Maya hat kaum geschlafen und trinkt ihren dritten Becher Kaffee. An jeder denkbaren Tankstelle nötigt sie mich zum Rausfahren. Dann klettert sie vom Beifahrersitz des Sprinters, sprintet los zur Toilette und dann in das Bistro, um mit einem warmen Milchkaffee und einer Flasche Cola für mich zurückzuhopsen. Sie ist überdreht und ich zweifle ernsthaft an dem Kaffee als Ursache. Die ganze Nacht hat sie mich gefragt, wann wir denn endlich fahren. Nachdem ich meinem Körper zwei Stunden Schlaf gegönnt hatte, packte ich meine Tasche und wir machten uns auf den Weg.
Sie singt jedes Lied im Radio mit, was immer wieder zu Missverständnissen mit der freundlichen Damenstimme des Navi-Systems führt – und zu zahlreichen Wiederholungen, die langsam aber sicher an meinem Nervenkostüm kratzen! Meine Couch scheppert im Laderaum des Sprinters immer wieder laut vor sich, als wolle sie mich daran erinnern, dass sie auch noch anwesend ist. Als ob ich das vergessen könnte, bei den Kreuzschmerzen, die mich quälen.
Während Maya nun also einen Radiosender gefunden hat, der ohne Rauschen und kurze Unterbrechungen ihr Lied zu Ende spielt, konzentriere ich mich auf die Straße vor mir. Aber das nur rein optisch, denn geistig gehe ich die letzten Tage durch und frage mich, was genau der Grund dafür ist, warum ich jetzt auf der Autobahn unseres befreundeten Nachbarlandes bin und auf die Frage des Navigationssystems als Zielort „Barcelona“ eingegeben habe.
Ich habe meinem Freund eine Stripperin für den Junggesellenabschied besorgt, mehr eigentlich nicht. Noch vor ein paar Tagen war mein Leben damit ausgefüllt, bei Facebook unsinnige Spiele zu spielen, meinen Status dort je nach Befinden zu aktualisieren und hin und wieder am Auftrag zur Erstellung eines passablen Webauftritts für einen Weinhandel zu arbeiten. Abends bin ich für ein bis fünf Bier in meine Stammkneipe gegangen, habe mit Patrick Fußball geschaut und ihn heimlich beneidet, weil er bald ein Ehemann sein würde.
Jetzt habe ich eine Couch im Sprinter, kein Auto mehr, heute Morgen den Abgabetermin meiner Auftragsarbeit (und gleichzeitig die Sicherung meiner Miete!) verpasst, die katalanische Hauptstadt als Ziel, und die potentielle Liebe meines Lebens neben mir. Wenn das mal keine Drehung um 360 Grad ist, bin ich wirklich überfragt.
Ich bereue keine meiner Entscheidungen (bis auf den Schlag gegen die Wand, von dem meine Hand sich nur langsam erholt, sowie das Tragen einer Couch durchs enge Treppenhaus) und spüre doch dieses leichte Brennen in meinen Nerven, weil ich mir zwar erhoffen kann, wie diese Geschichte ausgehen wird, es aber nicht weiß. Diese Autobahn ist entweder der Weg ins Paradies oder eine Einbahnstraße in die emotionale Vorhölle. Und das mit Lichtgeschwindigkeit.
Als ich einen kurzen Blick auf Maya werfe, die an dem Kaffeebecher nagt wie ein Eichhörnchen, kribbelt es in meinem ganzen Körper. Eigentlich wäre sie schon nicht mehr hier, wenn ich nicht hartnäckig geblieben wäre.
Mit jedem Kilometer, den ich zwischen uns und Stuttgart bringe, fahre ich sie auch weiter weg von ihrer Vergangenheit, und hin zu ihrem Bruder, den sie sehr vermisst. Aber was wird dann aus mir? Werde ich aussortiert und darf den Weg zurück in die Kesselstadt allein antreten? Werde ich Fabian überhaupt kennenlernen? Sie sagt, kaum jemand weiß von ihm, nur wenige haben ihn kennenlernen dürfen. Zu welcher Sorte Mensch gehöre ich?
Das Klingeln ihres Handys bringt mich kurzzeitig zurück in die Realität und ich stelle fest, dass ich wie ein Gestörter auf der linken Spur gefühlte zwanzig Kilometer zu schnell fahre.
„Hallo? ... Nein, wir sind schon unterwegs ... ja, ich weiß.“
Mayas Stimme überschlägt sich erneut, und sie kichert ganz viel. Dabei tanzen ihre Locken die eigenartige Interpretation einer Samba. Oder Rumba. Irgendwas mit viel Hüfte. Ich komme um ein Lächeln nicht herum, sie grinst frech zurück.
„Jonas fährt mich ... nein, keine Sorge ... ja doch. Das sage ich ihm ... gut. Ich freue mich auch.“
Dann legt sie auf und lässt ihre Hand zu meiner auf dem Schaltknüppel wandern.
„Du sollst vorsichtig fahren. Sagt meine Mutter.“
Ihre Mutter weiß also von mir? Maya hat nur gesagt: „Jonas fährt mich“. Mein Name muss also bereits gefallen sein. Oder nicht? Würde sie mich sonst nicht etwas genauer vorstellen oder zumindest erklären müssen, wieso ein wildfremder Mann sie ins Urlaubsparadies fährt?
Erstaunlich, wie schnell vier Becher Kaffee ihre Wirkung verlieren können. Mayas Kopf lehnt an der Scheibe, ihre Augen sind geschlossen, ein Lächeln auf den Lippen. So schaukelt der Sprinter über die Autobahn, während meine Couch hinter mir ab und an ein ächzendes Geräusch von sich gibt.
Also fahre ich stur und stumm zu den Popsongs der gesamten Castingshow-Geschichte durch Europa. Den ganzen Tag.
Irgendwo an einer französischen Raststätte kann ich nicht anders und muss auch mal meine Blase entleeren. Maya bewacht solange den Sprinter, während ich mir die Hände wasche und mein Spiegelbild betrachte. Wenn Bonnie und Clyde so auf der Flucht wären wie wir im Moment, sie hätten nicht lange gelebt. Außer einem Sandwich mit Thunfisch und Mayo habe ich nur Jelly Beans gegessen, die mir Maya in den Mund gestopft und geschwiegen hat, bis ich die Geschmacksrichtung richtig erriet. Zwischen „saftige Birne“ und „Jalapeños“ liegt ein großer Unterschied, auch wenn der grüne Farbstoff nicht darauf schließen lässt. Am liebsten würde ich neunzig Prozent der kleinen Bohnen unzerkaut auf die Autobahn spucken, aber Maya hat so unheimlich viel Spaß dabei – es wäre eine Schande, das zu verderben.
Meine Augen sind blutunterlaufen, ich bin unendlich müde, halte mich aber recht gut, wie ich finde. Patrick hat vor ungefähr einer Stunde angerufen um zu überprüfen, wie es uns geht, ob wir leben und wieso wir uns nicht melden.
Ich stapfe zurück zum Sprinter, den Maya geschickt in eine große Parklücke manövriert hat. Sie sieht mich lächelnd an.
„Wir haben uns angefreundet.“
„Du hast den Rückwärtsgang gefunden?“
Ich muss grinsen, weil Maya tatsächlich Probleme hat, die Gänge zu finden. Wir haben das Ganze noch in Deutschland probiert, als sie großspurig behauptete, mich ablösen zu können. Nicht, weil ich den Eindruck erweckt habe, ich würde kaum noch auf der linken Spur durchhalten, sondern weil wir uns über die Wahl des Radiosenders gestritten haben. Mir wurde das Gedudel zu viel, und so habe ich sspontan meinen Lieblingssender gesucht, nämlich einen rockigen Sender. Gerade für lange Fahrten auf der Autobahn eignete sich dieser Sender meiner Meinung nach hervorragend. Aber Maya wollte lieber zurück zu einem belanglosen Popsender.
„Hey! Du kannst doch nicht mitten im Lied umschalten.“
„Ich bin der Fahrer, ich kann und darf alles.“
„Nicht wenn der Beifahrer gerade den Refrain mitsingt.“
Ihre kleine Falte zwischen den Augenbrauen zog sich zusammen. Ich liebe es, wenn sie so was macht.
„Nein, dann erst recht!“
„Wieso darf nur der Fahrer entscheiden?“
Ich zuckte wahrheitsgemäß die Schultern.
„Das ist ein ungeschriebenes Gesetz, denke ich.“
„Dann fahr raus, ich übernehme das Steuer!“
Sie klang so überzeugt, also wollte ich ihr diese Chance gebe. Allerdings war ganz schnell klar, Maya und Patricks Sprinter, das war wie Modern Talking nach 2004 – nicht vorstellbar. Sie fand die Gänge nicht, sie kam mit den Außenspiegeln nicht klar, sie hatte einfach kein Gefühl für dieses motorisierte Ungetüm. Mein Grinsen machte sie wütend, was zu trotzigen Reaktionen ihrerseits und zu Lachanfällen meinerseits führte.
Maya gab auf, was ihr gar nicht gefiel, und so fuhren wir die kommenden Kilometer in Begleitung meines Radiosenders.
Jetzt aber steht sie neben dem Sprinter und ist stolz wie Oscar. Während ich näher komme, schiebt sie die Seitentür auf und gibt den Blick auf meine Couch frei. Auf dieser liegen all unsere Kissen und Decken, die wir bei unserer Abreise mitgenommen haben. Jetzt hat sie alles schön hergerichtet, es sieht fast gemütlich aus.
„Wir sollten ein bisschen schlafen. Sonst fährst du uns noch gegen einen Baum.“
„Ich schaffe das schon.“
Aber die Wahrheit ist: noch nie sah meine Couch besser und gemütlicher aus als in diesem Moment. Maya greift nach meiner Hand, zieht mich zu sich und umarmt mich fest. Das hat sie inzwischen perfektioniert. Ganz im Ernst, manchmal umarmt man Leute und merkt sofort, es passt nicht zusammen, es fühlt sich falsch und gestellt an. Aber mit Maya ist es anders. Ihr Körper hat sich inzwischen perfekt an meinen angepasst. Als würde man ein letztes Puzzlestück in das Gesamtbild einfügen, ganz ohne Mühe, weil es eben der perfekte Platz ist. Sie weiß ganz genau, wo sie ihre Arme, ihren Kopf und ihre Hände hinlegen muss, um möglichst viel von meinem Körper an ihrem zu spüren. Ich bin dann schnell hilflos und ergebe mich.
„Jonas, du musst ein bisschen schlafen, ich bitte dich.“
Und so kriechen wir unter drei Decken, liegen ganz eng bei einander, und hoffen, es wird bald warm. Mayas Hände steckt sie unter die Decke, ihre Mütze hält die Locken zurück. Ich habe meine Mütze bis über die Augen und die Jacke übers Kinn gezogen.
Es ist frisch, es ist fast schon ungemütlich, aber mein Rücken dankt mir diese kurze Pause. Mayas warmer Atem an meiner Wange macht auch diesen Moment unverzichtbar. Langsam schiebt sich ihre Hand unter meine Decke, unter meinen Pullover, unter mein T-Shirt, zupft mein Unterhemd aus der Hose und legt ihre aufgewärmte Hand auf meinen Bauch. Etwas, das sie sehr gern tut und ich sehr genieße. Es ist unsere kleine Art von Intimität.
Mit einem Lächeln schlafe ich ein.
Meine Nase ist noch immer kalt, aber zumindest habe ich wieder ein Gefühl in den Fingern, mit denen ich das Lenkrad umschlossen halte. Schlafen in einem unbeheizten Sprinter in der französischen Autobahnwüste im Frühjahr wird nicht den Top-Spot in meinem Unterhaltungsprogramm mit Maya erklimmen.
Während der nächsten Stunden wird Maya immer stiller, die Stimme der Navigationsfrau immer schwerer zu ertragen und die Strecke immer fremder. Ein ungutes Gefühl macht sich in meiner Magengegend breit. Ob es der Hunger, der abgelaufene Thunfisch mit der säuerlich schmeckenden Mayonnaise, oder doch meine Panik ist? Panik wovor? Ich sehe immer wieder die leuchtenden Anzeigen auf meinem Armaturenbrett. Ich weiß auswendig, wie schnell ich fahre, welche Lichter ich eingeschaltet und wie viele Liter Benzin ich noch im Tank habe. Aber die Anzeige, die mir am grellsten entgegen leuchtet, ist eine ganz andere. Es ist die Uhr, die mir unmissverständlich klar macht: Fuchs, deine Zeit tickt! Fünf Tage sind bald um. Wenn ich heimlich zu Maya schaue, werde ich traurig; denn sie wird mit jedem Kilometer aufgeregter. Ich weiß jetzt, was sie mit den fünf Tagen meint. Wir haben alles erlebt, was man erleben kann in diesen fünf Tagen. Ich habe mich zuerst verguckt, dann verknallt und schließlich verliebt. Wer behauptet, man braucht Wochen oder Monate, um zu wissen, ob man verliebt ist oder nicht, der lügt. Weil man nämlich nicht auf den Kopf hört. Man hört auf das Herz. Und das Herz weiß sofort, ob es verliebt ist. Meines hat die Schlagzahl erhöht, als Maya sich zum ersten Mal in meinen verbeulten Ford Fiesta gesetzt hat. Danach waren wir (also ich und mein Herz) auf Wolke sieben. Nur leider nicht nonstop. Maya wollte gehen, mein Herz mitnehmen, es zertrümmern, zertreten und zerschlagen, nur um es dann wieder zusammenzukleben und schützend in ihrer Hand zu halten. Das Blöde an diesen fünf Tagen ist, ich habe Gefallen daran gefunden. Ich möchte mehr! Ich möchte noch viel, viel mehr davon!
Spanische Autobahn ist wie deutsche Autobahn. Nur spanischer. Vielleicht sehe ich auch nur deswegen alles etwas bunter, weil ich die zweite Dose Red Bull trinke, um den ätzenden Geschmack von der Bohne mit „Popcorn Peanut Butter“-Geschmack runterzuspülen. Maya hat Spaß daran, auch wenn die Augen deutlich ihren Müdigkeitszustand anzeigen. Nur eine Frage der Zeit, bis ihr Kopf gegen die Scheibe sinkt und ihre Atmung ruhig und gleichmäßig wird.
Jetzt redet nur noch die Navitante mit mir, zu meinem Glück auf Deutsch, was die Aussprache der spanischen Städte und Ortschaften zu einer humoristischen Einlage auf der trüben Autobahn macht. Es wird wärmer, das merkt man selbst im Wagen. Auch in Spanien scheint man noch auf den warmen Frühling zu warten, aber im Vergleich zu Stuttgart ist es hier deutlich wärmer.
Maya schläft, als wir das Ortsschild von Barcelona passieren. Einen kurzen Moment möchte ich sie wecken, damit sie dabei ist, aber ich tue es nicht. Ich habe Angst davor. Es ist kurz nach zweiundzwanzig Uhr, ich bin müde, ausgebrannt, hungrig und ängstlich. Dieser Zustand kommt einem betrunkenem Zustand sehr nahe, und ich habe Angst, mich gegebenenfalls genauso zu benehmen. Also lasse ich Maya schlafen und hoffe auf noch etwas Zeit.
Ich denke nach. Ich muss etwas tun, etwas Besonderes. Etwas, das ihr zeigt, wie sehr ich sie liebe, ohne es zu sagen. Eine Geste. Es muss ein Moment sein, den sie nie mehr vergessen wird.
Und manchmal, wenn man nicht weiß was man tun soll, taucht hier und da ein kleines Schildchen auf, das uns den Weg weist. Schicksal vielleicht? Ich glaube nicht an Schicksal, ich glaube an Karma. Ich denke, wir Menschen haben eine Art Konto für gute Taten, auf das wir einzahlen, wann immer wir etwas Gutes tun. In meinem Fall würde es mich nicht wundern, wenn ich jetzt gerade schwarze Zahlen schreibe. Aber es muss einiges auf dem Konto sein, um mir jetzt dieses Schildchen zu schicken. Und so setze ich den Blinker, obwohl sich die freundliche Stimme des Navigationssystem heftig beschwert und mich dringend dazu auffordert, zu wenden oder bei der nächsten Möglichkeit rechts wieder abzubiegen. Aber wenn ich schon nicht auf die Stimme in meinem Kopf höre, wieso dann auf sie? Ich folge dem Schild und taste mich mehr und mehr in ein buntes Barcelona. Jede Straße überrascht mich mit einer anderen Kleinigkeit, die es so in anderen Städten wohl nicht geben wird. Eine Sammlung von Ideen und kreativen Momenten, so bunt und lebendig. Anders und wild, doch gleichzeitig so ruhig. Als hätte diese Stadt ihre Ruhe gefunden, als wäre sie angekommen.
Mayas Kopf schaukelt hin und her, während ich versuche, auch enge Straßen geschmeidig mit dem Sprinter zu befahren. Ich will sie noch nicht wecken. Nur noch ein paar Straßen, nicht mehr lange. Ich wünsche mir sehr, dass auch Maya in Barcelona ankommen wird. Sie hat es verdient.
Ich stelle den Motor ab und sehe auf das beleuchtete Gebäude vor uns. Es sieht prachtvoll aus in der Nacht. Ein schlafender Gigant. Meine Arme fühlen sich schwer an, als ich aus dem Sprinter steige und mich die Luft im spanischen Küstenort umgibt. Es riecht nach Meer, ganz anders als in meinem Stuttgart. Leichter, aber auch spannender.
Ich gehe um den Sprinter herum und betrachte Maya hinter der Scheibe. Sie bewegt sich, nicht mehr lange, und sie wird aufwachen. Ich kenne sie inzwischen, weil ich zwei Nächte neben ihr liegen durfte und hunderte von Kilometern mit ihr an meiner Seite verbracht habe. Kleinigkeiten haben sich in mir verankert. Sie reibt sich kurz über die Nase und das Gesicht, dann öffnet sie die Augen und ihr Blick geht suchend zu ihrer Linken. Aber ich bin nicht da. Sie sieht sich um, dann raus zu mir. Ein verstörtes Lächeln umspielt ihre Lippen, als sie mich erkennt. Schön zu sehen, wie sie langsam zurück in die Realität findet, erneut die Augen reibt und sich etwas streckt. Vermutlich weiß sie noch nicht, dass wir bereits angekommen sind. Ich gebe ihr ein paar Sekunden, dann deute ich auf das Gebäude vor uns. Ihr Blick folgt meiner Hand, bis sie sieht, wohin ich sie gebracht habe. Ihre Augen betrachten das Gebäude und ich warte auf ein Zeichen, dass sie verstanden hat. Sie beugt sich weiter vor, liest das beleuchtete Schild. Ihre Augen werden größer, wie Untertassen sehen sie aus. Ihr Mund steht offen, bevor er sich zu einem Lächeln verzieht. Ein breites Lächeln. In ihren Augen sammeln sich Tränen, und wieder sieht sie zu mir. Ihre Lippen formen Worte, die ich durch die Scheibe nicht verstehen kann.
„Was?“
Sie legt ihre Hand gegen die Scheibe, und ich tue es ihr gleich. Das Glas fühlt sich kalt an und beschlägt unter der Wärme meiner Handfläche. Ich spüre es gegen meine Fingerkuppen, aber es kann uns nicht trennen. Mayas Gesicht strahlt, als sie einen Kussmund auf der Scheibe hinterlässt, bevor sie die Tür aufreißt und zu mir ins Freie springt. Nur ein Schritt, dann habe ich sie in meinen Armen und spüre, wie fest sie sich an mich drückt.
„Danke, Jonas!“
Ich möchte es durch einen blöden Spruch herunterspielen, weil ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll, aber so weit komme ich nicht, denn sie küsst mich. Zuerst stürmisch und leidenschaftlich, dann sanft und zärtlich, während sie mich so fest hält, wie sie nur kann.
Hinter uns in der Nacht von Barcelona leuchtet das Picasso-Museum. Maya muss sich nicht mehr hierher denken, um hier zu sein. Sie ist es einfach.