7

Junge, da haben wir eine Menge abgedeckt! Wirklich eine ganze Menge. Können wir nun zu etwas anderem übergehen?

Bist du bereit dazu?

BIST DU ES?

Ja, jetzt bin ich in Schwung gekommen. Endlich. Und ich möchte dir alle Fragen stellen, die sich nun schon seit drei Jahren in mir angesammelt haben.

DAS IST MIR recht. Schieß los.

Immer mit der Ruhe. Also ich würde jetzt gerne über ein anderes dieser esoterischen Rätsel sprechen. Würdest du mir etwas über Reinkarnation sagen?

SICHER DOCH.

Viele Religionen behaupten, daß der Reinkarnationsgedanke eine falsche Lehre ist; daß wir hier nur ein einziges Leben haben, eine einzige Chance.

ICH WEISS. DAS ist nicht korrekt.

Wie können sie sich hinsichtlich einer so wichtigen Sache derart irren? Wie ist es möglich, daß sie in einer so grundlegenden Angelegenheit die Wahrheit nicht kennen?

DU MUSST VERSTEHEN, daß die Menschen viele auf Angst gegründete Religionen haben, deren Lehren um einen Gott kreisen, der angebetet und gefürchtet werden muß.

Aufgrund der Angst haben sich alle Gesellschaften auf eurem Globus vom Matriarchat in ein Patriarchat umgewandelt. Mit Hilfe der Angst brachten die Priester anfänglich die Menschen dazu, »von ihrem lasterhaften Leben zu lassen und sich zu bessern« und »das Wort des Herrn zu befolgen«. Durch die Angst gewannen und kontrollierten die Kirchen ihre Mitglieder.

Eine Kirche bestand sogar darauf, daß Gott euch bestraft, wenn ihr nicht jeden Sonntag in die Kirche geht. Sie erklärte es zur Sünde. Und es ging beileibe nicht darum, in irgendeine Kirche zu gehen, es mußte eine ganz bestimmte sein. Der Besuch einer Kirche einer anderen Konfession galt ebenfalls als Sünde. Da war schlicht und einfach der Versuch, mit Hilfe von Angst Kontrolle auszuüben. Hölle, das funktioniert immer noch.

Hör mal, du bist Gott. Fluche nicht.

WER HAT HIER geflucht? Ich habe nur eine Tatsache ausgesprochen. Ich sagte: »Hölle – das funktioniert immer noch.«

Die Leute werden immer an die Hölle glauben und an einen Gott, der sie dahin schickt, solange sie glauben, daß Gott wie der Mensch ist – grausam, egoistisch, unbarmherzig und rachsüchtig.

In der Vergangenheit konnten sich die meisten Menschen keinen Gott vorstellen, der sich über all das zu erheben vermochte. Deshalb akzeptierten sie es, wenn die Kirchen sie lehrten, »die schreckliche Rache Gottes zu fürchten«.

Es war, als könnten sie nicht darauf vertrauen, daß sie von sich aus, aus ihrer eigenen Natur heraus gut waren und entsprechend handelten. Also mußten sie, um sich selbst im Zaum zu halten, eine Religion erschaffen, die die Lehre von einem zornigen, rachedurstigen Gott verkündete.

Da streute der Reinkarnationsgedanke Sand ins Getriebe.

Wie das? Warum war er so bedrohlich?

DIE KIRCHE VERKÜNDETE, daß ihr euch besser anständig benehmen solltet, denn sonst … Und da kamen die Vertreter der Reinkarnationslehre daher und sagten: »Ihr habt danach noch eine Chance und danach noch eine. Und dann immer noch weitere Chancen. Also macht euch keine Sorgen. Macht es so gut, wie ihr könnt. Seid nicht vor Furcht so gelähmt, daß ihr euch überhaupt nicht mehr rühren könnt. Versprecht euch selbst, es besser zu machen, und geht eurer Wege.«

Natürlich konnte das die frühe Kirche nicht billigen. Also tat sie zwei Dinge: Erst erklärte sie die Reinkarnationslehre zur Ketzerei und führte dann das Sakrament der Beichte ein. Die Beichte konnte dem Kirchgänger geben, was die Reinkarnationslehre versprach, nämlich eine weitere Chance.

Der Mensch wurde also von Gott für seine Sünden bestraft, es sei denn, er beichtete sie. Nach der Beichte konnte er sich sicher sein, daß Gott ihm vergeben hatte.

JA. ALLERDINGS GAB es da einen Haken. Diese Absolution konnte nicht direkt von Gott kommen. Sie mußte den Weg über die Kirche nehmen, deren Priester die fällige »Buße« auferlegten. Im allgemeinen wurden vom Sünder Gebete verlangt. Das waren für die Menschen wichtige Gründe, ihre Kirchenmitgliedschaft aufrechtzuerhalten.

Die Kirche merkte, daß die Beichte eine große Zugnummer war, und so erklärte sie es bald zur Sünde, wenn man nicht zur Beichte ging. Jedermann hatte wenigstens einmal im Jahr zu beichten. Tat er es nicht, lieferte das Gott einen weiteren Grund, zornig zu sein.

Die Kirche stellte immer mehr und mehr Regeln auf – viele davon völlig willkürlich und aus einer Laune heraus –, und eine jede hatte die geballte Kraft von Gottes ewiger Verdammnis als Rückendeckung, es sei denn natürlich, das Vergehen wurde gebeichtet. Dann wurde dem Sünder von Gott vergeben, und er entkam der Verdammnis.

Doch nun gab es ein anderes Problem. Die Leute kamen zum Schluß, daß sie alles tun konnten, solange sie es nur beichteten. Die Kirche geriet in ein Dilemma. Die Furcht war aus den Herzen der Menschen gewichen. Die Zahl der Kirchgänger und Kirchenmitglieder schrumpfte. Die Leute kamen einmal im Jahr zur Beichte, sagten ihre Bußgebete auf, wurden von ihren Sünden losgesprochen und wandten sich wieder dem Leben zu. Also mußte ein Weg gefunden werden, die Angst wieder in ihre Herzen zu bringen. Und so erfand man das Fegefeuer.

Fegefeuer?

FEGEFEUER. MAN BESCHRIEB es als einen höllenähnlichen Ort, an dem man sich jedoch nicht ewig aufhielt. Diese neue Lehre besagte, daß Gott den Menschen für seine Sünden leiden ließ, auch wenn er sie gebeichtet hatte.

Dieser Lehre zufolge verhängte Gott ein gewisses Maß an Leiden über jede unvollkommene Seele, je nach Anzahl und Art der von ihr begangenen Sünden, wobei es da die »Todsünden« und die »läßlichen« Sünden gab. Todsünden, waren sie nicht vor dem Tod gebeichtet worden, schickten die Seele schnurstracks in die Hölle.

Die Zahl der Kirchgänger schoß wieder in die Höhe. Auch die Einnahmen aus der Kollekte und vor allem aus dem Ablaßhandel waren hoch – denn die Lehre vom Fegefeuer beinhaltete auch die Möglichkeit, sich vom Leiden freizukaufen.

Wie bitte?

GEMÄSS DER KIRCHENLEHRE konnte man einen besonderen Ablaß erhalten – doch auch hier wieder nicht direkt von Gott, sondern von einem Amtsträger der Kirche. Diese besonderen Ablässe befreiten einen – zumindest teilweise – vom Leiden im Fegefeuer, das man sich durch seine Sünden »verdient« hatte.

So etwas wie die »vorzeitige Entlassung wegen guter Führung«?

JA. ABER DIESE Vergünstigungen wurden natürlich nur wenigen zuteil. Im allgemeinen jenen, die der Kirche eine sehr beträchtliche Spende zukommen ließen. Für eine wirklich große Summe konnte man den vollen Ablaß erhalten. Er bedeutete: Null Zeit im Fegefeuer. Eine Fahrkarte geradewegs in den Himmel.

Diese besondere Gunst Gottes war jedoch noch wenigeren vorbehalten. Den Königshäusern vielleicht. Und den Superreichen. Die Menge an Geld, Edelsteinen und Land, die die Kirche im Austausch für den vollen Ablaß erhielt, war enorm. Doch diese Exklusivität führte bei den Massen zu großer Frustration und Verärgerung.

Der arme Bauer konnte nicht auf einen Ablaß vom Bischof hoffen – und so verlor das Fußvolk allmählich sein Vertrauen in das System, und die Zahl der Kirchgänger schrumpfte aufs neue.

Und was ließen sie sich jetzt einfallen?

SIE FÜHRTEN DIE Novenekerzen ein. Die Leute konnten in die Kirche kommen, eine Novenekerze für die »armen Seelen im Fegefeuer« anzünden und durch das Beten einer Novene (einer Anzahl von Gebeten in einer bestimmten Reihenfolge, was einige Zeit in Anspruch nahm) die »Strafe« der lieben Verstorbenen um Jahre verkürzen und sie früher aus dem Fegefeuer freibekommen, als Gott es ursprünglich vorgesehen hatte.

Für sich selbst konnten sie zwar nichts tun, aber doch wenigstens um Gnade für die Verstorbenen beten. Natürlich war es hilfreich, wenn ein oder zwei Münzen für jede entzündete Kerze in den Schlitz geworfen wurden.

Es flackerten eine Menge kleiner Kerzen in den roten Gläschen, und eine Menge Peseten und Pfennige wurden in eine Menge Blechbüchsen geworfen, um mich dazu zu bewegen, die armen Seelen im Fegefeuer doch ein bißchen weniger leiden zu lassen.

Das ist ja unglaublich! Und du meinst, die Leute waren nicht imstande, das Ganze zu durchschauen? Sie erkannten darin nicht den verzweifelten Versuch einer verzweifelten Kirche, ihre verzweifelten Mitglieder ständig dazu zu bringen, alles zu tun, um sich vor diesem Desperado, den sie Gott nannten, zu schützen? Du meinst, die Leute kauften ihnen dieses Zeug tatsächlich ab?

IM WAHRSTEN SINNE des Wortes.

Kein Wunder, daß die Kirche die Reinkarnationslehre als Irrglaube bezeichnete.

JA. DOCH ALS ich euch erschuf, erschuf ich euch nicht so, daß ihr nur ein einziges Leben leben könnt, was eine so unendlich winzige Zeitspanne angesichts des Alters des Universums ist.

Es ist nicht Sinn der Sache, daß ihr alle Fehler macht, die ihr unvermeidlich machen werdet, um dann am Ende das Beste zu hoffen. Ich habe versucht, mir ein solches System vorzustellen, konnte aber nie herausfinden, was ich damit bezwecken würde.

Und ihr konntet es auch nicht herausfinden. Deshalb mußtet ihr immer wieder Sprüche aufsagen wie: »Die Wege des Herrn sind wundersam. Er wirkt seine Wunder auf rätselhafte Weise.« Aber ich arbeite nicht auf rätselhafte Weise. Alles, was ich tue, hat einen Grund und ist vollkommen klar. Ich habe im Verlauf unserer Gespräche nun viele Male erklärt, warum ich euch erschaffen habe und was die Absicht eures Lebens ist.

Die Reinkarnation paßt perfekt in diese Absicht, die für mich darin besteht, daß ich durch euch und durch die Millionen von anderen mit Bewußtsein begabten Geschöpfe, die ich im Universum angesiedelt habe, erschaffe und erfahre, wer ich bin.

Dann gibt es also Leben auf anderen …

NATÜRLICH. GLAUBST DU wirklich, ihr seid in diesem gigantischen Universum allein? Doch das ist ein anderes Thema, auf das wir später zu sprechen kommen können …

Versprochen?

VERSPROCHEN.

ES IST also die Absicht eurer Seele, sich selbst als Teil von Alles-was-Ist zu erfahren. Wir entfalten, wir entwickeln uns.

Wir sind am … Werden.

Was werden wir? Wir wissen es nicht! Wir können es nicht wissen, bis wir dort anlangen! Aber für uns ist die Reise eine Freude. Und sobald wir »dort anlangen«, erschaffen wir schon die nächste höchste Vorstellung davon, wer wir sind, erschaffen wir einen noch großartigeren Gedanken, eine noch höhere Idee und setzen diese Freude ewig fort.

Kannst du mir folgen?

Ja. Inzwischen könnte ich das schon fast wortwörtlich wiederholen.

GUT. ALSO … DER Sinn und Zweck deines Lebens besteht darin, daß du entscheidest und bist, wer du wirklich bist. Du tust das jeden Tag. Mit jeder Handlung, mit jedem Gedanken, mit jedem Wort. Das ist es, was du machst.

Nun, in dem Maße, wie dich dies befriedigt – du an der Erfahrung, wer du bist, Gefallen findest –, in dem Maße bleibst du mehr oder weniger dabei und nimmst hier und da nur ein paar kleinere Berichtigungen vor, um diese Person der Vollkommenheit immer näher zu bringen.

Paramahansa Yogananda ist ein Beispiel für eine Person, die in ihrer Ausgestaltung dessen, was sie von sich selbst dachte, der Vollkommenheit ziemlich nahekam. Er hatte eine sehr klare Vorstellung von sich selbst und von seiner Beziehung zu mir, und er nutzte sein Leben, um das »auszugestalten«. Er wollte seine Vorstellung von sich selbst in seiner eigenen Wirklichkeit erfahren; sich selbst so auf der Ebene der Erfahrung kennenlernen.

Babe Ruth (ein berühmter Baseballspieler) tat dasselbe. Er hatte eine sehr klare Vorstellung von sich selbst und von seiner Beziehung zu mir und nutzte sein Leben, um das auszugestalten; um sich selbst in eigener Erfahrung kennenzulernen.

Nicht viele Menschen leben auf diesem Niveau. Zugegeben, der Meister und Babe hatten jeweils völlig verschiedene Vorstellungen von sich selbst, doch beide lebten sie auf großartige Weise aus.

Beide hatten auch ganz gewiß eine unterschiedliche Vorstellung von mir und handelten auf unterschiedlichen Bewußtseinsebenen in bezug auf wer ich bin und worin ihre wahre Beziehung zu mir bestand. Diese Bewußtseinsebenen spiegelten sich in ihren Gedanken, Worten und Taten wider.

Der eine befand sich den Großteil seines Lebens an einem Ort des Friedens und der Heiterkeit und brachte anderen tiefen Frieden und Heiterkeit. Der andere befand sich an einem Ort der Angst, des Aufruhrs und der gelegentlichen Wut (vor allem, wenn er nicht seinen Willen durchsetzen konnte) und brachte Aufruhr in das Leben der Menschen in seinem Umfeld.

Beide hatten jedoch ein gutes Herz – Babe war eine überaus sanfte Seele –, und der Unterschied zwischen den beiden ist der, daß der eine sich praktisch keine materiellen Reichtümer erwarb und nie mehr wollte, als was er bekam, während der andere »alles hatte« und nie bekam, was er wirklich wollte.

Wenn das das Ende von George Herman Ruth gewesen wäre, würde uns das wohl alle ein bißchen traurig machen, aber die Seele, die sich als Babe Ruth inkarnierte, ist weit davon entfernt, den Evolution genannten Prozeß beendet zu haben. Sie hatte die Gelegenheit, sich die Erfahrungen, die sie für sich selbst wie auch für andere produzierte, vor Augen zu führen, und kann nun entscheiden, was sie in ihrem Bestreben, sich in immer großartigeren Versionen wiederzuerschaffen, erfahren möchte.

Wir beenden hier unsere Geschichte von diesen beiden Seelen, denn beide haben bereits entschieden, was sie als nächstes erfahren möchten – das heißt, beide sind nun dabei, diese Erfahrungen zu machen.

Du meinst, beide haben sich bereits in anderen Körpern reinkarniert?

ES WÄRE EIN Irrtum anzunehmen, daß die Reinkarnation – die Rückkehr in einen anderen physischen Körper – ihre einzige Option gewesen wäre.

Was sind die anderen Optionen?

IN WAHRHEIT ALLES, was immer sie sein wollen. Ich habe bereits erklärt, was sich nach eurem sogenannten Tod ereignet.

Manche Seelen haben das Gefühl, daß da sehr viel mehr ist, das sie gerne wissen würden, und finden sich in einer »Schule« wieder, wo sie von anderen Seelen – »alten Seelen«, wie ihr sie nennen würdet – unterrichtet werden. Und was lehren sie sie? Daß sie nichts zu lernen haben. Daß sie nie etwas zu lernen hatten. Daß sie nichts weiter zu tun brauchten, als sich zu erinnern. Daran zu erinnern, wer und was sie wirklich sind.

Sie lernen, daß sie sich die Erfahrung, wer sie sind, durch das Ausagieren erwerben, dadurch, daß sie es sind. Sie werden daran erinnert, indem man es ihnen auf sanfte Weise zeigt.

Andere Seelen haben sich schon daran erinnert, wenn sie im »Jenseits« anlangen, oder erinnern sich gleich darauf. (Ich bediene mich nun eurer Umgangssprache, damit die Worte dem Verständnis nicht im Wege stehen.) Diese Seelen streben dann vielleicht nach der sofortigen Freude, sich selbst als das zu erfahren, was immer sie sein wollen. Sie suchen sich einen der Millionen, Abermillionen Aspekte von mir aus und treffen die Wahl, diesen gleich hier und jetzt zu erfahren. Manche entscheiden sich hierbei für die Rückkehr in eine physische Gestalt.

In irgendeine physische Gestalt?

IN WELCHE AUCH immer.

Dann stimmt es also, daß Seelen als Tiere zurückkommen können – daß Gott eine Kuh sein kann? Und daß Kühe tatsächlich heilig sind? Ach du heilige Kuh!

AHEM.

Entschuldigung.

DU HATTEST EIN ganzes Leben, um Witze zu machen. Und wenn man sich dein Leben so anschaut, hast du ja auch eine ganz nette Komödie daraus gemacht.

Boing. Das war ein Treffer. Der hätte einen Trommelwirbel verdient.

DANKE. DANKE. ABER nun mal im Ernst … Die Antwort auf deine eigentliche Frage, ob eine Seele als Tier zurückkehren kann, lautet: Ja, natürlich.

Die wirkliche Frage ist die: Will sie es? Und darauf lautet die Antwort: Wahrscheinlich nicht.

Haben Tiere Seelen?

WER JE IN die Augen eines Tieres geblickt hat, weiß die Antwort darauf.

Wie weiß ich dann, daß es nicht meine Großmutter ist, die als meine Katze zurückgekommen ist?

WIR SPRECHEN HIER über den Prozeß der Evolution. Selbstschöpfung und Evolution. Und die Evolution entwickelt sich in eine Richtung. In die nach oben. Immer nur nach oben.

Es ist das größte Verlangen der Seele, immer höhere und höhere Aspekte ihrer selbst zu erfahren. Und deshalb ist sie bestrebt, auf der evolutionären Leiter nach oben und nicht nach unten zu klettern, bis sie das erfährt, was Nirwana genannt wurde – das totale Einssein mit dem Allem. Das heißt mit mir.

Aber warum gibt sich die Seele, wenn es ihr größter Wunsch ist, sich auf immer höheren Ebenen zu erfahren, überhaupt damit ab, noch mal als menschliches Wesen zurückzukehren?

Das ist doch ganz gewiß kein Schritt »nach oben«.

WENN DIE SEELE zu einer menschlichen Gestalt zurückkehrt, dann immer um der zusätzlichen Erfahrung und somit der Weiterentwicklung willen. Bei den Menschen lassen sich viele Evolutionsebenen beobachten. Man kann in viele menschliche Leben – viele Hunderte von Leben – zurückkehren und sich ständig weiterentwickeln. Doch diese aufsteigende Bewegung, der größte Wunsch der Seele, wird nicht durch die Rückkehr zu einer niedrigeren Lebensform erreicht. Und deshalb findet sie nicht statt. Nicht, bis die Seele die endgültige Wiedervereinigung mit Alles-was-Ist erreicht hat.

Das muß bedeuten, daß jeden Tag »neue Seelen« in das System eintreten und eine niedrigere Lebensform annehmen.

NEIN. ALLE JE erschaffenen Seelen wurden auf einmal erschaffen. Wir sind alle hier im Jetzt. Aber wie ich schon erklärte, hat eine Seele (ein Teil von mir), wenn sie zur letzten Verwirklichung gelangt, die Möglichkeit, »von vorne anzufangen«, buchstäblich »alles zu vergessen« und sich wieder einmal neu zu erschaffen. Auf diese Weise fährt Gott fort, sich selbst wiederzuerfahren.

Die Seelen können sich auch dazu entscheiden, sich in einer bestimmten Lebensform auf einer bestimmten Ebene zu »recyceln«, sooft sie wollen.

Ohne die Reinkarnation – ohne die Möglichkeit der Rückkehr zu einer physischen Form – würde die Seele alles, was sie erreichen möchte, in einem einzigen Leben erreichen müssen, innerhalb einer Zeitspanne, die milliardenmal kürzer ist als ein einziger Augenblick auf der kosmischen Uhr.

Ja natürlich, Reinkarnation ist eine Tatsache. Es gibt sie wirklich, sie ist sinnvoll und sie ist eine perfekte Angelegenheit.

Okay, aber da ist noch eine Sache, die mich verwirrt. Du sagtest, so etwas wie Zeit gibt es nicht; alle Dinge ereignen sich in diesem Moment. Ist das richtig?

SO IST ES.

Und dann ließest du durchblicken – und in Band 2 bist du ausführlich darauf eingegangen –, daß wir »die ganze Zeit« auf verschiedenen Ebenen oder an verschiedenen Punkten im Raum-Zeit-Kontinuum existieren.

DAS STIMMT.

Okay, aber jetzt wird die Sache verrückt. Wenn eines meiner »Ichs« im Raum-Zeit-Kontinuum »stirbt« und dann als eine andere Person hierher zurückkehrt … dann … dann, wer bin ich dann? Dann müßte ich als zwei Menschen zugleich existieren. Und wenn ich das bis in alle Ewigkeit mache, was ich auch tue, wie du sagst, dann bin ich hundert Menschen zugleich! Tausend. Eine Million. Eine Million Versionen von einer Million Menschen an einer Million Punkte im Raum-Zeit-Kontinuum.

JA.

Das verstehe ich nicht. Das übersteigt mein Fassungsvermögen.

IM GRUNDE HAST du das gut gemacht. Das ist eine sehr fortschrittliche Konzeption, und du hast sie ziemlich gut vorgetragen.

Aber … aber … wenn das stimmt, dann muß es so sein, daß sich mein »Selbst« – der Teil von »mir«, der unsterblich ist – in milliardenfach unterschiedlicher Weise in milliardenfach verschiedenen Formen an milliardenfach verschiedenen Punkten auf dem kosmischen Rad im ewigen Moment des Jetzt entwickelt.

AUCH DAS IST richtig. Das ist genau das, was ich tue.

Nein, nein. Ich sagte, das ist das, was demnach ich tue.

GANZ RICHTIG. GENAU das sagte ich eben.

Nein, nein, ich sagte …

ICH WEISS, WAS du sagtest. Du sagtest gerade das, was ich sagte, was du gesagt hast. Die Konfusion kommt dadurch zustande, daß du immer noch denkst, daß es hier mehr als einen von uns gibt.

Gibt es nicht?

ES GAB NIE mehr als einen von uns. Nie. Findest du das erst jetzt heraus?

Du meinst, ich spreche hier nur mit mir selbst?

SO ÄHNLICH.

Du meinst, du bist nicht Gott?

DAS HABE ICH nicht gesagt.

Du meinst, du bist Gott?

DAS SAGTE ICH.

Aber wenn du Gott bist und du ich bist und ich du bin – dann … bin ich Gott!

DU BIST GOTT, ja. Das ist richtig. Du hast es voll erfaßt.

Aber ich bin nicht nur Gott – ich bin auch alle anderen.

JA.

Aber – bedeutet das, daß außer mir nichts und niemand existiert?

HABE ICH NICHT gesagt, daß ich und mein Vater eins sind?

Ja, aber …

UND HABE ICH nicht gesagt, wir alle sind eins?

Ja. Aber ich wußte nicht, daß du das wörtlich meinst. Ich dachte, du meinst es metaphorisch. Ich hielt das mehr für eine philosophische Aussage, nicht für eine Tatsache.

ES IST EINE Tatsache. Wir sind alle eins. Das ist gemeint mit:

»Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.«

Verstehst du das jetzt?

Ja.

AH, ENDLICH. HAT lange gedauert.

Aber – du wirst mir verzeihen, wenn ich da widerspreche, aber … wenn ich mit einem anderen Menschen zusammen bin – mit meiner Frau zum Beispiel oder mit meinen Kindern –, fühle ich mich als etwas von ihnen Getrenntes –, habe ich das Gefühl, daß sie anders sind als »ich«.

BEWUSSTSEIN IST EINE wunderbare Sache. Es läßt sich in tausend Stücke spalten. In eine Million. In eine Million mal eine Million.

Ich habe mich selbst in eine unendliche Zahl von »Stücken« gespalten – so daß jedes »Stück« von mir auf sich selbst zurückblicken und das Wunder dessen, wer und was ich bin, schauen kann.

Aber warum muß ich diese Phase des Vergessens durchmachen – und die Phase des Unglaubens? Ich glaube immer noch nicht ganz. Ich hänge immer noch im Vergessen herum.

GEH NICHT so hart mit deinem Selbst ins Gericht. Das ist Bestandteil des Prozesses. Es ist in Ordnung, daß es so passiert.

Warum erzählst du mir das jetzt alles?

WEIL DU ANFINGST, keinen Spaß mehr zu haben. Das Leben war dir allmählich keine Freude mehr. Du fingst an, dich so sehr im Prozeß zu verfangen, daß du vergessen hast, daß es nur ein Prozeß ist.

Und deshalb hast du mich angerufen. Du batest mich, zu dir zu kommen, dir zu helfen, zu verstehen, dir die göttliche Wahrheit zu zeigen, dir das größte Geheimnis zu enthüllen.

Das Geheimnis, das du vor dir selbst gehütet hast. Das Geheimnis, wer du bist.

Das habe ich nun getan. Du wurdest nun wieder dahin gebracht, dich zu erinnern. Wird es eine Rolle spielen? Wird es an deinem morgigen Verhalten etwas ändern? Wird es bewirken, daß du die Dinge heute abend anders siehst?

Wirst du nun die Verletzungen der Verwundeten heilen, die Ängste der Ängstlichen ausräumen, den Bedürfnissen der Verarmten Rechnung tragen, die Herrlichkeit des Erreichten feiern und in allem die Vision von mir erblicken?

Wird diese neuerliche Erinnerung an die Wahrheit dein Leben ändern und dir erlauben, das Leben anderer zu verändern?

Oder wirst du zum Vergessen zurückkehren? Zurückfallen in Selbstsucht, wieder die Enge der Vorstellung aufsuchen, die du vor diesem Erwachen von dir selbst hattest, und wieder in ihr wohnen?

Wie wirst du dich entscheiden?