7. KAPITEL
Sie aßen in einem kleinen französischen Restaurant weitab von den Touristenströmen. In San Francisco gab es viele kleine Restaurants, die lediglich den Einheimischen bekannt waren. Luke, der selbst gern kochte, kannte sie alle.
Es war interessant zu beobachten, wie Nick und Luke von den Gästen angestarrt wurden, Männern wie Frauen. Luke trug gelbe Hosenträger über einem blauweiß gestreiften Hemd, dazu Docker-Hosen und Bootsschuhe ohne Socken. Nick dagegen war im anthrazitfarbenen Zweireiher gekommen. Beide sahen hinreißend aus, und Cat fühlte sich nahezu unsichtbar.
“Sieh nicht hin, Nick”, sagte sie leise und wies mit dem Kopf in eine bestimmte Richtung, “dahinten sitzt eine Blonde, die gleich vom Stuhl fallen wird, so sehr bemüht sie sich, deine Aufmerksamkeit zu erregen.”
“Danke”, Nick grinste, “aber die hat sie bereits genossen. Ich glaube, jetzt geht es ihr eher um Luke.”
Cat fühlte einen Stich. “Wie angenehm. Ihr teilt euch selbst eure Eroberungen. Dann könnt ihr euch ja immer gegenseitig Tipps geben.”
Luke drehte sich kurz um.
“Soll ich dich ihr vorstellen?”, fragte Nick.
“Vielleicht später.” Luke nahm einen großen Schluck aus seinem Wasserglas und sah Cat an. “Was hast du denn heute vor?”
“Dich mittags besuchen. Ich muss noch einiges besorgen.”
“Was denn?”, fragte Nick. “Wenn es was zum Anziehen ist, komme ich gern mit.”
“Das wäre ja toll, Nick. Ich …”
“Hast du nicht um zwei einen Termin, Nick?”, unterbrach Luke. Nick sah ihn verständnislos an. “Du hast mir doch gesagt, du seist mit … wie hieß sie noch gleich … verabredet.”
“Was? Ach so, ja, das stimmt.”
“Wenn du ungern allein gehst, Cat”, sagte Luke lächelnd, “dann komme ich gern mit. Ich habe am Nachmittag nichts weiter vor und kenne ein paar gute Läden.”
Cat strahlte. Sie wusste, dass Luke es im Grunde hasste, einkaufen zu gehen. “Ich würde mich sehr freuen, wenn du mitkämst. Ich brauche unbedingt ein Paar Sandalen.” Sie fing einen beschwörenden Blick von Nick auf. “Und Unterwäsche.”
“Unterwäsche?”, wiederholte Luke.
“Ja, du weißt schon, Dessous. Ich suche etwas Besonderes, Seide, Spitze.”
Nick stand auf, warf die Serviette auf den Tisch und legte Cat die Hand auf die Schulter. “Wie wahnsinnig schade, dass ich heute nicht mitkommen kann. Das nächste Mal aber bestimmt!” Er strich ihr über die Wange und sah Luke dabei an. “Gut, dann will ich mal los. Pass gut auf mein Mädchen auf.”
Glücklicherweise führte Cat ihm nicht auch noch diese winzigen Dinger vor, Luke hätte bestimmt einen Herzanfall bekommen. Es hatte ihn schon erregt, zu beobachten, wie sie die feinen, glatten Materialien prüfend durch die Finger gleiten ließ, bevor sie sie mit in den Umkleideraum nahm. Er rutschte unbehaglich auf dem zierlichen Sesselchen hin und her.
“Das muss dich doch zu Tode langweilen.” Cat trat wieder aus der Umkleidekabine und sah ihn bedauernd an.
“O nein, lass dir nur Zeit”, sagte er schnell. In seinem jetzigen Zustand wäre er gar nicht fähig gewesen aufzustehen, geschweige denn zu gehen, ohne Anstoß zu erregen.
“Ich bin gleich fertig”, sagte sie, “wie findest du das hier?”
Sie hielt zwei winzige Teile hoch, wohl BH und Slip, außerdem noch einen fast durchsichtigen seegrünen Body.
“Äh, sehr gut.” Sie würde in dem Body wie eine Meerjungfrau aussehen, ihre Brüste … “Kauf die Sachen, und dann lass uns gehen. Du wolltest doch auch noch Schuhe? Ich kenne ein paar gute Läden gar nicht weit von hier. Da ich noch einen Termin habe, sollten wir uns lieber ein bisschen beeilen.”
“Aber du hast doch gesagt …”
Er grinste sie leicht verlegen an. “Was zu viel ist, ist zu viel.”
In dem Schuhladen fühlte Luke sich sehr viel wohler. Füße wirkten nicht unbedingt erotisch auf ihn. Erleichtert setzte er sich auf einen Stuhl, während Cat sich in dem Geschäft umsah. Sie sah hinreißend aus in dem hellgelben Kleid, ein aufregender Kontrast zu dem roten Haar. Die Kette und die dazu passenden Ohrringe hatte er ihr mal geschenkt. Er schloss die Augen. Schon damals hatte er davon geträumt, sie mit nichts anderem als dem Schmuck bekleidet vor sich zu sehen.
“Entschuldige, geht es dir nicht gut?” Cat setzte sich neben ihn und sah ihn besorgt an. Der Verkäufer kam, und sie gab ihm die Modelle und nannte ihm ihre Schuhgröße.
Luke lächelte leicht und rückte ein wenig von ihr ab. “Nein, nein, alles ist in Ordnung. Ich habe nur nicht die Geduld wie Nick. Der Mann liebt Einkäufe. Allerdings hat er mir nie gesagt, wie aufregend diese Wäschegeschäfte sind.”
“Hast du denn nie Dessous für deine Freundinnen gekauft?”
“Um Himmels willen, nein!”
Cat lachte. “Warum denn nicht?”
Glücklicherweise kam der Verkäufer in diesem Moment mit einem großen Stapel Schuhkartons zurück, sodass Luke nicht antworten musste.
Der Verkäufer kniete sich vor Cat hin, öffnete den ersten Karton und nahm eine hochhackige rote Sandalette heraus. “Darf ich?” Cat nickte und streckte den Fuß vor. Der Mann lächelte entzückt. “Wie für Sie gemacht!”
Luke wurde der Mund trocken, als er zusah, wie Cat sich die Sandaletten über ihre leicht gebräunten schmalen Füße schieben ließ. Noch nie hatte er eine Frau mit derartig hübschen Füßen gesehen. Der hohe Spann, die geraden Zehen mit den feuerrot lackierten Nägeln, einfach sexy. Sofort war er wieder erregt.
Luke schloss die Augen und stellte sich vor, wie er ihr die Sandaletten anzog, wie er ihre Füße liebkoste, dann sanft die schmalen Knöchel umfasste und über ihr Bein strich, höher und immer höher, bis zu dem Saum des seegrünen …
“Na, was meinst du?”
Schnell riss er die Augen wieder auf. Cat stand vor ihm und wackelte mit den Zehen.
Er räusperte sich. “Ich würde sie in allen Farben kaufen, die es gibt.”
Cat sah ihn überrascht an und wandte sich dann an den Verkäufer. “Ich will erst noch die anderen anprobieren.”
Gut gemacht, Van Buren, lobte Luke sich selbst. Er musste ein Heiliger sein, da er bisher allen Versuchungen tapfer widerstanden hatte.
Laut singend kam Cat aus dem Schlafzimmer. Sie hatte gerade geduscht und rieb sich das Haar trocken. Unvermittelt blieb sie stehen. Luke saß in seinem Ledersessel mit einem Buch. “Du bist aber heute früh”, sagte sie überrascht. Während sie im Badezimmer war, hatte er sich umgezogen und die Sachen, die er im Büro getragen hatte, überall im Raum verteilt.
“Die Badezimmertür war zu. Du hättest dich also ruhig im Schlafzimmer umziehen können.”
“Ja, ich weiß”, sagte Luke nur. Er musterte sie aus zusammengekniffenen Augen.
Ganz San Francisco litt unter einer Hitzewelle. Deshalb trug Cat auch nur ihr kurzes, leuchtend gelbes Sonnenkleidchen. “Und warum hast du es nicht getan?”
“Weil ich nicht wollte. Übrigens, Molly Cruz hat angerufen. Sie bittet um deinen Rückruf.”
Cat sammelte seine Sachen zusammen. “Danke. Ich rufe sie morgen an.” Sie ging ins Schlafzimmer und legte die Sachen in den Wäschekorb.
“Hast du nicht manchmal Sehnsucht nach deinen alten Freunden?”, rief er von nebenan.
“Ich rufe Molly, Susan und ein paar andere ziemlich regelmäßig an.” Sie kam wieder aus dem Schlafzimmer und warf ihr nasses Haar zurück. Es fühlte sich herrlich kühl auf dem Rücken an. “Im letzten Jahr haben wir auch fast nur telefoniert. Da spielt die Entfernung keine Rolle.”
“Ja, aber gab es nicht irgendjemand Besonderen?”
Cat sah ihn stirnrunzelnd an. Was meinte er? “Molly und Susan waren doch immer schon meine besten Freundinnen.”
“Ich meine, einen Mann.”
“Nein.” Sie ließ sich auf das Sofa fallen, zog die Füße unter sich und griff nach einer Zeitschrift, um sich Luft zuzufächeln. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen.
Luke hatte Mühe, den Blick von ihr abzuwenden. “Was ich dich schon immer fragen wollte, was hältst du von einem kleinen Auto? Wendig und leicht zu parken.”
Cat richtete sich wieder auf. “Ich glaube nicht, dass ich ein Auto brauche. Ich kann doch den Bus nehmen oder auch mal ein Taxi.”
“Natürlich kannst du jederzeit den Jaguar benutzen. Hast du eigentlich heute Abend was vor?”
“Nein, ich bin zu Hause. Und du?”
“Ich auch. Wie wäre es mit einem Film in einem wunderbar gekühlten Kino?”
Ihre Augen leuchteten auf. “O ja, gern. Ich gehe überall mit dir hin, wo es eine Klimaanlage gibt. Ich hatte ja keine Ahnung, dass es in San Francisco so heiß sein kann.” Sie stand auf, ging in die Küche und kam mit der Zeitung zurück. “Mal sehen, was es gibt. Ich mag aber keinen Film, in dem viel Blut fließt.” Sie breitete die Zeitung mit einiger Mühe auf dem Couchtisch aus, auf dem viele Pflanzen und das Goldfischglas standen.
“Und ich nichts Schmalziges. Warum räumst du eigentlich den Couchtisch nicht frei?”
“Ich bin sicher, Cleo mag es nicht, wenn man ihren Platz verändert.” Sie beugte sich über die Zeitung. “Meinst du, dass sie sich einsam fühlt?”
“Fische fühlen sich nicht einsam.”
“Aber sie sieht so traurig aus. Ich werde morgen einen zweiten Fisch kaufen.”
“Dann bist du bald vielfache Fisch-Großmutter.”
“Macht nichts. Wie wär’s mit einem Film mit Jim Carrey?”
“Wann?”
“Um Viertel nach sieben.” Sie stand schnell auf. “Dann muss ich eben mein Haar trocken föhnen.”
“Und dir was anderes anziehen.”
“Warum? Ich kann doch auch so gehen.”
“Dann zieh dir wenigstens einen BH an.”
Sie wandte sich schnell um und lächelte.
Im Kino war es dunkel, und der Film hätte Luke auch sicher gefesselt, wenn …
Wenn nicht Catherine Anne Harris ganz dicht neben ihm gesessen hätte. Die alten Kinos hatten sehr schmale Sitze. Er hatte sich gleich an den Gang gesetzt, um seine Beine ausstrecken zu können, und Cat war nah an ihn herangerutscht, um nach der anderen Seite hin etwas Raum zu haben. Das bedeutete, dass sie fast auf seinem Schoß saß.
Sie hatte eine große Tüte Popcorn in der Hand. Wenn er sich etwas nehmen wollte, stieß er immer gegen ihre Brüste. Er dagegen hielt einen großen Pappbecher mit Cola auf dem Schoß, und wenn sie ohne hinzusehen danach griff, strich sie ihm über den Oberkörper. Er reichte ihr den Becher.
“Danke”, flüsterte sie und starrte weiter auf die Leinwand, während sie mit den Lippen den Trinkhalm umschloss.
Er erhob sich. “Ich komm gleich wieder.”
Luke stieß die Tür zur Herrentoilette auf. Es war nicht zum Aushalten. Seufzend lehnte er die Stirn gegen die kühlen Kacheln. Er begehrte Cat.
Nein. Es war mehr. Er war schon früher scharf auf Frauen gewesen. Aber was er für Cat empfand, war ein tieferes, umfassenderes Gefühl. Und das würde nicht vergehen, im Gegenteil, es wurde jeden Tag schlimmer.
Er konnte sich nicht auf seine Arbeit konzentrieren. Er konnte nicht schlafen, und er hatte keinen Appetit. Luke fühlte sich in dem schrecklichen Zwiespalt, den er so gut kannte. Einerseits wollte er Cat in die Arme reißen und ihr zeigen, wie sehr er sie begehrte. Andererseits wusste er, wie sensibel sie war und wollte sie keinesfalls verletzen.
Wie oft hatte er das schon durchgemacht.
Wieder musste er an ihren siebzehnten Geburtstag denken. Und er hörte noch, wie sein Vater ihn anschrie. “Glaub nur nicht, dass du das Mädchen einfach benutzen kannst. Sie ist anders als ihre Mutter. Cat ist treu und beständig.”
Noch nie hatte Luke seinen Vater so wütend gesehen. “Was würde denn aus Cat, nachdem du sie gehabt hast?”
Sein Vater hatte recht. Luke gehörte zu den Männern, die sich nicht festlegten, die Frauen nach einer gewissen Zeit wieder fallen ließen. Sollte Cat dagegen irgendwann jemanden lieben, dann würde es für immer sein.
Der Schwur sich selbst gegenüber, nur ihr großer Bruder zu sein, war ihm alles andere als leichtgefallen. Aber er würde sich daran halten, auch jetzt, wo es ihm noch viel schwerer fiel. Denn dieses Versprechen hatte er auch seinem Vater gegeben. Er würde dafür sorgen, dass Cat nichts Schlimmes widerfuhr.
Das bedeutete, dass er seine eigenen Begierden unterdrücken musste. Verdammt noch mal, er war schließlich ein erwachsener Mann, er würde doch wohl noch seine Hormone in Schach halten können. Zumindest, bis sie den Mann ihres Lebens gefunden hatte. Dann könnte auch er sich wieder anderen Frauen zuwenden.
Warum eigentlich nicht vorher? Er stöhnte leise auf, als ihm klar wurde, was das bedeutete. Wenn er Cat nicht haben konnte, dann wollte er auch keine andere Frau. Er konnte nur hoffen, dass sich das wieder ändern würde, sobald Cat in festen Händen war.