DAVOR

»Was bildet der sich ein!«

Felix rappelte sich hoch und sah den Chef.

»Was bildet der sich eigentlich ein!«, brüllte der Chef noch einmal und warf etwas auf den Schreibtisch. Frau Fischer runzelte die gezupften Brauen, sagte aber nichts.

»Wir machen doch keine Hofberichtserstattung!« Der Chef drehte noch eine Runde, dann sah er Felix im Sessel hocken.

»Kommen Sie«, brummte er mit einer auffordernden Armbewegung.

Felix stemmte sich aus dem Ledersessel und folgte ihm ins Büro.

»Setzen Sie sich.«

Er gehorchte.

»Zwei Kaffee, Frau Fischer.«

Der Chef schloss die Tür und ging um den Schreibtisch, ein mächtiges Holzungetüm mit meterdicker Platte. Er ließ sich in den Stuhl fallen, das Polster stöhnte. Sein Hemd spannte über den Bauch und die Krawatte hing schief.

»Wollen Sie?«, fragte er und öffnete den Deckel eines schwarzen Kästchens.

Felix lehnte ab. Der Chef nahm eine Zigarre und zog sie unter seiner roten Nase vorbei. Ein Ende schnitt er ab und warf es in den Aschenbecher, das andere zündete er an. Es dauerte, bis das Ding brannte. Er schob das Kästchen an seinen Platz, lehnte sich zurück und paffte Rauchwölkchen in die Luft. Er schien sich immer noch aufzuregen. Also schwieg Felix lieber und wartete, während der Chef sich zur Seite drehte und mit den Fingern auf den Tisch trommelte.

Das Profil des Alten zeichnete sich deutlich gegen das leicht geöffnete Fenster ab. Von hier aus hatte man einen genialen Blick über die Stadt. Die Sonne war ein großer, runder Ball mit gelben Rändern, ein Lampion, der die Dächer schimmern ließ.

Von der Kreuzung stieg Verkehrslärm auf, irgendwo schlug es sieben Uhr. Andere Glocken stimmten ein.

Es war eine Stadt der Kirchen und Türme, eine Stadt der Kneipen. Es gab enge Gassen und alte Brücken, verwitterte Mauern und steinerne Tore. An solchen Sommerabenden hielten sich die Menschen im Freien auf. Sie liefen durch die kleine Fußgängerzone in der Altstadt, über die gepflasterten Plätze, aßen Eis in Straßencafes und trugen Sonnenbrillen, obwohl sie nicht mehr nötig waren. Sie saßen in Biergärten unter Kastanien, tranken kaltes Bier und schwatzten. Sie liefen durch die Parkanlagen und über die Brücken zu den grünen Inseln im Fluss.

Ausflugsdampfer legten an, rotgebrannte Reisegruppen gingen an Land und ärgerten sich über die Sportwagenfahrer, die unermüdlich ihre Runden drehten. Aus den Rückbänken der Autos wummerte es, Motorräder röhrten vorbei, Mütter zogen ihre Kinder von der Straße. Dann war es mit einem Mal still und Felix hörte einen Penner, der am Brunnen für ein paar Münzen auf der Flöte blies. Eine Taube kam angeflattert und setzte sich auf das Fensterbrett. Sie bewegte den Kopf, als beobachte sie etwas, ihn vielleicht, ihn mit seiner Krawatte.

»Wussten Sie, dass die Stadt einen Kerl angestellt hat, um die Biester loszuwerden?« Der Chef sah ihn an.

Felix schüttelte den Kopf.

Der Alte holte ein Stückchen Weißbrot aus einer Schublade und bröselte es durch den Fensterspalt. Die Taube kam heran und pickte hastig. Eine zweite kam angesegelt. Felix dachte an die Henne mit dem schlappen Kamm, an das alte Haus mit den blauen Fensterläden.

»Raten Sie mal, wie er sie loswerden will.«

Felix zuckte mit den Achseln. »Gift?«

Der Chef schüttelte den Kopf. »Früh am Morgen, wenn noch keiner auf den Beinen ist, legt er Netze aus. Darauf streut er Futter aus und wartet. Hocken genügend drauf, zieht er zu. Ganz einfach.«

Inzwischen saßen schon drei Tauben auf dem Sims und stritten sich um das Brot.

»Und wie bringt er sie um?«

»Er dreht ihnen die Hälse um, einer nach der anderen: zack!« Der Chef ahmte einen Würgegriff nach und lachte. Dann warf er das letzte Stückchen Brot durch den Spalt und schloss das Fenster.