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5Talaith war sich sicher, dass die Göttin sie im Lauf der Nacht holen würde. Natürlich blieb die traurige Wahrheit, dass sie sich nicht entscheiden konnte, was das schlimmere Übel war – die Göttin oder der Drache.

Darüber würde sie sich im Moment aber keine Gedanken machen. Die Sonnen gingen auf, und sie wusste, dass der Drache bald würde aufbrechen wollen. Trotzdem fühlte sie sich sicher und warm. Natürlich kam ihr das jetzt, wo sie darüber nachdachte, seltsam vor. Denn am Abend zuvor war sie mit klappernden Zähnen und eng zusammengerollt eingeschlafen. Es wurde so schlimm, dass sie fast nach dem Drachen gerufen hätte, aber sie hatte es nicht fertiggebracht. Ihr Stolz hatte es ihr einfach nicht erlaubt.

Talaith öffnete mühsam die Augen. Baumwipfel wiegten sich über ihr im Wind. Ein Sturm zog auf, das roch sie. Warum war sie dann nicht am Erfrieren – oder schon längst erfroren?

Sie senkte den Blick und bemerkte, dass eine dicke, glänzende Mähne silbernen Haares ihren ganzen Körper bedeckte. Ihren ganzen nackten Körper. Mit einem Seitenblick nach links sah sie die menschliche Gestalt des Drachen neben sich ausgestreckt. Er lag auf dem Bauch, hatte einen muskulösen Arm um ihre Taille gelegt und seinen eigenen Körper eng an ihre Seite gepresst; sein schönes Gesicht war im Schlaf sogar noch schöner.

Er hat die längsten Wimpern, … oh, gute Götter. Talaith, beherrsch dich!

Bevor sie in Panik verfallen konnte, schloss sie die Augen und benutzte das winzige bisschen Magie, das die Göttin ihr zu behalten erlaubt hatte, um zu untersuchen, was der Drache mit ihr gemacht hatte, während sie schlief. Ein paar Sekunden später wusste sie, dass er nichts getan hatte, als die ganze Nacht neben ihr zu liegen. Keine Zauberformeln. Keine Lustzauber. Und er hatte sie definitiv nicht gevögelt.

Da er sein Versprechen ihr gegenüber nicht gebrochen hatte, fühlte sie sich sicher genug, um sich umzudrehen und zu sagen: »Nimm deine dreckigen Pfoten von mir!«

Ohne seine offensichtlich bequeme Lage zu ändern oder die Augen zu öffnen, antwortete er ruhig: »Jetzt werd mal nicht zickig. Ich musste etwas tun. Deine klappernden Zähne hätten mich die ganze Nacht wachgehalten … und zieh mich nicht an den Haaren.«

Sie zog schnell ihre Hand zurück, mit der sie gerade seine silbernen Haarsträhnen hatte packen wollen. »Lass mich gehen.« Sie versuchte, sich aus seinem Griff herauszuwinden.

Stattdessen stöhnte er.

»Du solltest wirklich damit aufhören. Oder besser: weitermachen!«

»Was weitermachen?«, frage sie abwesend, während sie verzweifelt versuchte, ihren Dolch zu erreichen, der an ihrem Bein festgeschnallt war. Hatte er ihn ihr gelassen, weil er wusste, wie viel sicherer sie sich fühlte, wenn sie ihn bei sich hatte? Wahrscheinlich nicht. Das hätte ja bedeutet, dass er sich über jemanden oder etwas anderes als sich selbst Gedanken machte.

Sein Griff um ihre Taille wurde fester, er schlug seine Augen auf und warf ihr einen heißen Blick zu. »Hör auf, dich zu winden, oder ich kann für nichts mehr garantieren, Frau!«

Hilfe! »Oh. Entschuldigung.« Sie verzog das Gesicht, als ihr bewusst wurde, dass sie sich eben bei diesem Riesendummkopf entschuldigt hatte. »Wenn du mich gehen lässt …«

»Ich will dich aber nicht gehen lassen.« Die Hand an ihrer Taille glitt jetzt auf und ab und liebkoste ihre Haut. »Du bist weich. Überall.«

Das konnte jetzt leicht ausufern. Vor allem, wenn sie ihre eigenen Triebe bekämpfen musste. Es war lange her, seit sie mit ihrem Ehemann oder überhaupt einem Mann zusammen gewesen war. Wenn der Drache bloß hässlich oder sonst irgendwie abscheulich gewesen wäre! Aber das war er nicht. Seine Drachengestalt jagte ihr zwar Angst ein, stieß sie aber nicht ab.

»Ich glaube, du musst …«

»Weißt du«, – er küsste ihre Schulter, und sie musste die Augen schließen und die Zähne zusammenbeißen, um nicht zu stöhnen – »du wärst letzte Nacht erfroren, wenn ich nicht gewesen wäre.« Seine Zunge glitt heraus und leckte eine kleine Narbe an ihrem Schulterblatt. »Damit habe ich dir schon zum zweiten Mal das Leben gerettet.«

Ihre Nippel stellten sich auf, und sie hatte das starke Bedürfnis, sich selbst zu ohrfeigen. »Dieses Mal zählt nicht. Ohne dich wäre ich gar nicht hier.«

Er stützte seinen Kopf auf einen Arm, während sich seine andere Hand weiterhin auf ihrer Haut bewegte und sie Dinge denken ließ, von denen sie sicher wusste, dass sie moralisch falsch waren. »Wäre es dir lieber gewesen, wenn ich dich in diesem winzigen Müllhaufen gelassen hätte, den du ein Dorf nennst?«

»Nein. Aber du hättest mich in jeder größeren Stadt zwischen dort und hier absetzen können.«

Gähnend und die Augen schließend, rieb er ein Bein an ihren Beinen, was sie langsam ein klein wenig aus dem Konzept brachte. »Und so ein süßes junges Ding wie dich auf Gedeih und Verderb diesen rauen Straßen ausliefern? Was für ein Drachenheld wäre ich, wenn ich das täte?«

Drachenheld? Es musste hübsch sein in seinem Phantasieland. »Hör mal, ich … Hör auf damit!«, herrschte sie ihn an, als er seinen Kopf ein wenig neigte und mit seiner Nasenspitze ihren Nippel rieb.

Diese kleine und ziemlich eigenartige Bewegung schickte Hitzewellen durch ihren ganzen Körper. »Ich brauche dich nicht, um mich zu beschützen, und auch sonst keinen.«

Er starrte ihre Brüste und ihre inzwischen schmerzhaft harten Nippel an. »Aber du bist so weich und zerbrechlich.«

Weich und zerbrechlich? Erst vor einer Woche hatte sie eine verirrte Kuh aus einem Schlammloch gezogen.

»Ich bin nicht weich und zerbrechlich. Ich bin … ich bin …«

Unfähig weiterzusprechen, beobachtete sie ihn – sein Mund so dicht an ihrer Brust – und wusste genau, was er tun würde, lange, bevor er es tat. Trotzdem bekam sie Angst wie eine kleine Jungfrau, als er seinen Mund öffnete und sein Kopf sich senkte.

»Ich dachte, du hättest gesagt, wir müssen früh aufbrechen«, platzte sie heraus, als seine Zunge ganz sachte die Spitze ihres Nippels berührte. Es kostete sie all ihre Kraft, sich ihm nicht entgegenzuwölben und um mehr zu betteln.

Der Drache hielt inne und knurrte. Schläfrige veilchenblaue Augen sahen zu ihr auf. »Gibt es auch mal einen Moment am Tag, wo du nicht redest?«

»Nein.«

Er sah sie an, und einen Augenblick lang fürchtete sie, er würde sie ignorieren und sich einfach weiter mit ihren Brüsten amüsieren. Wenn er das tat, würde sie nicht mehr in der Lage sein, ihn aufzuhalten. Hauptsächlich, weil sie es eigentlich auch gar nicht wollte.

Stattdessen löste er sich seufzend von ihr, und sie spürte sofort seine fehlende Körperwärme. Talaith zog die Beine an und schlang ihre Arme darum. Seine langen Haare glitten über ihre nackte Haut und ließen ihr Herz rasen, während er sich aufsetzte.

»Na schön. Je schneller ich dich zu Hause in meiner Höhle habe, desto schneller finden wir eine Lösung.«

Zu Hause in seiner Höhle? Das klang nicht so gut. »Eine Lösung wofür?« Ihre Zähne begannen wieder zu klappern, und er funkelte sie verärgert an.

Mit einem Feuerstoß entfachte er wieder das Lagerfeuer. »Was glaubst du?« Abwesend hob er den Kopf und schnüffelte. Er lächelte. »Bleib hier.«

Schon war er aufgestanden und im Wald verschwunden.

Mit einem Kopfschütteln nahm sie ihr Nachthemd – sie gab sich dabei größte Mühe, sich nicht vorzustellen, wie er es ihr vom Körper gestreift hatte, während sie schlief – und zog es wieder an.

Sie zwang sich aufzustehen und sich zu bewegen und legte mehr Holz und Zweige auf das Feuer. Sie konnte sich irren, aber sie fragte sich, ob das wirklich Schreie und Schlachtrufe waren, die sie in der Ferne hörte. Sie konnte nicht sicher sein, also beschloss sie, sich keine Gedanken zu machen, denn die Geräusche kamen nicht näher.

Schließlich kam der Drache zurück. Er hatte einen großen Tornister über seine Schulter gehängt und ein hübsches schwarzes Kleid in der Hand.

»Hier. Schau mal, ob es dir passt. Ich kann dich in diesem hässlichen Nachthemd nicht mehr sehen.«

Sie sah an sich herab. »Abgesehen von dem Schmutz – für den ich dir die Schuld gebe – was genau stimmt nicht damit?«

»Es ist fade, gewöhnlich und langweilig. All das bist du nicht. Also zieh es aus und zieh das hier an. Zumindest hält es dich warm, bis wir dir bessere Kleider besorgt haben.«

Talaith nahm ihm das Kleid ab. Es war aus feinster Wolle, und sie schätzte, dass es mehr Gold gekostet hatte als alle ihre Kleider zusammen. Aber ihr Retter hatte keine Taschen, ob nun als Drache oder als Mensch – wo hatte er es also her?

»Wo hast du das Kleid gefunden?«

Er deutete hinter sich, wo er hergekommen war. »Ein Gespann auf der Straße.«

Talaith schauderte. Jetzt wusste sie, dass die Schreie nur zu echt gewesen waren. »Willst du mir damit sagen, dass du das Mädchen umgebracht hast, dem dieses Kleid gehörte?«

»Nein. Das will ich dir damit nicht sagen. Sie ist schreiend davongerannt. Genau wie ihre pummeligen Mägde. Die Soldaten allerdings, die bei ihr waren …«

Sie hob eine Hand. »Bitte nicht.«

»Sie müssen dir nicht leid tun. Sie sind Feinde der Gefährtin meines Bruders … glaube ich. Vielleicht. Na ja, jedenfalls war es wie zwei Fliegen mit einer Klappe.«

Als sie ihn nur anstarrte, hielt er den Tornister hoch. »Beeil dich und zieh dich um, damit du etwas essen kannst. Sie hatten Brot und Käse dabei.«

Seufzend legte Talaith das Kleid vorsichtig hin und wandte dem Drachen den Rücken zu, um ihr Nachthemd auszuziehen. Als sie nackt war, raffte sie das schwarze Kleid rasch vom Boden auf und zog es hastig über, da sie wusste, dass der Drache jede ihrer Bewegungen beobachtete.

Sie band das Mieder und drehte sich zu dem Drachen um. »Na?«

Er lächelte warm. Und zum ersten Mal im Leben fühlte sich Talaith schön. »Viel besser.«

Sie griff nach dem Nachthemd, entschlossen, es zu waschen, sobald sie konnte, doch ein kleiner Feuerball kam ihr zuvor und zerstörte den Stoff in Sekunden.

Sie sah den Drachen mit einer hochgezogenen Augenbraue an. »War das wirklich nötig?«

Er zuckte die Achseln. »Ich habe dieses Nachthemd wirklich gehasst.«

»Ich glaube, das habe ich verstanden.«

 

Sie war hungrig. Zumindest hatte sie das gesagt. Selbst nach dem Brot und dem Käse. Also war er nach ein paar Stunden Flug auf einer Lichtung gelandet, und jetzt gingen sie durch den Wald auf ein Dorf zu, um ihr etwas zu essen zu besorgen. Und die ganze Zeit über redete sie. Pausenlos.

Es waren hauptsächlich Beschwerden. Aber auch Beobachtungen zu allem Möglichen. Pausenlos.

»Solltest du nicht irgendwo in einer Höhle leben und darauf warten, dass dir Jungfrauen zu Füßen gelegt werden oder so etwas?«

»Na ja, ich …«

»Ich meine, wie lange soll dieser Wahnsinn hier noch weitergehen?«

»Hör zu, ich …«

»Hast du je darüber nachgedacht, wie ich mich bei alldem fühle? Nein, warte. Du musst dir keine Mühe geben, das zu beantworten. Ich kann mir gut vorstellen, was wir einfachen Menschen deiner Meinung nach denken.«

Sie sah ihn über ihre Schulter hinweg an. »Also? Hast du vor, etwas dazu zu sagen?«

Als er sie nur auslachte, stapfte sie weiter und brummelte vor sich hin.

»Sei nicht sauer«, rief er hinter ihr her. Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. »Ich bin nur nicht so viel … äh … Konversation gewöhnt.«

Ihre Augen wurden schmal. Von Minute zu Minute fand sie seine Drachengestalt immer weniger zum Fürchten. Schade, dass sie das nicht behaupten konnte, wenn er in Menschengestalt war. »Willst du damit sagen, dass ich zu viel rede?«

»Findest du nicht, dass du zu viel redest?« Er schlenderte zu ihr hinüber und bewunderte ihren Anblick in ihrem hübschen neuen Kleid. Obwohl nichts ihren Anblick, wenn sie nackt war, schlagen konnte. Ihr in der Nacht zuvor dieses grauenhafte Nachthemd vom Körper zu streifen, hatte alles wettgemacht, was er von ihr erdulden musste, seit er sie mitgenommen hatte. »Nicht, dass ich den Klang deiner Stimme nicht mag.«

Das überraschte sie. »Wirklich?«

»Aye.« Er umkreiste sie, und sein Schwanz schwang vor sie. »Du bist schön. Intelligent. Ein bisschen gemein.«

»Bin ich nicht!«

»Und du hast eindeutig etwas zu verbergen.«

Ihr Körper versteifte sich bei dieser Feststellung, aber sie sagte nichts. Er schlang seinen Schwanz sanft um ihre Beine und genoss den kleinen Schauder, den er damit bei ihr auslöste. »Tust du das etwa nicht? Etwas verbergen?«

»Und wenn es so wäre, glaubst du wirklich, ich würde es dir sagen?«

»Das ist ein Argument. Aber trotzdem …« Er ließ seinen Schwanz an ihren Beinen hinauf und über ihren Hintern gleiten.

Sie schrie auf und schlug danach. »Hör auf damit!«

»Du bist viel zu klug und wortgewandt, um eine gewöhnliche Bäuerin zu sein. Du sagst, du kannst lesen und schreiben. Folglich bist du definitiv keine Standardbäuerin. Du bist aus Alsandair, hast aber trotzdem keine Familie in der Nähe. Ich habe noch nie eine Frau aus den Wüstenlanden getroffen, die ohne eine andere Frau oder ihre Sippe so weit nach Norden gereist ist. Wenn man dann noch diese Magie dazunimmt – ungenutzt, wohlgemerkt –, die einfach an deinem Körper abfließt wie Regenwasser: Da könnte ich schon auf die Idee kommen, dass du vielleicht etwas verbirgst.«

Sie stand schweigend da und starrte geradeaus.

»Wer bist du wirklich, kleine Menschenfrau?«

Dunkle Augen richteten sich auf sein Gesicht. »Ich bin eine Nolwenn-Hexe.« Es war eine ausweichende Antwort, aber sie faszinierte ihn dennoch.

»Eine Nolwenn-Hexe? Hier?« Jetzt war er ehrlich verwirrt. »Warum um alles in der Welt sollte eine Nolwenn-Hexe mit diesem Hanswurst zusammenleben, den du geheiratet hast?«

»Meine Mutter hat mich vor langer Zeit verstoßen. Also … bin ich … gegangen. Und kam in den Norden.«

Briec setzte sich auf seine Hinterbeine. »Dich verstoßen? Aber Nolwenn-Hexen können nur ein Kind haben. Normalerweise ein Mädchen, glaube ich.«

»Ich weiß!«, herrschte sie ihn an. »Glaubst du, ich kenne mein eigenes Volk nicht?«

»Aber was könntest du getan haben, kleine Hexe, um deine Mutter so weit zu bringen, dass sie das einzige Kind verstößt, das sie je haben wird?«

»Ich habe mich verliebt.«

Ah, jetzt verstand er. Nolwenn-Hexen banden sich nie fürs Leben. Nur, um Nachwuchs zu zeugen und innere Bedürfnisse zu befriedigen oder für bestimmte Ansprüche der alten Magie. Sie nahmen einander nie zum Gefährten. Stattdessen gehörte ihr Leben ihren strengen Wüstengöttern und der alten Magie.

»In deinen Ehemann?«

»Nein. In einen anderen. Und bevor du fragst: Er ist gestorben. Vor langer Zeit.«

»Und deine Mutter wollte dich nicht wieder aufnehmen?«

»Ich habe nie gefragt.«

»Du bist faszinierend.« Das war sie wirklich. Eine Nolwenn-Hexe? Hier? Er musste sie seiner Schwester vorstellen, einer weißen Drachenhexe. Nur ihre Mutter, die Drachenkönigin, besaß mehr Macht als seine Schwester.

Briec kam ein neuer Gedanke. »Wie alt bist du?«

Sie seufzte. »Zweiunddreißig Winter. Bald dreiunddreißig. Warum?«

»Du bist ja ein Kleinkind!« Wie Drachen waren Nolwenns nicht unsterblich, aber sie konnten bis zu sechs- oder siebenhundert Jahre alt werden.

»Vielleicht im Vergleich mit Drachen, aber ich bin immer noch ein Mensch, ob Hexe oder nicht.«

»Ich weiß. Wirklich tragisch.«

»Und warum ist das tragisch?«

»Weil …« Er rümpfte ein bisschen geringschätzig die Nase. »Menschen sind so schwach, lästig, weinerlich und dumm.« Sie wollte etwas sagen, aber er unterbrach sie. »Aber deshalb finde ich dich so faszinierend. Du bist nichts davon. Außer lästig.«

Sie schnaubte. Mehrmals, um genau zu sein, bevor sie sich umdrehte und davonstapfte. Das tat sie oft: davonstapfen.

»Sind wir mit unserem Gespräch fertig?«

»Ja.«

Er folgte ihr. »Aber ich habe noch mehr Fragen.«

»Du kannst dir deine Fragen sonst wohin schieben.«

Er schlug seinen Schwanz vor ihr auf den Boden. »Ich glaube, ich habe dich nicht richtig verstanden, kleine Hexe.«

»Du hast mich sehr wohl verstanden, und hör auf, mir mit diesem Ding zu drohen!« Sie trat gegen seinen Schwanz.

Bei den Göttern, sie war absolut anbetungswürdig!

»Ich habe dir nicht gedroht. Ich habe dich aufgehalten. Glaub mir … du würdest es merken, wenn ich dir drohe. Und jetzt« – er setzte sich wieder –, »Wo war ich? Ach ja. Du musst mir noch etwas erklären.«

Resigniert seufzend fragte sie: »Was?«

»Nolwenn-Hexen sind von Geburt an mächtig.«

»Manche. Wenn alle richtigen Zauber vor, während und nach der Geburt gewirkt werden«, antwortete sie, während sie plötzlich anfing, um ihn herumzugehen und Wildblumen zu pflücken. Das kam ihm merkwürdig vor. Sie schien ihm nicht gerade der Typ zu sein, um Blumen zu pflücken.

»Aber obwohl dich alte Magie umgibt, nutzt du sie nicht wirklich.«

»Das ist allerdings wahr.« Sie ging um ihn herum, immer noch Blumen pflückend. »Ich habe sie nicht praktiziert oder studiert, seit ich Alsandair verlassen habe.«

»Verstehe. Na ja, vielleicht könnte ich …« Er hatte sich umgedreht, um direkt mit ihr zu sprechen, aber sie war nicht mehr hinter ihm.

Briec sah sich um und merkte schnell, dass sie nicht nur nicht mehr hinter ihm war. Sie war gar nicht mehr da.

Die kleine Hexe war fort!

 

Talaith kauerte auf dem höchsten Ast, der ihr Gewicht aushielt. Es war nicht leicht gewesen, so schnell über ihn hinweg und aus seinem Blickfeld heraus zu kommen … das Biest war riesig. Sie sah finster auf den großen, silbernen Kopf dieses arroganten Idioten hinab.

Lästig? Ich bin lästig? Hatte er denn absolut keinen Schimmer, was für ein Mistkerl er war? Eindeutig nicht, sonst hätte er sie gehen lassen. Aber er war entschlossen, sie zu besitzen. Nein, nein, nein. Das würde nicht passieren. Sie hatte schon einige komische und dumme Dinge getan, aber einen Drachen zwischen ihre Beine zu lassen würde keines davon werden.

Konzentriert verlangsamte Talaith ihre Atmung und ihren Herzschlag. Drachen hatten ein erstaunliches Gehör, hatten ihre Ausbilder gesagt, also benutzte sie all ihre Fähigkeiten, um sicherzugehen, dass er sie nicht hörte. Sie verschmolz mit den Schatten der Äste und Blätter, damit seine Drachenaugen sie nicht erspähten.

Das Einzige, was sie nicht kontrollieren konnte, war seinen scharfen Sinn für …

Der Drache schnüffelte, dann sah er sie direkt an. »Da bist du ja, meine kleine Hexe.«

Verdammt.

Bevor sie auch nur daran denken konnte, wieder nach unten zu klettern, packte er den Baum mit seinen beiden Vordertatzen und schüttelte ihn. Schreiend fiel Talaith herab. Aber sein verfluchter Schwanz fing sie auf, kurz bevor sie auf dem Boden auftraf.

»Das war ja verblüffend, kleine Hexe. Sag mir, wo hast du gelernt, dich so schnell zu bewegen und dich so gut zu verstecken? In deinem kleinen Dorf, nachdem du am Morgen das Brot gebacken hast?«

Er lachte über seinen eigenen Witz und machte sich wieder auf den Weg in die Stadt, wobei sie immer noch in seinen Schwanz eingewickelt war.

»Ja, ich hatte recht, was dich angeht. Du bist faszinierend. Du und ich, wir werden so viel Spaß zusammen haben, meine kleine Hexe.«

Könnte ich ihn noch mehr hassen? Sie dachte einen Augenblick darüber nach. Nein, ich könnte ihn nicht noch mehr hassen als ich es schon tue.