24. KAPITEL
Der Druck in der Luftschleuse war beinahe ausgeglichen, als ein Dröhnen wie von einem Meteoriteneinschlag durch die Außenhülle des Falken vibrierte. Der Korridor sackte weg, und Han krachte gegen die Decke – oder besser: Die Decke krachte gegen ihn. Einen Augenblick später lag er benommen am Boden, ohne sich daran erinnern zu können, von der Decke runtergefallen zu sein. Sein Kopf schmerzte und seine Schultern puckerten, und seine Ohren klingelten nicht, sie schrillten.
Er rollte sich auf die Seite und lag leidend da, während er dahinterzukommen versuchte, was gerade geschehen war. Was in den letzten paar Monaten geschehen war, um genau zu sein – wie Leia und er in einen weiteren Krieg hineingezogen worden waren und was diesen um so vieles schlimmer machte als die anderen, um so vieles schmerzhafter und verwirrender.
Dann trudelte ein Stückchen Füllmaterial vorbei, hüpfte vor Hans Nase über den Boden, und mit einem Mal spielte es keine Rolle mehr, was passiert war. Das Schrillen war überhaupt nicht in seinen Ohren. Es drang aus den Lautsprechern der Sprechanlage, und die Tonlage wurde langsam, aber stetig höher.
Der Innendruck fiel.
Han rappelte sich auf, ging zu der Kontrolltafel neben der Luftschleuse und brachte den Notfallalarm zum Schweigen.
Sofort kam Leias Stime über die Sprechanlage des Schiffs, unterlegt von einem Chor aus Heul- und Summtönen, die darauf hinwiesen, dass die Systeme des Falken schneller nachließen, als ein Komet durch ein Schwarzes Loch gesaugt wurde.
»Han? Bist du in Ordnung?«
»So weit ja.« Als ihm klar wurde, dass er beide Hände brauchen würde, um die Reparaturen durchzuführen, versuchte er, seinen Arm aus der Schlinge zu ziehen – und brach beinahe vor Schmerz zusammen. Er würde Hilfe brauchen. »Aber ich kann meine Zeit nicht mit Quatschen verplempern. Wir haben irgendwo ein Druckleck.«
»Ein Leck?«, fragte C-3PO, der ebenfalls vom Cockpit aus über die Sprechanlage sprach. »Captain Solo, Sie verfügen lediglich über einen funktionsfähigen Arm. Es wird Ihnen niemals gelingen, die …«
»Ich kriege das hin.« Han spähte durch das Sichtfenster des Schotts und war erleichtert zu sehen, dass Jaina und ihre Begleiter alle auf den Füßen und wohlauf waren. »Hilfe wartet in der Luftschleuse.«
»Pass einfach auf dich auf«, warnte Leia. Der Boden neigte sich immer wieder und buckelte weiterhin, als Leia mit dem Falken eine Reihe von Ausweichmanövern flog. »Irgendein Laserhirn in einem der Sternenzerstörer gibt Nahschüsse auf uns ab.«
»Ist das alles?«, fragte Han. Als er sah, dass sich der Druck in der Luftschleuse beinahe im regulären Sicherheitsbereich befand, betätigte er die Sicherheitsüberbrückung. »Ich dachte, du hättest einen Asteroiden oder so was erwischt.«
Im Innern der Luftschleusenkammer blitzte eine Warnlampe auf, und einen Moment später öffnete sich zischend das Schott. Jaina und die anderen – Zekk, Ben und ein fremder Twi’lek – kamen heraus. In dem typischen Post-Weltraum-Rausch, sich schleunigst von ihren Platzangst erregenden Notfallanzügen zu befreien, zogen sie ihre Handschuhe ab und öffnete die Verschlussringe ihrer Helme. Hans Herz blühte auf, als er Jaina sah – und seine Eingeweide krampften sich zusammen, weil sie sich nun in ebenso großer Gefahr befand wie Leia und er.
Sobald Jainas Visier oben war, wandte sie sich an Han und breitete die sperrigen Arme ihres Evakuierungsanzugs aus, um ihn zu umarmen. »Ich weiß zwar nicht, was du hier machst, aber was immer es auch ist …«
»Ich liebe dich auch, Kleines.« Han hob eine Hand, um sie zu unterbrechen. »Aber das Geknuddel wird warten müssen. Wir haben ein Druckleck.«
Jainas Augen fielen auf die Schlinge, die vor Hans Brust hing, und ihr Gesichtsausdruck wechselte von Erleichterung zu Begreifen. »Wie schwer wurden wir getroffen?«
»Weiß ich noch nicht.« Er wandte sich wieder der Kontrolltafel zu und tippte auf dem Tastenfeld herum, um den Schadensbericht für das gesamte Schiff aufzurufen. »Aber so schlimm kann es nicht sein. Wir haben immer noch …«
Han wurde unterbrochen, als zwischen ihm und der Anzeigetafel eine Hand erschien. Seine Augen brauchten eine Sekunde, um sich zu fokussieren, aber als es so weit war, erkannte er, dass die Hand ein Paar Elektrohandschellen hielt.
»Was, zum Geier …?« Han drehte sich um und ließ den Blick über den im Evakuierungsanzug steckenden Arm zum Gesicht seines Neffen schweifen.
»Es tut mir wirklich leid, Onkel Han«, sagte Ben. »Aber du stehst unter Arrest.«
»Unter Arrest?« Han sah den Jungen stirnrunzelnd an und versuchte, sich darüber klar zu werden, ob er vor Gelächter oder Verärgerung explodieren sollte. »Junge, du hast einen lausigen Sinn für Timing.«
»Das liegt an dem Umgang, den er pflegt«, meinte Jaina. Sie wandte sich mit Feuer in den Augen an Ben. »Steck die weg, bevor ich …«
»Ist schon in Ordnung, Jaina.« Zekk griff über Jainas Schulter und drückte die Hand des Jungen sanft nach unten. »Ich kläre das.«
Zu Hans Verblüffung nickte Jaina bloß und wandte sich wieder der Kontrolltafel zu, vollkommen damit einverstanden, dass Zekk sich um Ben kümmerte, während sie ihre Aufmerksamkeit dem Druckleck widmete. Etwas zwischen den beiden hatte sich eindeuig verändert – sie verhielt sich, als würde sie ihn tatsächlich respektieren.
»Aber sie werden per Haftbefehl gesucht«, protestierte Ben. »Wir müssen sie festnehmen!«
»Du wirst zum Jedi ausgebildet, Ben«, sagte Zekk. »Das bedeutet, dass du in gewissen Situationen deinem eigenen Urteilsvermögen vertrauen solltest.«
»Das tue ich«, beharrte Ben.
»Ich hoffe nicht, dass du das wirklich glaubst. Wir unterhalten uns später darüber.«
Als Ben erkannte, dass er sich nicht in der Position befand, Zekk zu widersprechen, schob er die Elektrohandschellen gehorsam in eine Tasche in seinem Evakuierungsanzug zurück, dann sah er missbilligend zu Han auf. »Nimm’s nicht persönlich, Onkel Han – aber ich werde dich trotzdem verhaften.«
»Was immer du sagst, Junge«, erwiderte der. »Jetzt lass uns aber erst mal das hier überstehen.« Er wandte sich von Ben ab.
»Ich weiß nicht, Dad«, sagte Jaina. »Dieses Leck ist vielleicht eine Nummer zu groß für uns.«
»Du machst Witze, oder? Damals, im Genossenschaftssektor, wurden Chewbacca und ich mindestens einmal die Woche so übel aufgemischt.«
»Nicht so übel.« Jaina deutete auf die Schadensdarstellung, die sie auf den Bildschirm der Kontrolltafel gerufen hatte, und Han sackte das Herz bis in die Eingeweide. Das obere Kanonengeschütz war verschwunden, zusammen mit einem beträchtlichen Teil der umliegenden Hüllenpanzerung, und das untere Geschütz war aufgerissen wie die Blüte einer Blume, eindeutig von innen heraus zerfetzt. Der Zugangstunnel, der sie miteinander verband, war rot, was einen kompletten Druckausfall anzeigte, und die Bereiche ringsum färbten sich zusehends rosa.
Jaina musste Hans Entsetzen spüren, denn sie fragte: »Waren Cakhmaim und Meewalh in den Geschützen?«
»Ja – sie haben die Laserkanonen abgefeuert.« Hans Inneres verknotete sich vor Kummer. In Anbetracht der Schäden, die er auf dem Schaubild gesehen hatte, war alles, was von den beiden Noghri blieb, der Platz, den sie stets in den Herzen der Solos einnehmen würden. »Ich schulde dem, wer auch immer diesen Sternenzerstörer befehligt, ein Detonitsandwich.«
»Ein Sternenzerstörer hat auf euch gefeuert?«, fragte Ben. Sein Lichtschwert baumelte an einer Werkzeugschlaufe seines Evakuierungsanzugs, aber Zekk achtete ohnehin sorgsam darauf, nicht von seiner Seite zu weichen. »Was habt ihr getan, um das zu verdienen?«
»Euch gerettet«, sagte Han säuerlich. »Wir können dich ja immer noch wieder zurück ins All werfen, falls du findest, dass das eine schlechte Idee war.«
»Wir werden uns später mit Ben befassen.« Jaina ergiff Hans Arm und setzte sich nach vorn in Bewegung. »Jetzt müssen wir Mom und dich erst einmal in Evakuierungsanzüge stecken.«
»In Evakuierungsanzüge? Auf keinen Fall.« Han ging nach achtern. »Bis dahin wäre der Kabinendruck im Falken sowieso gleich null.«
»Dad, ihr habt einen Turbolasertreffer direkt in den Zugangskern kassiert.« Jaina watschelte in ihrem Anzug neben ihm her. »Womöglich sind wir nicht in der Lage, die Sache zu beheben.«
»Klar sind wir das«, erwiderte Han. »Dies ist ein YT-1300. Der Zugangskern ist nicht so wichtig.«
Er ging weiter nach achtern und prallte von den Wänden ab, als der Korridor um ihn herum kippte und tanzte. Das zunehmende Vibrieren im Boden deutete auf eine defekte Triebwerkslafette hin, während eine beständige Serenade gedämpften Ächzens darauf hinwies, wie sehr Leias Ausweichmanöver dem beschädigten Rahmen des Falken zusetzten – und dafür sorgte, dass Han sich fragte, wie lange ihnen noch blieb, ehe ein metallisches Bersten irgendwo tief im Innern des Schiffs schließlich ihre Ohren vor lauter Druckverlust platzen lassen würde.
Er umrundete die Ecke, um festzustellen, dass das Schott versiegelt war und ein Luftstrom aus einem winzigen Loch in der Wand pfiff. Die Ränder des Lochs waren glatt und gewölbt, als wäre der Durastahl nicht durchdrungen worden, sondern geschmolzen.
»Das sind schlechte Neuigkeiten«, kommentierte Ben ein paar Meter hinter Han. »Das ist ein Spritzleck.«
»Keine große Sache«, sagte Han. Spritzlecks traten auf, wenn eine metallische Masse zu geschmolzener Gischt explodierte, normalerweise, nachdem sie von einer Turbolasersalve getroffen worden war. Sie waren für ihre Gefährlichkeit berüchtigt und schwierig zu reparieren, weil sie so viel Schaden an so vielen verschiedenen Stellen anrichteten. »Es hat nichts Wichtiges erwischt, andernfalls wären wir längst tot.«
Han aktivierte die Kontrolltafel, dann überprüfte er den Druck auf der anderen Seite des Schotts und gab den Sicherheitsüberbrückungscode ein. Seine Ohren ploppten schmerzhaft, als das Schott zurückglitt, und das Pfeifen entweichender Atmosphäre wurde zu einem Kreischen. Er trat in den hinteren Frachtraum und wandte sich dem Lärm zu, und das erste Problem wurde augenblicklich offensichtlich.
Die Spritzer hatten einen meterbreiten Durastahlkreis mit sprichwörtlich Hunderten winziger Schmelzlöcher perforiert. Das Metall war so geschwächt, dass der Luftdruck die Wand nach außen wölbte, und Han wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis der Bereich einfach weggerissen und die Atmosphäre aus dem Laderaum gesaugt wurde.
»Okay, irgendwie ist das doch eine große Sache«, sagte er. »Jaina, du und Zekk, ihr geht zum Werkzeugschrank und holt das Flickzeug und die Verstärkungsstreifen. Ben, nimm deinen Twi’lek-Freund und …«
»Eigentlich sind wir keine Freunde«, unterbrach Ben; er klang so launisch, wie es zu einem Zeitpunkt wie diesem bloß Jugendliche fertig brachten. »Sein Name ist Sorzo, und er ist ein erstklassiger Raumfahrer.«
»Schön.« Han sah über Ben hinweg zu dem Twi’lek. »Sehen Sie sich einfach rings um den Zugangskern um, ob es noch irgendwelche anderen Stellen gibt, wo es so schlimm aussieht wie hier.«
Der Twi’lek – Sorzo – bestätigte die Anweisung mit einem Salutieren und eilte mit Ben im Schlepp davon.
Han verbrachte die nächsten zwanzig Sekunden damit, den Bereich direkt vor sich nach weniger offensichtlichen Löchern abzusuchen – und fand jede Menge. Selbst wenn es ihnen gelang, diese Stelle zu flicken, mussten sie immer noch Dutzende winziger Schmelzlöcher etwa im Maschinenraum oder in der Medistation aufspüren. Das würde bedeuten, das Cockpit zu versiegeln und Stunden in Evakuierungsanzügen zuzubringen. Aber was konnte er sonst tun? Den Falken aufgeben?
Ein gewaltiges Krachen drang von irgendwo aus dem Unterdeck herauf, und dem Zittern und Bocken des Schiffs gesellte sich ein seltsames Tuckern hinzu.
Leias Stimme kam über die Sprechanlage, über das Kreischen der entweichenden Luft hinweg kaum zu verstehen. »Han, was war das?«
»Woher soll ich das wissen?« Han fühlte sich allmählich doch ein wenig überfordert, und das war ihm beim Falken noch nie passiert. »Kann Dreipeo dir das nicht sagen?«
»Die Schadensmeldungen enthalten keinerlei Hinweise auf ein neues Problem«, berichtete der Droide. »Dennoch schienen wir in unseren Sublichttriebwerken Energie zu verlieren.«
»Verdammt!« Han schlug mit einer Faust gegen die Wand – dann warf er einen weiteren Blick auf den Kreis aus Spritzlöchern und beschloss, kein unnötiges Risiko einzugehen. »Irgendwas muss eine Versorgungsleitung abklemmen.«
»Vielleicht könnten Sie das Problem beheben«, schlug C-3PO vor.
»Ich bin gerade ziemlich damit beschäftigt, hier hinten Drucklecks abzudichten«, entgegnete Han.
»Das wird keine Rolle mehr spielen, wenn wir noch einen Treffer einstecken«, mahnte Leia. »Und wenn wir nicht manövrieren können …«
»… werden wir einen weiteren Treffer einstecken«, beendete Han den Satz. »Ich weiß. In Ordnung – ich besorge mir den Energieflussbericht und sehe, ob ich das Problem lokalisieren kann.«
Er trat um die Ecke und stieß auf Ben, der bereits vor einer der Technikstationen achtern stand. Seine Augen waren auf dem Schirm gerichtet, und seine Finger huschten über das Tastenfeld. In der Annahme, der Junge hätte irgendetwas getan, um den Energieabfall herbeizuführen, stürmte Han an seine Seite.
Auf dem Schirm war nichts außer einem taktischen Videosignal, das eine zwar verwirrende, aber sich bessernde Situation nahe des Planeten Hapes zeigte. Admiral Bwua’tus Flotte beharkte bereits die corellianischen Dreadnaughts, und ein Kampfverband Königlicher Schlachtdrachen brach von hinten durch die zweite Usurpatoren-Flotte.
Bei den Königlichen Schlachtdrachen befand sich ein Sternenzerstörer der Imperial-Klasse, dessen Kennungssymbol mit UNBEKANNT versehen war. Obwohl das Schiff den Großteil seines Beschusses auf die Usurpatoren richtete, setzte es eine einzelne Langstrecken-Turbolaser-Batterie gegen den Falken ein.
»Ich dachte, ich hätte dir gesagt, du sollst nach Drucklecks suchen«, sagte Han, erleichtert darüber, Ben nicht wirklich bei dem Versuch ertappt zu haben, den Falken zu sabotieren. »Ich bin immer noch der Käpt’n dieser Schleuder, und das bedeutet, dass du machst, was ich sage.«
»Ich verlasse mich bloß auf mein eigenes Urteilsvermögen«, erwiderte Ben. Er legte einen Finger auf die Anzeige und deutete auf den geheimnisvollen Sternenzerstörer. »Und das sagt mir, dass wir in großen Schwierigkeiten stecken. Unsere einzige Chance zu überleben besteht darin, Kurs auf diesen Sternenzerstörer zu nehmen.«
»Bist du verrückt?«, fragte Han. »Die feuern bereits auf uns!«
»Bloß, weil wir zu fliehen versuchen«, konterte Ben. »Wenn ihr euch ergebt, werden sie aufhören zu schießen. Das ist die Anakin Solo.«
Han klappte der Kiefer nach unten. »Die Anakin was?«
»Die Anakin Solo«, sagte Ben stolz. »Jacens Schiff.«
»Jacens Schiff?« Han taumelte tatsächlich nach hinten, und das nicht bloß, weil sich der Boden erneut geneigt hatte. Er fühlte sich, als hätte ihm gerade ein Bantha in die Eingeweide getreten. »Die haben einen GGA-Sternenzerstörer nach meinem toten Jungen benannt?«
»Nun ja«, sagte Ben, sichtlich verwirrt. »Anakin war ein wirklich großer Jedi.«
»Ich glaube das einfach nicht!« Aus Angst davor, Ben in seiner Wut eine Ohrfeige zu verpassen, drehte sich Han um und trat so fest gegen die Wand, dass er spürte, wie seine Zehen aufplatzten. »Diese verfluchten Rodder!«
Ben zuckte zusammen und wich zurück. »Das ist eine Ehre. Jacen hat gesagt …«
»Vergiss, was Jacen gesagt hat«, unterbrach ihn Jaina, die mit Zekk und dem Flickzeug zurückkehrte. »Der lebt in letzter Zeit in seiner ganz eigenen Galaxis.«
Ben runzelte die Stirn. »Aber Admiralin Niathal fand auch, dass das eine gute Idee ist.«
»Dann ist Admiralin Niathal eine dumme Nuss.« Han schnappte Zekk die Verstärkungsstreifen aus dem Arm und deutete mit einem Nicken auf die Technikstation. »Ich denke, wir haben eine verklemmte Treibstoffleitung. Versuch das Problem zu beheben, bevor die Triebwerke abschalten und wir zur Zielscheibe werden.«
Ohne auf eine Antwort von Zekk zu warten, trat Han wieder um die Ecke. Der Druck war so weit gefallen, dass sich die Luft abzukühlen begann, weil sie sich immer weiter ausdehnte. Ihnen blieben weniger als drei Minuten, bis die Atmosphäre so dünn wurde, dass ihnen das Atmen schwer fallen würde. Er ließ die Streifen vor den Spritzlöchern auf den Boden fallen, dann drehte er einen um und versuchte vergeblich, die dünne Plastfolie abzuziehen. Das war nichts, was man mit einer Hand machen konnte – zumindest nicht, wenn die einzige funktionstüchtige Hand vor Angst zitterte.
»Onkel Han, sich zu ergeben ist unsere beste Chance!«, rief Ben, der ihm gefolgt war. »Alles, was ich tun muss, ist, Kontakt mit Jacen aufzunehmen und ihm zu sagen, dass ich euch an Bord bringe.«
»Damit er seine Eltern genauso foltern kann wie seine anderen corellianischen Gefangenen?«, wollte Jaina wissen. Sie kniete neben Han nieder und nahm ihm den Metallstreifen aus der Hand. »Da sind sie besser dran, wenn sie ihr Glück mit dem Falken versuchen.«
»Aber wir nicht«, konterte Ben. »Wir sind keine Verräter an der Allianz – zumindest ich nicht.«
»Ich vergesse einfach, dass du das gesagt hast – denn wenn ich das nicht tue, werden wir es beide bereuen.« Jaina entfernte die Folie des Streifen mit einem einzigen gleichmäßigen Zug. »Sei vorsichtig, wie du das Ding anbringst, oder du erzeugst einfach nur einen noch stärkeren Sog. Dad wird dir zeigen, wie es geht.«
Sie hielt Ben den Streifen hin und griff nach einem anderen, doch er schüttelte den Kopf und ignorierte sie. »Nein, nicht bevor Onkel Han verspricht, sich zu …«
Der Streifen flatterte an Ben vorbei und klebte sich von allein in die Mitte der Spritzlöcher. Das Kreischen entweichender Atmosphäre wurde schrill und durchdringend, und ein Riss schoss über den beschädigten Bereich.
Han stieg das Herz bis in die Kehle. »Äh, Jaina …«
»Oh, verflucht!« Sie sprang auf und pulte bereits die Plastfolie eines weiteren Verstärkungsstreifens ab. »Ben, was hast du eigentlich für ein Problem?«
»Keins – ich tue bloß meine Pflicht.« Ben löste sein Lichtschwert von der Werkzeugschlaufe seines Evakuierungsanzugs. »Wenn wir ihnen dabei helfen, Reparaturen durchzuführen, werden sie bloß fliehen.«
»Und wenn wir es nicht tun, werden wir alle in ungefähr dreißig Sekunden in den Leerraum gesaugt.« Jaina hielt den Verstärkungsstreifen mit beiden Händen fest und trat auf die Wand zu – dann blieb sie unversehens stehen, als Ben sein Lichtschwert einschaltete. Ihr fiel die Kinnlade nach unten, dann rief sie: »Bitte sag mir, dass du nicht gerade dein Lichtschwert gegen mich gezogen hast.«
»Es tut mir leid, Jaina. Aber du hast nicht die geringste Disziplin – genau wie Jacen gesagt hat. Du gibst lieber deine eigenen Befehle, anstatt die zu befolgen, die man dir erteilt hat.«
Jaina sah Ben einen Moment lang an, dann warf sie Han den Verstärkungsstreifen zu. »Halt das.«
Ben wich einen Schritt zurück und brachte seine Klinge hinter seiner Schulter in Position. »Jaina, zwing mich nicht dazuuuuuh!«
Bens Drohung brach abrupt ab, als Zekk um die Ecke schlüpfte und von hinten seine Hände packte, um seine Handgelenke nach vorn zu drehen und die Klinge des Lichtschwerts nach unten zu Boden zu drücken.
Just in diesem Moment krachte die Schockwelle einer nahen Turbolasersalve gegen den Falken. Der Boden machte einen solchen Satz, dass Hans Knie einknickten und er erneut auf seiner verletzten Schulter landete. Überall ringsum ertönten überraschte Rufe, und sein Körper explodierte vor Schmerz.
»Wie geht es mit der Reparatur dieser Treibstoffleitung voran?«, fragte Leia über die Sprechanlage. Die Luft war inzwischen so dünn, dass ihre Stimme blechern und leise klang. »Wenn ich nicht beschleunigen kann, wird der Flug bloß noch holpriger.«
»Bring uns einfach weiter hier raus.« Während Han sprach, realisierte er, dass nahebei jemand vor schrecklichen Schmerzen stöhnte. »Irgendwann gelangen wir schon außer Reichweite.«
Er stemmte sich auf die Knie und sah, dass Zekk zusammengekrümmt auf dem Deck lag, die Hände auf einen geschwärzten Schlitz an der Seite seines Evakuierungsanzugs gepresst. Ben kniete mit einem entsetzten Ausdruck im Gesicht neben ihm, hielt noch immer sein aktiviertes Lichtschwert und schüttelte verzweifelt den Kopf.
»Du hättest mich nicht angreifen dürfen«, sagte er. »Warum musstest du mich angreifen, Zekk?«
»Weil du dich wie ein Möchtegern-Jedi aufführst«, sagte Jaina, die hinter ihm auftauchte. »Gib mir das.«
Und sie schnappte Ben das Lichtschwert aus der Hand.
Er schaute zu ihr auf. »Das war nicht meine Schuld.«
»Wessen Schuld ist es dann, Laserhirn?« Sie schaltete das Lichtschwert aus. »Ich hoffe nur, du hast uns damit nicht alle umgebracht. Jetzt reiß dich zusammen, hilf deinem Onkel, und ich werde …«
»Nein, Jaina.« Han stopfte eine Handvoll Verstärkungsstreifen in seine Armschlinge und drehte sich zu dem beschädigten Bereich um. »Du musst Zekk und Ben hier rausbringen.«
»Hier raus?«, fragte Jaina.
»Steigt in die Rettungskapseln.« Ohne die Folie eines Streifens zu entfernen, hielt er ihn hoch an die Kante des durchlöcherten Kreises und ließ zu, dass das Vakuum ihn an Ort und Stelle saugte. »Zekk braucht medizinische Hilfe, und ich will nicht, dass uns der Quälgeist weiter an den Hacken klebt.«
»Aber was ist mit …«
»Der Falke verfügt momentan bloß über eine Kapazität von vier Kapseln«, wurde sie von Han unterbrochen. »Und selbst, wenn wir mehr hätten, werden Leia und ich uns nicht ergeben.« Er warf Ben einen Blick zu, der Frasium hätte schmelzen können, dann fügte er hinzu: »Weder Jacen – noch irgendwem sonst.«
Er hielt einen weiteren Streifen an den Rand des Kreises und ließ ihn vom Unterdruck festsaugen. Das Ganze war bestenfalls eine vorübergehende Notabdichtung, aber vielleicht hielt sie zumindest lange genug, um sie zu retten. Er platzierte noch einen Streifen, dann schaute er hinter sich, um festzustellen, dass Jaina neben Zekk kniete. Sie hatte die Finger einer Hand an seinen Hals gepresst, fühlte seinen Puls. Ihr Blick jedoch war auf Han gerichtet, und Tränen rannen ihre Wangen hinab.
Sie nickte, dann legte sie einen Schalter in ihrem Kragen um und sprach in das Mikro der Kommeinheit ihres Anzugs. »Sorzo, kommen Sie hierher zurück. Wir verlassen das Schiff wieder.«
»Git.« Han war nie stolzer auf seine Tochter gewesen. Er konnte an Jainas Gesicht ablesen, wie sehr sie bei Leia und ihm an Bord des Falken bleiben wollte, doch sie war eine erfahrene Raumfahrerin, die es besser wusste, als die Befehle eines Käpt’n an Bord seines eigenen Schiffs infrage zu stellen. »Mach dir um deine Mutter und mich keine Sorgen. Bis wir den Falken wieder zusammengeflickt haben, ist es besser, nicht so viele Nasen hier zu haben, die uns die Luft wegatmen – aber wir kommen schon zurecht. Wir haben schon eine Menge Reparaturen überstanden, die um einiges schwieriger waren als die hier.«
Jaina brachte ein Lächeln zustande, obwohl ihre Angst um ihre Eltern offensichtlich blieb. »Ich weiß, Dad – ich habe die Holovideos gesehen.« Sie winkte Ben auf das hintere Schott zu und benutzte die Macht, um Zekk vom Boden aufzuheben, dann trat sie neben Han und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Lass mich wissen, wie es läuft … Und möge die Macht mit euch sein.«
»Ja.« Weil er nicht wollte, dass sie die Tränen sah, die ihm in die Augen stiegen – und so erkannte, dass er fürchtete, dies könne womöglich ihr endgültiges Lebewohl sein –, sah Han nicht hin, als sie Ben folgte. »Mit dir auch, Kleines.«
Er wandte sich wieder dem beschädigten Bereich zu und begann, die übrigen Verstärkungsstreifen zu platzieren. Bis er damit fertig war, hatte Jaina alle in die Rettungskapseln verladen und löste den Abschussalarm aus. Die Turbolasersalven hörten einfach nicht auf. Der Falke buckelte und hüpfte wie ein wildes Ronto, und der Kabinendruck war bis zu dem Punkt abgefallen, dass Han zu zittern und nach Atem zu ringen begann.
Er bekam nicht mit, wie die Rettungskapseln starteten. Der Abschussalarm verstummte einfach, und er hatte das Gefühl, als hätte sich in seinem Innern irgendetwas losgerissen.
»Han?« Selbst über die Gegensprechanlage klang Leias Stimme heiser. »Bist du noch da?«
»Natürlich bin ich das.« Er ging vorwärts und versiegelte das Schott hinter sich. »So einfach wirst du mich nicht los.«
»Mit dir ist nichts einfach, Flieger-Ass.« Leias Tonfall war scherzend, wenn auch ein wenig gezwungen und verängstigt. »Ich wollte dich bloß wissen lassen, dass wir bereit zum Sprung sind.«
Eine weitere Schockwelle krachte gegen den Falken, ließ Han von der Wand abprallen und zog ein metallisches Schmerzkreischen des alten Schiffs nach sich. Er würgte einen tiefen Atemzug hinunter, in dem Glauben, dass es womöglich sein letzter war, um dann verblüfft festzustellen, dass er noch immer in einem Stück war, als er das Vorderschott des Korridors erreichte.
»Worauf wartest du noch?« Er tippte den Sicherheitsüberbrückungscode in die Kontrolltafel, dann spürte er eine Druckwelle, als sich das Schott öffnete. »Je eher wir springen, desto besser.«
»Was ist mit der bedauernswerten Lady Morwan?«, fragte C-3PO. »Sie ist noch immer im vorderen Frachtraum eingesperrt!«
»Und damit sicherer als wir«, erwiderte Han und trat durch das Schott.
Er schloss es hinter sich und eilte durch die Hauptkabine in den Zugangskorridor zum Cockpit. Der Sprungalarm ertönte – in der dünnen Luft klang der Laut schriller als gewöhnlich –, dann verdunkelten sich die Lampen, und in den Antriebsabteilen am Heck des Schiffs erklang ein warnendes Summen. Der Falke begann zu tuckern und wurde langsamer, und Leias Stimme rollte den Korridor hinunter, fluchend und brüllend wie ein aqualianischer Spice-Schmuggler an einem schlechten Tag.
Han lehnte sich dicht an die Wand. »Komm schon, altes Mädchen«, flüsterte er. »Du bist doch noch nicht reif für den Schrottplatz, oder?«
Das Summen intensivierte sich zu einem hohen Heulen, dann gingen die Lichter wieder an, und Han wurde einmal mehr fast von den Füßen gerissen, als der Falke mit einem Satz rasant beschleunigte.
Er lächelte und tätschelte liebevoll das Schott. »Hab ich auch nie auch nur gedacht.«
Er versiegelte das Schott, dann bahnte er sich seinen Weg zum Flugdeck, wo das Heulen der Triebwerke so schrill geworden war, dass es für menschliche Ohren nicht mehr länger hörbar war. Das Zittern des Falken war zu einem Vibrieren geworden, das die Zähne kribbeln ließ, und C-3PO befand sich an der Navigationskonsole, um ihre Sprungkoordinaten zu überprüfen. Leia saß auf dem Pilotensitz, und alles, was vor ihnen lag, war dunkle, leere Freiheit.
Han trat an ihre Seite und sah an ihren glasigen Augen, dass es keinen Anlass gab, ihr von den Ereignissen zu berichten, die sich hinten zugetragen hatten. Wahrscheinlich hatte sie den Tod von Meewalh und Cakhmaim durch die Macht gespürt, und Jaina hatte zweifellos über Kommlink mit ihr gesprochen, damit sie die Rettungskapseln startete. Was Ben und Jacen und die Anakin Solo anging, so würde später noch genügend Zeit sein, um ihr davon zu erzählen – und falls nicht, war es vielleicht besser, wenn sie nie davon erfuhr.
Han beugte sich nach unten. »Alles kommt wieder in Ordnung.« Er küsste sie auf die Wange, dann glitt er in den Co-Pilotensitz. »Du hast immer noch mich.«
Leia stieß ein schockiertes Schnauben aus, dann lächelte sie und schaute zu ihm hin. »Ich schätze, du wirst genügen.«
Endlich sprang der Hyperantrieb an, und die Sterne dehnten sich einmal mehr zu Strichen.