Sinnlosigkeit des Leidens

Sinnlosigkeit des Leidens

Warum ohne Sinn das Glück auf sich warten lässt

Always look on the bright side of life Schau immer auf die heitere Seite des Lebens

Brian kommt im Stall neben Jesus auf die Welt. Er wächst in Judäa auf und verliebt sich als junger Mann in die idealistische Judith. Sie kämpft gegen die römischen Besatzer und ist Mitglied der »Volksfront von Judäa«. Auch Brian wird dank größter Bemühungen in diese Gruppe aufgenommen. Er beteiligt sich an dem Einbruch in den Palast von Pontius Pilatus, um die Frau des Statthalters zu entführen und so das römische Imperium zu vernichten. Die Entführung missglückt, da eine andere Widerstandsgruppe die gleiche Idee hatte. Brian wird verhaftet. Durch eine Menge Zufälle gelingt ihm jedoch die Flucht. Um nicht entdeckt zu werden, schlüpft er auf einem Marktplatz in die Rollen zahlreicher Propheten. Obwohl oder gerade weil er nur herumstottert und den Menschen auf dem Marktplatz Rätsel aufgibt, hat er bald eine große Gefolgschaft, die von ihm Antworten auf sämtliche Lebensfragen erwartet.

Verfolgt von einer großen Anhängerschaft, flüchtet der panische Brian ins karge Umland. Er versteckt sich bei einem Eremiten und trifft dort wieder auf Judith, die jetzt hin und weg ist von Brian. Am anderen Morgen ist die Stadt geradezu überfüllt mit selbst ernannten Jüngern Brians. Legionäre von Pontius Pilatus verhaften ihn schließlich. Er wird mit anderen, eher willkürlich ausgesuchten, Straftätern zum Tode durch Kreuzigung verurteilt. Ein fröhlicher Mitgekreuzigter fordert Brian auf, trotz Sinnlosigkeit auf die sonnige Seite des Lebens zu schauen. Alle zum Tode Verurteilten stimmten dann in dessen Lied »Always look on the bright side of life« ein.

Das Leben des Brian aus dem Jahre 1979 ist eine Komödie der britischen Komikergruppe Monthy Python. Brian wird zur gleichen Zeit wie Jesus geboren, unfreiwillig als Messias verehrt und schließlich völlig sinnlos gekreuzigt. Vor allem christliche und jüdische Vereinigungen protestierten vehement gegen diesen Film. Trotzdem hatte er durchschlagenden Erfolg. Ich könnte mir vorstellen, dass auch Friedrich Nietzsche begeistert gewesen wäre. Denn schließlich war er der Verkünder vom Tod Gottes, und Nietzsche selbst bezeichnete sich als »den ersten perfekten Nihilisten Europas«. Denn durch den »Tod Gottes« und der damit verbundenen Verabschiedung des Übernatürlichen gibt es keine übergeordnete ewige Instanz, die dem Leben Sinn und Ziel verleihen könnte. Religionen verhindern eine Weiterentwicklung des Menschen: Sie bieten Sinn und wiegen ihn in einer vermeintlichen Sicherheit, in einer Komfortzone, aus der er nicht mehr heraus möchte. Die religiöse Daseinsberechtigung bekommt der Mensch aber nicht zum Nulltarif. Denn nur wenn er auf Erden die religiösen Vorschriften befolgt, sich einschränkt und damit leidet, hat der Mensch die Chance, in den Himmel zu kommen. Für Nietzsche ist deshalb die Weiterentwicklung des Menschen, der »Übermensch«, ein spielendes Kind: Das spielende Kind geht ganz in seinem Spiel auf, ist auf der Stufe des »Ich bin« und stellt sich nicht die Frage nach dem Sinn, Ziel oder Zweck seines Handelns oder gar seines Lebens. Weder die Vergangenheit noch die Zukunft belasten dieses Kind, da seine Gedanken ganz im Hier und Jetzt sind.

Im Leben des Brian singen die Gekreuzigten am Ende des Films »Always look on the bright side of life«. Auch wenn dir das Leben schwer im Magen liegt – pfeif drauf. Vergiss deine Sünden und genieße das Leben. Denn eines ist sicher: Am Ende jedes Lebens steht der Tod. Das Leben ist ein Spiel, und der beste Spieler bist du dann, wenn du die Sonnenseite sehen kannst. Ist das so? Ich weiß es nicht.

Leben und Tod? Alles sinnlos? Können wir uns damit abfinden? Nicht einmal Nietzsche konnte sich wirklich damit abfinden. Denn einerseits hatte er die Vorstellung vom spielenden Kind als »Übermenschen«, andererseits war der »Übermensch« ein Mensch, der über sich hinauswuchs. Warum sollen wir Menschen uns steigern, wenn sowieso alles sinnlos ist? Warum sollen wir uns anstrengen? Warum leiden? Wahrscheinlich, weil wir doch einen Sinn brauchen. In Genealogie der Moral schreibt Nietzsche, dass der bisherige Mensch, das sogenannte Menschen-Tier, in der ersten Phase des Menschseins keinen Sinn hatte und dass er darunter gelitten hatte. Aber nicht das Leiden oder gar Schmerzen waren das Problem, sondern dass er nicht wusste, wofür er litt. Die Religion hat dann in der zweiten Phase des Menschseins dem Menschen einen Sinn gegeben. Dieser Sinn brachte mit all seinen Vorschriften und seiner Moral zwar zusätzliches Leiden. Trotzdem war der Mensch fürs Erste gerettet. Wie wir wissen, hofft Nietzsche auf die dritte Phase des Menschseins, in der der Mensch sich weiterentwickelt und sich dann selbst einen Sinn geben kann. Denn auch wenn uns kein Schöpfergott geschaffen hat und wir damit unseren Daseinszweck verlieren, nimmt das dem Leben nicht allen Sinn. Möglicherweise führt uns diese Erkenntnis nur zu dem Schluss, dass der Ursprung des Sinns nicht dort ist, wo wir dachten. Wenn es Gott nicht gibt und er uns keinen Sinn geben kann, sind wir dann selbst verantwortlich dafür, dass unser Leben Sinn macht? Was kann dieser Sinn des Lebens dann sein?

Was ist der Sinn des Lebens?

2002 hat das Institut für Demoskopie Allensbach 2117 Menschen in Deutschland befragt: »Was ist der Sinn des Lebens?« Dabei hat sich gezeigt, dass 55 Prozent der Menschen den Sinn darin sahen, das Leben zu genießen. Dreißig Jahre vorher gaben dies in Westdeutschland nur 27 Prozent an. Die Menschen verbanden ein sinnvolles Leben eher mit Gewissen (»Das tun, was mein Gewissen mir sagt«), mit Religion (»So handeln, wie Gott das erwartet«), mit Aufgabenerfüllung, Pflicht und auch gesellschaftlicher Verantwortung (»Dabei helfen, eine bessere Gesellschaft zu schaffen«). Aber schon in den Siebzigerjahren verloren im Westen Deutschlands soziale oder altruistische Motive an Attraktivität. Nach dieser Umfrage wächst die »Spaßgesellschaft«, der sogenannte Hedonismus.

Die Menschen der Studie wurden nach Vorlage einer Liste zum Lebenssinn befragt. Auf dieser Liste standen dann Dinge wie »Privates Glück«. Zum »Privaten Glück« gehörten dann beispielsweise »Dass ich glücklich bin, viel Freude haben« oder »Dass meine Familie versorgt ist«. Ein anderer Punkt war »Beziehung zur Gesellschaft«. Darunter wurden Dinge gelistet wie: »Dass ich von meinen Mitmenschen geachtet werde, Ansehen habe.« Oder: »An meinem Platz mithelfen, eine bessere Gesellschaft zu schaffen.« Ein dritter Punkt war die »Ethische Verantwortung« mit Unterpunkten wie: »Dass ich vor mir selbst bestehen kann.« Oder: »Tun, was mein Gewissen mir sagt.«

Verstehen wir das unter dem Sinn des Lebens? Wenn wir uns überlegen, in welchen Zusammenhängen wir das Wort »Sinn« benutzen, kommen wir vielleicht auf Begriffe wie Uhrzeigersinn oder Orientierungssinn. Beide Begriffe haben etwas mit Richtung zu tun. Dementsprechend hat der Sinn des Lebens etwas mit Richtung, Ausrichtung oder Weg des Lebens zu tun. Wir haben Sehnsucht nach einem klaren, zukunftsgerichteten Ziel, das unser eigenes Streben sinnvoll macht und unserem Leben eine klare Richtung vorgibt.

Außerdem haben wir Angst vor unserer eigenen Sterblichkeit. Natürlich wissen wir, dass alle Menschen irgendwann einmal sterben werden. Wir wollen genau diese Angst ausgleichen, indem wir ihr einen Sinn gegenüberstellen und so versuchen, unser seelisches Gleichgewicht wieder herzustellen. Wir könnten sagen, dass das seelische Gleichgewicht eine Art ausdauerndes Gefühl innerer Harmonie ist. Dieses ausdauernde Gefühl der inneren Harmonie ist ein anderer Ausdruck für das, was Aristoteles unter Glück verstand. Glück ist damit nicht der kurze Moment der Lust oder der Freude, sondern eher die innere Balance eines Menschen. Wenn wir diese innere Balance herstellen wollen, braucht unser Leben so etwas wie einen Sinn. Doch geht es wirklich um diesen allgemeinen Sinn, wenn es um Glück geht? Ich denke, wir können davon ausgehen, dass dieser eher allgemeine Sinn etwas mit unserem individuellen Sinn zu tun hat. Wenn wir an vormoderne Völker denken, so stellten diese Menschen eher selten die Frage nach Ihrem Sinn des Lebens. Es gab klare soziale Konventionen, deren Sinn nicht problematisiert wurde. Denn der Sinn lag mehr oder weniger darin, das zu tun, was die Vorfahren taten. Damit hatte der einzelne Mensch eine ganz klare Funktion innerhalb eines größeren Ganzen. Dieses größere Ganze legte damit auch den individuellen Sinn jedes einzelnen Menschen in einer Gemeinschaft fest.

In Zeiten der Aufklärung, der Moderne, tritt an die Stelle des Glaubens die Vernunft. Hat das Christentum im Mittelalter noch ein umfassendes Sinn-System geboten, wird dieses System in der Aufklärung immer mehr infrage gestellt. Wir können Vorgedachtes und Vorgegebenes nicht mehr einfach nur so übernehmen. Aber die Aufklärung schafft neue Systeme, an deren Spitze die Vernunft steht. Auch in Zeiten der Aufklärung geht man davon aus, dass das Universum geordnet ist, der einzelne Mensch jedoch für sich selbst verantwortlich ist. Im Höhepunkt der Aufklärung, dem Idealismus, ist es für Hegel keine Frage, dass die Menschheitsgeschichte auf ein Ziel zuläuft. Da jeder Mensch ein Teil der Menschheitsgeschichte und damit ein Teil des Ganzen ist, hat jeder Mensch ganz automatisch Sinn und Ziel.

Wie ist das heute, in sogenannten postmodernen Zeiten? Wenn wir uns geschichtlich orientieren, können wir feststellen, dass die große Sinnfrage meist in Zeiten auftaucht, in denen bislang als gesichert geltende Rollen, Überzeugungen und Konventionen in die Krise geraten sind. Beispielsweise schrieb der Philosoph Martin Heidegger sein Hauptwerk Sein und Zeit kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Jean-Paul Sartres Werk Das Sein und das Nichts erschien im Zweiten Weltkrieg. Altbewährtes und Tradiertes wird in Zeiten von Krisen hinterfragt und nicht mehr als selbstverständlich hingenommen. Mit diesem Infragestellen fallen wir immer ein Stück weit aus einem sicheren Rahmen heraus. Postmoderne Philosophen gehen heute davon aus, dass es weder Wahrheit, noch Wirklichkeit oder Sinn gibt. Aber es gibt heute nicht nur Vertreter einer Postmoderne, sondern unsere Zeit ist eine Epoche, in der wir über alle fundamentalen moralischen oder auch politischen Fragen heftig aneinander geraten. In die Arena der Sinnfrage treten heute zahlreiche rivalisierende Kämpfer. Dabei scheint keiner so wirklich in der Lage zu sein, den anderen zu überzeugen. Überkommene Glaubensvorstellungen zerfallen, aber auch an dem Primat der Vernunft wird gezweifelt. Damit kann keine endgültige Antwort auf die Frage nach dem Sinn gegeben werden. Dass keine endgültige Antwort gegeben werden kann, bedeutet aber auch, dass wir anstatt Sicherheit Freiheit bekommen. Denn hat das Leben keinen vorgegebenen Sinn, kann jeder Einzelne seinem Leben den Sinn geben, den er möchte. Wir sind nach dieser Theorie Urheber und Schriftsteller unserer selbst. Und wir sind dabei nicht darauf angewiesen, dass Gott oder die Vernunft unsere Geschichten schreibt. Warum also Sinnkrisen?

Reif für die Sinnkrise?

Ein 33-jähriger Mann, ziemlich abgemagert, befindet sich in Frankfurt auf dem Weg zu einer Beratung. Dort angekommen, erzählt er seiner Zuhörerin, dass er einen nervösen Magen habe und sich fast nur noch von Schokoriegeln und Kaffee ernähren könne. Nach seinem erfolgreich abgeschlossenen Studium gehörte er zu den »High Potentials« einer Großbank. Nach einem Trainee-Programm war er innerhalb weniger Jahre zum Projektleiter mit Personalverantwortung aufgestiegen und verdiente irre viel Geld. Nun aber stellte er fest, dass er eigentlich gar kein Privatleben hatte und sich außerdem seine Karriere in einer Art Sackgasse befand. Er fing an, sich zu fragen: »Was mache ich hier eigentlich? Soll ich mein ganzes Leben lang jetzt so weitermachen?«

Viele Menschen fühlen sich heute überlastet, geradezu ausgebrannt: Burn-out ist eine häufige Diagnose. Herbert Freudenberger hat schon 1974 beobachtet, dass in Drogenberatungsstellen viele junge, vormals hoch motivierte Mitarbeiter nach wenigen Arbeitsjahren abgestumpft und zynisch ihrer Arbeit nachgingen. Dieses Phänomen nannte er Burn-out. Vor allem in helfenden Berufen stieß man auf dieses Phänomen. Aber mit der Zeit konnte man in anderen Berufsgruppen die gleiche Symptomatik erkennen. Seither steigt die Zahl der psychisch Erkrankten unaufhörlich. Die Unternehmensberatung Kienbaum machte durch eine Befragung in deutschen Chefetagen auf einen neuen Typus, den Extremjobber, aufmerksam. 80 Prozent der deutschen Top-Führungskräfte gaben bei einer Befragung an, mehr als 50 Stunden pro Woche zu arbeiten. Die Hälfte der Manager mit jährlich mehr als 200000 Euro Verdienst legt eine Wochenarbeitszeit von 60–70 Stunden hin. Über lange Zeit empfinden diese »Arbeitstiere« ihre Arbeit als angenehm stimulierend, als intellektuelle Herausforderung, gar als Lebenselixier. Natürlich ist ihnen durchaus bewusst, dass diese Arbeitsweise nicht mit einem befriedigenden Privatleben in Einklang gebracht werden kann. Sind dann keine Hobbys mehr da, die Ehefrau mit Kindern ausgezogen, werden sie nachdenklich. Oftmals erkennen sie erst jetzt, dass ihre Arbeit aus Zeitdruck, Aufgabenlast, Fremdbestimmtheit, unklaren und wachsenden Zielvorgaben, eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten, häufigen Störungen im Arbeitsablauf durch Telefon oder E-Mails oder Umstrukturierungen besteht. Diese Menschen leiden an Burn-out aufgrund eines Zuviels.

Da gibt es aber auch den erfahrenen Krankenpfleger, der sich auf »seiner« Intensivstation besser auskennt als der junge ärztliche Kollege. Trotzdem darf dieser Krankenpfleger in Notfallsituationen offiziell keine ärztlichen Tätigkeiten durchführen. Oder denken wir an die vielen Arbeitslosen, die durch eine Firmenpleite von heute auf morgen ihren Job verlieren. Menschen über 50 mit Fähigkeiten und Fertigkeiten, die auf einmal nicht mehr gefragt sein sollen. Denn auch eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten, Langeweile, das Brachliegen eigener Talente und Interessen können zum Ausbrennen führen. Trotzdem ist nicht jeder Durchhänger ein Burn-out. Schlaflosigkeit, Energiemangel und Antriebslosigkeit sind vielleicht Alarmzeichen, aber sofern diese Zeichen nur phasenweise auftreten, muss dies noch kein Problem sein. Der Burn-out-Experte Matthias Burisch weist auf folgende Anzeichen hin: Meist fängt es an mit gesteigertem Arbeitseinsatz, mehr Überstunden, weniger Sozialkontakte und negativer Arbeitseinstellung. Oft stellen sich dann Unzulänglichkeitsgefühle, Pessimismus, abnehmende Motivation und Schlafstörungen ein. Es wird immer schwieriger, sich in der Freizeit zu erholen, die Essgewohnheiten verändern sich. Schließlich hat man Gefühle der Sinnlosigkeit und der negativen Lebenseinstellung. Eine Art von Depression.

Sinnkrisen gibt es also vor allem bei Menschen, die entweder über- oder unterfordert sind. Ich denke, wir befinden uns in einer Gesellschaft, in der beides vermehrt der Fall ist. Aber es ist nicht nur die Arbeit, die heute zu Sinnkrisen führen kann. Generell stellen wir uns die individuelle Sinnfrage, wenn wir aus Vertrautem herausfallen, wenn Brüche in unserem Leben passieren. Auch dann, wenn uns der Start in eine neue Lebensphase nicht so recht gelingen will oder sich unser Leben nicht so entwickelt, wie wir uns das vorgestellt haben. Schicksalsschläge, Krankheit oder der Tod eines Angehörigen können uns vor die fundamentale Frage nach dem Sinn des Lebens stellen. Wenn Sinnfragen in Krisen- oder Umbruchsituationen auftauchen, dann ist die Sinnfrage eher eine Art Symptom. Ist die Krise bewältigt, verschwindet auch die Frage. Es geht also nicht vorrangig darum, die Sinnfrage zu beantworten, sondern darum, das dahinterstehende Problem zu lösen.

Natürlich stellte auch ich mir die Frage, was für einen Sinn es haben kann, dass meine Tochter so schwer krank auf die Welt kam. Diese Art von Fragen hat mich allerdings nicht weitergebracht, denn es kann auf sie naturgemäß keine befriedigende Antwort geben.

Sinn machte deshalb nicht das Fragen, Sinn machte das Bewältigen der Krise. Da meine Tochter viermal am Herz operiert wurde, stieg von Operation zu Operation meine Zuversicht, und ich wusste von Tag zu Tag mehr, was Sinn machte und macht: das Leben meiner Tochter!

Zuvielitis

Wenn wir über unser Leben nachdenken, wird wahrscheinlich jeder von uns zugeben müssen, dass es Dinge gibt, die uns belasten, unfrei machen, deren Sinn wir vielleicht nicht verstehen. Im Hinblick auf ein freieres, »sinn«volles und glücklicheres Lebenskonzept können wir uns also fragen: Warum verabschieden wir uns nicht von sinnlosen Dingen? Warum kompliziert, wenn’s einfach geht?

Wenn wir von Dingen reden, denken wir meist zuerst an Materielles. An das, was wir besitzen. Das fängt an bei unserem Papierkram, geht weiter zu unserem Kleiderschrank, unserer Wohnung, unserer Garage, unserem Auto. Allein, wenn wir einen Blick auf unseren Schreibtisch werfen, sehen wir Unmengen von Papier oder Stiften. Wahrscheinlich könnten wir locker mehr als die Hälfte wegschmeißen.

Es gibt aber nicht nur Sachen, die für unser Leben unsinnig sind, sondern auch Gedanken, die keinen Sinn machen. Und meistens ist es so, dass wir nicht an unseren Umständen leiden, sondern an unseren Gedanken. Ständig machen wir uns Sorgen, was alles passieren könnte – die reinsten Horrorszenarien laufen in unseren Köpfen ab. Doch wenn wir ganz genau hinschauen: Wie viele dieser möglichen Katastrophen sind tatsächlich passiert? Vielleicht ist es oft besser, Dinge oder Gedanken auf sich beruhen zu lassen, loszulassen, mehr Leichtigkeit zu entwickeln. Denn es sind viele unsinnige Gedanken, die uns den Zugang zu uns selbst regelrecht verstopfen.

Aber wie lasse ich los? Wie kann ich mir Gedanken und Sorgen nicht machen? Lernen ist ein aktiver Prozess. Und wir lernen dann, wenn wir etwas tun. Das heißt, neue Gewohnheiten entwickeln, andere Gewohnheiten annehmen. Und dazu müssen wir täglich üben!

Wenn wir uns Sorgen machen, können wir uns lange sagen: »Ach komm. Das bringt doch nichts.« Wir können nicht »leer« werden von Gedanken, weil wir Wesen sind, die ständig etwas denken. Wir können uns aber dafür entscheiden, etwas anderes zu denken. Und Denken hat viel mit Konzentration und Aufmerksamkeit zu tun. Je besser es uns gelingt, unsere Konzentration und unsere Aufmerksamkeit einer Sache zuzuwenden, desto mehr sind wir von uns und unseren Sorgen abgelenkt.

Aber heute ist doch eher Multitasking angesagt. Wir telefonieren, checken unsere E-Mails und ersteigern auf eBay ein phänomenales Schnäppchen. Wir sprechen, hören zu, tippen, klicken und scrollen und das alles gleichzeitig. Um nichts zu verpassen, was uns besser und perfekter machen könnte, sei es unseren Körper, unsere Kinder, unsere Frisur oder unsere Designerwohnung, dürfen wir nichts unversucht lassen. Und da wir nur eine begrenzte Zeit haben, bleibt uns nichts anderes übrig, als alles gleichzeitig zu tun. Natürlich lesen wir auch abends, während der Fernseher läuft und wir die Kinder ins Bett bringen, Bücher über Meditation und Achtsamkeit. Denn wir alle haben schon gehört, dass zu einem perfekten Leben auch Ruhe dazugehört. Dazu müssen wir an unserer Work-Life-Balance arbeiten. Aber aufgrund der vielen anderen Dinge muss es uns genügen, über Ruhe zu lesen. Es könnte jedoch sein, dass wir vor lauter »Haben müssen«, »Besser werden« und dem Streben nach Perfektion unser Leben ganz vergessen. Ist vielleicht weniger oft mehr? Wahrscheinlich haben wir schon viel zu viel, und trotzdem macht es keinen Sinn.

Oder vielleicht ist alles so sinnlos, weil wir schon viel zu viel haben und wir uns um das, was bereits in uns angelegt ist, nicht kümmern. Und hier macht die Sorge Sinn, nämlich die Selbstsorge, das Kümmern um sich selbst. Kümmern um sich selbst kann bedeuten, dass ich nicht jede Sahnetorte, die ich sehe, essen muss. Kümmern um sich selbst kann auch heißen, dass ich abends eine Runde durch den Wald jogge, anstatt neben dem Fernseher meine aktuellsten E-Mails zu checken. Wir nehmen damit auch richtige Qualen auf uns, weil wir uns selbst beschränken, um langfristig gesünder durchs Leben zu gehen. Das heißt nicht, dass wir uns nicht ab und zu eine Sahnetorte gönnen sollten. Wichtig dabei ist nur, dass wir uns dann, wenn wir eine solche Gaumenfreude genießen, voll und ganz nur darauf konzentrieren. Von dem, was wir tun, haben wir nur dann wirklich etwas, wenn wir unsere ganze Aufmerksamkeit und Konzentration darauf richten. Wenn es uns gelingt, uns auf das, was wir tun, zu konzentrieren und uns unsere Gedanken und Sorgen keinen Streich spielen, macht das Sinn.

Der französische Schriftsteller Honoré de Balzac hat einmal gesagt: »Was man macht, muss man gründlich machen; selbst eine Torheit.« Denn auch Torheiten sind ein Teil von uns und unserem Leben. Wichtig dabei ist, dass wir das Gefühl haben, dass das, was wir tun, zu uns und unserem Leben dazugehört. Und wichtig ist dabei auch, dass die Richtung stimmt. Mal ein Sahnetörtchen macht nichts aus, aber machen wir die Sahnetorte nicht zu unserer Gewohnheit. Das, was wir hauptsächlich tun, das, was wir täglich einüben, sind unsere Gewohnheiten, die uns selbst ausmachen.

Überprüfen Sie Ihre Gewohnheiten. Trägt das, was Sie tun, zu der Art von Leben bei, die Sie sich wünschen? Passen Ihre Gewohnheiten zu Ihnen? Ein dauerhaft glückliches, sinnvolles Leben ist kein schnelles Leben. Kein Leben der schnellen Antworten, der Gier, alles haben zu wollen und alles zu kriegen. Sondern es ist ein Leben, in dem man sich selbst kurzfristig einschränkt, um langfristig besser zu leben. Oft ist das Leiden der Preis für Sinn und Glück. Aber sehen wir von existentiellen Qualen einmal ab und denken wir noch einmal an die Sahnetorte, auf die wir verzichten, so können wir uns an diese »Qualen« sehr gut gewöhnen. Denn je mehr wir den Verzicht einüben, desto erträglicher wird er werden. Am Ende wollen wir gar nicht mehr ohne ihn sein.

Verzicht einüben hat jedoch zwei Seiten und, glücklicherweise, zwei positive Seiten. Wollen wir verzichten, wird es uns eher nicht gelingen, etwas einfach nicht zu tun. Alle, die schon einmal eine Diät gemacht haben, wissen das. Wenn wir uns mit nichts beschäftigen, nichts tun, und dabei auch noch auf die Torte verzichten sollen, wird uns das nur äußerst schwer gelingen. Denn plötzlich machen unsere Gedanken nichts anderes mehr, als nur noch an Torten aller möglichen Arten zu denken. Wer kann das schon aushalten. Anders verhält es sich, wenn wir statt Torte zu essen etwas anderes tun. Setzen wir uns Ziele, damit unser Leben in die Richtung verläuft, die wir für sinnvoll erachten.

Leben in die richtige Richtung

Wenn wir uns Ziele setzen, möchten wir uns in eine bestimmte Richtung bewegen. Über Ziele können wir Zusammenhänge schaffen. Beispielsweise soll unsere Arbeit etwas mit uns zu tun haben. Wir versuchen eingebettet zu sein in soziale Netzwerke. Wir möchten in dem, was wir tun, einen Sinn erkennen. Außerdem ist es wichtig, dass unsere Ziele nicht im Widerspruch zu unseren Wertvorstellungen stehen. Aber vor allem müssen wir unsere Ziele kennen. Laotse hat dazu vor 2300 Jahren schon gesagt, dass nur der den Weg finden kann, der sein Ziel kennt.

Wahrscheinlich gibt es deshalb heute so viele Bücher zum Thema: Sowohl im Privaten als auch im Beruflichen sprechen heute alle über Ziele. Ein sehr beliebtes privates Ziel ist beispielsweise das Schlankwerden. Über das Schlankwerden selbst gibt es unzählige Bücher, wie Schlank im Schlaf, Ich bin dann mal schlank oder gar Wünsch Dich schlank. Im Berufsleben geht es oft darum, wie Vorgesetzte mit Mitarbeitern Ziele vereinbaren. Die Gefahr besteht jedoch darin, dass wir oft überzogene Idealvorstellungen als Ziele formulieren. Dann können wir uns noch so sehr anstrengen, sind aber trotzdem frustriert, weil wir unsere Ziele nicht erreichen. Natürlich ist es vielleicht wünschenswert, die idealen Maße, den idealen Job, den perfekten Mann und die intelligentesten Kinder zu haben. Aber vielleicht wird meine Figur auch bei ständigem Hungern nicht zur Modelfigur. Möglicherweise ist die Arbeit manchmal einfach öde. Auch der Mann hält nicht immer, was er verspricht, und die Kinder weigern sich permanent, ohne Probleme aufzuwachsen. Und das ist vielleicht auch gar nicht allzu schlimm, sondern einfach Realität.

Jean-Paul Sartre spricht von der Faktizität: Es gibt Dinge in unserer Welt, die uns prägen und die wir nur beschränkt oder vielleicht auch gar nicht beeinflussen können, so wie die Familie oder die Gesellschaft, in die wir hineingeboren werden. Trotzdem besitzen wir die individuelle Freiheit, wie wir mit diesen Dingen umgehen, welche Einstellung wir zu ihnen haben. Manche Dinge sind vielleicht eher Unzulänglichkeiten, die wir besser akzeptieren als idealisieren. Wir täuschen uns, wenn wir meinen, dass die Zukunft ein Dasein ohne Probleme und ohne Sorgen für uns bereithält. Das Glück ist oft flüchtig, die Dinge oft unbeständig. Trotzdem tun wir gut daran, den Mut zu haben, das Leben so zu nehmen wie es ist, und das Beste daraus zu machen. Das Beste daraus zu machen, heißt, Ziele zu formulieren, die herausfordernd und motivierend sind, aber dennoch innerhalb der eigenen Machbarkeit stehen. Die Ziele sollten in einem sinnvollen Zusammenhang zu unseren Wertvorstellungen und zu unseren Wünschen stehen. Wenn wir ihnen dann noch einen zeitlichen Rahmen verpassen, sie konkret festlegen und gleichzeitig mit Leben erfüllen, haben wir den Grundstock für ein zielorientiertes Leben gelegt. Wir müssen uns jedoch darüber bewusst sein, dass jedes Ziel, so hoffen wir, irgendwann einmal erreicht ist. Die Zielerreichung ist damit an einen Augenblick gebunden. Wie wir bereits wissen, verrinnen diese Augenblicke nur allzu schnell und werden zur Vergangenheit. Genau dasselbe gilt für den Sinn des Lebens, wenn wir ihn nur an Augenblicke koppeln.

Deshalb gibt es wahrscheinlich auch nicht den einen Sinn des Lebens. Unzweifelhaft gibt meine Tochter meinem Leben einen Sinn. Und ich bin mir sicher, dass sie immer eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen wird. Aber auch dieser Sinn hat sich in der Vergangenheit immer mal wieder verändert und wird das voraussichtlich auch zukünftig tun. Auch wenn Alina nie ein vollkommen selbstständiges Leben führen wird, wird auch sie sich mit der Zeit wohl nicht mehr nur an mir orientieren. Und das ist gut so. Denn auch sie hat ein Recht auf ein eigenes, sinnvolles Leben – in welcher Form auch immer.

In Form sein

Die Lebensform ist das, was dem Leben die Bestimmtheit oder vielleicht auch die Gestalt verleiht. Form hat grundsätzlich immer etwas mit Struktur und Regelmäßigkeit zu tun. Eine Form hält innerhalb von bestimmten Grenzen etwas zusammen, das von anderen Formen unterschieden werden kann. Sie ist dabei nichts, was sich ständig verändert, sondern etwas, das durch Wiederholbarkeit, Dauer und Beständigkeit gekennzeichnet ist. Auch eine Lebensform ist eine regelmäßige, dauerhafte, nicht zufällige Umgrenzung der Haltung und des Verhaltens, der Gesten und Gewohnheiten, die ein Mensch sich aneignet, die er aber auch mit anderen teilen kann. Lebensformen organisieren die Vielfalt von möglichen Verhaltensweisen und bieten damit dem einzelnen Menschen Sicherheit und Halt.

Wir alle werden zunächst einmal in eine Lebensform, in eine Kultur hineingeboren, die wir nicht weiter hinterfragen. Wenn es dann aber um unseren Sinn des Lebens, also darum geht, welche Richtung wir im Leben einschlagen, wählen wir eher eine Form. Aus dem historischen und kulturellen Fundus heraus denken wir über die einzelnen Formen nach, um dann diejenige Form zu wählen, die zu uns passt. Es geht dabei aber nicht nur um die reine Übernahme. Denn unsere eigentliche und herausfordernde Aufgabe besteht darin, die eigene Lebensform so zu gestalten, dass sie bestmöglich zu uns passt und unser Zusammenleben mit anderen ermöglicht.

In Zeiten der griechischen Antike gab es nur ganz wenige Lebensformen. Aristoteles unterschied beispielsweise nur drei: bios hedone (Genuss, Lust), bios politicos (Ehre, Ruhm) und bios theoreticos (Denken, Philosophie). Da die Lebensform der Lust auf Körperlichkeit basiert und die der Ehre und des Ruhmes auf die Anerkennung von außen, sind diese beiden Lebensformen eher unbeständig und können für Aristoteles nicht ein Leben lang gültig sein. Allein die theoretische Lebensform kommt von innen und stellt damit für Aristoteles ein seelisches Gut dar, das ein Leben lang Gültigkeit besitzt und den Menschen am glücklichsten macht.

Wie sieht das heute aus? Wenn wir heute von Lebensformen sprechen, sind das am ehesten gedankliche, individuelle Strukturen, die einen Wert im einzelnen Leben als dominant bestimmen. Deshalb besitzt jeder Mensch heute eine Mischung aus unterschiedlichen Formen. Wünschenswert ist natürlich, dass die Form, die bei uns dominant vorherrscht, die Form ist, die wir bewusst wählen und verantworten, die wir gleichzeitig aber immer wieder kritisch hinterfragen und neu für uns definieren.

Diese Forderung stellt auch Nietzsche an die Menschen. Ihm geht es um den freien, nicht um den festgefahrenen Geist. Denn der freie Geist folgt nicht blind alten Überlieferungen, Traditionen und Gewohnheiten, sondern der freie Geist wählt ganz bewusst. Natürlich wählt auch Aristoteles’ glücklicher Mensch ganz bewusst seine Lebensform. Aber Aristoteles ist sich sicher, dass er nur dann, wenn er die denkerische Lebensart wählt, auch ein sinnvolles Leben führen kann. Anders bei Nietzsche. Für ihn gibt es die »Versuchsjahre«, in denen der Mensch Erfahrungen sammelt, in denen es keine Gewissheiten und Sicherheiten gibt. In diesen Jahren probieren Menschen aus, sind offen gegenüber allem, was anders ist, und werden so zu selbstbestimmten, reifen und freien Geistern. Auf diesem Weg darf und muss der Mensch sich verändern. Dabei geht es nicht nur darum, offen für das zu sein, was zufällig auf einen zukommt, sondern auch darum, ganz bewusst Zufälle zu provozieren: Dadurch lernt der Mensch, dass eben nicht alles planbar und die Vernunft auch nicht Herr über alle Lebenslagen ist. Es kommen Zufälle auf uns und unser Leben zu, mit denen wir nicht rechnen können. Da diese Unwägbarkeiten des Lebens sich nicht nach uns richten, müssen wir uns nach ihnen richten. Damit ist Lebenskunst für Nietzsche ein »Leben können« mit den Zufällen einer jeden Existenz. Zufälle sind nicht berechenbar. Sie sind einfach faktisch da, und wir können ihnen nicht entkommen. Leben können heißt bei Nietzsche, Zufälle und Unvorhergesehenes anzunehmen und, im besten Fall, daran zu wachsen. Denn Zufälle eröffnen uns nicht selten neue Möglichkeiten, die uns besser voranbringen als jedes im Voraus geplante Handeln.

Für Nietzsche hat das Leben mit Kunst und mit Können zu tun. Der Lebenskünstler gibt dem Leben einen Sinn, und der Lebenskönner erfüllt diesen Sinn. Wir leben heute in einer Zeit, in der wir nicht mehr beherrscht werden von Traditionen und Konventionen. Damit gibt es keine endgültige Antwort auf die Frage nach dem Sinn. Es gibt eher zahlreiche, vielleicht sogar exotische Antworten. Diese Vielzahl von Antworten kann für uns Freiheit bedeuten. Freiheit dahingehend, dass es uns freisteht, unserem Leben selbst einen Sinn zu geben. Es kann uns aber auch passieren, dass wir der Meinung sind, in unseren Leben unseren Sinn gefunden zu haben, wir uns ganz wohl und glücklich fühlen. Doch plötzlich, wie der Zufall so spielt, werden wir mit einer völlig unerwarteten Krise konfrontiert. Als Lebenskönner nehmen wir diese Krise an. Auch wenn sie Leid verspricht, bleibt uns nichts anderes übrig. Aber wir bleiben nicht bei der bloßen Akzeptanz einer Krise stehen. Denn eine Krise annehmen heißt nicht, uns in unserem Leid zu suhlen, sondern sie als Herausforderung zu sehen. Sie kann uns eine ganz neue, uns bisher völlig unbekannte Perspektive auf unser eigenes Leben eröffnen. Wir spüren plötzlich Kräfte, die wir nicht für möglich gehalten hätten. Und genau hier liegt die Chance auf eine Weiterentwicklung, auf einen »neuen« Sinn. Denn es ist nichts für immer und für die Ewigkeit.

Beispielsweise hat die existenzielle Angst um meine Tochter meinem Leben einen »neuen« Sinn gegeben. Diese Angst hat in mir etwas geweckt, das ich nicht für möglich gehalten hätte. Aber ich habe ganz genau gespürt, dass es zu mir gehört. Ich bin mir ein Stück weit nähergekommen, habe mich weiterentwickelt und meinem Leben einen »neuen« Sinn verliehen.

Damit ist Sinn so etwas wie eine menschliche Leistung. Weder die Welt, noch die Dinge auf der Welt machen Sinn, wenn wir Menschen ihnen keinen Sinn verleihen. Das können wir jedoch nur erreichen, indem wir selbst ein Teil dieser Welt sind. Heidegger würde sagen, dass unser »Da-Sein« ein »In-Sein« ist. Solange wir leben, können wir vermutlich nicht aufhören, unser Leben zu interpretieren und zu deuten, und das tun wir meist im Gespräch mit anderen oder mit uns selbst. Denn durch die Interpretation von der Welt, von anderen Menschen und uns selbst, erkennen wir Zusammenhänge, die unserem Leben Sinn geben.

Sinn und Glück gehören also eng zusammen. Denn das, was uns sinnvoll erscheint, macht uns wohl auch glücklich. Wenn wir Bindungen oder Zusammenhänge spüren, entstehen am ehesten die guten Gefühle. Wir sind mit unseren Freunden zusammen und erleben so gute Beziehungen. In einer guten Gemeinschaft fühlen wir uns als Mitglied, als Teil vom Ganzen. Unser Sinn des Lebens wird uns aber nicht einfach so auf dem Silbertablett serviert. Wenn wir auf ein sinnvolles Leben aus sind, müssen wir etwas dafür tun. Ideen, Träume und Werte sind die Grundlage für unsere Ziele. Die Arbeit an der Erreichung dieser Ziele stellt einen Zusammenhang zu uns selbst dar. Damit macht eine Zielerreichung nicht nur Sinn, sondern auch glücklich.

Was können wir tun? Welche Fragen sollten wir uns stellen, um unserem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen?

• Betrachten Sie Ihr Leben. Was verstehen Sie nicht? Welche Dinge sind sinnlos?

• Verabschieden Sie sich von sinnlosen Dingen oder verändern Sie diese Dinge so, dass sie zu Ihrem Leben gehören und Sinn machen.

• Gibt es in Ihrem Leben Probleme, die Sie mit Ihren bisherigen Erfahrungen und Kenntnissen nicht lösen können? Formulieren Sie diese Probleme, schaffen Sie Distanz und lösen Sie sie.

• Schaffen Sie Zusammenhänge! Zusammenhänge zwischen Ihnen und Ihrer Arbeit, teleologische Zusammenhänge (Frage nach dem Wofür und Wozu), soziale Zusammenhänge, ethische Zusammenhänge und Wertvorstellungen.

• Was möchten Sie in Ihrem Leben erreichen? Formulieren Sie Ziele, die Sie motivieren und herausfordern. Positiv und so konkret wie möglich sollten Ihre Ziele sein. Erfüllen Sie Ihre gedanklichen Ziele mit Leben und formulieren Sie diese schriftlich und immer in der Gegenwart. Setzen Sie Ihren Zielen einen zeitlichen Rahmen und stellen Sie sie in Einklang mit Ihren Wertvorstellungen. Achten Sie darauf, dass Ihre Ziele glaubhaft und erreichbar sind!

• Machen Sie sich klar, dass, wenn Sie Ihr Leben als sinnlos erleben, Sie es sind, der Ihrem Leben keinen Sinn verleiht. Wir sind die Interpreten unseres Lebens. Achten Sie darauf, welche Perspektive Sie zu sich und Ihrem Leben einnehmen!

• Achten Sie auf die Dinge, die Sie tun, und tun Sie nicht alles gleichzeitig!