1. Kapitel

 

New Orleans, 1872

Im French Quarter von New Orleans ging es hoch her. Der Mardi Gras, wie der berühmte Karneval hieß, hatte zwei Wochen vor Faschingsdienstag begonnen und strebte seinem Höhepunkt zu. Helen Farrar, der rothaarigen Ärztin, stand der Sinn nicht nach Feiern. Müde schleppte sie sich mit ihrem Arztkoffer von einem Krankenbesuch durch die Straßen.

Da sah sie in einem dunklen Hauseingang eine zierliche, blonde Person. Die Ärztin blieb stehen. Allzu groß war die Ähnlichkeit jener schönen blonden Frau mit ihrer vor einem Jahr verstorbenen Schwester. Das konnte nicht wahr sein. Es ist eine zufällige Ähnlichkeit, sagte sie sich. Bleibe vernünftig, Helen. Du hast selbst Blanches Tod festgestellt. Das Sumpffieber hat sie hingerafft. Quäl’ dich nicht, geh deiner Wege.

Doch die junge Ärztin konnte das nicht. Sie überquerte die Straße und wich einer Gruppe Maskierter aus, die sie mitziehen wollten. Sie hörte englische und französische Worte. Phantastisch waren die Masken der Männer und Frauen. Sie umringten Helen.

»Komm mit uns, feiere! Lass uns tanzen und lieben, die Nacht genießen. Das Leben ist kurz, und der Tod ist so lang.«

Helen wehrte ab.

»Lasst mich. Sprecht nicht vom Tod.«

»Spielverderbin«, hörte sie die Stimme einer Kreolin, deren Kostüm eine Menge enthüllte. »Lasst sie laufen.«

Eine Kapelle mit Trommeln und Hörnern marschierte vorbei. Die farbigen Musikanten waren gleichfalls maskiert und tanzten umher. Musik steckte ihnen im Blut.

Helen wich ihnen aus. Sie verrenkte sich den Hals, um die Blondine im weißen, tief ausgeschnittenen Kleid in dem Hausflur sehen zu können. Diese hatte sich an einen kräftigen Flussmatrosen gehängt, der kaum maskiert war und bestimmt einiges getrunken hatte. Die beiden verschmolzen miteinander in enger Umarmung.

Das ist wirklich zu lächerlich, dachte Helen. Erstens lebt meine Schwester nicht mehr. Zweitens würde sie sich nie, nie mit einem Mann weit unterhalb ihres Standes einlassen. Der Mardi Gras, jener ausgelassene, tolle Fasching von New Orleans, verwischte vielleicht die Standesgrenzen, jedoch nicht die von Leben und Tod.

Aber der innere Zwang wich nicht. Zu sehr hatte die Ärztin der Tod ihrer jüngeren Schwester getroffen. Sie wollte jene Blondine sehen, um wenigstens noch einmal den Blick auf eine ihrer Schwester äußerlich ähnliche Frau zu erhaschen. Es ließ ihr keine Ruhe, und sie spürte sich wie von einem Magnet angezogen.

Musik erklang aus einer nahen Kneipe. Die verschnörkelten Öllaternen am Straßenrand gaben sanftes Licht. Dämmrig war es, ein unwirkliches Zwielicht, in dem weich die Konturen verschmolzen. Mehrstöckige Backstein-und Holzhäuser mit Balkonen standen eng aneinandergebaut an beiden Seiten der Straße.

Das Paar, dem Helen zustrebte, befand sich im Hausflur einer mehrstöckigen steinernen Mietskaserne mit schmiedeeisernen Balkongittern zur Straße hin. Helen hörte die Musik und den Lärm der ausgelassenen Stimmen nicht mehr. Sie stand kurz vor dem eng umschlungenen Paar.

Von der Frau konnte sie nur die hellblonden Haare sehen. Der Matrose, ein hochgewachsener, pockennarbiger Weißer, hatte den Kopf zurückgelegt. Die Frau hing an seinem Hals. Ihre Schultern zuckten. Mit weitaufgerissenen Augen und verschleiertem Blick starrte der Matrose im blauen Hemd Helen an. Er schien völlig entrückt zu sein.

Helen wollte nicht weiter stören. Ob Ähnlichkeit oder nicht, es widerstrebte ihr, die Intimität dieses Paares zu stören. Dazu war sie zu gut erzogen. Doch gerade als sie sich abwenden und davongehen wollte, löste die hellblonde Frau ihre Lippen vom Hals des viel größeren Mannes.

Helen sah deutlich zwei Bissmale, die bis in die Halsschlagader reichten. Blut sickerte hervor. Plötzlich roch Helen intensiv den Geruch von Magnolien und Chrysanthemen. Von der Beerdigung ihrer Schwester war er ihr deutlich in Erinnerung.

Der Matrose wankte. Schweiß sickerte ihm von der Stirn. Das war keine normale Liebkosung gewesen, der er da unterlag. Die blonde Frau aber drehte sich um. Ihr schulterfreies weißes Kleid wies ein paar Blutspritzer auf. Ihr Mund war mit Blut beschmiert, das Gesicht verzerrt.

Giftig fauchte sie Helen an und streckte ihr die Rechte wie eine Kralle entgegen. Zwischen ihren makellosen Brüsten, deren Ansatz das weiße Kleid freigab, hing das Amulett, mit dem sie bestattet worden war. Ein wertvolles goldenes Schmuckstück, das weiß und mit Rubinaugen, umsetzt von Edelsteinen, das Halbprofil einer Frau zeigte.

Dieses Schmuckstück hatte Allan Dubois, den Helen einmal sehr geliebt hatte, ihrer Schwester zur Verlobung geschenkt. Es war ihr Lieblingsschmuck gewesen.

Und es war Blanche, die das Schmuckstück trug. Unverkennbar waren die feinen Züge, die tiefblauen Augen, seidige Wimpern, geschwungene Brauen. Blanche war immer so schön gewesen, dass es dem Betrachter den Atem verschlug. Die schönste Frau von ganz Louisiana, mit einer Ausstrahlung, die alle hinriss.

Königin glanzvoller Bälle, sobald diese nach dem Bürgerkrieg wieder möglich waren. Jetzt fauchte sie Helen an. Lang und spitz waren ihre Eckzähne. Ein schauriges Lachen drang über ihre Lippen.

Und sie sprach: »Guten Abend, Helen.«

 

*

 

Helen Farrar erlitt den Schock ihres Lebens. Sie kniff sich in den Arm, um sich zu vergewissern, dass sie nicht träumte. Der pockennarbige Matrose riß sich endlich von der unheimlichen Frau los. Die Hand gegen den blutigen Hals gepreßt, torkelte er davon. Vielleicht würde er sein Erlebnis für einen wirren Traum halten, wenn er am nächsten Tag mit einem Brummschädel irgendwo zu sich kam.

Blanche Dubois, wie sie jetzt hieß, wurde im Gesicht grünlich. Ein rötlicher, unheimlicher Funke glimmte in ihren Augen. Helen Farrar, 27 Jahre alt, war niemals abergläubisch gewesen. In den Bayous und im gesamten Süden wurden eine Menge Grusel-und Horrorgeschichten erzählt.

Die rothaarige, schöne Ärztin im grünen Kostüm, mit einer Haube, unter der ihre Locken vorfielen, wusste sehr wohl, was ein Vampir war. Sie hatte jedoch niemals an so einen Spuk geglaubt. Auch jetzt, während sie den Begräbnisblumenduft roch und die grauenvolle, unnatürliche Ausstrahlung des Wesens vor ihr spürte, suchte sie noch nach einer natürlichen Erklärung.

Lebte Blanche etwa noch, hatte sie sich verkleidet und spielte ihrer Schwester einen unheimlichen Streich? Blanche war 23 gewesen, als sie im Vorjahr verstarb.

»Blanche«, sagte Helen, »bist du es wirklich? Bist du ein Mensch oder ein Geist?«

Blanche fauchte. Hass verzerrte ihr das Gesicht.

»Natürlich bin ich es, du Närrin. Blanche, euer Engelchen, das ihr alle verkannt habt.«

Helen trat vor. Obwohl ihre Haare sich sträubten und eine Gänsehaut ihren Rücken überzog, wollte sie ihre jüngere Schwester in die Arme schließen. Sie hatte Blanche sehr geliebt.

Die Jüngere stieß sie hart zurück. Helen taumelte. Der Stoß war so fest gewesen, dass es sie schmerzte.

»Willst du mich wirklich in deine Arme schließen?«, fragte Blanche tückisch. »Die Kälte in meinen Adern spüren? Den Grab-und Verwesungsgeruch riechen, den ich ausatme? - Willst du mich küssen, Schwester?«

Helen überlief es eiskalt.

»Willst du ein Wesen wie ich werden?« Blanche lachte klirrend. »Arme Helen, kluge Helen. Du kannst Bäuche aufschneiden und Krankheiten heilen, Kindern zur Welt helfen und gebrochene Glieder richten. Aber was ich kann, wirst du niemals fertigbringen. Dafür bist du nicht geschaffen.«

Wieder lief eine Gruppe Maskierter um die Ecke. Ein baumlanger Mann im Teufelskostüm, gefolgt von zwei Begleitern, die in einer Krododilshülle steckten, gehörte dazu. Sie schauten in den Hauseingang.

Gleich rief der lange Kerl in der Teufelsmaske mit whiskyheiserer Stimme: »Na, ihr zwei hübschen Täubchen. - Feiert mit uns, ihr Schönen? Wenn nicht, gebt uns wenigstens einen Kuss. Ich habe bei Appomattox, Shiloh und in anderen Schlachten für die Sache des Südens gekämpft und mein Blut gegeben. Da habe ich einen Anspruch auf eine Belohnung für mein Heldentum.«

Schon schritt er näher. Das lange grüne Krokodil folgte ihm.

»Gib mir dein Blut, Teufel«, fauchte Blanche gierig. »Wie reizvoll pocht doch die Ader an deinem Hals. -In meine Arme. Komm, küss mich!«

Der Mann in der Teufelsmaske fuchtelte mit seinem Dreizack aus Pappe herum. In seiner tollen Laune bemerkte er die Gefahr nicht.

»Kleine Vampirin«, jauchzte er. »Deine Maske ist gut.«

Dann schaute er Helen an und sagte: »Pass bitte auf mein Krokodil auf, während ich deine Freundin küsse.«

Helen stellte sich zwischen die Unheimliche und den Teufel.

»Lassen Sie sie«, verlangte sie von dem angetrunkenen Mann. »Gehen Sie Ihrer Wege.«

»Oho«, lachte da der Maskierte. »Sie wollen den Teufel hindern, sich einen Kuß zu holen, der ihm versprochen wurde? Das kann keiner. Erst küsse ich dich, danach deine Vampir-Freundin.«

Ehe Helen es sich versah, packte der Maskierte sie und drückte seine Lippen auf ihre. Er roch stark nach Tabak und Whisky. Wütend stampfte die Ärztin dem aufdringlichen Teufel mit ihrem Schuhabsatz heftig auf den Spann. Er schrie. Sie stieß ihn zurück. Zornig hob er die Faust. Helen reckte stolz ihren Kopf hoch.

»Wagen Sie es, mich zu schlagen«, fuhr sie Maskierten an. »Ich bin Helen Farrar und stamme aus einer alten und angesehenen Südstaatenfamilie. Sie wollen ein Soldat oder gar Offizier des Südens gewesen sein? Sie sind kein Gentleman. Ein betrunkener Yankee würde sich schämen, sich so wie Sie zu benehmen.«

Der Gescholtene errötete unter dem Ruß im Gesicht. Jäh wurde er nüchtern. Mit Grandezza wich er zurück und verbeugte sich leicht aus der Hüfte.

»Entschuldigen Sie vielmals, Mylady, ich habe Sie nicht beleidigen wollen. - Vergeben Sie mir meine Kühnheit.« Es war mehr eine Frechheit gewesen als eine Kühnheit.»Soll ich Sie nach Hause begleiten oder wohin immer Sie wollen? Ihre Begleiterin auch?«

»Nein, danke, es genügt, wenn Sie gehen.«

»Die Straßen sind unsicher. Während des Mardi Gras ist die ganze Stadt ein Tollhaus. Es ist allerlei Gesindel unterwegs. Der Alkohol putscht auf und vernebelt die Köpfe.«

»Das sieht man an Ihnen, Mr. Devil - Herr Teufel«, erwiderte Helen kühl. »Meine Schwester und ich finden uns schon zurecht.«

Sie legte den Arm um Blanche und spürte die Kälte ihres Körpers. Der Mann im Teufelskostüm wurde von seinen Freunden gerufen, die schon ein Stück weiter weg waren. Seine beiden Begleiter im Krokodilskostüm entfernten sich bereits.

Der Mann im Teufelskostüm zog sich zurück.

»Auf ein andermal!«, rief er. »Vielleicht sehen wir uns in Stanton’s Ballhaus, schöne Vampirin. - Miss Farrar« - er verneigte sich nochmals vor Helen - »es war mir eine Ehre.«

Sie war schmerzhaft gewesen. Der »Teufel« humpelte davon. Helen atmete auf. Blanche schaute sie an, grün im Gesicht. Rot leuchteten ihre Pupillen.

»Du hast mich beim Bluttrinken gestört. Vielleicht sollte ich deins trinken. - Ach was, die Nacht ist noch lang, die Straßen sind voller Menschen. Ich werde mir andere Opfer suchen.«

Helens Herz hämmerte.

Sie zwang sich zur Ruhe und sagte: »Blanche, was auch immer geschah, du bist immer noch meine Schwester. Komm mit mir. Wir müssen miteinander sprechen.«

Blanche schaute sie an. Dann nickte sie. Die beiden Schwestern, die Tote und die Untote, hängten sich beieinander ein und schlenderten durch das tolle Treiben, als ob alles in Ordnung sei und sie sich umschauen und amüsieren wollten.

 

*

 

Helen wusste nicht, wie ihr geschah. Sie musste sich erst einmal fassen und ihre Selbstbeherrschung zurückgewinnen, ehe sie mit ihrer Schwester eine Aussprache halten konnte. Schweigend schlenderten die beiden über den Beauregard Square, wo Verkaufsstände sowie Imbiss- und Amüsierbuden aufgestellt waren und ein unbeschreibliches Gedränge herrschte.

Musik erschallte von der nahen Bourbon Street, wo es ein Lokal und eine Tanzhalle neben der anderen gab. Schwarz und Weiß feierten ausgelassen. Während des Mardi Gras hielt sich sogar der Ku Klux Klan zurück, was die Rasseschranken betraf.

Noch war es früh. Bleich stand der Vollmond am Himmel, und die ersten Sterne glänzten über New Orleans, dessen Einwohnerzahl von 180.000 sich zur Zeit des Mardi Gras verdoppelt oder sogar verdreifacht hatte. Die ganze Stadt war ein Tollhaus, in dem nichts mehr seinen normalen Gang nahm.

Phantastisch vermummt waren die meisten Feiernden unterwegs. Halbnackte Frauen trugen Federbüsche und Kopfputz aus langen Stanniolstreifen und Glitzerzeugs, Glitzergewänder und Halb-sowie phantastische Tierkopf-und Vogelmasken. Männer hatten sich als Piraten, Prinzen, Indianer, Soldaten, Teufel, Clowns und Sonstiges kostümiert.

Die Festkönigin wurde an den Schwestern Farrar vorbeigetragen, von tollem Lärm und ihrem Gefolge begleitet. Die dunkelhaarige Schöne im Flitterkostüm lachte und warf von ihrem Sänftenthron mit bunten Pfauenfedern Kusshände nach allen Seiten. Ein Sprichwort lautete: Nur die Toten feiern in New Orleans keinen Mardi Gras.

Doch selbst das war zweifelhaft, denn Blanche, die vor einem Jahr starb, war unterwegs. Die Vampirin nahm auf ihre Weise am Mardi Gras teil.

Der Trubel allein konnte einen wirblig im Kopf werden lassen. Man verstand sein eigenes Wort nicht im Geschrei, Gepfeif, Musik und dem Feuerwerkslärm. Feuerwerksraketen stiegen empor und zerplatzten zu Lichtkaskaden. Die Stadt war strahlend erleuchtet und bunt geschmückt. Überall hörte man die Musik.

Helen suchte ein ruhiges Plätzchen, wo sie sich ungestört mit ihrer Schwester Blanche unterhalten konnte. Der Audubon Park fiel ihr ein. Sie drängte sich mit Blanche aus dem Trubel dorthin.

Im Park hingen brannten Lampions und Laternen. Doch es gab dunkle Ecken unter den hohen Bäumen und im Februar noch nicht blühenden Büschen. Die Bänke waren natürlich alle von Liebespaaren besetzt, oder Betrunkene schliefen darauf ihren Rausch aus.

Maskierte mit aufgemalten Totenköpfen rannten durch den Park, an den zwei Schwestern vorbei. »Huhu«, schrien sie und erschreckten die Leute. Auf ihre hautengen schwarzen Roben hatten sie in der Dunkelheit phosphoreszierende Skelette aufgemalt. Blanche, die Vampirin, fiel keineswegs auf.

Am Mississippi, bei dem Festplatz bei den Hafenanlagen, fuhren Karussells. Helen und Blanche sahen ein Riesenrad sich drehen. Maskierte saßen in den Kabinen des von einer Dampfmaschine betriebenen Riesenrads.

Helen und Blanche standen mitten im Park abseits von den Wegen unter einer mächtigen Eiche. Kühl wehte die Luft vom Mississippi heran.

»Blanche, erzähl mir bitte, was mit dir geschehen ist«, verlangte Helen. Sie hielt die kalte Hand ihrer Schwester, obwohl sie sich dazu überwinden musste »Ich habe dich auf deinem Sterbebett untersucht und vergeblich versucht, dich dem Tod zu entreißen. Ich bin selbst bei deiner Beerdigung dabei gewesen. Ich sah dich im Sarg liegen. - Und jetzt stehst du vor mir.«

Blanches bleiches, grünliches Gesicht war maskenhaft starr. Wie eine Statue stand sie da.

»Frag nicht«, erwiderte sie knapp. »Am besten vergisst du, dass du mich trafst. Erinnere dich an mich als die Schwester, die du einmal hattest, und halte mich weiter für tot. Alles andere bringt dir nur Kummer und bitteren Schmerz.«

»Das kann ich nicht. Ich muss die Wahrheit wissen, oder ich finde nie wieder Ruhe. Sag, wie bist du von den Toten auferstanden? Wie wurdest du ein Vampir? Wer hat dich dazu gemacht?«

»Frag Allan«, antwortete Blanche. »Er soll dir antworten. - Ich muss fort. Bis Sonnenaufgang bin ich frei. Dann muss ich wieder zurück in den Sarg. Wie gerne würde ich einmal im Sonnenlicht wandeln, über eine Wiese schlendern und Blumen pflücken, Schmetterlinge sehen, das Singen der Vögel hören, die Sonne auf meiner Haut spüren. - Ausreiten...«

Impulsiv umarmte sie ihre größere und kräftigere Schwester und küsste sie flüchtig. Magnolienduft überflutete Helen, gemischt mit einem Hauch von Tod und Verwesung. Kalt war Blanches Kuss. Jetzt bleckte sie ihre Vampirzähne nicht mehr.

Blanche entwand sich Helen, als diese sie festhalten wollte. Sie wich schattenhaft schnell zwischen die Bäume zurück.

»Bleib!«, rief Helen. »Ich will dir helfen. Es muss einen Ausweg geben. Du darfst keine weiteren Opfer suchen, sollst niemals mehr Blut trinken.«

»Das ist unmöglich«, sagte Blanche resignierend.

Helen rannte zu ihr. Doch Blanche bewegte sich ungeheuer flink. Wie ein Schatten glitt sie zwischen den Bäumen hindurch. Sie drang durch Gebüsche, durch die Helen sich durchkämpfen musste, als ob sie nicht stofflich sei. Es war unmöglich, sie einzuholen. Helen verfolgte sie und rief mehrmals ihren Namen.

Es war, als ob die Vampirin mit Helen spielen würde. Manchmal ließ sie diese sich nähern, doch nur, um den Abstand sofort wieder zu vergrößern. Blanche schwebte durch die Gassen. Manchmal war es, als ob die Menschen, denen sie begegnete, sie überhaupt nicht wahrnehmen würden.

Helen hingegen erregte Aufsehen. Doch gab es beim tollen Treiben des Mardi Gras Ausgefalleneres als eine aufgeregte, abgehetzte, unmaskierte rothaarige Frau, die offenbar jemanden suchte. Nach einer Weile erblickte Helen Blanche bei einem Ballhaus. Sie folgte ihr dort hinein.

Helen wurde im Gedränge auf die Tanzfläche gezogen. Ein Mann mit einer Vogelmaske forderte sie zu einem Walzer auf. Energisch riß Helen sich los. Den Arztkoffer presste sie an sich. Jemand hielt ihr ein Glas Mint Julep hin, und sie trank. Abgehetzt und verschwitzt, wie sie war, brauchte sie dringend eine Erfrischung.

Durch die Rauchschwaden und den Dunst im Lokal sah sie Blanche oben auf der Galerie stehen.

Helen winkte, und Blanche verschwand. Rasch eilte Helen hinauf. Ihre Schwester stand im Gang oben bei einer Fensternische, vor der sich ein Liebespaar intensiv küsste. Der Mann war ein Besatzungssoldat. Das verrieten seine blauen Uniformhosen, die er auch beim Karneval nicht ablegen wollte. Die Maske hatte er abgenommen und küsste eine Kreolin.

Blanche verschwand in der Fensternische. Helen rief ihren Namen »Blanche, warte auf mich!«, und lief hin. Aus Versehen rempelte sie das Liebespaar an.

»Können Sie denn nicht aufpassen?«, fragte der backenbärtige junge Mann barsch.

»Entschuldigen Sie. Wo ist die bleiche blonde Frau, die eben noch hier war?«

»Na, da in der Nische. Wo sonst?«

»Ich sehe dort aber niemand.«

»Was weiß ich denn. Soll ich auf jeden aufpassen, der vorübergeht? Stören Sie uns nicht, Sie sehen, wir sind beschäftigt.«

Der Soldat küsste die Kreolin wieder. Hingebungsvoll schmiegte sie sich an ihn. Sie war fast weiß, für einen Südstaatler galt sie jedoch als eine Farbige. Gewiss war sie als Sklavin geboren. Seit Ende des Bürgerkriegs war sie frei.

Helen zwängte sich in die Fensternische. Ein durchbrochenes Gitter versperrte sie. Nicht einmal eine Katze konnte sich durch das Gitter hinauszwängen. Blanche war jedoch weg. Helen trat an das durchbrochene Metallgitter mit ornamentierten Aussparungen und schaute hinaus.

Sie sah eine riesige Fledermaus im bleichen Mondlicht davonflattern. Mit rotglühenden Augen schaute diese sie an. Ein schriller Schrei tönte, dann war die Fledermaus in der Nacht verschwunden.

 

*

 

Tief betroffen verließ Helen die Fensternische und das Ballhaus. Sie machte sich auf den Weg zu dem Haus drüben im Stadtteil Gentilly Terrace, wo sie mit ihren vom Schicksal schwer gebeutelten Eltern und ihrer Tante wohnte. Unterwegs musste sie ständig an ihre Schwester denken.

Blanche war der Liebling ihres Vaters gewesen, der als Major unter General Lee gedient hatte. Ihr Tod hatte ihn fast um den Verstand gebracht. Seitdem war er nicht mehr er selbst. Schon vorher die Niederlage des Südens, an dessen Sieg er felsenfest geglaubt hatte, war furchtbar für ihn gewesen. Knapp sieben Jahre war es her, seit die Union die Konföderierten besiegt hatte, der industrielle und nüchterne Norden über die Baumwollbarone des Südens triumphierte. Die Wunden und Folgen davon waren noch deutlich zu spüren.

Den Farrars hatte bis Kriegsende eine große Plantage am Fluss gehört, ein prächtiger Herrensitz. Sie hieß Heavens’s Gate - Himmelstor. Paul, Helen und Blanche, die drei Farrar-Geschwister, waren dort in Pomp und Luxus aufgewachsen. Scharen von Dienstboten hatten sie versorgt. Wenige Tage vor Kriegsende war Heaven’s Gate bei Kämpfen völlig zerstört und niedergebrannt worden.

Verbrannte Erde, mehr blieb nicht vom Reichtum und allen Träumen. Zum Wiederaufbau fehlte das Geld. Der Krieg hatte den Farrars alles genommen.

Die Bekanntschaft mit Allan Dubois, der sich von der Niederlage des Südens rasch erholt hatte und ausgezeichnete Geschäfte abschloss, war für die meisten Mitglieder der Familie Farrar ein großer Glücksfall gewesen. Allan unterstützte sie großzügig. Er hatte Helen angeboten, ihr eine erstklassige Praxis einzurichten, was sie jedoch ablehnte.

Stur wie ein Maulesel nannte ihr Vater sie deshalb. Die Mutter tadelte sie, und die alte Tante Pitty, die mit zur Familie gehörte, seufzte und jammerte. Sie führte sich auf wegen Helens Suffragettentum, wie sie es nannte.

»Du hast eine Armenpraxis«, hörte Helen oft. »Dabei könntest du die Spitzen der Gesellschaft von New Orleans behandeln. Chefärztin könntest du werden. Allan würde dir sogar eine Klinik einrichten oder dich erstklassig unterbringen.«

Major John Farrar, wie sich Helens Vater immer noch gern nennen ließ, zitierte dazu: »Wo Geld voranmarschiert, sind die Wege frei. - Und Allan Dubois ist schon unverschämt reich. Warum lässt du dich von ihm denn nicht unterstützen? Ist es so schön, Neger und Arme zu behandeln, in verwanzte Hütten und schmutzige Mietskasernen zu gehen und da seine Patienten zu haben? - Vergiss endlich, dass er dich bitter enttäuscht hat. Er möchte es wiedergutmachen.«

»Darauf verzichte ich«, antwortete Helen dann jeweils.

»Du lässt dich auf ein Niveau herab, auf dem eine Farrar nichts zu suchen hat«, meinte dann jeweils ihre Mutter. »Schlimm genug, dass du studieren musstest, und ausgerechnet Medizin. Ein Unding für eine Dame.«

»Ich bin lieber Ärztin als eine Dame«, erwiderte Helen bei solchen Gesprächen.

»Deinen Starrkopf hast du von deinem irischen Großvater geerbt«, seufzte die Mutter dann. »Den Störrischen Farrar hat man ihn genannt. Er starb an der Cholera, weil er unbedingt noch mit 78 Jahren bei der großen Epidemie 1858 die erkrankten Sklaven in ihren Massenquartieren behandeln musste. Keiner von seinen jüngeren Kollegen ist je dort hingegangen. - Ein Wahnsinn war das.«

»Großvater Farrar war eben mit Leib und Seele und Arzt«, antwortete Helen dann jeweils. »Ich bin stolz, dass ich in seine Fußstapfen treten kann.«

Dr. Jacob Farrars Bild hing in Helens Arztpraxis an einem Ehrenplatz. Sie fragte sich oft, wie sich ihr Großvater wohl in einer bestimmten Lage verhalten hätte, wenn sie nicht wusste, was sie tun sollte.

 

*

 

Es war keine Droschke aufzutreiben. Wohl oder übel musste Helen ans andere Ende der Stadt laufen. Gentilly Terrace war immer noch eine vornehme Wohngegend. Doch nach dem Bürgerkrieg hatte sich dort vieles verändert. Die früheren Herrschaften lebten oft in ein paar Zimmern ihrer Häuser, während der Rest vermietet war.

Oder sie hausten gar in den umgebauten Remisen und Dienstbotenhäuschen und -kammern und konnten froh sein, dass sie dort überhaupt ein Dach über dem Kopf hatten. In ihren früheren Großwohnungen und Häusern wohnten jetzt hauptsächlich Neureiche und Nordstaatler.

Helen durcheilte die Straßen. In Gedanken war sie bei ihrer Schwester Blanche. Deshalb paßte sie nicht scharf genug auf. Sonst wäre sie nicht bei einem Straßenausschank vorbeigegangen, an dem Gesindel herumlungerte. Auch hier wurde der Mardi Gras gefeiert und wirkten das tolle Treiben und reichlicher Alkoholgenuss sich aus.

Die zechende Gruppe beim Straßenausschank war neun Mann stark. Drei farbige Mädchen und zwei weiße, die Helen für Dirnen hielt, gehörten dazu. Bei den Männern handelte es sich um vier Weiße und fünf Schwarze. Fünf davon trugen Uniformhosen der Nordstaatenarmee, die anderen vier Militärstiefel. Sie hatten sich alberne Strohhüte und Mardi-Gras-Masken aufgesetzt.

Natürlich waren sie alle bewaffnet. Jeder trug einen Revolver versteckt oder sichtbar bei sich oder hatte zumindest ein Messer, wobei der gefürchtete Bowieknife bevorzugt wurde. Mit diesem großen Kampfmesser konnte ein damit erfahrener Mann glatt einen Bären töten.

Als Helen vorbeiging, pfiffen die wüsten Kerle. Im Dienst wurden sie kurz gehalten, aber jetzt schlugen sie über die Stränge.

»Was ist denn das für ein Häschen?«, fragte einer.

Ein hünenhafter Neger mit Soldatenstiefeln, einer Ruine von Strohhut, Clownsnase und -hemd stellte sich ihr in den Weg.

»Ich bin Big Sam. Gib mir einen Kuss als Wegzoll. Ich gefallen dir doch? Einen so großen, schönen und starken schwarzen Mann wie mich findest du in ganz New Orleans nicht mehr. - Wie ist es mit uns, weiße Lady?«

Helen wusste, dass sie in großer Gefahr war. Jetzt galt es, die Nerven zu bewahren. Nur Kaltblütigkeit und entschlossenes Auftreten konnten sie retten, oder ihr würde Schlimmes zustoßen.

»Lassen Sie mich vorbei«, sagte sie. »Ich wohne hier ganz in der Nähe. Ich bin Ärztin und komme von einem Krankenbesuch.«

»Ärztin? Du willst Ärztin sein, Zuckerpuppe?«, fragte ein weißer Mann, der Soldatenstiefel und dazu eine Königskrone aus goldener Pappe aufhatte. Außerdem hatte er eine Damenbluse übergezogen, was er für witzig hielt. »Dann kannst du mich untersuchen. Soll ich mich freimachen?«

Die Meute lachte wiehernd. Helen wendete sich an den herkulischen Big Sam.

»Ich bin Dr. Helen Farrar und habe meine Praxis am Rand vom French Quarter, in der Lafayette Street. Ich behandle Schwarze genauso wie Weiße.«

Big Sam hatte entweder noch nie etwas von Helens Praxis gehört, oder er wollte sich nicht erinnern. Er grinste von Ohr zu Ohr.

»Trink einen Schluck«, sagte er und hielt Helen einen Becher mit Rum hin. »Wie ist es dann mit dem Kuss?«

»Nein, danke. Ich will beides nicht.«

»Du bist dir wohl zu gut, um mit den Soldaten der siegreichen Nordstaatenarmee zu trinken, Rotkopf?«, fragte ein bärtiger Weißer mit den Rangabzeichen eines Korporals an der Uniformjacke. »Das ist eine Beleidigung. Du bist eine Rebellin. Aber wir treiben dir die Widerspenstigkeit schon aus, du eingebildetes Luder.«

Er packte Helen. Sie zerkratzte ihm das Gesicht und rief um Hilfe. Niemand erschien. Die Fenster blieben geschlossen. Der Getränkeverkäufer am Straßenstand schaute weg. Die Männer packten die Ärztin und schleppten sie zu einem Trümmergrundstück.

Helen wehrte sich, strampelte und schrie. Es nutzte ihr nichts. Raue, starke Fäuste hielten sie. Gelächter und zotige Worte erschallten. Helen hatte ihren Arztkoffer noch. Es gelang ihr, ihn zu öffnen und das Skalpell herauszuziehen.

Doch eine kräftige Hand verdrehte ihr den Arm, und sie ließ es fallen.

»Oho«, heulte einer der Halunken. »Die kleine Schlange hat einen Giftzahn. Das ist bewaffneter Widerstand gegen die Nordstaatenarmee.«

Schon war das Trümmergrundstück, wo in den letzten Kriegstagen ein Haus abgebrannt war, fast erreicht. Helen schluchzte. Wie hatte sie nur so dumm sein können, sich in die Nähe von diesem Mob zu begeben?

»Den Mardi Gras sollst du nie vergessen!«, rief einer von ihren Peinigern.

Da knallte ein Revolverschuss.

Eine sachliche, kalte Stimme ertönte: »Lasst die Frau los, ihr Lumpenpack, oder ich schicke euch allesamt zur Hölle!«

Die neun Kerle stutzten. Sie hielten Helen noch immer fest. Ein einzelner Mann hatte sich ihnen in den Weg gestellt. Er trug eine Kapitänsmütze auf dem Kopf und war blass, dunkelhaarig und etwas über mittelgroß. Hager und unrasiert wirkte er nicht sehr gepflegt.

Helen kannte ihn. Es war Robert Dubois, ein ehemaliger Blockadebrecher, jetzt Flusskapitän, ihr früherer Schwager. Der Bruder von Allan Dubois, dem reichen Reeder und Großkaufmann, der zuerst sie geliebt und dann ihre Schwester Blanche geheiratet hatte.

»Du bist wohl lebensmüde, Kleiner, dich allein mit uns neun anzulegen«, fuhr der Korporal ihn an. »Steck dein Schießeisen weg und verschwinde, solange du es noch kannst, oder du bist ein toter Mann.«

»Ich kann selbst zählen«, antwortete der französischstämmige Robert Dubois. »Fünf von euch putze ich weg, bevor ihr mich erwischt, und du wirst der erste sein, Großmaul. - Lasst die Frau los. Sofort. Der nächste Schuss trifft genau.«

Robert Dubois wirkte völlig ruhig, obwohl er sein Leben aufs Spiel setzte. Er schien keine Nerven zu haben. Eine der Dirnen schlich sich von hinten an ihn heran, ein langes Messer in der Hand.

»Achtung, Robert!«, rief Helen.

»Kein Problem«, sagte Kapitän Dubois, ohne den Kopf zu drehen. »Ich sehe den Schatten mit dem Messer. Wenn er nicht sofort verschwindet, schieße ich über die Schulter.«

Er meinte es ernst. Leise in sich hineinfluchend zog sich die geschminkte Frau mit der Halbmaske zurück.

Die Meute belauerte Kapitän Dubois. Es stand auf des Messers Schneide, ob sie sich zurückziehen oder ihn angreifen würden. Big Sam grinste dümmlich und spielte mit seinem großen Bowiemesser. Andere Männer fassten nach ihren Waffen, mit denen sie reichlich bestückt waren. Der Atem von Gewalt wehte. Die Spannung wuchs, gleich musste sie sich entladen.

Da erschien eine weißgekleidete Frau auf dem Trümmergrundstück vor den feuergeschwärzten Ruinenmauern. Hellblond war ihr lockiges Haar.

»Ihr da«, lockte sie mit melodischer Stimme und winkte. Bildschön und verlockend sah sie aus in ihrem schulterfreien Kleid. »Kommt zu mir. - Ich warte, Big Sam.«

Die Halunken ließen Helen los. Erstaunt erkannte sie auf dem Trümmergrundstücke ihre untote Schwester, die Vampirin Blanche. Robert Dubois verdrehte sich den Hals, um einen Blick auf die Frau zu erhaschen, die vor ihm die Männer lockte.

»Worauf wartet ihr noch?«, lockte Blanche. »Big Sam...«

Der Zwei-Meter-Hüne schaute sie an und verdrehte die Augen. Er war völlig weg und hingerissen. Drei weitere aus der Gruppe folgten ihm. Die anderen umringten noch immer die Ärztin Helen.

Big Sam stand vor Blanche. Er atmete heftig.

»Du hast mich gerufen«, stieß er hervor.

»Ja. Gib mir dein Blut!«

Blanche fauchte wie eine Raubkatze. Rot glühten ihre Augen. Fahl und grünlich wurde von einem Moment zum anderen ihr Gesicht. Sie riss den Mund auf und zeigte spitze Vampirzähne.

Die Verwandlung erfolgte so plötzlich, dass Big Sam zu Tode erschrak. Er vergaß, dass er ein Messer in der Faust hielt, mit dem er sich wehren konnte, und sprang voller Schrecken zurück.

»Ein Vampir!«, schrie er. »Das ist die Weiße Frau, die seit einigen Monaten in New Orleans umgeht, das blutsaugende Gespenst! - Flieht, bevor sie uns mit dem Bösen Blick trifft, dass wir auf ewig verflucht sind. Oder uns allen das Blut aussaugt.«

Der abergläubische Schwarze warf das Messer weg und rannte in panischer Angst schreiend davon. Seine drei Kumpane, die mit ihm vorgegangen waren, bekreuzigten sich und und wichen voll Angst zurück. Keiner hob seine Waffe gegen den Vampir. Die Angst steckte ihnen viel zu tief in den Gliedern.

Blanche schwebte vor und fauchte wieder. Jetzt bog zudem in einiger Entfernung eine berittene Militärpatrouille um die Ecke und näherte sich. Sofort flohen der angetrunkene Korporal und die anderen Halunken, die Helen umringten. Die fünf Flittchen folgten ihnen. Alle verschwanden in dunklen Gassen und Hinterhöfen.

Blanche wich ins Dunkel zurück. Robert Dubois, der weiter weg stand, sah sie undeutlich. Die Vampirin lächelte Helen an.

»Paß nächstens besser auf, Schwester. Ich kann dir nicht immer helfen und will es auch nicht.«

Das weiße Kleid schien sich aufzulösen. Ein Wirbel entstand um Blanche Dubois, geborene Farrar. Ihre Konturen verschwammen. Im nächsten Moment war die Vampirin verschwunden. Eine übergroße Fledermaus flog mit einem schrillen Schrei dem Vollmond entgegen, vor dem man ihre Silhouette sah.

Helen bekreuzigte sich. Da hatte sie aber Glück gehabt. Ihre Knie zitterten. Sie war sehr geschockt über das, was sie in den letzten anderthalb Stunden erlebt hatte. Ihr gesamtes Weltbild war ins Wanken geraten. Nie wieder würde es für sie so wie früher sein.