35. Kapitel
In der Falle
Im Laufen schwankte der Schein von Richies Stablampe durch die Dunkelheit hin und her und zeigte zufällige Bilder: künstlicher Schleim, der von der Decke tropfte; farbenfrohe Frösche, die an den Scheiben ihrer Terrarien klebten; Federn, die sich an Sams Flügeln bewegten; Tamerons Schwanz, der über den Boden fegte.
Das Gebrüll eines Yetis erschütterte die Wände. Ein zweites Heulen antwortete ihm, dann ein Chor tiefer, affenartiger Grunzer. Irgendwo vor Noah schrie Hanna nach Sam. Dann regnete es Glas auf den harten Boden.
Das Licht schwang herum und zeigte Sam, der rückwärts gegen Tameron fiel und gemeinsam mit ihm zu Boden ging. Über ihnen stand ein Yeti. Und ein zweiter. Und ein dritter.
Richie schrie und ließ das Stablicht fallen, das über den Boden rollte, schließlich liegen blieb und seinen Schein über die Fliesen schickte. Eine Sekunde später trat etwas gegen die Lampe, und das Licht flog in einem Kreis den Gang hinunter. Schließlich kam die Lampe vor dem Fuß eines Yetis zum Stillstand, der sie prompt zertrat und den Gang wieder der Dunkelheit überließ.
Noah blieb stehen. Der Boden unter seinen Füßen fühlte sich rutschig an, und er merkte, dass er auf den Spitzen von Sams Flügeln stand. Er wich zurück, bis er wieder Fliesen unter sich spürte.
Stille. Noah hatte keine Ahnung, was um ihn herum geschah. Die Dunkelheit verbarg alles. Sie schien selbst ein lebendiges Wesen zu sein, ein starker, neuer Feind, ebenso mächtig und gefährlich wie die Yetis.
Dann füllte sich der Gang mit einem neuen Geräusch: dem lauten Zischen eines Alligators. Er war ganz in der Nähe, vielleicht nur ein paar Schritte entfernt. Noah hörte das Grollen eines Yetis und wirbelte herum. Er versuchte im Dunkeln etwas auszumachen – irgendwas. Die Monster versammelten sich langsam um die Scouts und die Descender, um ihre Beute. Sie bereiteten sich darauf vor zuzuschlagen.
Etwas stieß gegen Noah, und er wirbelte in Panik herum. Die Dunkelheit und die Angst verstärkten seine Verwirrung noch.
Sams Stimme erhob sich. «Descender!», rief er.
Er stand irgendwo in der Mitte des Ganges, nur ein paar Schritte von Noah entfernt.
Von verschiedenen Orten erklang eine Stimme nach der anderen.
«Hier», rief Solana.
«Hier», sagte Hanna.
«Gleich hinter dir», sagte Tameron.
Die Yetis grollten.
«Jemand verletzt?», fragte Sam.
Niemand antwortete mit Ja.
«Und die Scouts? Alles okay?»
Alle außer Megan antworteten. Noah nutzte die Stimmen der anderen, um ihre Positionen zu orten. Sie waren alle in der Nähe, standen aber auseinander.
Etwas fegte über Noahs Füße. Er sprang in die Mitte des Ganges, wo er mit dem Unterschenkel gegen etwas stieß. Er hörte ein feuchtes Grollen und erkannte, dass er neben einem Alligator stand. Aus Angst, sich zu bewegen, versuchte er in der Dunkelheit irgendetwas auf dem Boden zu erkennen – ein vergebliches Unterfangen.
Weiter unten im Gang schrie Richie auf. «Alligatoren – sie sind hier überall!»
Ein zweites Reptil rammte gegen Noahs Bein – diesmal von rechts. Es steuerte schnell auf Noah zu und zwang ihn, das Bein zu heben. So stand er auf einem Bein und berührte mit den Zehen die knubbelige Oberfläche des Alligatorenrückens.
«Nicht bewegen!», rief Sam.
Ein dritter Alligator schob sich gegen Noahs Standbein. Das Tier zischte, und als es seine Schnauze öffnete, spürte Noah seinen warmen Atem am Bein. Noah wusste, dass das Maul des Tieres nur Zentimeter von seinem Knie entfernt war, und vor seinem inneren Auge erschien das Bild der scharfen Zahnreihen.
Noah schwankte und versuchte, nicht hinzufallen. An Flucht war nicht zu denken.
Weiter vorn im dunklen Gang keuchte Ella auf. Richie wimmerte vor Angst. Noah begriff, dass es den anderen ebenso erging wie ihm. Eine Gruppe von Alligatoren sammelte sich um die Scouts.
Sie saßen in der Falle.