Kapitel 17
In welchem die Damen obsiegen.
Hölle und Verdammnis!“, rief Mrs. Corvey aus. Dora, die gerade die Ereignisse der letzten zwei Stunden für sie zusammengefasst hatte, ergötzte sich an ihrer Vulgarität. Sie sah sich um und war beruhigt, dass Mrs. Duncan sich bewusstlos getrunken hatte und die Hausangestellten zurück in ihre Betten gegangen waren. Dann sagte sie: „Ich bin sicher, wir haben unser Bestes getan.“
„Das glaube ich auch, aber das Ganze ist ein Problem, weil es nun eine Untersuchung geben wird. Das Levitationsgerät haben wir auch nicht errungen. Ich vermute, es ist inzwischen auf dem Weg zum Mond. Immerhin wird es dort oben auch keiner der Herren bekommen. Oh, welch ein Durcheinander. Wo ist Lady Beatrice?“
„Hier“, sagte diese, während sie katzenhaft die Hintertreppe heruntereilte. „Ich bin so froh, Sie wohlauf zu sehen. Haben Sie etwas entdeckt?“
„In der Tat.“
„Ich ebenfalls.“ Lady Beatrice zog sich einen Stuhl heran und berichtete ihre vielen Abenteuer in bewundernswert knappen Worten. Danach revanchierte sich Mrs. Corvey. Jane, Dora und Maude lauschten gebannt und äusserten hin und wieder ihre Überraschung oder ihre Bestürzung.
„Nun!“, sagte Mrs. Corvey schliesslich. „Ich denke, ich sehe einen Ausweg aus unseren Problemen. Jane, meine Liebe, bitte geh zu der Kammer hinter den Stallungen und klopfe dort. Bitte Mr. Ludbridge, herüberzukommen und den toten Franzosen mitzubringen.“
***
Pilkins sah mit finsterem Blick auf, als Lady Beatrice die grosse Halle betrat.
„Habe ich euch Ludern nicht gesagt, dass ihr auf euren Plätzen im Keller bleiben sollt?“, rief er. „Der Schutzmann wird jeden Moment hier eintreffen.“
„Wenn Sie erlauben, Sir, im Burghof ist ein Herr eingetroffen. Es ist nicht der Schutzmann“, erklärte Lady Beatrice, „und ich habe mich gefragt, ob wir nicht heute nacht nach London abreisen könnten, um den Skandal zu vermeiden?“
„Von mir aus könnt ihr zur H...“, begann Pilkins, als ein gemessenes Klopfen an der Tür erklang. Er erhob sich, um zu öffnen. Mr. Ludbridge stand mit würdevoller Miene davor.
„Guten Abend. Sir Charles Haversham, Spezialermittler von der Behörde Ihrer Majestät für Betrug und Hochstapelei. Ich habe einen Haftbefehl für Arthur Rawdon, Lord Basmond.“
Pilkins stierte ihn an: „Er ... ist tot“, sagte er.
„Das höre ich oft. Ich fordere Sie auf, ihn schleunigst auszuliefern!“
„Nein, er ist wirklich tot“, sagte Prinz Nakhimov, stand auf und hob die Ecke des Lakens an, das man über Lord Basmonds Leiche gedeckt hatte. Ludbridge durchschritt die grosse Halle selbstsicher und sah auf den Toten hinunter.
„Ach. Wie unangenehm. Tja. Ich hoffe, keiner der Herren hat ihm grössere Mengen Geldes gezahlt?“
„Was wollen Sie damit sagen?“, erkundigte sich Sir George Spiggott.
„Damit will ich sagen, Sir, dass meine Abteilung die letzten sechs Monate damit zugebracht hat, Beweise gegen Seine Lordschaft zusammenzutragen. Wir haben die eidesstattlichen Ausführungen von nicht weniger als drei Bühnenmagiern – der berühmteste dürfte ein Dr. Marvello von den Königlichen Bühnen in der Drury Lane sein –, dass Seine Lordschaft sie dafür bezahlt hat, ihm diverse einfache Tricks beizubringen, mit denen man die Illusion des Schwebens erzeugen kann. Wir haben überdies Briefe abgefangen, aus denen hervorgeht, dass Seine Lordschaft dieses Wissen dazu einsetzen wollte, eine oder mehrere unbekannte Personen zu betrügen.“
„Aber ... aber ...“, sagte Pilkins.
„Guter Gott!“, jammerte Sir George. „Ein Trickbetrüger! Ich wusste es! Ich habe ihm ins Gesicht gesagt, er sei ein verdammter unenglischer Lump ...“
„Wollen Sie sagen, Sie und Seine Lordschaft hatten Streit?“, frage Lady Beatrice leise.
„Äh“, sagte Sir George. „Nein! Nicht wirklich. Ich habe es impliziert. Ich meine, ich wollte es sagen. Morgen. Weil ich, äh, einen Verdacht hatte – ja, verdammt, sein Angebot kam mir bedenklich vor. Ich erkenne einen Lügner, wenn ich ihn sehe!“
„So geht es mir auch“, antwortete Ludbridge und warf ihm einen strengen Blick zu, unter dem der andere leicht zu schrumpfen schien. „Ich darf davon ausgehen, dass Seine Lordschaft infolge eines Malheurs verstorben ist?“
„Wir warten auf die Ankunft Ihres Schutzmannes, aber es hat den Anschein, Lord Basmond sei die Treppe heruntergefallen und habe sich das Genick gebrochen“, sagte Ali Pascha mit einem Seitenblick auf Sir George.
„Eine Schande“, bemerkte Ludbridge. „Na ja, die Vorsehung hat ihre eigene Art, Gerechtigkeit zu üben. Von Ihnen hat er niemanden betrogen, hoffe ich?“
„Wir hatten noch nicht einmal geboten“, entgegnete Prinz Nakhimov.
„Fabelhaft. Sie haben noch einmal Glück gehabt. Meine Arbeit hier ist wohl getan“, freute sich Ludbridge. „So gern ich den Kretin vor den Richter gebracht hätte – im Moment steht er vor einem härteren Gericht.“
„Wenn Sie erlauben, Sir“, meldete sich Pilkins mit bebender Stimme zu Wort, „mein Herr war kein Betrüger ...“
Ludbridge hob in einer selbstsicheren Geste die Hand. „Guter Mann. Ihre Loyalität einer alten Familie gegenüber, die schlechten Zeiten zum Opfer gefallen ist, ist achtbar, aber sie nützt nichts. Wir haben Beweise, dass Seine Lordschaft hoch verschuldet war. Wollen Sie das bestreiten?“
„Nein, Sir.“ Pilkins’ Schultern sackten zusammen. Vom Burghof erklang das Geräusch von Rädern und klappernden Hufen. „Oh. Das wird Ralph sein, der den Schutzmann mitbringt.“
„Sehr gut.“ Ludbridge musterte alle Anwesenden der Reihe nach. „Meine Herren – angesichts der tragischen Ereignisse des Abends, der noblen Geschichte der Rawdons und ganz abgesehen von Ihrem Ruf als scharfsinnige Männer von Welt denke ich nicht, dass es irgend jemandem nützt, wenn dieser Skandal bekannt wird. Vielleicht sollte ich mich dezent zurückziehen.“
„Wenn Sie das tun würden, Sir“, sagte Pilkins und vergoss erneut Tränen.
„Dort hinten geht es zur Küche“, warf Lady Beatrice ein und ging voraus. Auf ihrem Weg nach unten hörten sie das Klopfen des Schutzmannes und Ali Paschas Worte: „Sollte nicht endlich jemand den Grafen wecken?“
***
„Ein prächtiges Sammelsurium von Lügen, Sir“, bemerkte Lady Beatrice auf der Stiege nach unten.
„Danke. Vielleicht sollten wir unsere Schritte beschleunigen“, antwortete Ludbridge. „Ich wäre gern weit weg von diesem Haus, ehe sich irgend jemand auf die Suche nach dem Franzosen begibt.“
„Wo haben Sie ihn denn gelassen, wenn ich fragen darf?“
„In seinem Bett, wo sonst? Jemand hat ganz wunderbare Arbeit an seinem Partner geleistet, muss ich sagen. Sollen die Österreicher das aufräumen.“
„Danke, Sir.“
„Hat uns jemand gehört?“, fragte Dora, als sie die Küche betraten. „Jane musste mir beim Heben helfen – nicht schwer, aber sperrig, wissen Sie.“
„Sie haben nichts gehört“, sagte Lady Beatrice und kniete sich neben die Kiste. „Jumbey? Jumbey, mein Lieber, ist der arme Hindley in Ordnung?“
„Er hat Angst“, sagte die unheimliche Stimme. „Er spürt, dass draussen Fremde sind.“
„Sag ihm, er muss keine Angst haben. Niemand wird ihn stören, und er wird bald ein grösseres und besseres Laboratorium haben, um darin zu spielen.“
„Maude, gehen Sie und schnappen Sie sich Ralph, ehe er die Pferde versorgt hat“, sagte Mrs. Corvey. Maude rannte nach draussen und rief: „Ralph, Liebster! Würdest du uns einen Liebesdienst erweisen? Wir brauchen jemanden, der uns ins Dorf kutschiert.“
***
Die Tragödie um Lord Basmonds Tod liess die Gerüchteküche in Little Basmond brodeln, aber den eigentlichen Skandal verursachte der Tod des französischen Grafen durch die Hand seines österreichischen Kammerdieners. Offenbar ein Verbrechen aus Leidenschaft, wobei sich niemand so recht erklären konnte, wie es dem Diener gelungen war, dem Grafen alle Knochen zu brechen. Die örtlichen Behörden waren insgeheim erleichtert, als ein Abgesandter der österreichischen Botschaft mit einem Auslieferungsbescheid auftauchte und den Diener in Ketten abführte. Des weiteren zahlte der Abgesandte freundlicherweise für die Überführung des Leichnams des Grafen nach Frankreich.
Ali Pascha und Prinz Nakhimov kehrten lebendig und mit einem Zuwachs an Weisheit in ihre jeweiligen Nationen zurück. Sir George Spiggott kehrte auf seinen riesengrossen Landsitz in Northumberland zurück, wo er zu trinken begann und nach einiger Zeit ein schlimmes Ende fand.
Als Lord Basmonds Juristen seine Papiere durchsahen und das ganze Ausmass seiner Verschuldung entdeckten, schüttelten sie traurig die Köpfe. Die Dienerschaft wurde ausbezahlt und entlassen, sämtliche Möbelstücke wurden versteigert, um die Kreditoren zu befrieden, und als selbst das nicht ausreichte, kam Basmond Park selbst an die Reihe. Dabei ergaben sich jedoch Verwicklungen, da die beiden grössten Schuldner darüber in Streit gerieten, wessen Anspruch der höherwertige war. Der anschliessende Prozess zog sich über dreissig Jahre hin.