Mit Recht könnte hier der Bundesbürger fragen: Wieso muß ein Volk eine Idee haben, wir haben ja auch keine? Und in der Tat würden Kulturgüter wie Zervelatwurst und bezahlter Urlaub als Daueridee vollkommen genügen, wenn es nicht immer irgendwo junge Völker gäbe, die sich daraus nichts machen, ja sogar diesen Dingen gegenüber ganz ehrfurchtslos sind und nur darauf warten, über den Zaun steigen zu können. (Um dann ebenfalls beim bezahlten Urlaub zu enden; aber das wissen sie noch nicht.)

Die Spartaner waren insofern ausgesprochen kluge Leute, als sie ahnten, daß das Auto für jedermann immer das Ende vom Liede ist. Sie propagierten daher weiter das Gehen und ihre Schwarze Suppe. Mit anderen Worten: Ihre Idee war, die alte Zeit zu erhalten.

Diese Idee ist schön. Aber was ihre Originalität anlangt, so ist sie etwa vergleichbar dem Vorsatz, immer dreißig Jahre alt zu bleiben.

Das begreifen die wenigsten Menschen; nämlich, daß die Zeit auch für Völker vergeht. Auch wenn man die jugendlichen Kleider weiterträgt, altert man leider. Und wenn man daran etwas erkennen will, dann dies, daß Völker wie Menschen mit Anstand alt und grau werden sollen. Wenigstens das erfüllten die Spartaner.

Aber der Aufgabe, die griechische Welt in Ordnung zu halten, waren sie nicht gewachsen. Die Macht war hundertfünfzig Jahre zu spät gekommen.

Kurios ist nur, daß einige Historiker immer wieder behaupten, Athens Attischer Seebund perikleischer Fasson sei dagegen eine konstruktive Idee für Hellas gewesen. Ich weiß nicht — er war wohl eher das, was Geschäftsleute eine »famose Idee« zu nennen pflegen. Ich erwähne das Ganze auch nur, weil ich sehe, daß alle Geschichtswerke über vierzehn Mark achtzig es tun.

Viel näher liegt die einfache Frage: Wie ging es weiter? Schlecht. Nicht gleich, aber bald.

Die Verfassung, die Athen jetzt hatte, war ein Novum: Ein Direktorium von dreißig Männern herrschte diktatorisch. Ihr Wortführer war Kritias, ein Mann von Bildung, Kultur und Begabung, der nur einen Fehler hatte, im medizinischen Sinne etwas irre zu sein. Er riß bald die Macht an sich, die nun infolge der pathologischen Sprunghaftigkeit seines Geistes zu einer Schreckensherrschaft ausartete. Beständig »säuberte« er. Innerhalb eines Jahres fielen fünfzehnhundert Mitbürger dem Scharfrichter zum Opfer.

Die Erlösung von Kritias und seinen Trabanten kam durch einen ehemaligen Admiral der Volksregierung, Thrasybul, und durch Sparta selbst: Es setzte wieder einen »Rat der Fünfhundert« ein.

Die Ephoren scheinen um diese Zeit einen Entschluß von weittragender Bedeutung gefaßt zu haben: Sparta begann, sich auf seine alte Machtsphäre, den Peloponnes, zurückzuziehen. Die Garnisonen verschwanden, die Besatzungen zogen ab.

So war man also in Athen wieder unter sich. Ein bißchen ärmlich freilich, aber mit einem ungewohnten weiten Blick, seit es keine Mauern mehr gab, und mit einem überraschenden Hang zur Arbeit, seit man sich selbst ernähren mußte. Sokrates zog wieder durch die Stadt und fiel den Leuten auf die Nerven. Er war jetzt nahe siebzig, ging ein bißchen gebückt und hatte der Liebe abgeschworen. In seiner Begleitung sah man oft einen fünfundzwanzigjährigen Mann aus altem patrizischem Hause, Platon mit Namen, der soeben seine sämtlichen Tragödienmanuskripte verbrannt hatte, um, wie Sokrates, nur der Philosophie zu leben. Sagte er. Andere behaupteten, er hätte gern ein Staatsamt gehabt, aber man gab ihm keines. Er sollte es nicht zu bereuen haben, er wurde Griechenlands größter Philosoph und einer der größten Ethiklehrer der Welt überhaupt, und wenn man von Schlachten und Schlachtenlenkern schon längst nichts mehr wissen wird, dann wird man immer noch den Namen Platon kennen. Er war es, der die Gedanken der Griechen zum erstenmal auf eine Unsterblichkeit der Seele lenkte.

Um diese Zeit setzte die geistige Wirkung Athens, die Ausstrahlung seiner Kunst und Philosophie in die Welt ein — wie so oft dann, wenn Staaten darniederliegen. Wer glücklich ist, fühlt; wer unglücklich ist, denkt. Jetzt, gerade jetzt, wo ganz Hellas sich anschickte, von der Bühne des Welttheaters abzutreten, begann der griechische Geist, gipfelnd in den athenischen Künstlern und Denkern, seinen Siegeszug. Was die Geschlechter in Jahrhunderten hervorgebracht hatten, die großen Gesetzgeber, Bildhauer, Dichter, Historiker, Baumeister, Philosophen, das erschien nun zum erstenmal (rückblickend, ein böses Zeichen!) als ein gigantisches, geschlossenes Ganzes. Draußen, bei den »Barbaren«, bei den Persern, Phönikiern, Thrakern, Makedoniern, Etruskern, Römern, Karthagern, Ägyptern wurde das Wort »Hellas« zum Sinnbild von Schönheit und Geist, zum Synonymon für Kultur.

Das Schicksal pflegt eine Nation immer dann zum »Volk der Dichter und Denker« zu ernennen, wenn es ihr einen Trost für die Tatsache spenden will, daß es mit ihr eigentlich aus ist; denn das ist die allseits bekannte Weisheit des Geschicks, daß es die Güter gerecht verteilt: Die einen strahlen, die anderen sind reich. Hellas also strahlte, der Reichtum lag jetzt »draußen«, vor allem bei den Persern.

Perser! Sehen Sie, so habe ich Sie auf die natürlichste Weise dahinüber geleitet, wohin ich Sie haben mußte; denn — so werden Sie sich aus der Schulzeit erinnern — jetzt folgt jenes merkwürdige Ereignis, das alle, die etwas auf sich halten, so oft im Munde führen: Xenophons Anabasis.

Approximativ handelt sich’s hier um zehntausend Griechen, die irgendwo in Asien aus einem nicht ganz klaren, offenbar aber traurigen Grunde einen wochen-, wenn nicht gar jahrelangen Fußmarsch unter größten Entbehrungen von irgendwoher nach irgendwohin, wahrscheinlich nach Hause, unternommen haben. Anabasis, mit der bekannten Betonung auf dem zweiten a, heißt »Hinaufmarsch«, was die Sache wieder etwas unklar macht. Und Xenophon ist ein griechischer Geschichtsschreiber.

Xenophons Bericht von der »Anabasis«, zu seiner Zeit ein Volksbuch, heute nur noch ein Schlagwort, handelt von einer Begebenheit, die — wissen Sie was, ich werde sie Ihnen doch lieber nicht erzählen; sie hat auf die griechische Geschichte keinen Einfluß gehabt, und sie lenkt nur ab.

Friede also lag über Hellas. Aber man kann sich an Kämpfen, Sterbensehen und Sterbenlassen leicht gewöhnen; so kommt es, daß wir zehntausend brotlos gewordene griechische Söldner, die den Krieg nicht lassen können, bei der »Anabasis« wiederfinden, und so kommt es, daß Athen in diesen Friedensjahren Sokrates hinrichtete und nichts dabei fand.

Ja, meine Freunde, es fand leider wirklich nichts dabei, es war ein x-beliebiger Fall, und wir wollen Athen keinen Vorwurf machen. Wenn das Prinzip der Egalité bei einer Volksherrschaft einen Sinn haben soll, dann hatte das Volk recht. So ist das nämlich.

Die Nachwelt aber hat den Tod des Sokrates als eine der großen Tragödien in der Menschheitsgeschichte, als eine schreckliche Warnung vor dem Glauben an die Masse, als einen Hohn auf ihre Unkenntnis der Qualität und ihren Abzählvers »Ene mene ming mang« empfunden — genau das hat Sokrates gewollt. Er, der sein Leben lang den Dingen durch Fragen auf die Spur kommen wollte (kein Mensch in der Welt hat so viel Fragesätze gesprochen wie Sokrates), hat es sich nicht entgehen lassen, dem athenischen Volk mit seinem Tode noch eine letzte Frage vorzulegen, die peinlichste von allen. Und darüber möchte ich gern ein paar Worte sagen.

Sokrates galt als »Sophist«, und die Sophisten, die sich über alles in der Welt den Kopf zerbrachen, alles bezweifelten und auf den Urgrund der Wahrheit kommen wollten, diese Menschen waren dem griechischen Volk fremd, unbegreiflich, von einem anderen Planeten, aufreizend, zu beargwöhnen, unheimlich. Man hielt sie für Unruhestifter. Für »Heimliche«, das heißt für Menschen, die etwas besaßen, was die Masse nicht verstand, und das verzeiht sie nie. Sokrates hatte nun noch das Pech, daß so verhaßte und politisch belastete Leute wie Alkibiades und Kritias, der Führer der »Dreißig Tyrannen«, seine Schüler gewesen waren. Doch nicht dies alles erklärt die plötzliche Anklage gegen ihn, sondern die »Nachkriegszeit«, der noch nicht abgeklungene Rausch des Kämpfens und Richtens.

Sie wissen, wie der Prozeß verlief. Der greise Mann wurde eines Tages im Jahre 399 vor ein Gerichtstribunal von 501 Bürgern geschleppt und angeklagt, die Jugend verdorben und zur Gottlosigkeit verführt zu haben.

Während ich dies eben niederschrieb, überlegte ich mir, ob es nicht eine bessere, eine weniger banale Formulierung gäbe; aber es ist die wörtliche. Die Anklage gegen Sokrates ist ein Hexenprozeß, und Hexenprozesse haben keine glaubwürdigen Formulierungen.

Sokrates ging auf die Anschuldigungen gar nicht ein. Er hielt, lächelnd und furchtlos, eine Verteidigungsrede, die nicht ihn, sondern eigentlich seine Ankläger in ihrem Irrtum verteidigte. Er sprach von seiner Liebe zu den Menschen und von dem Sinn eines Lebens, das sich diese Liebe zur Aufgabe gemacht hat.

Die Rede gehört zu dem Schönsten, was uns die Weltliteratur überliefert hat.

Sokrates, dem das Gesetz vorschrieb, selbst ein Strafmaß vorzuschlagen, beantragte durchaus richtig und ohne jeden Zynismus lebenslängliche Speisung im Prytaneion. Das Volk aber war empört und verurteilte ihn mit drei (andere Lesart: dreißig) Stimmen Mehrheit zum Tode.

Keiner der geistig führenden Männer Athens hätte dieses Urteil gefällt. Keiner von ihnen wäre so intolerant, keiner so kurzsichtig, keiner so von Leidenschaft verhetzt gewesen. Es gab damals mindestens fünfhundert Männer in Athen, die als autoritäre Richter berufener gewesen wären als »das Volk«. Jedoch Quantität ging vor Qualität. Ene mene ming mang... In der Stadt war es bald ein offenes Geheimnis, daß man in Sokrates’ Zelle ein- und ausgehen konnte und die Tür des Nachts nicht gerade mit Argusaugen bewacht war. Die Freunde wollten ihm zur Flucht verhelfen, und »das Volk« wäre damit einverstanden gewesen. Diese Situation war tragisch. Das Offenlassen der Gefängnistüren nach dem Urteilsspruch hatte nichts mehr mit Oppositionsrecht zu tun, sondern war dem Buchstaben und dem demokratischen Geiste nach ein Verbrechen an der Demokratie; denn die Mehrheit in einer Demokratie macht mit ihrem Beschluß nicht nur einen »Vorschlag«, sondern ein Diktat. Das war es, was Sokrates zu seiner letzten bescheidenen Frage benutzte: Ist die Demokratie nicht auch eine Diktatur? Welches Recht haben drei Stimmen, ihn zum Tode zu verurteilen, wenn sich das Volk in 498 Stimmen nicht im klaren ist?

Das große Theater, das Sokrates hier inszenierte, ging als ein Kammerspiel fast unbeachtet über die Bühne. Nur ein kleiner Kreis, nur seine engsten Freunde bekamen die Tragödie seiner Fragestellung, die an das Ordnungsprinzip der Welt rührt, ganz mit.

Platon hat uns die letzten Minuten und den Abschied Sokrates’ erschütternd beschrieben. Nach einem langen Gespräch mit den Freunden ruft Sokrates gegen Abend nach dem Schierlingsbecher. Ängstlich versucht Kriton, ihn zu hindern: »Aber sieh doch, Sokrates, die Sonne bescheint noch die Berge und ist noch nicht untergegangen! Und ich weiß, daß andere auch erst ganz spät getrunken haben...« Sokrates winkt lächelnd ab.

»Dann kam der Wärter herein, in der Hand den Giftbecher. Sokrates erkundigte sich ganz freundlich: >Also, mein Freund, du verstehst es ja, wie muß man es machen?< — >Nichts weiter<, sagte jener, >als, wenn du getrunken hast, herumgehen, so lange, bis dir die Schenkel schwer werden, und dann dich niederlegen, dann wird es schon wirken.< Damit reichte er dem Sokrates den Becher, und dieser nahm ihn, ohne im geringsten zu zittern, und sagte: »Was meinst du, darf man von diesem Trank jemandem eine Spende weihen?« — >Wir bereiten eben nur so viel, Sokrates<, antwortete der Wärter, >als wir glauben, daß hinreichend sein wird.< — >Ich verstehe«, sagte Sokrates. >Beten aber darf man doch zu den Göttern, und man muß es ja, daß die Wanderung von hier dorthin glücklich sein möge, weshalb denn auch ich hiermit bete.< Und als er dies gesagt, setzte er an und trank den Becher leer. Und von uns waren die meisten bis dahin ziemlich imstande gewesen, sich zu beherrschen und nicht zu weinen. Als wir aber sahen, daß er trank, da konnten wir die Tränen nicht mehr halten. Auch mir flossen sie mit solcher Gewalt, daß ich mein Gesicht verhüllen mußte. Kriton war aufgestanden, um sich abzuwenden, Apollodoros konnte sich erst recht nicht mehr fassen. Sokrates war der einzige, der ganz gefaßt schien. Er sagte: >Was macht ihr doch, ihr wunderlichen Leute! Ich habe doch die Frauen ausdrücklich deshalb weggeschickt, um nicht solche Szenen zu sehen. Also haltet euch standhaft!« Er ging umher, und als er merkte, daß ihm die Schenkel schwer wurden, legte er sich hin. Der Wärter berührte ihn von Zeit zu Zeit und untersuchte seine Füße und Schenkel. Dann drückte er ihm den Fuß stark und fragte, ob er es fühle. Sokrates sagte nein. Und darauf die Knie, und so ging es immer höher hinauf; er zeigte uns, wie er allmählich erkaltete und erstarrte. Darauf sagte der Wärter, wenn es ihm bis ans Herz käme, dann würde er tot sein. Nun war ihm schon fast alles um den Unterleib her kalt, da sprach er noch einmal — seine letzten Worte: >Ach, Kriton, ich bin Gott Asklepios einen Hahn für meine Genesung schuldig. Versäumt doch nicht, ihn für mich zu opfern!< — >Das soll geschehen«, sagte Kriton, >hast du uns nicht noch sonst etwas zu sagen?< Aber Sokrates antwortete nicht mehr. Bald darauf zuckte er zusammen und war tot. Kriton schloß ihm die Augen.«

*

In Sparta, wo man glaubte, es habe noch einmal die alte Zeit gesiegt, trieb der archaische Geist wunderliche Blüten. Es ist rührend, tragisch und komisch zugleich, anzusehen, wie die Spartaner den Zeiger der Zeit zurückzudrehen versuchen; wie sie das Einmachglas der Geschichte öffnen und die noch duftenden Früchte ihres längst vergangenen Frühlings herausholen.

Agesilaos, der neue König, war ganz vom Geiste seines erhabenen Urahnen Menelaos erfüllt. Als er zum Befehlshaber der Flotte bestimmt war, die von nun an zum Schutze Ioniens ständig vor Kleinasien kreuzen sollte, da ging er, Homers Ilias folgend, zuvor nach Aulis, um dort ein feierliches Opfer zu vollziehen, wie es die Trojafahrer vor 800 Jahren getan hatten. Er opferte zwar keine Iphigenie mehr, aber sonst sah seine Gläubigkeit keinen Unterschied zu den Helden Homers: Auch er hatte eine Helena zurückzuholen, die schönste Blüte Griechenlands, Ionien! Und vor dem Altar der Artemis stehend wie einst Agamemnon, rief er die gesamte Griechenwelt auf — wozu? Die Griechenwelt fand seine Romantik nichts als komisch und pfiff darauf. So stand er da, ein weltfremd wirkender Parzifal, ein belächelter Priester einer vergangenen Zeit.

Und die Götter schwiegen. Sie sind einsam geworden. Niemals mehr hört man ihr fröhliches Lachen, kaum ein Laut dringt zur Erde, wo die Menschen unter sich und allein fertig zu werden gedenken. Die Unsterblichen verlassen nicht mehr den Olymp. Kein Adler trägt mehr einen Ganymed zu Zeus empor. Fremd und in versteinerter Trauer blickt Athene auf ihre Stadt herab. Apoll spricht längst nicht mehr zur delphischen Pythia; und was sollen ihm die Worte des Träumers Agesilaos?

Der Gott sei alt geworden, sagt ihr,

alt und grämlich?

O nein. Nur wir, durch die er leben

muß, vergehen.

So sieht er, selbst in ewiger Jugend,

auch sein Ende.

Ja, für eine Rose aus der Hand des Sokrates würde Apoll noch einmal lächeln, aber Sokrates hatte nicht mehr an ihn geglaubt; er weiß es.

Während Agesilaos nach Ionien abrauschte, um Helena zu beschützen, pfiff das übrige Griechenland auf ihn, Homer und Aulis; es pfiff so laut und deutlich, daß man es bis Susa hören konnte. Daraufhin kam Artaxerxes II. sofort der richtige Gedanke: Er schickte eine Gesandtschaft nach Hellas, die sich in Athen, Theben, Korinth und Argos »umsah« und persische Gelder in Hülle und Fülle fließen ließ. Das Ziel war kein direktes, plumpes, keine Revolte gegen Sparta, o nein; das Ziel war viel freundlicher: Die Städte sollten wieder ein bißchen »Bewegungsfreiheit« bekommen, sie sollten »sich rühren« können.

Und sie rührten sich. Sie rüsteten tüchtig auf und begannen sofort mit neuen Streitigkeiten. Sparta schickte Lysander, den Heros, hinauf, es kam in irgendeinem Provinznest zu einem Gefecht, in dem Lysander fiel. O ihr ungerechten, verbitterten Götter! Oder wolltet ihr nur euren Liebling zu euch holen? Nur zu! Immer weg mit den letzten »Helden«, die neue Zeit braucht keine mehr. Sie braucht Material.

Die Spartaner beriefen Agesilaos von Kleinasien ab und übergaben ihm die Polizeiaktion gegen die Raufbolde im Norden.

Das Ziel der Perser war damit erreicht. Während König Agesilaos auf dem Festland an der Arbeit war, griffen sie seine führerlosen Schiffe in Kleinasien an. Im August 394 sank bei Knidos die spartanische Flotte zum Gauchum Athens, Thebens, Korinths und Lokris’ auf den Meeresgrund.

Ich hoffe, daß Sie mir noch folgen können, obwohl es Ihnen so ergehen wird wie mir: Meine Liebe ist verbraucht. Von allen heimatlichen Herden vertrieben, bald mit meinem Herzen hier, bald dort, keinen ruhenden Pol, keinen Sinn mehr sehend, bin ich nirgends mehr zu Hause. Und ich staune über das dicke Fell der (nicht wenigen) Menschen, für die jetzt erst die griechische Geschichte anheimelnd zu werden beginnt. Man muß das Gemüt eines Ortskrankenkassendirektors haben, um ohne Herzklopfen an Krankengeschichten Wohlgefallen zu finden.

Also, fahren wir fort.

Was war das vorhin, werden Sie fragen? Was ist in die Perser gefahren? Sie wollten Ionien wiederhaben. Die Gelegenheit war doch günstig?

Athen geriet angesichts der veränderten Lage in einen wahren Rausch. Die spartanische Flotte vernichtet! Ionien, der Tretesel, wieder greifbar nahe! Artaxerxes der neueste Freund! Man beschloß, sofort die Mauern wieder aufzubauen. Vor allen Dingen aber und als allererstes gab es wieder Diäten!

Ohnmächtig mußte Sparta Zusehen. Trotzdem wird es den Tag nicht verwünscht haben, an dem es an Athen hatte Milde walten lassen. Ich glaube nicht, daß ich die Spartaner beschönige; sie waren zum Fürchten, aber sie waren nicht fürchterlich.

Im übrigen konnten sie das Zusammenrumpeln Persiens mit Athen abwarten. Es passierte prompt. Eine athenische Flotte, funkelnagelneu, von persischem Gelde erbaut, brauste nach Ionien ab. Dort ließ man nun alle Scham beiseite, zwang die Städte erneut unter athenischen Tribut, ging darauf nach Süden in persisches Gebiet und brandschatzte die ganze Küste. Lauter Irrsinnstaten eines außer Rand und Band geratenen Staates.

Der Bruch war sofort da. Reumütig drehte Artaxerxes den Athenern den Geldhahn ab und bat Sparta um Erneuerung des allgemeinen Friedens. Er wurde im Jahre 386 geschlossen und heißt der »Friede des Antalkidas«; Sie könnten ihn auch den »Westfälischen« nennen.

Das athenische Strohfeuer war niedergebrannt; Sparta atmete auf.

Wir auch. Denn das Kapitel Persien ist damit für lange Zeit erledigt.

Rosen für Apoll
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