KGB-Kleinschmidt

 

Er hatte noch zehn Stunden Zeit, dann wollte Afro-Lockenmähne-Qualm-Gabi ihn nackt zeichnen. Das würde er nicht zulassen, aber er hatte noch keinen Plan, wie er das verhindern konnte.

Auch wenn die Frau eine einzige Naturkatastrophe war, so war es eine fremde Person die in seine eigene Vatikanstadt zu Besuch kam. Alleine das reichte ihm, sich nun endlich zum Kauf eines neues Sofas aufzuraffen.

Richard ging in ein großes Möbelhaus hier in München, das jeden Preis so durch die Mangel drehen wollte, das nur noch Schall und Rauch übrig blieb (derzeit gab es laut Werbung in Zeitung und Radio 100 % auf alles). Nicht das Möbelhaus aus dem Land wo die Elche blaugelb sind.

Er war in Sachen Möbelkauf vollkommen unwissend. Er hatte bei seinem letzen Zahnarztbesuch in einer Wohnzeitschrift ein Sofa gesehen, dass ihm relativ gut gefiel. Schlichte Form, breite Armlehnen, Edelstahlfüße. Danach würde er nun suchen.

Nachdem er endlich in der Polsterabteilung angekommen war, wurde er von zu vielen Polstermöbeln fast erschlagen. Wilde Farben prügelten auf seine Augen ein. Und er dachte, auch den Stoff wiederzuerkennen, den sein Sofa zuhause zierte. Der geschenkte Müll seiner Eltern. Der kam wohl nie aus der Polstermode.

Er hatte etwa fünfzig Garnituren und Einzelsofas angeguckt, die das Möbelhaus in der Ausstellung stehen hatten. Eines davon hatte ihm gefallen. Dieses kam dem in der Zeitschrift am nächsten. Jetzt musste er aber ein weiteres Problem angehen. Er musste eine Safari starten, mit dem Ziel, einen Verkäufer zu erlegen. Mühsame dreißig Minuten später stand Doris Kleinschmidt (messerspitze Brille und Karokostüm) mit ihm zusammen vor seinem Wunschsofa.

Doris Kleinschmidts Blick glich dem einer KGB-Spionin, dessen Tarnung gerade aufgeflogen war.

»Dieses Sofa!«, fauchte sie.

»Ja«, antwortete Richard überraschend verklemmt. Er kam sich so vor, als ob er an einer Mauer stand und KGB-Kleinschmidt gleich den Schießbefehl geben würde, um ihn durchlöchern zu lassen.

»Gleich?«

»Wie?«

»Gleich liefern?«

»Ich möchte wohl dieses Sofa, aber nicht so wie es hier steht.«

Das Problem, das er mit dem heutigen Gang in dieses Möbelhaus eigentlich ausräumen wollte, hatte er damit nicht beseitigen. Er hatte zwar ein Sofa gefunden, aber so wie es in der Ausstellung stand, gefiel es ihm nicht. Aber er könnte Gabi heute Abend zumindest sagen, er hätte ein neues bestellt, aber es war bisher leider noch nicht geliefert worden.

Mit dem Gesichtsausdruck einer in Kürze zuschnappenden Klapperschlange starrte KGB-Kleinschmidt Richard an.

»Geht nicht.«

»Warum?«

»Sind Sie hier der Verkäufer?«

Er sah sich um, ob sie mit ihm sprach. Keiner weit und breit. Sie tat es.

»Nein«, sagte Richard mit einem strahlenden Lächeln. Das hatte er von Peter MacNicol alias John Cage aus der Serie Ally McBeal übernommen. Die Serie war Ende der 90er und über das Jahr 2000 hinaus weltweit Kult, bis heute. John lächelte immer, wenn ihn einer dumm ansprach oder beleidigte. Das beruhigte ungemein und dem Gegenüber gab es oft genug Rätsel auf.

»Dann müssen Sie mir das glauben.«

»Muss ich nicht«, sagte er.

»Warum?«

»Warum was?«

»Warum Sie mir das nicht glauben müssen?«

Richard deutete auf den Schnellhefter. Der lag auf dem Couchtisch vor dem Sofa. Den hatte er sich vor der Safari und des Aufeinanderprallens mit KGB-Kleinschmidt angesehen. Dort gab es das Sofa in vier verschiedenen Größen, mit drei unterschiedlichen Füßen. Drei verschiedene Lederfarben waren auch angegeben, nur waren leider nirgendwo Ledermuster zu sehen.

»Der ist alt«, sagte sie.

»Wechseln Sie ihre Preise täglich?«, fragte er.

»Warum?«

»Weil auf der Liste steht, dass sie seit gestern gültig ist.«

KGB-Kleinschmidt riss den Schnellhefter angewidert an sich, so, als ob sie verfaultes Obst in die Hände nehmen musste. Sie behielt die Mine bei und blätterte die zwei Seiten im Schnellhefter so elitär und langsam durch, als ob es sich um die Gesamtausgabe von Goethes Werk handelte.

»Wie wollen Sie es dann?«, fragte sie nach einer kunstvollen Pause.

Fast zwei Stunden später hatte Richard das Sofa und einen Hocker dazu gekauft. KGB-Kleinschmidt ließ ihn während dieser Zeit noch einige Male mit dem Sofa alleine, um nachzufragen, ob dies und jenes möglich sei. Die Pausen dazwischen beliefen sich immer auf gut fünfzehn Minuten.

So kann man auch einen freien Tag totschlagen, dachte er.

Aber Richard hatte auch die Gewissheit, dass er in diesem Schall-und-Rauch-Möbelhaus nicht mehr auf Safari gehen würde.