KAPITEL VIER

Han, Luke, Leia und Chewbacca starrten den toten Glymphiden fassungslos an.

Luke räusperte sich nervös. „Ihr glaubt doch nicht ... Ich meine, es ist doch nicht möglich, dass eine Holoaufzeichnung ..."

„Zufall", vermutete Han. Er sah den Holoplayer an, als könne er jede Sekunde zubeißen. „Es kann gar nichts anderes sein."

Chewbacca knurrte zustimmend.

„Ich habe schon von Giften gehört, deren Wirkung sich zeitverzögert entfaltet", sagte Leia. „Vielleicht hat die Aktivierung des Holoplayers etwas ausgelöst?"

„Vielleicht sollten wir hier verschwinden, bevor das Ding etwas anderes auslöst", schlug Han vor.

Luke starrte die Koordinaten an, die sie von dem Mann mit der Kapuze bekommen hatten. „Das ist am anderen Ende der Galaxis", stellte er fest. „Selbst wenn wir sofort aufbrechen, schaffen wir es vielleicht nicht rechtzeitig."

„Vorausgesetzt, wir gehen überhaupt", sagte Han. „Wollt ihr direkt in eine Falle laufen?" „ Ich werde diese Leute keinesfalls dem Tod überlassen!", sagte Luke empört.

„Und ich habe nicht vor, mit ihnen zu sterben", fuhr Han ihn an. „Mich selbst aufopfern war noch nie mein Ding, Junge."

„Dann gehe ich ohne dich", sagte Luke.

„Ach ja?", grinste Han. „In welchem Schiff?"

Luke starrte ihn wütend an. Immer, wenn er sich eingeredet hatte, dass sogar Han selbstlos handeln konnte, passierte so etwas.

„Langsam", sagte Leia. „Wir sollten Kontakt mit der Rebellenbasis aufnehmen, ihnen mitteilen, was geschehen ist, und uns anhören, was sie zu sagen ..."

„Nein!", rief Luke. „Habt ihr Soresh nicht gehört? Wenn wir ihm nicht gehorchen und irgendjemand von der Sache erzählen ..."

„Der blufft nur, Junge", sagte Han. „Niemand sieht uns."

„Woher willst du das wissen?", fragte Luke mit einem Blick auf den toten Glymphiden. „Ich wette, dass er sich auch nicht beobachtet fühlte. Und jetzt seht ihn euch an. Ich lasse nicht zu, dass meinetwegen jemand stirbt."

„Du kannst nichts dafür", beruhigte ihn Leia. „Und wenn diesen Geiseln irgendetwas zustößt, dann ist es auch nicht deine Schuld. Du hast keine Kontrolle über das, was dieser Irre tut."

„Vielleicht habe ich keine Kontrolle darüber", stimmte Luke ihr zu. „Aber ich kann ihn aufhalten. Und genau das werde ich tun." Keiner wollte ihn verstehen. Vielleicht, weil sie nicht Gegenstand der Holoaufzeichnung gewesen waren. Diese ganze Sache geschah nur seinetwegen, Luke. Denn aus welchem Grund auch immer: Dieser kranke Imperiale wollte Luke Skywalker haben, und er war bereit, dafür über Leichen zu gehen. Es sind schon genug Leute gestorben, die mich beschützen sollten, dachte Luke. Bilder von den verbrannten Körpern seiner Tante und seines Onkels geisterten durch seinen Kopf und von Darth Vaders Lichtschwert, das Obi-Wan Kenobi niederstreckte.

Genug.

„Also gut", sagte Leia. „Aber du gehst nicht allein."

Chewbacca heulte enthusiastisch. Er war immer für einen Kampf zu haben. Damit blieb noch einer übrig.

Leia sah Han mit eisigem Blick an. Dickköpfig, wie er nun mal war, wich er ihrem Blick nicht aus. Dann seufzte er.

„Ihr Wunsch ist mir Befehl, Prinzessin", sagte er resigniert. „Aber wenn wir das schon machen, dann bitte auf meine Art. Wir liefern den Jungen nicht einfach auf der Schlachtbank ab. Wir müssen schlau sein."

„Schlau?" Leia hob die Augenbrauen. „Ich dachte, wir sollten es auf Ihre Art machen."

Han brachte den Millennium Falken in die Atmosphäre hinunter und suchte die Oberfläche des Mondes nach Auffälligkeiten ab.

Er fand keine.

So viele sprachen immer von „mitten im Nirgendwo", und Han wurde soeben klar, dass er eigentlich noch nie dort gewesen war - bis jetzt. Soreshs Koordinaten hatten sie ins Sixela-System geführt, in ein vergessenes, ödes System weit draußen im Outer Rim. Um das riesige blaue Zentralgestirn kreisten drei Planteten, von denen der dritte einen Mond besaß, der trotz der Möglichkeit, ihn zu bewohnen, unbewohnt war. Han verstand auch, warum. Auf der Oberfläche gab es nichts als Felsen und Staub. Die Instrumente registrierten lediglich eine kleine Ballung von Lebensformen auf einem winzigen Außenposten nahe des Äquators. Han ließ sich das Bild auf dem Sichtschirm anzeigen. Es handelte sich um eine Ansammlung kleiner, festungsartiger Gebäude, umgeben von den elektrifizierten Gehegen, die sie schon in der Holoaufzeichnung gesehen hatten. Die Einzäunungen waren von großen Laserkanonen umgeben, die auf die Gefangenen ausgerichtet waren. Weitere Hinweise auf Waffen oder sonstige Abwehrsysteme gab es nicht.

Han grinste. Wer auch immer dieser Soresh war, er hatte offensichtlich keine Ahnung, was ein Hinterhalt bedeutete. Diese Unternehmung würde ein Klacks werden.

„Captain Solo, bitte entschuldigen Sie", sagte Lukes goldener Protokolldroide, als er steif das Cockpit betrat. Sein Astromech-Partner rollte neben ihm herein. „Sind Sie sich absolut sicher, dass Sie eine solch überstürzte Handlung begehen wollen?", fragte C-3PO zum hundertsten Mal. „Sollte ich nicht besser mit dem Imperialen Commander verhandeln? Immerhin bin ich ein Protokolldroide, der siebenundvierzig Formen der Geiselverhandlung beherrscht und ..."

„Man verhandelt nicht, wenn einem ein Blaster an den Kopf gehalten wird", unterbrach Han ihn ungeduldig. „Man benutzt einen größeren Blaster."

R2-D2, der Astromechdroide, surrte und piepte.

„Ja, Erzwo, Captain Solo weiß natürlich, was er tut. Ich wollte nur..."

R2-D2 stieß ein schrilles Pfeifen aus.

„Ach wirklich?", fragte C-3PO. „Und wann hast du das letzte Mal einen Blaster benutzt?"

Der Astromechdroide pfiff eine Antwort.

„ Das werde ich mit Sicherheit nicht tun", sagte C-3PO gereizt. „Wieso steckst du dir nicht einen Fesselbolzen in den ..."

„Genug!", rief Han. „Ich kann nicht nachdenken, wenn ihr mir ständig in die Ohren quakt."

„Natürlich, Captain Solo", sagte C-3PO beleidigt und dennoch unterwürfig. „Wir überlassen das Ihnen."

„Gut", knurrte Han. Er machte das Schiff klar für die Landung. Die Laserkanonen waren geladen und schussbereit, und sein Blaster hing wie immer an seiner Hüfte. „Ich muss hierein paar Verhandlungen führen."

Han setzte den Falken auf dem Mond auf, etwa einen halben Kilometer von den Geiseln entfernt. Ganz in der Nähe stand eine einsame, wartende Gestalt.

„Ihr bleibt hier, damit ihr in nichts reingeratet", befahl Han den Droiden. Dann stiegen er und Chewbacca aus. Die Luft war dünn und staubig, aber atembar. Der Mann vor ihnen trug eine tief ins Gesicht gezogene Mütze und hielt einen uralten Dreifachblaster in der Hand. Die Waffe hing locker an seiner Seite herunter.

„Ich grüße Sie, Captain Solo", sagte er. „Willkommen in meinem Königreich."

„Sie sind also Soresh?", fragte Han.

Der Mann nickte. Er kam ein paar Schritte näher an den Falken heran.

Han zog seinen eigenen Blaster und zielte auf den Imperialen. „Wie wäre es, wenn Sie bleiben, wo Sie sind, und ich mache es genauso, bis klar ist, wie die Sache hier läuft."

„Ich habe mit Ihnen nichts zu schaffen", antwortete Soresh. „Ich gehe davon aus, dass Sie Luke mitgebracht haben."

„Das habe ich", bestätigte Han. Der Finger am Abzug seines Blasters spannte sich an. Die Idee für diesen Plan stammte zwar von ihm, trotzdem war er sich absolut nicht sicher, ob er funktionierte - was er natürlich unter keinen Umständen zugegeben hätte.

„Und?", fragte Soresh. „Wo ist er?"

„Ich nehme mal an, in meinem Schiff", antwortete Han. Er hatte kaum zu Ende gesprochen, da sah er einen X-Wing mit brüllenden Triebwerken und feuernden Laserkanonen in die Atmosphäre des Mondes eintreten. Genau im richtigen Augenblick. Han grinste. „Oder vielleicht auch nicht."

Ein zweiter X-Wing folgte dem ersten dichtauf. Sie kamen im Sturzflug heran und setzten die am Boden montierten Lasergeschütze mit sorgfältig gezielten Schüssen außer Gefecht. Die Kanonen explodierten eine nach der anderen. Die Geiseln jubelten.

„Sie haben keine Ahnung, was Sie da angerichtet haben", sagte Soresh grimmig und hob seinen Blaster.

Doch aufgrund der ablenkenden Wirkung des Angriffs reagierte er zu langsam. Han schoss zuerst und traf.

Soresh wurde nach hinten geschleudert. Auf seiner Brust hatte sich ein dunkler, verkohlter Fleck ausgebreitet. Das Feuer des Imperialen verlor sich im Nirgendwo. Er landete einige Meter weiter, in einer Wolke aus rotem Staub. Han ging mit angriffsbereitem Blaster zu ihm, doch Soreshs Brust rührte sich nicht mehr. Sein lebloser Blick richtete sich himmelwärts. Er war tot.

Es war vorbei.

Luke konnte es kaum fassen, dass alles so gut gelaufen war. Allen Berichten zufolge war Soresh ein strategisches Genie. Offenbar hatte man seine Fähigkeiten überschätzt. Nun lag Soresh tot am Boden, und seine Pläne waren in weniger als fünf Minuten zunichtegemacht worden.

Er landete den X-Wing neben dem Leias. Sie grinste.

„Ich kann gar nicht glauben, dass das tatsächlich funktioniert hat", sagte sie, während sie aus dem Raumjäger stieg.

„Was haben Sie gerade über meinen genialen Plan gesagt?" Han kam mit stolzgeschwellter Brust auf sie zu. „Ich habe es nicht ganz verstanden."

Leia ignorierte ihn. „Wir sollten uns sofort um die Geiseln kümmern", sagte sie. „Damit wir alle wieder normal werden."

„Ich hole Erzwo", schlug Luke vor. „Ich wette, dass er herausbekommt, wie man den Energiezaun deaktivieren und die Geiseln befreien kann."

Er klappte seinen Comlink auf, um den Droiden anzurufen.

„Ich brauche keine Blechbüchse, die mir sagt, wie ich irgendeinen Schalter umlege", prahlte Han und war schon auf dem Weg zu den Umzäunungen. „Ich werde einfach ... Ahh!"

Eine Explosion riss ihm den Boden unter den Beinen weg. Er landete mit einem heftigen Aufprall. Als Luke und Leia zu ihm rannten, schössen weitere Explosionen wie Pilze aus dem Boden. Der Boden unter dem Gefangenenlager zitterte, als würde er von heftigen Erdbeben geschüttelt. Oder Erdminen, fiel Luke siedend heiß ein. Das Chaos tobte, und er konnte nichts dagegen unternehmen. Geiseln flogen schreiend durch die Luft. Eine Explosion folgte der anderen. Die Energiezäune fielen aus, und blutende, verängstigte Gefangene rannten über den roten Staub davon. Luke verlor zwischen all den Verwundeten und verzweifelten Überlebenden seine Freunde aus den Augen. Er sah nichts mehr außer verängstigten Fremden, die ihn um Hilfe anflehten.

Einer von ihnen, ein dünner Mann mit bleichem, schmalem Gesicht humpelte auf Luke zu. Aus einer Stirnwunde tropfte Blut, aber schlimmer war der Strom, der aus einer Schnittwunde an seinem rechten Bein floss. „Bitte", flüsterte er. „Hilf uns!"

„Das werde ich", versprach Luke und hoffte, er könne sein Versprechen halten.

Der Mann umarmte Luke dankbar.

„Alles wird gut", beruhigte ihn Luke.

„Ja, jetzt wird es so kommen", nickte der Mann. „Jetzt, wo du da bist, Luke."

Luke erschrak. Automatisch griff er nach seinem Lichtschwert. Doch kaum hatte sich seine Hand um den Griff der Waffe geschlossen, zückte der Mann plötzlich eine Energiewaffe. Die Spitze der Lanze flog durch die Luft und traf Lukes Rücken. Ein konzentrierter Energiestoß durchzuckte seinen Körper. Lukes Gliedmaßen erschlafften. Seine Beine gaben unter ihm nach. Der Mann fing ihn auf und ließ ihn sanft zu Boden sinken.

„Soresh", krächzte Luke, bevor sich seine Kehle ver- schloss und ihm die Worte im Hals stecken blieben.

„Es ist mir ein Vergnügen, dich kennenzulernen", grinste Soresh.

Luke bemühte sich aufzustehen. Er strengte sich an, sein Lichtschwert zu erreichen. Er versuchte zu schreien und seine Freunde zu warnen, irgendetwas zu unternehmen. Aber er konnte nichts tun, als dazuliegen, während Schreie die Luft erfüllten. Langsam drängte sich die Finsternis in sein Blickfeld und verdunkelte alles. Luke kämpfte um sein Bewusstsein, die Energielanze hatte jedoch sein Nervensystem gelähmt. Das Letzte, was ersah, war Soreshs teuflisches Grinsen.

Dann überkam ihn Dunkelheit.