EPILOG
Wie ein Kolibri flog Flora von einem Gast zum anderen, plauderte mit glänzenden Augen und genoss den Erfolg ihrer Vernissage. An den Wänden hingen zwölf prachtvolle Stillleben, jedes über vier Meter lang und einige bereits mit dem roten Punkt versehen.
Theresa, Paul, Leon und Boris standen beisammen und beobachteten die aufgeregte Freundin. Mit rot glühenden Wangen ging sie zum Mikrofon, um eine kleine Ansprache zu halten.
Theresa lächelte, sie wusste, dass Flora es hasste, öffentlich zu reden, aber die zwei Gläser Chianti, die sie zuvor getrunken hatte, schienen offensichtlich zu helfen.
Nach ihrer beschwingten Rede schwebte Flora an ihnen vorbei, um zu einem Interessenten zu gehen, doch Theresa hielt sie auf.
»Na, wie läuft es?«
»Viel besser als erwartet. Drei verkauft und ein Auftrag für ein Bild mit Hummer. Übrigens, da drüben steht Primar Peck mit seiner Freundin. Ich habe gerade mit ihnen gesprochen. Und wenigstens bei dieser einen Vermutung habe ich recht gehabt – er ist mit seiner Sekretärin liiert! Ich muss weiter, entschuldige.«
Weg war sie. Theresa blickte zu dem Leiter der Rehaklinik.
Auch er war, ohne es zu wissen, zu einem Verdächtigen geworden.
Was ein paar dumme Zufälle bewirken konnten! Sie schüttelte den Kopf und wandte sich wieder den anderen zu.
»Also, was macht ihr nun mit eurer ›Krönung‹?«, fragte Boris.
»Eigentlich sollte sie nach den Strapazen restauriert werden, genauso wie ich«, antwortete Theresa und hielt ihre Gipshand in die Höhe. »Allerdings will ich keinen Restaurator mehr in Gefahr bringen.«
»Ach, Thesi.« Paul nippte an seinem Sekt und verzog das Gesicht. »Du konntest wirklich nichts dafür.«
»Ich weiß, trotzdem.« Sie kuschelte sich an Leon. »Wir haben beschlossen, das Gemälde wieder auf den Keilrahmen zu spannen und es so wie es ist bei uns zu Hause aufzuhängen. Kein Sustermans, kein Rubens, keine Restaurierung, kein gar nichts.«
»Ich glaube dennoch, dass euch die Geheimhaltung nicht gelingen wird. Seht mal, Adriana hat mir das heute geschickt.«
Boris holte eine Zeitungsseite aus der Sakkoinnentasche. Paul faltete sie elegant mit einer Hand auseinander und Theresa übersetzte: »Österreichische Touristen entdecken ein unbekanntes Manuskript von Galileo Galilei.«
Unter der Headline waren zwei Fotos abgedruckt, eines von Flora und ihr und eines vom zerknitterten Sustermans-Gemälde.
»Wieso seid nur ihr beide abgelichtet?«, fragte Paul empört.
»Immerhin haben wir alle mitgeholfen.«
»Ach komm, das ist Italien! Daran muss man sich gewöhnen!«
Boris grinste. »Die italienischen Behörden haben das Manuskript überprüft und die Echtheit wurde bestätigt.«
»Wieso haben wir in Österreich nichts davon gelesen?« Theresa war überrascht.
»Wen interessiert das hier schon? Wir haben doch ganz andere Probleme«, meinte Leon trocken. »Zum Beispiel, welcher unserer Politiker mit der weißesten Weste aus den Korruptionsausschüssen hinausgeht.«
»Ich habe übrigens eine neue Aufgabe für uns«, unterbrach Paul und lächelte kryptisch. »Habt ihr von der Theorie gehört, dass die ›Mona Lisa‹ gar nicht die Mona Lisa darstellt?«
»Paul, bitte nicht!«, seufzte Leon.
»Doch, überlegt mal: Leonardo da Vinci schrieb, sein Auftraggeber sei Giuliano de’ Medici gewesen. Der aber kannte Lisa del Giocondo gar nicht. Wahrscheinlich lächelt von dem Gemälde, das wir als ›Mona Lisa‹ kennen, Giulianos Geliebte Pacifica Brandani.« Triumphierend sah er seine Freunde an. »Mes amis, wisst ihr, was das heißt? Das Porträt der ›La Gioconda‹, also die wahre ›Mona Lisa‹, die Leonardo da Vinci, wie wir aus Briefen mit Sicherheit wissen, auch gemalt hat, liegt oder hängt irgendwo unentdeckt herum. Und wir werden sie suchen!«
Sprachlos starrten ihn die anderen an.
»Was ist los?« Flora gesellte sich wieder zur Runde.
»Wir haben gerade beschlossen, die echte ›Mona Lisa‹ zu suchen«, antwortete Theresa leise und sah sich schon wieder auf einem dünnen Seil tanzen.