Game Dome

Die Morgendämmerung zog kalt und grau am Himmel auf. Im fahlen Licht dämmerte auch Alex allmählich, dass sein Plan kaum realisierbar war. Wie sollte er einen Mann wie Cray ausspionieren? Blunt hatte zwar erwähnt, dass Cray Wohnungen in London und in der Grafschaft Wiltshire besaß, aber er hatte die Adressen nicht herausgerückt. Alex wusste nicht einmal, ob Cray noch in England war.

Doch die Nachrichten gaben Alex einen Hinweis darauf, wo er anfangen musste zu suchen.

Als er die Küche betrat, saß Jack gerade vor ihrer zweiten Tasse Kaffee und las die Tageszeitung. Sie warf ihm nur einen kurzen Blick zu, dann schob sie die Zeitung über den Tisch. »Das dürfte dir den Appetit auf Cornflakes gründlich vermiesen.«

Alex drehte die Zeitung zu sich herum– und sofort sprang ihm von der zweiten Seite ein Foto entgegen: Damian Cray blickte ihn direkt an. Unter dem Bild stand die Schlagzeile:

CRAY BRINGT NEUES COMPUTERSPIEL AUF DEN MARKT

Entwicklungskosten betrugen 100 Millionen Pfund

Hier kommt der absolut heißeste Tipp von London: Heute wird der Gemeinde der Computerspiel-Freaks endlich Gameslayer vorgestellt, die sehnsüchtig erwartete neue Spielkonsole, die von Cray Software Technology entwickelt wurde. Das Unternehmen, dessen Zentrale sich in Amsterdam befindet, hat dem Vernehmen nach mehr als 100Millionen Pfund in die Spielentwicklung investiert. Das Spielsystem entspricht dem allerneuesten technischen Stand in diesem Bereich. Sir Damian Cray wird es persönlich vor einem geladenen Publikum aus Fachjournalisten, Freunden, Berühmtheiten und Branchenexperten präsentieren.
Auch für die Markteinführung wurden keine Kosten gescheut. Sie beginnt um 13.0
0Uhr im Game Dome mit einem üppigen Büfett und Champagner. Den Game Dome hat Cray eigens dafür im Hydepark bauen lassen. Es ist das erste Mal, dass einer der königlichen Parks für ein rein kommerzielles Vorhaben genutzt wird. Von vielen Seiten gab es deshalb scharfe Kritik.
Aber Damian Cray ist nicht irgendein Geschäftsmann. Er hat bereits angekündigt, dass er rund 2
0Prozent der Gewinne aus dem Verkauf von Gameslayer für wohltätige Zwecke spenden will– diesmal für behinderte Kinder in unserem Land. Gestern traf Cray mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten zusammen, um mit ihm über die geplanten Ölbohrungen in Alaska zu sprechen. Gerüchten zufolge hat die Königin persönlich den Bau des Game Dome gebilligt, der ganz aus Aluminium und PTFE-Gewebe errichtet wurde. Kaum einer wird umhin können, sein futuristisches Design zu bewundern.

Alex hörte auf zu lesen. »Da müssen wir hin«, sagte er.

»Möchtest du ein gekochtes Ei oder lieber Rührei?«

»Jack…«

»Alex! Dafür braucht man eine Einladung! Wie sollen wir dort reinkommen?«

»Mir wird schon etwas einfallen.«

Jack funkelte ihn wütend an. »Bist du dir eigentlich im Klaren darüber, was du da vorhast?«

Alex nickte. »Ich weiß, Jack. Es geht um Damian Cray. Den absolut beliebtesten Superstar. Aber hier hab ich was für dich, was offenbar niemandem aufgefallen ist.« Er faltete die Zeitung und schob sie ihr wieder hin. »Die Terroristengruppe, die angeblich für die Bombe in Frankreich die Verantwortung übernommen hat, nennt sich Camargue Sans Touristes

»Ich weiß…«

»Und jetzt schau mal, was hier steht: Das neue Computerspiel ist von Cray Software Technology entwickelt worden.«

»Ich versteh nicht, worauf du hinauswillst.«

»Vielleicht ist das alles wirklich nur ein Zufall, aber die Terrorgruppe und Crays Firma haben haargenau dieselbe Abkürzung– CST.«

Jack stutzte. »Okay, okay, Alex«, seufzte sie schließlich. »Also– wie kommen wir in den Game Dome?«

Wenig später fuhren sie mit einem Taxi nach Knightsbridge und gingen zu Fuß zum Hydepark hinüber. Schon als Alex durch den Parkeingang ging, wurde ihm klar, welche gewaltige Summe die Präsentation des Gameslayer gekostet haben musste. Hunderte Menschen strömten auf den Parkeingang zu, stiegen aus Taxis oder Limousinen und ließen sich von der riesigen Menschenmenge, die jeden Quadratzentimeter Gras niederzutrampeln schien, weitertreiben. An jeder Ecke waren Polizisten zu Fuß oder zu Pferd stationiert, gaben Auskünfte oder versuchten, die Schlangen vor den Eingängen zu ordnen. Alex staunte, wie ruhig die Pferde in diesem Chaos blieben.

Und dann sah er vor sich den Game Dome– er wirkte wie ein fantastisches Raumschiff, das mitten auf dem See im Hydepark gelandet war. Das Gebäude schien auf dem Wasser zu treiben, eine große schwarze Hülse, umgeben von einem glänzenden Aluminiumrahmen, dessen silberne Streben ein erstaunliches Muster bildeten. Blendend helle blaue und rote Scheinwerfer drehten sich oder zuckten wild hin und her. Eine einzige Metallbrücke erstreckte sich vom Ufer bis zum Eingang, aber davor standen mehr als ein Dutzend Sicherheitskräfte, die den Weg blockierten. Niemand durfte ohne Eintrittskarte über das Wasser. Und einen anderen Weg in den Dome gab es nicht.

Aus versteckten Lautsprechern plärrte Musik: Cray mit dem Hit White Lines aus seinem aktuellen Album. Alex ging zum Ufer. Er hörte aufgeregtes Stimmengewirr und selbst im diesigen Nachmittagslicht wurde er von einem plötzlich einsetzenden Blitzlichtgewitter fast geblendet. Der Bürgermeister von London war gerade angekommen und winkte breit lächelnd der Reportermeute zu– mindestens hundert Journalisten, die sich in einem eigens für sie abgesperrten Bereich drängelten. Als Alex die Menge der Gäste genauer betrachtete, die auf den Game Dome zuströmten, stellte er fest, dass er nicht wenige Gesichter wiedererkannte: Schauspieler, Fernsehmoderatoren, Models, DJs, Politiker… Und alle wedelten mit ihren Eintrittskarten und reihten sich in die Schlangen ein. Das hier war nicht einfach nur die erste Präsentation eines neuen Computerspiels. Es war die exklusivste Party, die London je erlebt hatte.

Alex hatte nicht die Absicht, diese Party zu versäumen.

Er ignorierte einen Polizisten, der ihn zurückweisen wollte, und ging auf die Brücke zu, wobei er so selbstbewusst wie möglich auftrat, als gehörte er zu den eingeladenen Gästen. Jack stand ein paar Schritte von ihm entfernt. Er nickte ihr zu.

Alex beherrschte die Grundfertigkeiten des Taschendiebstahls. Natürlich niemand anders als Ian Rider hatte sie ihm vor einigen Jahren beigebracht. Für Alex war es damals nur ein Spiel gewesen, das er kurz nach seinem zehnten Geburtstag erlernt hatte, als er mit seinem Onkel in Prag war. Sie hatten sich zufällig über Oliver Twist unterhalten, der beim Meistertaschendieb Artful Dodger in die Lehre ging, und sein Onkel hatte ihm bei dieser Gelegenheit die wichtigsten Diebstahlstechniken erklärt und ihm sogar an einem ahnungslosen Touristen eine kleine Demonstration geboten. Erst viel später hatte Alex entdeckt, dass auch das nur ein weiterer Teil seiner Ausbildung gewesen war. Sein Onkel Ian Rider hatte ihn immer insgeheim in etwas verwandeln wollen, das Alex gar nicht werden wollte.

Aber wie so oft erwies es sich auch diesmal als sehr nützlich, was er dabei gelernt hatte.

Alex war fast bei der Brücke angelangt und nicht mehr weit von den muskelbepackten Männern in der Uniform des Sicherheitsdienstes entfernt, die die Eintrittskarten kontrollierten– silberne Karten mit dem schwarzen Logo des Gameslayer. Die schmale Brücke wirkte wie ein Flaschenhals: Das Gedränge nahm hier enorm zu, denn die Gäste konnten nur einzeln nacheinander über die Brücke gelangen. Alex blickte sich noch einmal kurz zu Jack um. Sie nickte ihm zu.

Dann blieb er plötzlich stehen.

»Jemand hat meine Karte gestohlen!«, schrie er.

Trotz der wummernden Musik war seine Stimme laut genug, um von den Umstehenden gehört zu werden. Es war nichts weiter als ein klassischer Taschendiebtrick. Alex’ Problem interessierte niemanden, aber alle bekamen eine Heidenangst um ihre eigenen Eintrittskarten. Ein Mann knöpfte nervös die Jacke auf und blickte in eine seiner Innentaschen. Neben ihm warf eine Frau kurz einen aufgeregten Blick in ihre Handtasche. Mehrere Leute nahmen ihre Karten heraus und behielten sie fest in der Hand. Ein dicker bärtiger Mann griff nach hinten und tastete auf der Gesäßtasche seiner Jeans nach der Karte. Alex’ Plan hatte funktioniert: Er wusste jetzt, wo die Tickets waren.

Er gab Jack ein Zeichen, denn er hatte sich ein Opfer ausgesucht: Dem Dicken mit Bart stand eine herbe Enttäuschung bevor. Der Mann stand günstig, nur wenige Schritte von Alex entfernt. Eine Ecke seiner Eintrittskarte ragte tatsächlich ein kleines Stück weit aus der Tasche. Jack hatte es übernommen, den Mann aufzuhalten; Alex brachte sich in Position für den Angriff.

Jack schob sich nahe an den Dicken heran und tat so, als erkenne sie einen alten Bekannten wieder. »Harry!«, schrie sie begeistert und warf ihm die Arme um den Hals.

»Ich bin nicht…«, begann der Mann.

In diesem Augenblick machte Alex zwei Schritte vorwärts, umrundete eine Frau, die er vage aus einer TV-Serie wiedererkannte, und zog das Ticket aus der Gesäßtasche des Dicken. Rasch schob er es dann unter seine Jacke und klemmte es zwischen Arm und Körper. Die Sache hatte keine drei Sekunden gedauert und Alex hatte nicht einmal besonders vorsichtig sein müssen. Beim Taschendiebstahl gibt es eine einfache Wahrheit: Er setzt ebenso viel Organisationstalent wie Fingerfertigkeit voraus. Sein Opfer war hinreichend abgelenkt worden, schließlich hing ihm eine hübsche junge Frau um den Hals. Wenn man jemanden in den Arm kneift, merkt er es nicht, wenn man ihn gleichzeitig am Bein berührt. Das war eine der Lektionen, die Ian Rider seinem Neffen vor Jahren erteilt hatte.

»Erinnerst du dich nicht an mich?«, rief Jack gerade aus. »Wir haben uns doch im Savoy kennengelernt!«

»Nein, tut mir leid. Sie verwechseln mich anscheinend mit jemandem.«

Alex schob sich bereits an ihm vorbei zur Brücke. In ein paar Sekunden würde der Mann nach seiner Eintrittskarte greifen und feststellen, dass sie nicht mehr da war. Doch selbst wenn er Jack festhielt und beschuldigte, hätte er keinerlei Beweise. Bis dahin war Alex mit der Karte längst verschwunden.

Er zeigte das Ticket dem Wärter und trat auf die Brücke, aber besonders wohl war ihm nicht bei der Sache; hoffentlich gelang es dem Dicken trotzdem, eingelassen zu werden. Er fluchte leise, weil es Damian Cray gelungen war, ihn in einen Dieb zu verwandeln. Andererseits wusste er schon seit dem Moment, in dem Cray seinen Anruf aus Südfrankreich entgegengenommen hatte, dass es keinen Weg zurück mehr gab.

Jetzt hatte er die Brücke hinter sich und gab die Eintrittskarte an der anderen Seite ab. Durch einen dreieckigen Eingang betrat er den Game Dome– eine riesige Halle, die mit High-Tech-Spots ausgeleuchtet wurde. Eine erhöhte Bühne, darüber ein gewaltiger Plasmabildschirm, auf dem in großen Buchstaben CST geschrieben stand. Ungefähr 500Gäste hatten sich bereits vor der Bühne eingefunden, nippten an ihren Champagnergläsern und aßen Kanapees. Es herrschte eine heitere, lockere und erwartungsvolle Stimmung.

Die Musik verstummte, das Licht änderte sich und der Bildschirm wurde dunkel. Ein tiefes Summen setzte ein; Trockeneisnebel senkte sich über die Bühne. Ein einziges Wort– Gameslayer– erschien auf dem Bildschirm. Das Brummen wurde immer lauter. Die Buchstaben bröckelten auseinander und eine Gestalt erschien, ein einzelner Ninja-Krieger, von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet, der sich an den Bildschirm zu klammern schien wie eine Miniausgabe von Spiderman. Inzwischen war das Brummen ohrenbetäubend laut geworden, ein röhrender, brüllender Wüstenwind, hinter dem sich Orchestermusik zu verbergen schien. Offenbar waren Windmaschinen eingeschaltet worden, denn plötzlich blies ein starker Wind durch die Kuppel, der die Nebelwolken wegfegte– und Damian Cray enthüllte. Er stand in einem weißen Anzug mit breiter, rosa und silber gestreifter Krawatte allein auf der Bühne. Sein Bild erschien in riesiger Vergrößerung auf dem Bildschirm.

Die Zuschauermenge drängte in Richtung Bühne, Applaus setzte ein. Cray hob die Hand.

»Herzlich willkommen!«, rief er.

Auch Alex wurde von der Menschenmenge zur Bühne geschoben. Er wollte Cray so nahe wie möglich kommen. Bereits jetzt spürte er eine seltsame Erregung darüber, dass er sich mit einem Menschen in einem Raum befand, den er sein ganzes Leben lang gekannt hatte, dem er aber nie persönlich begegnet war. Sein erster Eindruck war, dass Damian Cray in Wirklichkeit kleiner schien, als er auf den Hochglanzfotos in den Zeitschriften wirkte. Aber Cray gehörte seit dreißig Jahren zu den größten Berühmtheiten. Er hatte eine starke Persönlichkeit und strahlte ein grenzenloses Selbstvertrauen sowie eine unglaubliche Selbstbeherrschung aus.

»Der Tag ist gekommen!«, sagte Cray. »Der Tag, an dem ich der ganzen Welt Gameslayer vorstellen möchte, meine neue Computerspielkonsole.« In Crays klarer Stimme klang nur ganz leicht ein amerikanischer Akzent mit. »Das Spiel kann Welten erschaffen, Figuren und absolut komplexe physische Simulationen erzeugen, und zwar in Echtzeit. Das alles ist dem Floating-Point-Processor des Systems zu verdanken– es ist, mit einem Wort, ein gewaltiges Programm. Andere Systeme zeigen Ihnen Plastikpüppchen im Kampf gegen Figuren, die aussehen, als hätte man sie aus Pappe geschnitten. Bei Gameslayer sehen Haare, Augen, Hautfarbe, Wasser, Holz, Metall und Rauch genauso aus wie im wirklichen Leben. Wir haben die physikalischen Gesetze streng beachtet, zum Beispiel Schwerkraft und Reibung. Aber es kommt noch besser: Wir haben auch etwas eingebaut, das wir Schmerzsimulation genannt haben. Was das heißt? Sie werden es gleich selbst herausfinden!«

Er machte eine Pause. Die Zuschauer klatschten.

»Bevor ich jetzt mit der Vorführung beginne, möchte ich den Journalisten unter Ihnen die Gelegenheit geben, Fragen zu stellen.«

Ein Mann in der vordersten Reihe hob die Hand. »Wie viele Spiele bringen Sie dieses Jahr heraus?«

»Heute bringen wir die Spielkonsole und ein Spiel heraus«, antwortete Cray. »Aber bis Weihnachten werden noch zwölf weitere Spiele in die Läden kommen.«

»Wie haben Sie das erste Spiel genannt?«, rief jemand.

»Feathered Serpent«, antwortete Cray. »Nach dem Aztekengott Quetzalcóatl, der häufig als gefiederte Schlange dargestellt wurde.«

»Geht’s dabei ums Töten?«, wollte eine Frau wissen.

»Na ja, das auch«, gab Cray zu. »In der Hauptsache geht es aber um Geschicklichkeit und Kampfkraft.«

»Das heißt also, es wird gezielt geschossen?«, hakte die Frau nach.

»Ja.«

Die Frau lächelte, aber ihr Gesicht blieb dabei völlig humorlos. Sie war etwa Mitte vierzig und mit ihrem grauen Haar und der strengen, ernsten Miene wirkte sie ein wenig wie eine Lehrerin. »Es ist allgemein bekannt, dass Sie Gewalt verabscheuen«, sagte sie sehr laut. »Wie können Sie es da verantworten, den Kindern gewalttätige Computerspiele zu verkaufen?«

Unruhe kam in der Zuschauermenge auf. Die Frau mochte Journalistin sein, aber den meisten Gästen schien es peinlich, dass sie Cray mit ihren Moralfragen löcherte. Schließlich tranken alle seinen Champagner und aßen von seinem Büfett.

Aber Cray schien keineswegs beleidigt. »Gute Frage«, antwortete er mit seiner sanften, melodiösen Stimme. »Und ich kann Ihnen versichern, dass wir zuerst ganz anders angefangen haben. Wir haben eine Ur-Version entwickelt, in der der Held verschiedenfarbige Blumen in einem Garten sammeln und hübsch in einer Vase arrangieren musste. Seine Gegenspieler waren Häschen, die die Blumen fressen wollten, und der Held erhielt zur Belohnung ein Rohkost-Sandwich. Und wissen Sie, was dann passierte? Unser Forschungsteam machte die erstaunliche Entdeckung, dass die Kinder heutzutage nicht mit so etwas spielen wollen. Können Sie sich das vorstellen? Unsere Marktforschung behauptet allen Ernstes, dass wir davon kein einziges Spiel hätten verkaufen können!«

Im Publikum setzte lautes Gelächter ein. Cray hatte die Journalistin gerade lächerlich gemacht, sie wirkte ziemlich verlegen.

Cray bat wieder um Ruhe. »Natürlich haben Sie den Finger auf die wunde Stelle gelegt«, gab er zu. »Denn es stimmt ja– ich verabscheue Gewalt. Aber echte Gewalt… Krieg. Und Sie wissen vielleicht, dass heutige Jugendliche jede Menge Aggressionen mit sich herumtragen. Das ist die schlichte Wahrheit. Ich glaube, es liegt in der menschlichen Natur. Und ich bin irgendwann zu der Überzeugung gekommen, dass es besser ist, wenn sie ihre Aggressionen an einem Computerspiel wie unserem abreagieren als auf der Straße.«

»Trotzdem!«, beharrte die Journalistin stur. »Ihr Spiel fördert die Gewalt!«

Damian Cray runzelte die Stirn. »Ich glaube, dass ich Ihre Frage jetzt wirklich ausführlich beantwortet habe. Wollen Sie sich nicht endlich mit meiner Antwort zufriedengeben?«

Die Bemerkung wurde mit großem Applaus begrüßt. Cray wartete, bis es wieder still wurde. »Aber jetzt haben wir genug geredet!«, rief er. »Sie sollen jetzt Gameslayer endlich selbst sehen, und sehen kann man das Spiel am besten, wenn es gespielt wird. Ich möchte mal fragen, ob sich auch Teenager unter Ihnen befinden… obwohl mir gerade einfällt, dass wir total vergessen haben, Jugendliche einzuladen…«

»Hier ist einer!«, schrie jemand, und Alex fühlte, wie er nach vorn geschoben wurde. Plötzlich waren alle Augen auf ihn gerichtet und Cray höchstpersönlich blickte von der Bühne auf Alex herab.

»Nein!«, versuchte sich Alex zu wehren.

Aber das Publikum klatschte bereits und schob ihn weiter nach vorn. Vor ihm öffnete sich ein Korridor durch die Menge. Alex stolperte vorwärts, und bevor er wusste, wie ihm geschah, stieg er die Treppe zur Bühne hoch. Der ganze Game Dome schien sich zu drehen. Die Spotlights wirbelten zu ihm herum. Das helle Licht blendete ihn. Schon stand er mitten auf der Bühne.

Direkt neben Damian Cray.