10.5. Die Vernetzung der Astronomen

Das wissenschaftliche Feld der Astronomie ist verglichen mit anderen Naturwissenschaften wie zum Beispiel Chemie oder auch Physik ziemlich klein. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass Astronomen verhältnismäßig umfangreich mit nationalen und internationalen Kollegen an Projekten gemeinsam arbeiten. Daraus ergibt sich ein sehr eng geknüpftes internationales Netz, bei dem jeder fast jeden kennt.

In dieser Wissenschaftslandschaft gibt es viele Bräuche und Sitten. Eine davon ist, sich gegenseitig einzuladen, um Vorträge zu halten. Diese dienen dazu, sich über die neuesten Arbeiten in allen Bereichen der Astronomie zu informieren und den wissenschaftlichen Austausch zu fördern. Dementsprechend reise ich mehrmals im Jahr zu anderen Universitäten und Instituten sowohl innerhalb der USA als auch in andere Länder, um Vorträge zu halten.

Solche Einladungen ermöglichen, dass man ausführlich über seine wissenschaftlichen Ergebnisse berichten und diese mit Kollegen von Angesicht zu Angesicht diskutieren kann. Auf diesen Reisen lernt man gleichzeitig viele neue Astronomen kennen, was wiederum zu vielen Anregungen, interessanten Gesprächen und neuen Ideen und Projekten führt. Schon bald nach meiner Entdeckung von HE 1326–2326 wurde ich des Öfteren eingeladen, um Kolloquiums-vorträge zu halten und auf Konferenzen zu sprechen. Über die Jahre hinweg habe ich so mehr als 70 wissenschaftliche Vorträge gehalten – von populärwissenschaftlichen Präsentationen über Kolloquien bis zu Plenarvorträgen.

Auf Konferenzen sind die Astronomen sogar manchmal in Party-Laune. Der Boden bebt, die Musik ist laut – an einem ganz normalen Mittwochabend ist die gesamte Bar mit 200 bis 300 tanzenden Astronomen vollgepackt: von Studenten bis zu Professoren. Denn jedes Jahr am zweiten oder dritten Mittwoch im Januar wird abends astronomisch gefeiert. Grund dafür ist die Winter-Tagung der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft (»American Astronomical Society«, kurz AAS), zu der bis zu 3000 amerikanische und internationale Astronomen anreisen, um aktuelle Ergebnisse zu präsentieren und sich über neue Resultate, Projekte und Initiativen auszutauschen. Auch die Deutsche Astronomische Gesellschaft hat jährliche Treffen im September.

Die AAS hat rund 7000 Mitglieder, und zweimal jährlich, im Januar und im Juni, finden die Mitglieder-Tagungen statt. Diese Tagungen dauern fünf Tage und sind die geschäftigsten Konferenzen, an denen ich teilnehme. Dann bin ich von früh morgens bis spät abends auf den Beinen, um Vorträge zu hören, mich mit Kollegen zu treffen und Projekte zu besprechen oder Workshops zu besuchen.

Da diese jährlichen Tagungen sich nicht auf ein bestimmtes Fachgebiet beschränken, repräsentieren die Teilnehmer alle erdenklichen astronomischen Arbeitsbereiche. Dies ermöglicht auch, die Kollegen und Bekannten wieder zu treffen, die nicht direkt im eigenen Fachbereich arbeiten. Denn über die Jahre hinweg lernt man viele andere Astronomen kennen, besonders wenn man an verschiedenen Orten studiert oder gearbeitet hat. Für viele von uns sind diese Konferenzen deswegen eine Art »astronomisches Familientreffen«.

Beim Winter-Treffen 2011 in Seattle hielt ich meinen Annie-J. Cannon-Preis-Vortrag vor vollem Haus. Zusätzlich gab ich einige Interviews, schüttelte viele Hände und organisierte die »My GMT«-Foto-Aktion am Stand des 25 m großen »Giant-Magellan-Teleskops« in der riesigen Ausstellungshalle. Details zu diesem und anderen geplanten Teleskopen der nächsten Generation sind in Kapitel 11 beschrieben. Interessierte Astronomen konnten vor dem großen Hintergrundbild des Teleskops posieren und dann sofort das ausgedruckte Foto als Souvenir mitnehmen. Am Ende hatten wir insgesamt ca. 200 Fotos ausgegeben und mit vielen Menschen über dieses geplante Großteleskop gesprochen.

Diese großen Konferenzen und auch die kleineren, fachspezifischeren Tagungen sind äußerst wichtig und informativ, um den neuesten Stand der Wissenschaft zu erfahren und auch um sich mit den internationalen Kollegen auszutauschen. Diese Treffen finden auf allen Kontinenten statt, so dass sehr viele Dienstreisen auf dem Programm stehen. Wenn man dann auch noch beobachtender Astronom ist, kommen die Reisen zu den Teleskopen dazu. Diese Gegebenheiten spiegeln deutlich wider, dass die Astronomie zu den internationalsten Wissenschaften gehört. Und alle diese Aspekte machen den Beruf des Astronomen spannend und abwechslungsreich.

Weiterhin muss man sich täglich auf dem Laufenden halten, was andere Wissenschaftler an neuen Ergebnissen erzielen. Dabei hilft einem ein Preprint-Server (http://arxiv.org/archive/astro-ph), auch »astro-ph« genannt. Dies ist eine Webseite, auf die viele Astronomen ihre wissenschaftlichen Artikel hochladen. Diese Artikel sind teilweise schon für die Publikation in astronomischen Fachzeitschriften angenommen worden, andere wurden gerade erst zur Begutachtung eingereicht, und wieder andere sind Konferenzbeiträge.

Alle Artikel auf dem Preprint-Server sind öffentlich und umsonst erhältlich und ermöglichen so einen schnellen Zugang zu vielen der neuesten Ergebnissen.[4] Per E-Mail kann man sich täglich über alle neuen Artikel informieren lassen. Der Durchschnitt liegt bei ca. 50 neuen Artikeln aus allen Bereichen der Astronomie pro Tag. Als kleines Ritual wird dann die tägliche astro-ph-E-Mail nach relevanten und interessanten Artikeln durchsucht. Während der Kaffeepause am nächsten Tag im Institut werden neue Artikel dann, manchmal auch lautstark, diskutiert. Einige Institute haben sogar regelmäßige astro-ph-Diskussionsrunden, bei denen neue Artikel institutsweit besprochen werden. Dieses System führt deshalb zu einer enorm schnellen Verbreitung neuer Resultate und Ergebnisse rund um den Globus.

Auf der Suche nach den ältesten Sternen
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