Kapitel 4: Überlieferungen aus alter Zeit: Lostage und Losnächte, Verworfene Tage

Bauern beobachten nicht nur Wind, Wolken, Himmelsfarben und ihr Vieh, um das Wetter zu deuten. Sie kennen aus alter Überlieferung bestimmte Tage, an denen man das Wetter in den kommenden Wochen oder Monaten deuten kann. Auch jeder von uns weiß z.B. um den „Siebenschläfertag“, den 27. Juni, an dem sich das Wetter für die darauffolgenden sieben Wochen ablesen lassen soll. Man mag daran glauben oder nicht – fest steht, dass die Überlieferungen an vielen dieser Daten stimmen. Das haben Meteorologen nachgeforscht und verifiziert. Eine Wetterlage Ende Juni – also um den 27. Juni herum – hält meist mehrere Wochen an. Also durchaus etliche Wochen sommerlicher Sonnenschein oder aber kühle Regentage...

Die Lostage

Lostage waren wichtig für Aussaat und Ernte. Früher kannte jeder Bauer eine Regel, die vor allem zwei Tage im Sommer betrifft: den 8. und den 20. Juli. An diesen beiden Tagen stellte man fest, welche Getreideart im kommenden Jahr die beste Ernte erzielte: Am 8. Juli säte der Bauer einige Körner von jeder Getreideart in den Boden. Diejenigen, die dann am 20. Juli an besten aufgegangen waren, gedeihen nach altem Volksglauben dann auch am besten.

Bei allen Lostagen muss man mit einbeziehen, dass unser Kalender seit Papst Gregor XIII. zehn Tage „nach vorne“ rückte. Bauernregeln und Lostage sind jedoch viel älter als Julianischer oder Gregorianischer Kalender. Um sie also genau einzuhalten, müsste man jeweils zehn Tage hinzuzählen. Nicht mehr der 6. 1. wäre dann beispielsweise ein entscheidender Lostag, sondern der 16. Januar.

Gereimte Regeln gegen das Vergessen

Mit Losnächten haben die Lostage nur bedingt etwas zu tun: Lostage sind „Merktage“ nach uraltem Bauernwissen, und von ihnen werden bestimmte und oft sehr genaue Wetterprophezeiungen abgeleitet, und zwar für das Wetter der kommenden Wochen oder sogar Monate. Man hat diese Lostage (von losen = horchen), die auch Lurtage (von luren = lauern) genannt wurden, meist in Reimform mit dem Namenstag des entsprechenden Heiligen verbunden: Das machte es für des Lesens Unkundige leichter, sich die Wetterregeln zu merken. Abt Mauritius Knauer hat sie in seinem „Immerwährenden praktischen Wirtschaftskalender“ fein säuberlich als eines der wichtigsten Elemente für jeden Monat des Jahres aufgeführt. Für Bauern und auch für Gärtner sind diese Lostage sehr wichtig: Man richtet sich bei der anfallenden Feld- und Gartenarbeit nach ihnen.

Die wichtigsten Lostage eines Jahres sind:

  • 2. Februar: Mariä Lichtmess
  • 22. Februar: Petri Stuhlfeier
  • 25. März: Mariä Verkündigung
  • 27. Juni: Siebenschläfertag
  • 15. August: Mariä Himmelfahrt
  • 24. August: Bartholomäustag

und auch die Tage zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag

Hier die Übersicht über alle Lostage im Jahreslauf:

  • Januar: Neujahr
  • 6. Januar: Dreikönigstag
  • Februar: Mariä Lichtmess
  • 22. Februar: Petri Stuhlfeier
  • 24. Februar: Sankt Matthias
  • 25. März: Mariä Verkündigung
  • 25. April: Sankt Markus
  • Mai: Philipp-Jakobi
  • 24. Juni: Johannistag
  • 27. Juni: Siebenschläfertag
  • 25. Juli: Sankt Jakobus
  • 15. August: Mariä Himmelfahrt
  • 24. August: Bartholomäustag
  • 21. September: Sankt Matthäus
  • 29. September: Sankt Michael
  • 11. November: Sankt Martin
  • 6. Dezember: Sankt Nikolaus
  • die Tage zwischen Weihnacht en und 6. 1.

Heiligennamen als Regeln für den Alltag

Die Bauernregeln an den Lostagen wurden sehr oft mit dem Namen des Heiligen verknüpft, der an diesem Tag nach kirchlichem Brauch gefeiert wurde. Der Grund dafür ist einfach: Auf dem Land waren die Namenstage bestimmter Heiliger oft Festtage, mit dem sich manches Brauchtum verknüpfte und an denen man sogar die Arbeit ruhen ließ. Für viele gläubige Katholiken galt der Namenstag oft mehr als der Geburtstag. Kein Wunder also, dass man „seinen“ Heiligen und die der Familie im Gedächtnis hatte – und sich so auch an die dazu passende Bauernregel leichter erinnerte.

  • Am 2. Februar, „Mariä Lichtmess“, zum Beispiel wechselte früher das Gesinde von Hof zu Hof.
  • Am 19. März, dem Josephitag, war in Bayern ein großer Bauernfeiertag. Heute noch wird er in manchen Gegenden von all jenen begangen, die Josef heißen.
  • An Sankt Georg (24. April) werden noch vielerorts Frühlingsumritte veranstaltet. In früheren Zeiten sollten die Georgiritte, an denen Wald und Flur gesegnet wurde, dafür sorgen, dass alles Unheil von den Feldern und Äckern abgewendet bleibt. Man glaubte nämlich, dass an diesem Tag die Hexen ihr Unwesen treiben und Saat und Wachstum Schaden zufügten. Mit den Umzügen und Grenzbegehungen wollte man alle Dämonen abwehren.

Losnächte

Losnächte kennt man nur im Ende November, im Dezember und Anfang Januar. Das Wort kommt von lozen, dem althochdeutschen Wort für „Wahrsagen“ oder „in die Zukunft schauen“. Als einzige Tradition hat sich bei uns bis heute das Bleigießen erhalten. Die erste dieser Nächte ist vor dem Thomastag am 21. Dezember. Die anderen sind die Weihnachtsnacht und die Silvesternacht. Die Bräuche dieser Losnächte wurden in Zusammenhang mit dem abendlichen Beisammensein in der Bauernstube gesehen. Man erzählte über frühere Erlebnisse und alte Familien- und Dorfgeschichten.

Als Losnächte gelten die Nächte vor

  • dem 30. November: Andreastag,
  • dem 25. Dezember: Weihnachtstag,
  • dem 1. Januar: Neujahrstag,
  • dem 6. Januar: Dreikönigstag.

Verworfene Tage

Sie lassen sich auf heidnischen Glauben zurückführen, der sich bis in unsere Zeit hinein erhalten hat. An diesen „verworfenen“ Tagen (oder auch Schwendtagen) durfte man nichts Neues anfangen. Reisen – selbst nur ins nächste Dorf, was für unsere Ahnen oft schon als richtige Unternehmung galt – war verboten. In Haus und Hof, in Stall und Stube begann man mit keiner neuen Arbeit. Und der Dorfbader führte an den dies aries – so die Bezeichnung aus der Zeit römischer Herrschaft – bei keinem Patienten einen Aderlass durch. Verworfene Tage gibt es in jeden Monat – lediglich der Dezember ist davon ausgenommen.

  • im Januar am: 2., 3., 4., 18.
  • im Februar am: 3., 6., 8., 16.
  • im März am: 13., 14., 15., 29.
  • im April am: 19.
  • im Mai am: 3., 10., 22., 25.
  • im Juni am: 17., 30.
  • im Juli am: 19., 22., 28.
  • im August am: 1., 17., 21., 22., 29.
  • im September am: 21., 22., 23., 24., 25., 26., 27., 28.
  • im Oktober am: 3., 6., 11.
  • im November am: 12.
  • Im Dezember gibt es keine Verworfenen Tage.

Noch heute aktuell: Bräuche aus heidnischer Zeit

So mancher Brauch, den wir heute noch feiern und den wir für fest in unserer christlichen Geschichte verankert glauben, stammt ursprünglich aus heidnischer Vorzeit. Die Kirche hat viele alte Sitten übernommen – auch weil es so leichter war, den christlichen Glauben bei den einfachen Landleuten durchzusetzen. Viele unserer christlichen Feiertage beruhen auf den zwölf heidnischen heiligen Tagen. Durch den Wechsel vom Mond- zum Sonnenkalender wurden sie um zwölf Stunden „versetzt“ – und waren fortan verfemt. Lange Zeit jedoch – eigentlich bis in unsere Zeit – feierte man viele der alten Feiertage einfach am Vorabend des christlichen Festes. Daraus entstanden eben zum Beispiel die sogenannten „teuflischen Riten“ in der Nacht zum 1. Mai, aber auch die Mittsommernacht, das englische Lammasfest und sogar unser Heiligabend am 24. Dezember, der aus dem heidnischen Julfest hervorgegangen ist.

Juli

  • Am 25. Juli, dem Jakobitag, begann früher die Erntezeit. Der alte Bauernname Heumond für Juli stammt nämlich noch aus dem frühen Mittelalter, der Zeit vor dem Gregorianischen Kalender. Damals war man im Gegensatz zu heute im Jahr zehn Tage „voraus“: Die Ernte wurde früher eingefahren. Im Juli steht der Sommer in seiner höchsten Zeit. Rund um den Jakobitag gibt es viele überlieferte Bräuche. Der heilige Jakob hat die Stelle einer heidnischen Ernte- und Hirtengottheit eingenommen. Und so wurden eben dem Heiligen zu Ehren allerlei Kraft- und Kampfspiele ausgetragen. In katholischen Regionen Deutschlands sind heute noch Wallfahrten üblich: Meist um den Fronleichnamstag herum, der stets 61 Tage nach Ostern gefeiert wird.
  • Am letzten Tag des Monats, am 31. Juli also, feierten die Kelten Lugnasad - das Schnitterfest. Allerdings war eher die Nacht zum 1. August diesem Ereignis gewidmet. Schon Caesar hatte festgestellt, dass die Kelten die Zeit nicht nach Tagen, sondern nach Nächten maßen.

Die Regeln zum Holzschlag

Früher war es für jeden Bauern, vor allem im Bergland fast selbstverständlich, eigenes Holz zu haben und zu schlagen. Holz war lebenswichtig: Ohne Holz konnte man nicht überleben, denn sowohl das Haus war daraus gebaut wie auch Scheune und Stall. Viele Werkzeuge wurden aus Holz hergestellt, mit Holz man die „gute Stube“ und den Herd. Und war die Ernte einmal schlecht ausgefallen, so konnte man es verkaufen, um über die karge Zeit zu kommen. Natürlich brauchte man den Erlös aus dem Holzverkauf auch dann, wenn auf dem Hof größere Anschaffungen fällig waren. Auch als Mitgift für die jüngeren Bauerntöchter war Holz oder am besten gleich ein Stück Wald keine Seltenheit.

Wie das Holz wächst und wofür man es benutzt

Holz wächst auf unterschiedlichste Art und Weise. Man kennt eine gerade laufende, rechts und links drehende Maserung. Der Fachmann erkennt das schon an der Rinde. Der Unterschied ist aber auch für den Laien leicht herauszufinden: Rechts drehende Bäume schrauben sich wie ein Korkenzieher nach oben. Natürlich muss man beim der Verarbeitung des Holzes diese Drehung beachten. So weiß man:

  • Holz für Dachschindeln sollte gerade oder leicht nach links verlaufen. Denn bei nassem Wetter streckt sich das Holz, bei Sonne dagegen krümmt es sich nur leicht und lässt die Luft unter die Schindel gelangen: Das Dach trocknet schneller.
  • Beim Holz für Dachrinnen ist es umgekehrt: Das Holz soll gerade oder leicht rechts drehen. Nach dem Fällen bleibt rechts drehendes Holz nämlich stehen, die Drehung setzt sich nicht fort. Nähme man für eine Dachrinne links drehendes Holz, so würde sie sich nach und nach verbiegen.

Bestimmte Regeln schrieben dem Bauern und seinen Knechten genau vor, wann man „ins Holz“ ging und wie man es dort schlagen durfte. Dabei war es wichtig zu wissen, wofür man das Holz brauchte, welchem Zweck es nachher dienen sollte. Denn Holz zum Bauen wurde an anderen Tagen gefällt als Holz für Werkzeuge, für Möbel oder Brennholz.

Wann man „ins Holz“ geht

Dass „Holz arbeitet“ weiß jeder, der daheim einen Parkettboden oder echte Holzmöbel hat: Da knarrt es manchmal, da lässt sich eine Schublade nach feuchtem Wetter nicht mehr so leicht schieben, da „verzieht“ sich hin und wieder eine Schranktüre. Gerade das macht für viele Menschen das Besondere am Holz aus: Es ist – selbst wenn der Baum nicht mehr im Walde steht – ein lebendiges Material – im Gegensatz zu Kunststoff. Jeder Bauer, der sein eigenes Stück Wald besitzt, weiß Bescheid: Je nach Art des Holzes, nach der Jahreszeit und dem Zeitpunkt, an dem der Baum gefällt wird, unterscheidet man:

  • Ob das Holz schnell trocknet oder langsam,
  • ob es weich bleibt oder hart wird,
  • ob es schwer bleibt oder leicht wird,
  • ob es Risse bekommt oder unverändert bleibt,
  • ob es sich verbiegt und krumm wird oder eben und gerade bleibt,
  • ob es fault oder aber nicht verrottet,
  • ob es wurmt oder frei von Schädlingen bleibt.

Viele Regeln für den Holzschlag sind an bestimmte Tage gebunden, ja oft sogar an Tageszeiten. Bis in unsere Zeit haben sich manche dieser Regeln erhalten, selbst wenn heute kaum einer mehr weiß, aus welchem Grund sie irgendwann einmal entstanden sind. So manche der Weisheiten rund um den Holzschlag jedoch hängen nicht nur mit Aberglaube oder Magie zusammen, sondern haben durchaus einen seriösen Hintergrund. Oft steht es mit dem Mond in Verbindung und stets mit uralten Traditionen. Man musste stets genau wissen, ob gerade zunehmender, abnehmender Mond oder gar Voll- oder Neumond herrschte. Wenn der Bauer mit seinen Knechten in den Wald ging, achtete er auf die alten Überlieferungen. „Rodungstage“ (die man aber auch Schwendtage nannte) sind vor allem

  • der 3. April,
  • der 22. Juni und
  • der 30. Juli.

Noch besser ist das Ergebnis des Holzschlags, wenn diese Tage auf einen abnehmenden Mond fallen. Dann wachsen abgeholzte Bäume und Sträucher nämlich nicht mehr nach. Wer an den drei oben genannten Tagen nichts ins Holz kann, für den gibt es „Ausweichtermine“. Die nachfolgende Übersicht zeigt Ihnen die Holzregeln für den März:

  • Brennholz sollte man stets bei abnehmendem Mond einlagern – dann wird es nicht feucht und schimmelig.
  • Holz für Pfahlbauten im Wasser, für Schiffs- und Bootsstege fällt man an warmen Sommertagen bei zunehmendem Mond und sollte es sofort verwenden!