechtgläubigen der Himmel weiß was für Mücken in den Kopf setzen sollst.« Dann fuhr er fort, sich gegen Maamun wendend: »So macht er mirs immer, o Herr, und stürzt mich durch seine Scherze in Abgründe, aus denen ich mich oft nur mit tausend Nöten rette.«. Dann sprach er zu Mutasim: »So höre doch auf und mache des Scherzens ein Ende; ich beschwöre dich beim Haupte des Fürsten der Rechtgläubigen!« Als Maamun so viel Festigkeit und Zuversicht sah, wußte er selbst nicht, wie er daran war und wer von beiden die Wahrheit redete, der Zechgenosse oder Mutasim. Er beschwor diesen, ihm doch die Wahrheit zu sagen, und Mutasim schwur ihm hoch und heilig, daß er den jungen Menschen heute zum ersten Male gesehen habe. Dieser hingegen strafte ihn mit Beteuerungen und umständlichen näheren Angaben von Orten und Gelegenheiten, wo sie beisammen gewesen sein sollten, Lügen. Maamun mußte lachen und wußte sich nicht anders aus dem Zweifel zu helfen, als daß er dem jungen Menschen Verzeihung verhieß, wenn er ihm die Wahrheit gestehen wolle. Er gestand; und Maamun gefiel sich so gut in seiner Gesellschaft, daß er die Sklavinnen des Harems wieder zurückkommen ließ. Dann begehrte er, er solle ihm ohne Hehl das Merkwürdigste erzählen, was ihm auf seinem Wege von Kufah nach Bagdad begegnet war. Sogleich sagte der Jüngling aus dem Stegreif:

Ich hatte eine lange Nacht – Schlaflos im Khane zugebracht.
Ich dacht über manches her und hin – Ich fand nicht Ruhe noch Gewinn.
Auf einmal öffnet sich das Tor – Ich horchte hin mit leisem Ohr;
Es war des Wärters Weib, sie sprach: – Bist du umsonst die Nacht durch wach,
So brich mir meinen Lohn nicht ab – Und gib mir, was noch jeder gab.
Du läßt die kleine Zelle leer – Die Zeiten leider, sind so schwer;
Drum zahle du auch mir den Lohn – Das übrige versteht sich schon.

Der Kalif lachte, als ob er bersten wollte, und stampfte vor Vergnügen mit den Füßen auf die Erde. »Nun, ist dir kein weiteres Abenteuer begegnet ?« »Ja, o Herr! Kaum hatte ich den Khan verlassen, als ich auch den Weg verlor und mich in die Notwendigkeit versetzt sah, alle, die mir begegneten, um die rechte Straße zu fragen. Dies gab mir ein paar Verse ein, die ich vor mich hin in den Bart brummte:

Beklagenswert ist wohl des Fremdlings Los – Der sich hinauswagt in die Welt, die weite;
Er fragt und fleht umsonst so klein und groß: – Daß jemand ihn die wahre Straße leite.

Ein schönes Mädchen, das eben vorbeiging, antwortete sogleich aus dem Stegreife:

Die Führerin, o Fremdling! will ich sein – Und gerne dich die wahre Straße leiten,
Doch wiss', der Weg ist eng, das Tor ist klein – Es brauchet festen Fuß, nicht auszugleiten.

Zugleich warf sie mir in einem Papier zehn Dirhems zu, mit denen ich in den Stand gesetzt wurde, meine Schuld in dem Khane abzutragen und meine Reise weiter fortzusetzen!« Maamun war so zufrieden mit den gesellschaftlichen Gaben des Jünglings, daß er ihm hundert Dirhems auszahlen ließ und ihn unter die Zahl seiner vertrautesten Zechgenossen aufnahm. Er wurde berühmt unter dem Namen: Tofail Mutasim und verfertigte mehrere kleine Gedichte moralischen und ästhetischen Inhalts, deren eines Maamun auf den Vorhang des Harems sticken ließ.

Maamun liebte vor vielen andern seiner Sklavinnen eine, Nesim oder Zephryne genannt. Sie war beständig in seinem Geleite, sowohl in der Stadt als auf dem Lande. Doch mußte sie zuletzt einer neuangekommenen griechischen Sklavin weichen, die den Kalifen für sich einnahm. Zephryne verzehrte sich in Kummer und Schmerz, aber sie klagte nicht. Am neuen Jahrestage, wo alles dem Kalifen Glück wünschte und Geschenke brachte, erschien auch sie mit einem Becher aus Kristall, der mit einem gestickten Tuche bedeckt war. Im Kristall aber war diese Inschrift eingegraben:

Trinke, mein Freund, in langen Zügen den Becher der Liebe –
Lasse für mich darin nur ein Tröpflein zurück.

Der Kalif war bezaubert vom schönen Gedanken und vom Gefühle, das ihn ausgesprochen hatte, und versprach der Geberin, noch diesen Abend den Becher in ihrer Gesellschaft zu leeren; und hielt Wort.

Diese Inschrift wurde in der Folge berühmt und findet sich daher noch heute auf Bechern, Gläsern und anderen Trinkgeschirren eingegraben.

Ahmed Ibn Mohammed Elrariri erzählt von Dschennet, der Tochter Abdorrahmans, des Haschemiten, daß sie das reichste und wohlerzogenste Mädchen gewesen sei aus dem Stamme der Söhne Haschims. Das Feuer hätte ihre Schätze nicht verheeren, die Steine ihrer Beredsamkeit nicht widerstehen können.

Eines Tages ging sie zum Kalifen Maamun, den sie heimlich auf das heftigste liebte. Maamun saß in einem Saale, den er selbst hatte erbauen lassen, und der an Pracht und Herrlichkeit alle Bauwerke der vorigen Kalifen bei weitem übertraf. Alle Tiere des Meeres und der Erde waren da in Stein gehauen oder in Gold gegossen zu sehen. Die Wände waren gelber Damast und die Vorhänge chinesischer Seidenstoff. Vierhundert Sklavinnen, in die echtesten und reichsten Stoffe gekleidet, waren zum Dienst dieses Saales bestimmt. Gleicher Wuchs, gleiche Haare, gleiche Kleidung; alle schienen nach demselben Vorbilde geformt. Zweihundert standen zur rechten und zweihundert zur linken Seite.

»O Dschennet,« redete Maamun die Tochter Abdorrahmans an, »hatte dein voriger Gemahl oder dein Vater oder irgendein anderer Kalif einen Saal, gleich diesem an Pracht und Schmuck und Dienerschaft?« »O Fürst der Rechtgläubigen,« antwortete sie, »der Himmel friste dir dein Leben und den Genuß dieser Herrlichkeit! Alles entspricht deiner Würde und Erhabenheit; doch, möchtest du dich eines Tages herablassen und deine Dienerin Dschennet eines Besuches würdigen, so würde sie dich in einer Gesellschaft empfangen, wie du noch keine gesehen, und dir einen Wein darbieten, wie du noch keinen getrunken hast!« »O Dschennet,« antwortete Maamun, »ich nehme deine Einladung an, doch unter der Bedingung, daß ich den Kasi Jahja, den Sohn Ektems (der eben gegenwärtig war) mitbringen darf, denn ohne ihn, wie du weißt, genieße ich kein gesellschaftliches Vergnügen.« »Schon recht, o Fürst der Rechtgläubigen.« Dann zog sie eine goldene Dose hervor, die mit dem reinsten Moschus gefüllt war, und reichte sie dem Sohne Ektems mit den Worten hin: »Nimm, o Jahja! dies sei dein Lohn zum voraus für die Mühe, den Fürsten der Rechtgläubigen morgen abend zu mir zu führen.« »Gerne, sehr gerne«, erwiderte Jahja, der Sohn Ektems, und Dschennet verließ den Saal des Kalifen.

Am folgenden Tage saß Maamun zu Gericht in feierlicher Versammlung. Als die Sonne sich zum Untergang neigte, trat Jahja vor den Thron und sprach: »Erinnere dich, o Fürst der Rechtgläubigen, des gestern gegebenen Versprechens!« Alsogleich hob Maamun die Versammlung auf.

Sie verkleideten sich beide als Kaufleute, bestiegen zwei große nd schöne ägyptische Esel und machten sich auf den Weg nach dem Hause Dschennets. Sie klopften leise an das Tor, und Dschennet, die sie sogleich an ihrem Klopfen erkannte, kam selbst, um ihnen das Tor zu öffnen.

Sie ging vor ihnen her und führte sie durch den Garten in ein Lusthaus, das von vier Säulen aus rotem Granit getragen wurde. Die Gesimse waren aus Gold. Über dem Eingange war die folgende Inschrift mit Perlen ausgelegt:

Mein Inneres erfüllet sich, mit reiner Lust – Mein freundliches Gespräch bewegt die süße Brust.
Das Gold der Söhne Haschims strahlt mir vom Gesicht; – Vielleicht gefällt es dir, vielleicht gefällt es nicht.
Wohlredenheit, o Fremdling, ist der Geist – Der in mir lebt und mich zu dir hinreißt.

»O Jahja,« sagte Maamun, »hast du irgendeines Kalifen Lusthaus gesehen, das sich mit diesem vergleichen könnte?« Die Fußteppiche waren mit Perlen gestickt, die Deckenwölbung aus einem Zelte von Goldstoff geformt. Auf dem Boden standen große japanische Gefäße, aus denen Moschus, Ambra, Kampfer, Safran und Sandelholz ihre Wohlgerüche sandten, so daß man keinen einzelnen Geruch zu unterscheiden vermochte, sondern in einem Meere von Blütengerüchen zu schwimmen glaubte. Dschennet führte sie hernach an eine Balustrade, wo alle wohlriechenden Blumen des Morgenlandes dufteten und blühten. Maamun wähnte sich in ein Zauberland versetzt. Bald hierauf brachte man den Tisch aus jemenischem Onyx. Jeder Fuß war aus einem einzigen Stück gearbeitet. Der Tisch wurde gedeckt mit Speisen der mannigfachsten Farben und des köstlichsten Geschmackes, zu gleicher Lust der Augen und des Gaumens. Sie aßen; und Maamun schwur, er habe nie so vortrefflich gespeist, und seine Küche vermöge nichts Ähnliches zu liefern.

Nun wurde das Wasser zum Händewaschen in goldenen Kannen und Waschbecken gebracht, und nach beendigtem Mahle erschien der Wein. Schöne Jünglinge aber kredenzten ihn in Gefäßen aus syrischem Kristall. Es war der köstlichste Rebensaft, leicht wie die Luft, rot wie Rubin, brennend wie Ingwer. Dschennet nahm die Becher aus den Händen der Jünglinge und setzte sie ihren Gästen vor, die gar nicht aus dem Taumel des Vergnügens kommen wollten. »Wahrlich,« sagte Maamun, »so hab ich noch nie getrunken!« Dann kamen zwei Sklavinnen, in Seidenzeug von Kufah gekleidet, mit goldenen Gürteln und ägyptischen Schleiern und persischen Kronen auf dem Haupte. In ihrem Schoße hielten sie zwei Lauten, denen sie die süßesten Töne entlockten, die sie mit noch süßeren Gesängen begleiteten. »O Dschennet,« rief Maamun, »wohl mit Recht trägst du deinen Namen, denn durch dich genießen wir der Freuden des Paradieses.«

»O Fürst der Rechtgläubigen,« sagte Jahja, »etwas fehlt uns doch noch zur Vollkommenheit der Paradiesfreuden.« »Was denn, o Jahja?« »Das Vergnügen der Jagd.« »Da hast du recht,« sagte Maamun, »Dschennet muß uns auch noch das Vergnügen der Jagd verschaffen.« Dschennet führte sie in den Garten, der im eigentlichsten Sinne ein Paradies genannt zu werden verdiente.

Pfauen, Rebhühner, Turteltauben, Gazellen, alles lebte hier in der größten Vertraulichkeit beisammen. Die Nachtigallen kosten in den Rosengebüschen, und die Quellen murmelten leise ins Flüstern der Winde. Hundert Sklavinnen erschienen, alle zwar gleich gekleidet, jedoch eine schöner als die andere. Goldene Gürtel hielten ihre schwellenden Busen zusammen, und Perlenschnüre, in die schwarzen Flechten des langen Haares geflochten, schleppten ihnen auf dem Boden nach. »Seht hier,« sprach sie zu ihnen, indem sie auf Maamun und Jahja wies, »seht hier die Jäger.«

Die Sklavinnen verstanden den Wink und verstreuten sich ins Gebüsch, wie schüchterne Gazellen sich vor den beiden Gästen flüchtend, die sie aber umsonst verfolgten. »Siehst du, o Jahja, das Wildbret,« sagte Maamun, »ich wollte es wohl erjagen, aber ich müßte einen guten Spürhund haben.« »Den Spürhund«, sagte Jahja, »hast du schon in mir gefunden, bleibe nur am Anstand stehen, so will ich die Fährte des Wildes schon verfolgen.« Jahja lief und erjagte ein Mädchen, das er dem Kalifen als Wildbret zuführte.

»Ei,« sagte Dschennet, »wenigstens mußt du bekennen, o Fürst der Rechtgläubigen, daß ich nicht eifersüchtig bin.« Maamun verstand den Wink und sagte zu seinem Gefährten: »Nun bleibe du als Jäger am Anstand, und ich will als Hund das Wild aufjagen.« Jahja lachte laut und gehorchte. »Wir wollen sehen,« sagte Dschennet, »was du erjagen wirst, o Jahja; was es immer sei, mich wird wenigstens die Eifersucht nicht plagen!« Sprachs und sprang davon wie ein flüchtiges Reh; Maamun hinter ihr her, und gar bald hatte er sie ergriffen.

»O Fürst der Rechtgläubigen,« sprach Jahja, »das Fest würde nicht vollkommen sein, wenn du seine Geberin nicht zur Frau nehmen wolltest. Keinen schicklicheren Begleiter hättest du mitnehmen können als mich, der alsogleich den Heiratsvertrag aufsetzen und ausfertigen kann.« »Beim Propheten«, schwur Maamun, »und bei meinen erlauchten Ahnen aus der Familie Abbas, ich verlasse den Garten nicht eher, bis ich sie zum Weib genommen habe. Setze nur gleich den Vertrag auf; ich gebe ihr als Morgengabe eine Million Dinare und hundert Ortschaften obendrein als Nadelgeld!«

Jahja, der Sohn Ektems, setzte als Oberkasi den Vertrag auf der Stelle auf und erhielt dafür von Dschennet zur Belohnung zehntausend Dinare. Die Vermählung wurde noch selbigen Abends vollzogen, und die Frucht der Hochzeitsnacht war Abbas, nicht unwert des Namens seines Geschlechts und seiner Eltern.

Isaak, der Sohn Ibrahims, der bekannte Lautenspieler des Kalifen, erzählt: »Beständig an die Gesellschaft des Kalifen gekettet, fing ich an, sie lästig zu finden, und suchte mich eines Tages aufs Feld hinaus zu retten, um wenigstens einige freie Augenblicke zu genießen.

Meinen Dienern befahl ich, daß, wenn ein Bote vom Kalifen oder jemand anderem käme, sie antworten sollten: sie wüßten nicht, wo ich hingegangen wäre. Der Tag war heiß, und ich legte mich bald unter eine Laube, um auszuruhen. Es kam ein Sklave, der einen Esel führte, auf dem ein schönes Mädchen saß. Schön gewachsen, schön angezogen; ich dachte, es müsse eine Sängerin sein. Sie ritt an mir vorbei in ein benachbartes Haus; ich stand auf und ging vor dem Tore auf und nieder. Zwei schöne junge Leute kamen und grüßten mich; ich gab ihnen den Gruß zurück; sie gingen ins Haus und ich mit ihnen, sie in der Meinung lassend, als sei ich wie sie geladen worden, während der Hausherr glaubte, sie hätten mich mitgebracht. Man setzte uns zu trinken und zu essen vor, und das schöne Mädchen, das ich gesehen hatte, trat mit einer Laute in der Hand aus dem Harem heraus. Sie sang und begleitete ihr Lied mit zauberischen Akkorden. Der Hausherr fragte seine beiden Freunde, wer ich wäre, sie ihn. Es fand sich, daß ich ein ungebetener Gast war; nichtsdestoweniger behandelte man mich sehr freundlich aus

Rücksicht auf die geistvolle Art, mit der ich die Gesellschaft zu unterhalten versuchte. Der Becher ging im Kreise herum, und die Sängerin sang:

Deiner denk ich, Ommi Schasi – Seh dich nah vorüberziehn,
Während die Kamele trinken – An dem Brunnen in der Wüste.
Deine glatten Zähne glänzen – Wie des Sandes Spiegelkörner;
Und von deinem Angesichte – Strahlt des Mittags Flammenhitze.

Hierauf zerstreute sich die Gesellschaft, um das Gebet zu verrichten, dessen Stunde eben ausgerufen worden war. Während sie sich entfernt hatte, nahm ich die Laute und stimmte sie auf eine ganz andere Weise nach sonst ungewöhnlichen Tonverhältnissen. Als die Sklavin zurückkam und das Instrument in die Hand nahm, fragte sie sogleich: ›Wer hat es gestimmt?‹ ›Nicht, daß ich wüßte‹, antwortete ich. ›Ei wohl,‹ sagte sie, ›ein Meister der Kunst hat die Saiten geregelt.‹ Ich gestand, daß ich es getan hatte. ›Nun,‹ sprach sie, ›so spiele du auch.‹ Ich spielte einige meiner besten Weisen zum Entzücken der Gesellschaft. ›Ich schwöre bei Allah, dem Lebendigen,‹ rief der Hausherr aus, ›du bist ein Meister in der Kunst, entdecke uns nun deinen Namen.‹ Ich nannte mich und bekannte zugleich, daß, während der Kalif meiner harrte, ich mich weggestohlen und bloß um des schönen Mädchens willen den Eingang ins Haus versucht hätte. ›Wohlan,‹ sprach der Hausherr, ›ich mache dir einen Vorschlag: bleibe eine Woche bei uns, um die Vermählung mit der Sängerin, die du verlangst, zu feiern.‹

Ich blieb eine Woche bei ihnen, während mich der Kalif Maamun aller Orten suchen ließ, ohne meine Spur zu entdecken. Nach sieben Tagen verließ ich das gastfreundliche Haus und nahm die Sklavin mit mir. Dann ritt ich in das Serail, wo mir der Kalif ein ›Weh dir!‹ zurief. Ich erzählte ihm aber meine Geschichte vom Anfang bis zu Ende, und sie gefiel ihm so gut, daß er meinen freigebigen Gastfreund mit hunderttausend Dirhems beschenkte.

Erzähl mir eine Geschichte wider den Schlaf und wider die Langeweile«, sagte der Kalif eines Tages zu Masrur, dem obersten Aufseher des Harems. »O Fürst der Rechtgläubigen,« antwortete Masrur, »für jetzt fällt mir nichts bei, was deiner Erhabenheit würdig wäre; doch bringe ich dir einen alten Sklaven vom Serail deines Vaters, in dessen Gesellschaft dir die Zeit nicht lang werden soll!« Der alte Diener wurde vorgeführt, küßte dreimal die Erde vor den Füßen des Kalifen und begann folgende Erzählung:

»Der Vater deiner Erhabenheit, weiland Kalif Harun al-Raschid, glorreichsten Angedenkens, war ein großer Liebhaber der Jagd. Und den ganzen Tag über gings über Stoppel und Moor, bergauf, talein, in vollem Rennen. Ich hinter ihm her; oft vor der Hitze des Tages, vor Müdigkeit und Hunger verschmachtend. Eines Tages gab mir einer der Palastbeamten drei in Honig eingesottene Datteln, ein treffliches Mittel sowohl wider Hunger als Durst, des wurde ich froh und bewahrte meine Datteln wie einen Talisman wider das Ungemach der Jagd. Und ich erspähte den Augenblick, wo der Kalif ein wenig voranritt und mich nicht zu bemerken schien, um eine der Datteln zum Munde zu bringen. Aber kaum hatte ich sie über die Lippen gebracht, als mich der Kalif rief. Ich spie die Dattel aus und gab meinem Esel die Sporen, um den Kalifen zu erreichen. ›Sage mir,‹ sprach er, ›hat dein Esel schon alle Zähne, oder fehlt ihm vielleicht noch einer?‹ ›Er hat sie alle vollzählig, o Fürst der Rechtgläubigen!‹ war meine Antwort.

Eine kurze Zeit danach blieb ich wieder zurück und versuchte mein Glück mit der zweiten Dattel. Aber kaum hatte sie den Mund berührt, so rief mich der Kalif. Ich war gezwungen, die Dattel wegzuwerfen, und gab meinem Esel die Sporen. ›Ist dein Esel arabischer oder ägyptischer Abkunft?‹ fragte Harun. ›Er ist aus Jemen, o allergnädigster Herr‹, erwiderte ich mit verbissenem Unmute und kehrte auf meinen Platz zurück.

Hunger und Durst, nicht gestillt, sondern nur durch des Honigs Süßigkeit gereizt, plagten mich mehr denn zuvor, und ich versprach mir, wenigstens die dritte Dattel glücklich hinabzubringen. Doch der Versuch mißglückte. Kaum hatte ich sie zwischen den Zähnen, so rief mich auch schon wieder der Kalif, und ich mußte im vollen Trab zu ihm reiten. ›Um wieviel hast du deinen Esel gekauft?‹ fragte Harun. Verdammt, dachte ich bei mir selbst, sei mein Esel und sein Verkäufer! und dann mit dem abgemessensten und ehrfurchtsvollsten Tone: ›Er kostet mich gerade acht Dinare, o Fürst der Rechtgläubigen!‹ Der Kalif konnte sich des Lachens nicht erwehren, und ich kam abends hungriger und durstiger als jemals in den Palast zurück.

Nachdem ich mich durch Speise und Trank gelabt hatte, wandelte ich umher in den Galerien des Palastes und in den hohen Gängendes Harems, aus denen schon der letzte Schimmer der Abendröte verschwunden war. Lieblicher Gesang ertönte aus einem der Frauengemächer. Ich ging der Stimme nach und sah durch das Schlüsselloch den Kalifen, der seinen Arm um den Nacken der schönen Sängerin gelegt hatte. Der Kalif war zudringlich, sie aber bat ihn, sie zu verschonen, weil, wenn Subaidah, die Gemahlin Haruns, den geringsten Verdacht hegte, sie auf ewig unglücklich sein und den

Genuß des Augenblicks mit tausend Martern bezahlen würde. Harun bot all seine Beredsamkeit auf, die schöne Sklavin zu beruhigen; besonders habe; es heute keine Gefahr mit Subaidah, denn sie sei in der Frühe auf ein nahegelegenes Lusthaus verreist. In diesem Augenblicke schlug ich mit einem großen Knotenstocke an die Tür. Die Sklavin fuhr erschrocken auf: ›Um Allahs willen, das ist die Fürstin!‹ Der Kalif suchte sie erst zu beruhigen und fragte dann: ›Wer da?‹

›Es ist‹, antwortete ich, ›Ibad, der allergetreueste Sklave deiner Erhabenheit. Ich hatte heute früh auf die Frage, ob mein Esel alle Zähne habe, geantwortet, er habe sie vollzählig; nun aber, bei ganz genauer Untersuchung seines Maules, fand ich wirklich, o Fürst der Rechtgläubigen, daß ihm noch zwei fehlen.‹ ›Verdammt sei dein Esel, und du,‹ rief der Kalif, ›laß mich in Frieden!‹

Die schöne Sklavin war äußerst furchtsamer Natur und wollte lange nichts von des Kalifen Anträgen hören. Endlich ließ sie sich doch nach und nach herbei. Das Gespräch würde lebhafter, dann einsilbig, und sie waren auf gutem Wege, als ich wieder und weit stärker als das erstemal an der Türe klopfte. ‹O Subaidah! Subaidah!‹ rief die schöne Sklavin und sprang erschrocken auf. Der Kalif hielt sie beim Saum des Gewandes zurück, zog sie zu sich aufs Lager nieder, und nachdem er sie ein wenig beruhigt hatte, fragte er: ›Wer da?‹

›Dein allergetreuester Diener Ibad, o Beherrscher der Rechtgläubigen. Du fragtest mich, ob mein Esel arabischer oder ägyptischer Abkunft sei? Ich sagte nun, er sei aus Jemen; aber nach den genauest eingezogenen Erkundigungen ist er aus Oberägypten gebürtig!‹ ›Verflucht sei der Esel‹, schalt der Kalif, ›scher dich fort!‹

Die schöne Sklavin zitterte noch lange, und es brauchte vieler Mühe und Zeit, bis sie sich wieder den Liebkosungen Haruns hingab. Endlich wich die Furcht der Begier, und der Augenblick war da, wo Harun glücklich werden sollte; da schlug ich zum drittenmal mit Gewalt an die Türe. Die Sklavin konnte sich nicht fassen vor Schrecken. Mit Mühe hielt sie der Kalif in seinen Armen zurück. ›Das ist die Fürstin, ganz sicher‹, rief sie; und der Kalif fragte: ›Wer da?‹

›Dein allergetreuester Diener Ibad‹, antwortete ich. ›Ich hatte gesagt, mein Esel koste acht Dinare; nun habe ich: mich gar sehr geirrt, denn ich finde soeben in meinem Ausgabenbuche, er kostet nur sieben und einen halben.‹ ›Geh zur Hölle, du und dein Esel‹, fluchte der Kalif; ›daß weder du noch sein Verkäufer jemals hätte leben mögen!‹

Nun wollte die schöne Sklavin von nichts mehr hören. Harun al-Raschid verschwendete lange seine Beredsamkeit, bis er sie wieder in Fassung brachte. Endlich gab sie seinen Worten Gehör und war daran, seine Wünsche zu erfüllen. Da ertönte mit der ersten Morgendämmerung von dem Türme der Moschee des Serails der Gebetsruf. Dies war das Zeichen für den Kalifen, den Harem zu verlassen und das Morgengebet zu verrichten. So begab er sich denn unverrichteterdinge von der schönen Sklavin hinweg und bezahlte mir auf solche Weise die drei in Honig gesottenen Datteln.

Wer da suchet, der findet; und wer anklopft, dem wird aufgetan, sagt ein arabisches Sprichwort. »Das will ich versuchen«, sagte ein junger Mensch, der es oft genug von seinem Lehrer wiederholen gehört hatte, und machte sich auf nach Bagdad und stellte sich dem Wesir vor. »O Herr!« sprach er, »ich habe lange genug ein stilles und abgeschiedenes Leben geführt, dessen ich nun überdrüssig bin, und habe stets meinen Willen bekämpft und mir nie etwas ernstlich zu wollen erlaubt. Weil mein Lehrer mir aber gar zu oft wiederholt hat: ›Wer da suchet, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan‹; so habe ich mir in den Kopf gesetzt, etwas recht ernstlich zu wollen, und zwar nichts Geringeres, als die Tochter des Kalifen zum Weibe.«

Der Wesir glaubte, der arme Mensch sei verrückt, und hieß ihn ein andermal wiederkommen. Er kam alle Tage, ohne sich abweisen zu lassen. Einmal traf es sich, daß sich der Kalif selbst unbekannterweise beim Wesir befand, als der junge Mensch wiederkam. Er hörte nun sein sonderbares Begehren mit Erstaunen an; weil aber seine Erhabenheit eben nicht in der Laune war, ihm den Kopf abschlagen zu lassen, so sprachen Höchstdieselben: Eine Prinzessin sei keine Kleinigkeit, wer sie nun verdienen wolle, müsse sich ihrer auch durch irgendeine außerordentliche Gabe oder Unternehmung würdig zeigen. Vor undenklichen Jahren sei ein Kristall in den Tigris gefallen: wer ihn brächte, dem sei die Hand der Prinzessin bestimmt. Der Jüngling nahm des Kalifen Zusage und ging an das Ufer des Tigris.

Er hatte nichts als ein Geschirr, mit dem er Wasser ausschöpfte, das er am Ufer ausgoß; danach verrichtete er sein Gebet. Dies tat er vierzig Tage lang. Die Fische, die ihn alle Tage wiederkommen und dasselbe tun sahen, fingen an, unruhig zu werden. Sie hielten Staatsrat darüber. »Was will der Mann?« fragte der Altvater der Fische. »Den Karfunkel, der seit so vielen Jahren im Schlamme des Tigris liegt.« »Ich rate euch,« sagte der Altvater, »liefert ihn ihm aus, denn wenn er den festen Willen und ernstlichen Vorsatz hat, ihn zu finden, so wird er, das sag ich euch, eher den Tigris ausschöpfen, als von seinem Vorhaben abstehen!« Die Fische fürchteten aufs Trockene zu kommen und warfen den Karfunkel ins Geschirr des Jünglings, der alsbald die Tochter des Kalifen zur Frau erhielt. Es kann viel, wer ernstlich will.

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Asad Al-Daulat erhielt vom chinesischen Kaiser eine Sklavin zum Geschenk, die ihn durch leidenschaftliche Liebe bald so beherrschte, daß er der Regierungsgeschäfte vergaß. In einem Augenblicke, wo sein Pflichtgefühl erwachte, wollte er die Sklavin entfernen, aber er fühlte, es sei ihm unmöglich, sich von ihr zu reißen, solange sie lebte. Und er befahl, daß man sie in den Tigris werfe. Mit dem nächsten Morgen kam die Reue, der Vollstrecker des Urteils sollte der Sklavin folgen, allein er hatte sie und mit ihr sein Leben gerettet. Nun ging es wie bisher, die Leidenschaft brannte heftiger denn jemals. Die Regierungsgeschäfte wurden vernachlässigt, das Volk schrie laut wider Asad al-Daulat. Da entstand ein fürchterlicher Kampf in seiner Seele zwischen Liebe und Pflicht. Keiner seiner Untergebenen, das wußte er, würde das Todesurteil vollziehen wollen, um nicht seines zu verdienen. Er faßte den fürchterlichen Entschluß, selbst der Henker seiner Geliebten zu werden, und stürzte sie mit eigener Hand aus den Fenstern des Palastes in die Fluten des Tigris. Lange Zeit hernach blieb er eingeschlossen, von Schmerz und Reue gefoltert; die Reichsgeschäfte gingen ihren Gang fort, und das Volk war zufrieden.

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Die neuere arabische Geschichte nennt als die Freigebigsten Abdullah, den Sohn Dscha'afars, Gorabat al-Ussa und Kis, den Sohn Saads. Man stritt sich zu ihrer Zeit darum, wer von diesen dreien wohl der Freigebigste sei, und stellte Wetten darauf an. Der, der sich für Abdullah erklärt hatte, ging als erster zu ihm hin und fand ihn, wie er eben den Fuß in den Steigbügel setzte, um eine Reise zu machen. »Was willst du«, fragte ihn Abdullah. »Ich bin ein armer Sohn des Weges.« Sogleich zog Abdullah den Fuß aus dem Steigbügel zurück und schenkte ihm das Kamel und eine herrliche Klinge, die er von Ali hatte, außerdem noch viertausend Dinare als Reiseunkosten. Jetzt ging der Freund zu Kis, Saads Sohn, um ihn auf die Probe zu stellen, und fand ihn schlafend vor. Der Sklave an der Tür fragte, wer er sei und was er wolle. »Ich bin ein Sohn des Weges, dem der Faden ausgegangen ist, das ist: ein Reisender ohne Geld.« »Es ist nicht nötig,« sprach der Sklave, »meinen Herrn aufzuwecken; nimm diesen Beutel mit siebenhundert Dinaren. Es ist das einzige Geld, das uns im Hause geblieben ist. Nimm das Kamel und die Ausrüstung, die dir beliebt!« Als Kis erwachte und von seinem Sklaven vernahm, wie er ganz in seinem Sinne gehandelt hatte, schenkte er ihm dafür die Freiheit. Der dritte, der auf Gorabat-al-Ussa gewettet hatte, begegnete ihm, als er sich eben von zwei Sklaven aus dem Hause in die Moschee führen ließ, denn er war blind. »Ich bin«, redete er ihn an, »ein Sohn des Weges, dem der Faden ausgegangen ist.« Sogleich zog der Blinde seine Hände von den Wegweisern ab und rief: »Ach, das Schicksal hat mich meiner Reichtümer beraubt, es hat mir nichts gelassen als diese beiden Sklaven, die meine Schritte durch die ewige Finsternis leiten, die meine Augen umnachtet. Nimm sie, sie können dir von einigem Nutzen sein!« Alle Bitten des Fremden, sich der Sklaven nicht zu berauben, waren umsonst. Er tappte nach der Mauer, um seinen Weg nach Hause zu finden, und er wurde durch das einstimmige Urteil derer, die über den Vorrang der Freigebigen gewettet hatten, für den Freigebigsten seiner Zeit erkannt.

Ein gastfreundlicher Mann bewirtete einst drei Tage über einen Bekannten und entschuldigte sich beim Weggehen über die Mängel der Bewirtung, wiewohl er alles aufgeboten hatte, was in seinen Kräften stand, um ihm den Aufenthalt der drei Tage angenehm zu machen. »Es ist schon gut,« sagte der andere, »aber wenn du zu mir kommst, will ich dich besser bewirten, als du mich.« Der Fall traf bald hernach ein; allein der Gast sah nicht das geringste von besonderer Vorbereitung und verwunderte sich darob nicht wenig. Der Gastgeber, der dessen gewahr wurde, half ihm aus dem Traume: »Sagte ich nicht, ich würde dich besser bewirten, als du mich. Du machtest tausend Vorbereitungen in deinem Hause, als ob ich ein Fremder wäre; ich keine, weil ich dich als ein Mitglied meiner Familie ansehe.« – Die wahre Gastfreundschaft besteht in der ungezwungenen Aufnahme unserer Freunde, ohne besondere Vorrichtung.

Abu Anassr Thelebi erzählt: Ein Geizhals aus Kufah habe gehört, daß es in Bassorah einen noch größeren Geizhals gäbe, bei dem er in die Schule gehen könnte. Er begab sich dahin und führte sich selbst ein als einen Anfänger in der Kunst, geizig zu sein, der von einem so großen Meister lernen wolle. ›Willkommen!‹ sprach der Geizhals von Bassorah, ›wir wollen sogleich auf den Markt gehen, um einzukaufen.‹ Sie gingen zum Bäcker: ›Hast du gutes Brot?‹ ›Zu dienen, o meine Herren, frisch und weich wie Butter.‹ ›Du siehst,‹ sprach der Mann aus Bassorah zu dem aus Kufah, ›daß Butter besser ist als das Brot, das damit verglichen wird, und wir werden besser tun, uns mit Butter zu behelfen.‹ Sie gingen zum Händler und fragten, ob er gute Butter habe. ›Zu dienen, Butter, frisch und schmackhaft wie das köstlichste Olivenöl.‹ ›Du hörst,‹ sprach der Wirt zum Gaste, ›die beste Butter wird dem Öl verglichen, das um vieles vorzüglicher sein muß.‹ Nun gingen sie zum Ölverkäufer: ›Hast du gutes Öl?‹ ›Vom besten, klar und hell wie Wasser.‹ ›Ei! ei!‹ sagte der Geizhals von Bassorah zu dem von Kufah, ›so ist also Wasser die beste Kost. Ich habe in meinem Hause eine ganze Kufe voll, womit ich dich herrlich bewirten will!‹ Und wirklich setzte er seinem Gast nichts als Wasser vor, weil es besser sei als Öl, wie Öl besser als Butter, und Butter besser als Brot sei. ›Gottlob,‹ sagte der Geizhals aus Kufah, ›ich habe meine Reise nicht umsonst gemacht, sondern etwas Tüchtiges gelernt.‹

Ein Bürger aus Kufah zankte sich eines Tages ganz gewaltig mit seinem Nachbarn. Man brachte die streitenden Parteien auseinander und fragte sie um die Ursache ihres Zankes. »Weil mich die Leute einen Geizhals schelten,« sprach der eine, »kaufte ich um einen Dirhem einige Markknochen, sog das Mark aus und warf die Knochen vor die Tür, auf daß die Leute sähen, daß ich gegessen, und mich mit ihren Spottreden verschonen sollten. Da kommt mein sauberer Nachbar und nimmt die Knochen vor meiner Tür weg und legt sie vor seine nieder, um sich in guten Leumund zu bringen und mich im bösen zu erhalten. Nun sprechet Recht, o Hadschi Kadi!« Der Kadi war der geeignetste von der Welt, denn er war selbst ein Geizhals, der es noch weiter als die streitenden Parteien in der Kunst gebracht hatte. »Du«, sagte er zum Beklagten, »hast gefehlt, dir fremdes Eigentum zuzueignen und die Knochen vor des Nachbarn Tür wegzunehmen; zur Strafe dafür sollen sie vor deiner liegen bleiben. Und du, o Blödsinniger,« fuhr er fort, indem er sich zum Kläger wandte, »begreifst du denn nicht, daß die Meinung der Leute, du äßest nichts, bei weitem die vorteilhaftere ist? So läufst du keine Gefahr, Gäste zu bekommen, die sich bei deinem Nachbarn einfinden können, wenn die Meinung gang und gäbe wird, daß er Mahlzeit hält. So sei er bestraft für seinen Diebstahl!«

Zwei lustige Köpfe verabredeten sich, einen Richter, der ein Teriaki oder Opiumesser und kein Freund von langen Prozessen war, zu narren. Der Kläger forderte hundert Dinare, die er dem Beklagten geliehen haben wollte. »Hast du sie empfangen?« fragte der Richter. »Ja, o Herr, aber ich kaufte in der Folge dafür auf des Klägers Rechnung Baumwollsamen, den ich ihm richtig übergeben habe.« »Verhält sich die Sache so?« fragte der Richter den Kläger. »Ja, o Herr, als aber die Saatzeit herbeigekommen war, gab ich ihm den ganzen Samen wieder zurück.« »Das ist wahr,« wandte der Beklagte ein, »aber als die Erntezeit gekommen war, erntete mein Gegner den Ertrag des ganzen Feldes, worauf die hundert Dinare Baumwollsamen ausgesät waren.« »Ist das richtig?« fragte der Richter bei dem ersten an. »Ja, so ists,« antwortete er, »aber ich belud mit der ganzen Ernte auf meines Gegners Rechnung ein Schiff, das nach Alexandrien segelte.« »Was ist damit geschehen?« fragte der Richter den andern. »Die Baumwolle wurde dort verkauft und deren reiner Ertrag, gerade hundert Dinare, meinem Gegner eingehändigt.« »Was hast du darauf zu erwidern?« fuhr der Richter fort. »Nichts,« war die Antwort, »als daß ich um das Geld Rübensamen kaufte!« »O ihr abgefeimten Spitzbuben!« rief der Richter, »möchtet ihr nicht auch noch Rüben säen und ernten?« und jagte sie fort.

Ein Schulmeister ging auf den Markt in der Absicht, durch seine Rednerkunst ein Paar Pantoffeln umsonst zu erhalten. »Was kostet dies Paar?« »Zwölf Dirhems.« »O Freund, du bist von der Sekte Mulhad, welche die zwölf Monate verehrt.« »Nun, so gib elf.« »Ei, das riecht nach Aberglauben an Josephs Brüder.« »Zehn.« »Das hieße der zehn Jünger des Propheten spotten.« »Aber neun.« »Bist du vielleicht ein Jude, der an die neun Gebote Moses glaubt?« »So will ich sie dir denn um acht geben.« »Allah behüte! Das ist die Zahl der Engel, welche nach der Schrift den Thron Allahs tragen.« »Nun, sieben wenigstens.« »Scheust du dich nicht, so öffentlich die Lehre der Sabäer, die so viel auf sieben halten, zu bekennen?« »So bleiben wir denn bei sechs stehen.« »Da bin ich zu gewissenhaft, denn das ist die Zahl der Schöpfungstage.« »Aber wenigstens fünf.« »Das ist ja die heilige Zahl der gesetzmäßigen täglichen Gebete.« »Nun, so schließen wir mit vier ab.« »Nein, den vier rechtgläubigen Sekten will ich nicht zu nahe treten.« »Drei.« »Was, kannst du vergessen, daß die Religion die Zahl drei durch die Monate Redsched, Schaban und Ramasan heiligt?« »Nun, wie ich sehe, soll ich auf eins heruntergehen.« »Gottloser Atheist. Eins ist nur Allah.« Der Schuster, ein von Natur abergläubischer Mensch, sagte: »Nimm die Pantoffeln in Allahs Namen hin, sonst verleidest du mir meinen Glauben noch ganz und gar!«

Ein ausgehungerter Beduine ging an einem Araber vorüber, der soeben seine Mahlzeit hielt, von der er einen guten Bissen zu erhaschen hoffte. »Woher, o Beduine?« fragte der Araber. »Von den Zelten deines Stammes.« »Hast du meinen Sohn Osman nicht gesehen?« »Er springt herum wie ein junger Löwe.« »Was macht seine Mutter?« »Sie brüstet sich in ihren neuen Gewändern und wird von Tag zu Tag sichtbar fetter.« »Und mein rothaariges Kamel?« »O, es befindet sich vollkommen wohl und läuft wie der Blitz.« »Und mein treuer Hund?« »Der läßt keinen Wanderer ruhig vorbeiziehen und bellt, daß es eine wahre Freude ist.« »Und mein Haus ?« »Das steht fester und prangt herrlicher denn je!«

Als der Beduine sah, daß der Frager unterdessen fast mit der Mahlzeit fertig geworden war, ohne ihm einen Bissen anzubieten, änderte er seinen Plan, um auf eine andere Weise zu dem so sehnlich erwünschten Mittagsmahle zu gelangen. Ein Hund lief vorbei. »Welch ein Unterschied,« rief der Araber voll Wohlbehagen aus, »welcher Unterschied zwischen diesem und meinem Hunde!« »Ja freilich, wenn er noch lebte«, rief der hungrige Beduine aus. »Wie! ist er nicht mehr?« fuhr der Araber auf, »und hast du mich zuvor hintergangen?« »Ich wollte«, erwiderte der Beduine, »dir nicht die Eßlust verderben. Er ist freilich nicht mehr; und das, weil er sich am Fleische deines Kamels überfressen hatte.« »O, der Himmel! auch mein Kamel tot? und wie starb es denn?« »Es wurde am Grabe deiner Gemahlin, der Mutter Osmans, geschlachtet.« »Großer Gott! auch mein Weib verloren! welch ungeheures Unglück! An was starb sie denn?« »Aus Verzweiflung über den Tod deines Sohnes.« »O Unglücklicher! was sagst du, mein Sohn?« »Ja, dein Sohn wurde vom Hause erschlagen, das über ihm zusammenstürzte.«

Der Araber warf sich verzweiflungsvoll zur Erde nieder und wälzte sich im Sande, während der Beduine ruhig den Überrest der Mahlzeit verzehrte.

In indischen Büchern findet sich folgende Geschichte aufbewahrt:

Ein Dieb stahl sich in die Werkstatt eines Verfertigers von Goldstoff, wo er sich versteckt hielt, um bei einbrechender Nacht seinen Anschlag auszuführen. Der Meister, der mit einem angefangenen Gewebe fertig werden wollte, arbeitete die ganze Nacht hindurch und wiederholte von Zeit zu Zeit eine Art von Stoßgebetlein: »O mein Herr und Allah! bewahre mich vor Zungenfall.« Der Dieb, der sich nicht hervorzubrechen getraute, harrte die ganze Nacht geduldig aus, und während der Meister sein Morgengebet verrichtete, bei dem das: »O Herr, o mein Allah! bewahre mich vor Zungenfall« nicht vergessen wurde, ging der Dieb seiner Wege.

Der Meister begab sich mit dem vollendeten Goldstoff in das Serail, der Dieb ihm nach. Jener breitete seine Arbeit vor dem Könige aus, und nachdem er sie lange angepriesen hatte, beschloß er endlich seine Lobrede damit, daß er sagte: »Solch ein Stoff findet sich nicht wieder. Deine Erhabenheit wird wohl daran tun, ihn im Schatze aufbewahren zu lassen, auf daß er dereinst bei deinem Leichenbegängnis zum Bahrtuche diene.« Der König, der über Worte von solch unglücklicher Vorbedeutung aufgebracht war, befahl, den Stoff zu verbrennen und den Meister hinzurichten. Der anwesende Dieb konnte sich des Lachens nicht enthalten. Der König wollte die Ursache wissen, und der Dieb bat im voraus um Verzeihung, die ihm denn zugesagt wurde. Dann erzählte er, wie der Stoffwirker die ganze Nacht gebetet habe, Allah möge ihn vor Zungenfall bewahren, und sich dessen doch nicht habe erwehren können. Der König verzieh beiden.

Ebulaina brachte eines Tages dem Kalifen Al-Mahdi ein Gedicht dar. Der Kalif erlaubte ihm, eine Gnade zu begehren als Belohnung für seine Verse. Der Dichter begehrte einen Jagdhund. Al-Mahdi geriet in Zorn; »begehre,« sprach er, »was dir not ist.« »Ich weiß am besten, o Herr, was mir not ist, und begehre einen Jagdhund.« Der Kalif ließ einen bringen. »Nun bitte ich um ein Pferd, auf daß ich bei meinen Jagdpartien nicht zu Fuß zu laufen brauche.« Al-Mahdi gab ihm eine Stute. »O Herr, nun bedarf ich eines Stallknechts, des Pferdes zu warten.« Der Kalif schenkte ihm einen Ägypter. »O Fürst der Rechtgläubigen, wo soll ich jagen? Weise mir zu Gnaden ein Jagdrevier an.« Al-Mahdi verschrieb ihm ein Landgut mit dem dazu gehörigen Jagdrevier. »Aber nun brauche ich jemanden, der mein Haus leitet.« Er erhielt einen Sklaven. »Und wovon soll ich nun mit meiner Familie leben?« Der Kalif schenkte ihm Palmwälder und fragte ihn: »Ist dir vielleicht noch etwas not?« »Ja,« sprach Ebulaina, »das Glück, deine Huld zu besitzen, o Fürst der Rechtgläubigen, und die Erlaubnis, dir für alle diese Gnaden die Hand küssen zu dürfen.« »Die sei dir gewährt,« sprach Al-Mahdi, »und noch obendrein, was du zu begehren vergessen hast, und was, wie mir deucht, zu einem glücklichen Leben nicht weniger not ist: eine schöne Sklavin aus meinem Harem!«

Ein Moslem, ein Christ und ein Jude reisten zusammen. Auf dem Wege fanden sie einen Dinar. Sie wurden aber darüber uneins, wie sie ihn teilen sollten. Der Jude machte den Vorschlag, man solle Mehl und Butter und Zucker für ihn kaufen, um eine Art Halwa oder Zuckerwerk daraus zu machen, das sie dann gemeinschaftlich verzehren würden. Der Vorschlag wurde mit Beifall angenommen. Als das Halwa fertig war, sprach der Jude: »Da wird es wieder Streit über die größeren und kleineren Teile geben. Ich denke, o meine Freunde, wir täten am besten, wenn wir uns niederlegten und schliefen und träumten. Das Halwa werde dann dem, der am schönsten geträumt hat, zuerkannt!« Die andern zwei gingen auch auf diesen Vorschlag ein. Während sie schliefen, aß der Jude das Halwa auf und legte sich dann ruhig nieder. Nachdem sie aufgewacht waren, erzählte der Moslem, ihm sei der Prophet im Traume erschienen, habe ihn ins Paradies geführt und ihm all seine Herrlichkeiten gezeigt. Bei dieser Gelegenheit machte er eine lange und breite Beschreibung der Kosenmatten und der Wohlgerüche, der Milch- und Honigquellen und der schönen Knaben und der Huris mit schwarzen Augen und immer erneuter Jungfräulichkeit. »Das ist prächtig,« schrie der Jude, »du hättest verdient, das Halwa zu essen.« Der Christ erzählte hierauf, wie ihm der Herr Jesus erschienen, ihn für seine Sünden zur Hölle verdammt und ihm ihre Pein gewiesen habe, die er denn auch auf das schaudervollste beschrieb. »Das ist ein sehr interessanter Traum,« rief der Jude aus, »der des Halwas nicht unwürdig gewesen wäre. Mir aber, o meine Freunde, erschien Moses und sprach zu mir: ›Dein Reisegefährte, der Moslem, ist im Paradiese, und der andere, der Christ, in der Hölle, aus der man nicht wieder auf die Erde zurückkehrt. Verzehre denn immer das Halwa, auf daß es nicht verderbe‹, und diesem Rate bin ich treulich nachgekommen!«

Dschahis war in seine Stiefmutter verliebt, die ebenso schön und dumm, wie er geistreich und häßlich war. Um sie willfährig zu machen, ersann er folgende List: Er brachte ihr einen Brief von ihrem Vater, der sie zu sich einlud, weil er auf dem Totenbett läge und sie noch einmal zu sehen wünschte. Dschahis trug sich an, sie zu begleiten, und sein Antrag wurde angenommen. Sie schnürte ihr Bündel, und Dschahis machte sich unterdessen fort, um auf der Straße, die sie einschlagen mußten, an gewissen Orten Lebensmittel zu vergraben. Am folgenden Morgen wurde die Reise angetreten. Sie waren schon eine Zeitlang in der größten Hitze geritten, als die Stiefmutter einige Erfrischungen verlangte. Dschahis entschuldigte sich, er habe vergessen, einige mitzunehmen, sie müsse also bis zum nächsten Dorfe Geduld haben.

In diesem Augenblick flog ein Rabe krächzend vorüber. »O du Lügner!« schrie Dschahis. »Wen schiltst du einen Lügner?« fragte die Stiefmutter. »Diesen Raben, der mir weismachen will, unter jenem Baume seien Fische, Brot und Limonen vergraben.« »Wie verstehst du denn das?« »O, ich habe gar viel gelernt, wiewohl ich noch jung bin. Durch Zufall habe ich eine Grammatik und ein Wörterbuch der Vogelsprache gefunden und verstehe sie nun so ziemlich.« Das Weib, das sehr hungrig war, dachte, der Rabe könnte wahr geredet haben, und bat ihren Begleiter, haltzumachen und unter dem Baume nachzugraben. Sie fanden Fische und Brot und Limonen, und die Stiefmutter hielt ihren Sohn für einen großen Gelehrten.

Nachdem sie eine Weile weiter fortgezogen waren, flog ein anderer Rabe krächzend vorüber. »Ei, o du Erzlügner!« rief Dschahis. »O mein lieber Herr Sohn, was spricht er denn, man muß dies ehrliche Volk nicht so leicht Lügner schelten.« »Wenn wir ihm Glauben beimessen sollten,« sprach Dschahis, »so fände sich dort unter jenem Baume ein Braten und eine Pastete.« Die Stiefmutter drang darauf, haltzumachen, und sie fand alles richtig, wie es der Rabe gesagt hatte. Sie glaubte, ihr Sohn sei ein großer Heiliger, und küßte ihm ehrfurchtsvoll die Hände. Sie hatte sehr gut gespeist, aber nichts zu trinken gehabt, und hätte vor Durst vergehen mögen. Bald darauf krächzte ein anderer Rabe: »Ei, o du Spitzbube!« rief Dschahis. »O lieber Herr Sohn, tu dem ehrlichen Gesicht kein Unrecht; glaube mir, diese Raben sind Apostel der Wahrheit. Was sagt er denn?« »Dort unter jenem Baume seien Flaschen mit Wein und Scherbett vergraben.« Es war richtig so; sie tranken vom besten Weine und lagen noch hingestreckt im hohen Grase, als ein vierter Rabe über ihren Köpfen krächzte. »Ei, o du schändlicher Lügner! ei, o du gottloser Betrüger!« schrie Dschahis ganz erbost. »Verleumde nicht so den guten Raben,« sagte die Stiefmutter, »seine Worte sind ja richtig und wahr wie der Koran. Was sagt er denn?« »O, ich schäme mich, es nur zu wiederholen, wiewohl ein großes Unglück mit im Spiele ist!« Dschahis weigerte sich lange und stellte sich sogar, als ob er weine aus Scham und Betrübnis. Endlich, auf vieles Bitten, rückte er mit der Sprache heraus: »Wenn du, o liebste Frau Stiefmutter, so sagt der Rabe, mich nicht auf der Stelle umarmst, so stirbt in diesem Augenblick dein Vater und dein Kind!« Was war zu tun? An der Glaubwürdigkeit des Raben war unmöglich zu zweifeln. Dschahis behauptete zwar, es schicke sich nicht; je mehr er sich aber weigerte, desto dringlicher bat ihn die Stiefmutter, das Leben ihres Vaters und ihres Kindes zu retten. Sie küßte ihm Hände und Füße und gab nicht nach mit Bitten, bis er sie dreimal umarmt hatte.

Dschahis war der Sohn eines Schulmeisters. Sein Vater schickte ihn eines Tages auf den Markt, einen Kalbskopf zu kaufen. Er kaufte einen, aber ehe er damit nach Hause kam, fraß er die Zunge, die Augen, die Ohren und das Hirn weg.

»Wo sind die Augen?« fragte der Vater. »Es war blind, dieses Kalb«, antwortete der Sohn. »Und Ohren und Zunge?« »Es war taubstumm von Natur.« »Und das Gehirn?« »O, es hatte keins, denn es war der Schulmeister unter den Kälbern.« »So trage den Kopf wieder zurück und bringe mir das Geld.« »Das kann ich nicht, o Herr Vater, denn der Kauf ist gesetzmäßig und in aller Regel geschlossen!«

Dschahis begegnete einer schönen Frau, die ihm winkte, ihr zu folgen. Er hoffte, des höchsten Glückes teilhaftig zu werden. Sie stand vor der Werkstätte eines Malers still und sprach: »So wie dieser leibt und lebt«, und verschwand. Dschahis war wie aus den Wolken gefallen und fragte endlich den Maler, was dies sagen wolle. »Diese Frau hatte soeben ein Bild des Teufels bei mir bestellt; ich entschuldigte mich damit, daß ich ihn noch nie gesehen habe, sie versprach, ihn mir zu zeigen, und siehe, sie hat Wort gehalten!«