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21Als Annwyl aufwachte und feststellte, dass Fearghus neben ihr stand, die Arme vor der breiten Brust verschränkt und die Zähne fest zusammengebissen, war ihr klar, dass es Ärger gab.
»Wir müssen über die Sache mit deiner Mörderin sprechen, Gefährtin.«
Irgendwie hatte sie es in der vergangenen Nacht geschafft, ihn davon abzulenken. Wahrscheinlich als sie ihren Mund um sein Glied schloss. Aber diese Taktik würde heute Morgen eindeutig nicht funktionieren. Sie ging davon aus, dass er schon seit einer ganzen Weile wach war … und vor Wut kochte. Manchmal war es so einfach für sie, ihn abzulenken, wenn er wütend war. Es ärgerte ihn immer noch ziemlich, dass sie so etwas vor ihm geheim gehalten hatte. So etwas hasste Fearghus wirklich. Aber ihm von Talaith zu erzählen, hätte ihn nur unnötig aufgeregt. Das würde er allerdings nie verstehen.
»Fearghus, es gibt nichts zu erzählen. Also lass es gut sein.« Sie versuchte, sich umzudrehen, um weiterzuschlafen, doch da bemerkte sie, dass er sie ans Bett gebunden hatte.
»He! Du verdammter Mistkerl! Bind mich los!«
Seine Finger strichen an der Innenseite ihres Beins entlang. »Nicht, bevor wir nicht ein hübsches, langes Gespräch darüber hatten, dass du Dinge vor mir geheim hältst. Wir haben den ganzen Morgen Zeit. Und meine Geduld ist grenzenlos.«
O-oh.
Talaiths Augen sprangen auf, als sie die Königin der Dunklen Ebenen aufschreien hörte: »Götter! O Götter! Fearghus!« Da das nach allem anderen als nach echtem Schmerz klang, machte sich Talaith keine Sorgen.
Stattdessen grinste sie. Diese beiden.
Sie streckte sich und genoss das Gefühl von Briecs Umarmung. Da sie es eigentlich heute Morgen nicht besonders eilig hatte …
Sie drehte sich um und flüsterte heiser: »Es wird Zeit, dass wir ihn aufwecken, diesen tollen, großen – Izzy!«
Am Fußende des Bettes stand ihre einzige Tochter. Das Mädchen grinste sie an.
»Wie bist du … wie bist du hier hereingekommen?«
»Hab das Schloss geknackt.«
Während sie hastig die Felldecken, in die sie zum Glück bereits eingewickelt war, fester zog, bemerkte sie: »Gut zu wissen, dass du diese Fähigkeit besitzt.« Mit einem Ellbogenstoß weckte sie Briec.
»Was?«
»Schau, wer gekommen ist, um uns zu wecken.« Vielleicht würde sich sofort der Boden auftun und sie in den Höllenschlund zerren, dann müsste sie nicht auf ihren Tod warten.
Briec kratzte sich am Kopf und gähnte. »Morgen, Izzy.« Er rieb sich die Augen. »Wie du vielleicht bemerkt hast, verärgerst du deine Mutter gerade. Warum genau bist du also hier?«
»Um sicherzugehen, dass du sie gut behandelt hast.« Ihre Tochter grinste, und Talaith erinnerte sich, diesen Ausdruck mehr als einmal auf dem Gesicht von Izzys Vater gesehen zu haben. Das war wahrscheinlich der eigentliche Grund gewesen, warum sie ihr Herz an ihn verloren hatte. »Und es sieht aus, als hättest du das.«
Peinlich berührt schrie Talaith auf: »Iseabail! Raus!«
»Kein Grund zu schreien.« Sie schlenderte zur Tür. Inzwischen trug sie nicht mehr ihr Kleid, sondern eine Lederhose, Stiefel und ein grünes, weiches Baumwollhemd. »Ich lasse die Diener Essen und heißes Wasser für ein Bad heraufbringen.«
Die Diener? Es schien, als hätte sich ihre Tochter schnell an das Leben bei Hof gewöhnt.
Izzy zog mit Leichtigkeit die schwere Holztür auf. »Und kein Grund zur Eile.«
Das Mädchen, das Talaith in diesem Moment gern enterbt hätte, trat auf den Flur hinaus, aber bevor sie die Tür schloss, hörte Talaith ihre Tochter sagen: »Ich hab dir doch gesagt, dass mich kein Schloss aufhalten kann, Gwenvael. Jetzt schuldest du mir zehn Goldstücke.«
Talaith vergrub ihr Gesicht in den Händen, aber leider hörte sie trotzdem, wie Briec sagte: »Ich mag sie.«
»Halt die Klappe.«
Stunden später fand Talaith Annwyl schlafend auf ihrem Thron. Die Beine hatte sie über die Armlehnen geworfen, ihre gebrandmarkten Arme waren vor ihrer üppigen Brust verschränkt … und sie schnarchte.
Ja. Sehr attraktiv, Königin Annwyl.
Sie hatte keine Lust zu warten, bis sie aufwachte, deshalb tippte sie ihr auf die Schulter. Doch als sie die Spitze von Annwyls Dolch an ihrer Kehle spürte, erstarrte sie. Die Königin hatte noch nicht einmal die Augen geöffnet. Als sie es schließlich doch tat, blinzelte sie mehrmals. »Oh. Entschuldige, Talaith.« Sie steckte den Dolch zurück in sein Futteral an ihrer Seite.
Sie gähnte und streckte sich und fragte: »Was ist los?«
»Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht Lust hast, mit mir auszureiten?«
Sie musste aus der Burg hinaus, solange sie die Gelegenheit dazu hatte. Briec hatte sie noch einmal vier Stunden im Bett festgehalten, bevor er schließlich rasch ein Bad genommen hatte und dann verschwunden war. Sie wusste, dass er sie wieder flachlegen würde, bevor sie auch nur blinzeln konnte, wenn er sie irgendwo in der Nähe dieses Zimmers oder irgendeines Schlafzimmers fand.
Annwyl setzte sich auf, verzog aber das Gesicht. »Also gut, ich komme mit. Aber kein Trab oder Galopp. Ich bin wund an meiner …«
»Ehrlich, meine Königin. Mehr Details will ich nicht wissen.«
»Wie viel Zeit haben wir?«
Gwenvael setzte sich auf seine Hinterbeine. »Wochen. Seine Armee ist groß. Sie kommt nicht so schnell vorwärts.«
Fearghus hatte sie nach Madron geschickt, um herauszufinden, wie weit Hamish gehen würde, um Annwyl zu vernichten. Offenbar ziemlich weit. Sie hatten schnell herausgefunden, dass seine Armee auf dem Weg zu den Dunklen Ebenen und zu Annwyl war.
»Trotzdem«, warf Briec ein. »Wir sollten bereit sein, wenn er hier ankommt.«
Fearghus sah zu Gwenvael, dann wieder zu Briec. »Wir? Hast du vor zu bleiben?«
»Solange sie hier ist, bin ich auch hier.«
Seufzend entfernte sich Gwenvael von seinen Brüdern; er wusste, dass es sehr schnell Ärger geben würde.
»Tja, ich will sie hier nicht länger haben. Ich will, dass sie geht.«
Auf diese Anweisung von Fearghus schüttelte Briec nur den Kopf. »Nein. Sie bleibt.«
Gwenvael hatte normalerweise nichts gegen einen ordentlichen Kampf zwischen seinen Geschwistern, vor allem, wenn dabei keiner auf ihn achtete. Aber diesmal war es anders. Es fühlte sich … gefährlich an. Er hatte Fearghus nicht mehr so wütend gesehen, seit ihr Vater versucht hatte, Annwyl zu töten. Und Briec hatte er noch nie wegen irgendetwas so entschlossen gesehen.
»Sie hat versucht, meine Gefährtin zu töten.«
»Du tust, als wäre das das erste Mal.«
»Mach dich nicht über mich lustig, Briec!«
Die vier Brüder hatten sich für dieses Treffen an einem Fluss tief im Wald wieder in Drachengestalt verwandelt und sprachen sogar in der alten Sprache ihrer Sippe. Dadurch erschien Gwenvael die Situation noch ernster.
»Das tue ich nicht. Aber ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, dass du sie von hier vertreibst. Sie ist glücklich hier. Sie fühlt sich hier sicher. Genau wie ihre Tochter. Also bleiben sie beide.«
»Du kennst dieses Weib kaum, und trotzdem beschützt du sie wie …«
»Pass auf, wie du von ihr sprichst, Bruder!«
Gwenvael sah Éibhear an, der während dieses Gesprächs überraschend still gewesen war. Am Gesichtsausdruck seines kleinsten Bruders konnte er erkennen, dass ihm der Verlauf des Gesprächs genauso wenig gefiel. Sie mochten in seiner Familie vielleicht nicht sehr gut miteinander auskommen, aber sie beschützten sich immer gegenseitig. Gwenvael würde es gar nicht gern sehen, wenn eine Frau zwischen ihnen stünde.
»Dies ist mein Königreich, Briec«, knurrte Fearghus. »Ich rede von ihr, wie ich will.«
»Sie bleibt.«
»Sie geht.«
»Vielleicht«, schaltet sich Éibhear nun doch ein, »sollten wir die Frauen fragen.«
»Warum sollten wir das tun?«, fragten ihn die beiden Älteren im Chor.
Éibhear wies mit dem Kopf zur Seite. »Weil sie da gerade kommen.«
Alle vier blickten zu dem holprigen Pfad hinüber, der durch den Wald führte. Sie sahen Annwyl auf ihrem rabenschwarzen Schlachtross Violence und Talaith auf einer viel kleineren Stute, die Gwenvael nicht kannte. Das überraschte kaum: Annwyl hatte ihn dabei ertappt, als er Violence verspeisen wollte – die braune Stute war ihm wohl weniger verlockend erschienen.
Die Frauen ritten langsam zwischen den Bäumen hindurch und unterhielten sich leise. Talaith sah sie als Erste. Nun, eigentlich schien sie Briec zu sehen, bevor sie einen von den anderen sah. Das war wiederum auch wenig überraschend, genauso wie der Umstand, dass ihr Pferd scheute und sie fast abwarf.
Violence dagegen war inzwischen ganz gut an Drachen gewöhnt.
Annwyl sah die Brüder und kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Ich frage mich, was hier los ist?«, rief sie aus.
»Nichts, was dir Sorgen machen müsste, Gefährtin.«
»Tatsächlich?« Annwyl lenkte ihr Pferd näher heran, während Talaith Mühe hatte, ihre scheuere Stute zu bändigen. Sie machte das aber gar nicht schlecht.
»Warum glaube ich dir das bloß nicht … Gefährte?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht, weil hier in letzter Zeit so viel gelogen wird?«
»Ich habe dich nie angelogen, Fearghus.«
»Du hast mir nicht die Wahrheit gesagt.«
»Weil ich wusste, dass du dich so verhalten würdest. Und wenn es hier um Talaith geht – sie bleibt. Genau wie ihre Tochter. So lange, wie ich es sage.«
»Wir regieren dieses Königreich gemeinsam, erinnerst du dich daran?«
»Dein Aufgabenbereich sind Drachen. Menschen sind meiner.«
»Sie hat versucht, dich umzubringen, Annwyl!«
»Dein Vater auch, und dennoch ist er hier zum Essen willkommen.«
Gwenvael prustete. »Jetzt hat sie dich, Bruder.«
Fearghus’ Schwanz traf ihn so hart an der Schnauze, dass er einen Moment lang buchstäblich Sterne sah.
»Au! Was sollte das denn?«
»War ein Versehen.«
Annwyl ritt zu Fearghus hinüber. »Vertraust du mir nicht mehr, Fearghus?«
»Doch, natürlich …«
»Dann vertrau mir auch jetzt.«
Die beiden starrten sich lange an, dann streckte Annwyl schließlich die Hand aus und strich über Fearghus’ Hals. »Geh ein Stück mit mir, Fearghus.«
Er nickte, und schweigend gingen die beiden davon. Briec ging auf Talaith zu, aber seine Drachengestalt war anscheinend zu viel für ihr Pferd. Die Stute wich zurück, warf Talaith ab und stürmte in den Wald.
Talaith wartete, bis sie wieder atmen konnte, bevor sie mit Mühe ihre Augen öffnete. Sie hatte allerdings nicht erwartet, drei Drachenschnauzen zu sehen, die auf sie hinabstarrten.
Wie in einem Albtraum.
»Sie atmet!«
»Natürlich tut sie das. Ihr ist nur kurz die Luft weggeblieben.«
Jetzt war es so weit – sogar meine Albträume drehen durch.
Talaith setzte sich auf. Es war sehr schwer, nicht zusammenzuzucken, als die Schnauzen sie streiften.
»Könntet ihr bitte alle ein bisschen zurückgehen? Ihr bedrängt mich.«
»Entschuldigung, M’lady.«
Sie grinste Éibhear an. »Dass du mich ständig so nennen musst, Éibhear!«
»Mir kommst du wie eine Lady vor.«
»Das liegt nur daran, dass sie schon zu lange mit Annwyl unterwegs ist«, witzelte Gwenvael.
Talaith packte je eine Kralle der beiden jüngeren Brüder – sie konnte sie kaum mit ihrer ganzen Hand umgreifen – und ließ sich von ihnen hochziehen. Jetzt stand sie vor Briec. Er war noch immer in Drachengestalt, und sie betrachtete ihn genau.
Annwyl schien sich wohlzufühlen mit Fearghus, egal ob als Drache oder als Mann. Aber Briecs Drachenhälfte beunruhigte Talaith immer noch ein wenig.
Es liegt wahrscheinlich an den Schuppen … oder an den Reißzähnen.
»Geht es dir gut?«
»Aye.« Sie rieb sich ihr Hinterteil. »Nur ein paar blaue Flecke, das ist alles.«
Gwenvael neigte sich tief zu ihr hinab, seine Drachenschnauze streifte am Boden und seine Augen starrten auf ihr Hinterteil. »Vielleicht kann ich dir da helfen, M’lady.«
Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, rammte Briec ihm den Schwanz so gegen die Brust, dass er gegen die Bäume flog.
Éibhear schüttelte den Kopf und ging in die entgegengesetzte Richtung davon, auf eine Lichtung zu. »Das hat er sich wirklich selbst zuzuschreiben.«
Briec wartete, bis seine Brüder weg waren, dann wandte er sich Talaith zu. »Ich mache dir Angst, oder?«
»Wie kommst du darauf?«
»Ich kann es riechen.«
Hilfe!
»Sei nicht lächerlich …«, begann sie zu lügen.
»Talaith.«
»Oh, na gut. Ich finde dich ein bisschen … einschüchternd, wenn du so bist. Du bist so groß und so reißzahnig.«
»Gibt es das Wort überhaupt?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Was würde es dir dann leichter machen, Talaith?«
Sei runzelte die Stirn. »Was meinst du?«
»Was kann ich tun, dass du dich bei mir wohlfühlst? Denn die Tatsache, dass ich ein Drache bin, lässt sich nicht ändern. Ich kann Menschengestalt annehmen, aber ich bin keineswegs menschlich. Und um ganz ehrlich zu sein, möchte ich das auch nicht sein.«
»Ist es wichtig, ob ich mich bei dir wohlfühle oder nicht?«, fragte sie vorsichtig.
»Aye, Talaith. Das ist sehr wichtig.«
Talaith atmete zitternd aus; sie weigerte sich, mehr in diese Aussage hineinzuinterpretieren als das, was er tatsächlich gesagt hatte.
»Es sieht einfach so viel an euch, ähm, gefährlich aus.«
»Wir sind Raubtiere. Wir jagen. Wir töten. Wir reißen unser Futter.«
Talaith ging einen Schritt von ihm weg. »Wenn das helfen soll, dass ich mich besser fühle …«
»Es soll dir helfen zu verstehen, wer und was ich bin. Aber ich bin kein Monster, Talaith. Ich würde dir nie wehtun. Oder jemandem, der dir wichtig ist.«
»Ich weiß.«
»Wirklich?«
»Aye«, antwortete sie aufrichtig.
»Das ist doch schon ein großer Vorteil, oder?« Talaith brauchte einen Moment, um zu bemerken, dass er angefangen hatte, sie zu umkreisen. »Die Frage ist, süße Talaith, was müssen wir tun, um deine anderen Sorgen zu lindern?«
»Na ja … huch!« Sie zuckte zusammen, als seine Schnauze über ihren Rücken strich.
»Na ja was?«
»Ich … äh … ich weiß wirklich nicht … äh … was tust du damit?«
Briecs Schwanzspitze glitt ihren Rücken hinab, über ihren Hintern und langsam an ihren Beinen entlang. Sie trug zwar eine Hose, aber nicht aus dickem Stoff. Als sich sein Schwanz um ihr Bein wickelte, spürte sie es bis ins Mark.
»Briec, ich …«
»Sprich weiter, Talaith. Sag mir, was dir Angst macht.«
Alles? »Na ja, die Liste ist lang.«
»Ich meinte, an mir, oder an meiner Art, um genau zu sein. Mit deinen ganzen anderen Ängsten müssen wir uns ein andermal beschäftigen.«
Sie starrte ihn zornig an. Arroganter Mistkerl. »Na ja, deine Reißzähne sind ein kleines bisschen beunruhigend.«
Briecs Kopf schwang herab, bis sich seine Schnauze und ihre Nase berührten. Dann zog er seine Lippen hoch und entblößte seine riesigen, weißen Reißzähne.
»Was tust du?«
»Na los«, sagte er durch die geschlossenen Zähne, »fass sie an.«
»Nicht in diesem Leben!«
»Talaith, du musst deine Angst überwinden!«
»Nein, muss ich nicht. Ich kann weglaufen. Schreiend. Wie ein Mädchen.«
Sein Schwanz schloss sich fester um ihr Bein, und sie wusste, dass er sie nicht loslassen würde, bis dieser wahnsinnige Albtraum zu seiner Zufriedenheit abgeschlossen war.
»Fass sie an, Frau!«
Mit fest zusammengekniffenen Augen streckte sie die Hand aus und tastete. Dafür dass das Reißzähne sein sollten, fühlten sie sich gar nicht mal so hart an.
»Talaith … das ist mein Nasenloch, in dem du deine Hand hast.«
»Oh, bei den Göttern!« Hektisch wischte sie ihre Hände an der Hose ab und quietschte; jetzt schüttelte es ihren Körper vor Ekel statt vor Angst.
»Wir versuchen es noch mal, ja? Diesmal mit offenen Augen.«
»Kannst du nicht irgendwelche Kätzchen foltern? Oder irgendeine Stadt zerstören?«
»Talaith«, sagte er mit einem übertriebenen Seufzen, und sie wusste, dass sie es mit Briec dem Arroganten zu tun hatte. »Du und ich – habe ich das Gefühl –, wir sind füreinander bestimmt.«
»Oh, gute Götter«, ächzte sie.
Briec sprach weiter, als hätte er sie nicht gehört. »Damit das also funktioniert, müssen wir deine winzig kleinen Unsicherheiten beseitigen.«
»Deine Arroganz lässt mein Auge zucken.«
»Nur, weil ich dich nervös mache.«
»Nein. Ich bin mir relativ sicher, dass es wegen deiner Arroganz ist«, bellte sie. »Nein, nein. Vergiss es, Drache! Ich stecke meine Hand nicht in deinen Mund.«
Mit einem tiefen Seufzen setzte er sich auf. »Na schön. Wie wäre es dann damit …«
Sie quietschte erneut, als seine Schwanzspitze sich von ihrem Bein löste und plötzlich vor ihrem Gesicht erschien. »Würdest du bitte mit dem Ding aufpassen? Du haftest dafür, wenn du mir die Nase abschneidest oder so!«
»Fass ihn an.«
»Eigentlich hänge ich an meinen Fingern.«
»Na gut. Wie wäre es dann, wenn du meine Hörner berührst?«
»Also irgendwas läuft hier ganz schön schief.«
»Du machst alles so kompliziert!«
»Ich weiß nicht so recht, was du mir klarmachen willst.«
Frustriert verwandelte sich Briec und ging in Menschengestalt auf sie zu, bis er nur noch wenige Zentimeter vor ihr stand. »Dass du und die Deinen bei uns sicher sind. Du hast nichts zu befürchten. Genauso wenig wie deine Tochter. Und das wird auch immer so bleiben.«
Ihr Gesichtsausdruck wurde weicher, und ein Lächeln breitete sich auf ihren wundervollen Lippen aus. Éibhear hätte keinen besseren Zeitpunkt wählen können, um am Waldrand vorbeizurennen. Normalerweise wäre das nichts Außergewöhnliches gewesen. Er war ein junger, verspielter Welpe. Doch die Tatsache, dass Iseabail an seinem Schwanz hing, ließ bei Briec alle Alarmglocken schrillen.
»Äh …«
»Was ist los? Du bist gerade noch blasser geworden als sonst.«
Éibhear schüttelte seinen Schwanz. »Lass los! Lass los! Lass los!«
Lachend klammerte sich Izzy weiter fest.
»Ist das Izzy?« Talaith drehte sich um, um ihr nachzublicken, doch Briec nahm sie an den Schultern und zwang sie, ihn wieder anzusehen.
»Du weißt, was ich für dich empfinde, Talaith«, schrie er fast, verzweifelt bemüht, sie abzulenken.
»Weiß ich das?«
»Natürlich!«
»Seit wann?«
»Seit letzter Nacht.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Zeit für so etwas. Ich habe Morfyd versprochen, mich mit ihr drüben am Hain zu treffen.« Wieder wandte sie sich um, um den Pfad entlang zur Lichtung zu gehen, doch da tauchte Éibhear wieder auf; diesmal schlug er seinen Schwanz auf den Boden und versuchte so, die unerbittliche Izzy abzuschütteln.
Briec griff wieder nach ihren Schultern und drehte sie erneut zu sich herum. Er musste sich schnell etwas ausdenken, sonst war seine ganze Arbeit zum Thema »Du hast nichts zu befürchten« umsonst. Also sagte er das Erste, das ihm in den Sinn kam … »Ich liebe dich.«
Beide waren so schockiert von seinen Worten, dass sie sich nur anstarren konnten.
Schließlich sprach sie als Erste. »Wie bitte?«
Jetzt, wo er es gesagt hatte, wurde ihm etwas bewusst. »Ich liebe dich. Wirklich.« Er grinste. Wer hätte gedacht, dass es sich so großartig anfühlte, jemanden zu lieben?
»Du liebst mich?«
»Ja.« Er war so glücklich darüber, dass er Éibhear kaum bemerkte, der sich in die Luft erhob und Izzy durch die Bäume schleifte, um das Mädchen endlich abzuschütteln. »Jetzt musst du es mir sagen.«
»Wie bitte?«
»Sag es mir auch. Sag, dass du mich auch liebst. Denn wir wissen ja beide, dass es so ist.« Wie konnte es auch anders sein?
»Ach ja?« Sie stieß seine Hände von ihren Schultern. »Tun wir das?« Sie griff nach einer seiner Brustwarzen und drehte.
»Au! Was zum Teufel sollte das?«
»War ein Versehen!«, brüllte sie, dann stürmte sie davon.
Verblüfft verwandelte sich Briec zurück in einen Drachen. Das war gut so, denn Izzy landete direkt auf seinem Rücken.
Keuchend vor freudiger Erregung, schrie sie zu Éibhear hinauf: »Du bist unvernünftig!«
»Halt dich von mir fern!«, bellte Éibhear. Briec hatte seinen Bruder noch nie so entnervt gehört.
»Dein Bruder ist ein Riesenbaby.«
»Für einen Drachen ist er tatsächlich ein Baby.«
»Was ist los? Du klingst traurig.«
»Ich habe deiner Mutter gesagt, dass ich sie liebe und sie ist einfach weggegangen.«
Izzy krabbelte auf seinen Rücken. »Ich würde mir keine Sorgen machen. Sie hat nur Angst vor ihren Gefühlen für dich.« Das Mädchen setzte sich auf seine Schultern. »Lass ihr Zeit.«
»Was, wenn ich ihr keine Zeit lassen will?«
»Das ist deine Sache. Aber ich weiß, dass sie es wert ist zu warten.« Er wusste, dass sie vor allem von sich selbst sprach.
»Das weiß ich.«
»Gut. Fliegst du jetzt eine Runde mit mir? Dein Bruder ist eine unvernünftige Heulsuse.«
»Nein. Ich fliege nicht mit dir.«
»Warum?«, quengelte sie, doch Briec lächelte, anstatt sich dadurch verärgern zu lassen. Vor allem, als sie sich theatralisch an seinen Hals warf.
»Weil deine Mutter nicht will, dass du irgendwohin fliegst. Und ich respektiere das. Aber ich gehe mit dir zurück zur Burg.«
»Schön. Außerdem glaube ich, dass ich Gwenvael irgendwo hier gesehen habe.«
Briec hatte erst einen Schritt gemacht, als er plötzlich innehielt. »Halt dich von Gwenvael fern.«
»Warum?«
»Weil er dich nur in Schwierigkeiten bringt. Und keine Wetten mehr mit ihm.« Er würde auch mit seinem Bruder sprechen müssen. Er wollte nicht das Risiko eingehen, dass Gwenvael mit ihr eines seiner langen Gespräche anfing, die er bekanntlich mit männlichen Wesen in Izzys Alter über Erwachsenenthemen führte.
»Oh, na gut.«
»Gut.« Briec ging weiter, doch ihre nächsten Worte ließen ihn beinahe über seine eigenen Klauen stolpern.
»Also, wann kann ich anfangen, dich Daddy zu nennen?«