16

Rogers Blick wanderte von Hollys Blässe zu den gefährlich zusammengekniffenen Augen von Linc.

Holly schaute den von ihr so geliebten Mann an. Trotz seiner rasenden Wut war er immer noch herzzerreißend schön. Sein Abendanzug betonte perfekt seine langen, schlanken Glieder. Bei jeder Bewegung unterstrich das feine Material seine männliche Eleganz und Kraft.

Roger betrachtete das Paar. Sie waren so sehr aufeinander fixiert, daß nur sie füreinander zu existieren schienen. Doch der Designer war sich deutlich bewußt, daß Lincs Wut unter Umständen hervorbrechen konnte wie ein Orkan.

Hilfsbereit legte Roger seinen Finger unter Hollys Kinn und drehte ihren Kopf von Linc weg.

»Ich kenne nicht den Grund seiner Erbitterung«, schaltete er sich dazwischen. »Aber mein Gefühl sagt mir, daß sein Biß schlimmer als jedes Bellen ist, das mir jemals zu Ohren gekommen ist. Wenn du Unterstützung brauchen solltest, hast du ja meine Telefonnummer.«

Sie schwieg.

»Hörst du mir überhaupt zu, Shannon?« fragte er leise. Sie nickte.

Er warf Linc einen undefinierbaren Blick zu.

»Sollte sie tatsächlich zu mir kommen, dann haben Sie sich wirklich wie ein Idiot benommen«, bemerkte er kühl.

»Ich hülle sie sofort in Samt und Seide, und Sie werden sie niemals wiedersehen.«

Roger starrte in Hollys goldgesprenkelte Augen.

»Manche Männer sind tatsächlich so hitzig, wie sie aussehen«, sagte ihr Chef. »Sei also vorsichtig, meine Liebe.«

Er küßte sie zart auf die Lippen, Schritt an Linc vorbei und verschwand in der Dunkelheit.

Der Hausherr räusperte sich.

»Ein Wunder, daß der zahme Wikinger gegen schöne Models noch immer nicht immun ist«, schnarrte er.

Unter seinem intensiven Blick wurde sie schwach.

Seine Augen blieben an den feinen Goldkettchen hängen, die bei jedem ihrer Atemzüge leicht vibrierten.

»Noch bevor ich überhaupt das Haus verlassen hatte, kamen bereits Leute auf mich zu und erzählten mir, wie charmant Beth' Freundin Holly North sei. Und zwar nicht nur die Männer, auch die Frauen. Sie haben sich allesamt in dich verliebt!«

Holly hielt hoffnungsvoll den Atem an.

»Also bin ich herbeigeeilt, um mich mit dir zusammen zu vergnügen. Dich allerdings konnte ich nicht finden. Dafür habe ich jemand anders gefunden. Wie war doch gleich der Name? Shannon?«

»Richtig«, antwortete sie leise. Und dann etwas deutlicher: »Ja, Shannon. Das ist der Mädchenname meiner Mutter. Shannon bräuchte dir kein Geheimnis zu sein, Linc. Du kanntest den Namen bereits damals.«

»Kein Geheimnis?« zischte er. »Himmel, für wie blöd hältst du mich eigentlich?«

Er hörte seine eigenen Worte und lachte mit einer Bitterkeit auf, die sie zusammenzucken ließ. Dann blickte er sie kalt und verlangend an, wie ein Raubtier seine Beute.

»Die Frage brauchst du mir aber gar nicht mehr beantworten, denn ich weiß bereits, was für ein Idiot ich bin. Ich bin der Trottel, der an deine Jungfräulichkeit glaubte.«

»Das ist auch berechtigt.«

»Aber klar doch.«

Holly wollte etwas sagen, ihr stockte jedoch der Atem, als sich seine Hände um ihre Handgelenke schlossen.

»Nein«, verbot Linc ihr den Mund. »Keine weiteren Lügen. Ich sehe dich dann um Mitternacht, Shannon.«

Er ließ ihre Hände fallen und entschwand, ohne sich umzublicken, in der Menge.

Den Rest des Abends verbrachte Holly wie unter einer Nebelglocke. Sogar über Beth' offensichtliche Genugtuung wegen Cyn entrang sich ihr lediglich ein schmales Lächeln. Sie hielt ihre fröhliche Fassade aufrecht, so gut es ging, aber ihr Herz zählte die Minuten bis Mitternacht.

Linc war wie Musik, nämlich überall gleichzeitig. Ganz gleich wie oft sie sich auch umdrehte, er war da und beobachtete sie wie die Katze den Schmetterling, der just außer ihrer Reichweite ist.

Sie konnte nur hoffen, daß er bis Mitternacht wieder bereit war, ihr zuzuhören.

Wenn ich ihm erzähle, daß ich nur deswegen getanzt und geflirtet habe, um für Beth eine Wette zu gewinnen, dann wird er Verständnis zeigen, tröstete sie sich.

Außerdem erkläre ich, daß ich nur wegen unserer vereinbarten Feuerpause nicht über meine Karriere als Model gesprochen habe, sein Ärger wird dann verpuffen.

Vielleicht erzähle ich ihm dann, wie sehr ich ihn liebe ... Ihre Gedanken stoben davon, als sich eine Hand etwas unterhalb der goldenen Kettchen auf ihren Arm legte.

»Es ist zwölf Uhr«, sagte Linc mit unbeteiligtem Gesichtsausdruck.

Er zerrte sie so unnachgiebig auf die Tanzfläche, daß es beinahe schmerzte. Als sie mitten auf dem Parkett standen, wirbelte er Holly zu sich herum.

»Lächle, Shannon«, sagte er. »Du hast inzwischen jeden verdammten anderen hier angelächelt, warum nicht auch mich?« Ihre Lippen zitterten.

»Du bist mir viel zu wichtig, als daß ich an dir meine Profiallüren ausließe.«

Lincs Lippen verzogen sich zu einem zynischen Grinsen.

»Gut pariert, Shannon«, sagte er. »Da muß ich Roger ein Kompliment machen. Er hat dich zum besten Pferd seines Stalls herangezogen.«

Die Doppelzüngigkeit der Bemerkung verletzte Holly wie ein Messerstich.

»Roger ist niemals mein Liebhaber gewesen!« fauchte sie.

»Mach nur weiter so, Shannon. Führe hier eine der Szenen auf, wie es meine Schwiegermutter aus dem Effeff verstand. Ich werde dir dafür die Leviten lesen, daß du es niemals mehr vergißt.«

»Du solltest auf Beth Rücksicht nehmen«, brachte Holly angestrengt leise hervor.

»Ist das das Mädchen, das heute abend ihrer Mutter auf das Haar gleicht?« fragte er. »Um die brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen.«

Linc legte seinen Arm um Holly. Sie fügte sich zwangsläufig seinen Bewegungen. Sie tanzten den traditionellen Walzer, mit dem der Abend auch eröffnet worden war.

Ihre Bewegungen waren völlig verkrampft, schon allein deswegen, weil sie ihren Kopf zurückgeworfen hatte und Linc sie in dieser Stellung hielt, indem er seinen Arm auf ihre langen Haare legte. Sie stolperte und zuckte zusammen, als ihre Locken in seiner Umklammerung nach hinten gerissen wurden. Mit ihrer freien Hand wollte sie ihr Haar befreien, aber er hob sie einfach vom Boden hoch.

Ihr war Lincs Körperkraft schon immer bewußt gewesen. Daß er jedoch diese Stärke einmal gegen sie verwenden würde, das war ihr nie in den Sinn gekommen. Seine Umarmung war gerade so bemessen, daß sie noch Luft bekam und ihre Lage niemandem auffiel.

Kaum wollte sie ihren Mund öffnen und etwas sagen, als er sie heftig an sich riß. Mühsam versuchte sie zu atmen.

»Sag jetzt nichts«, herrschte Linc sie an.

Sein dunkler Blick glühte vor Zorn.

»Wenn ich auch nur noch eine einzige Lüge von deinen schönen Lippen ...« Abrupt hielt er inne.

Sein Griff wurde noch fester und erstickte sie beinahe. Seine Hand quetschte die ihre gnadenlos. Tränen standen in Hollys goldenen Augen. Bleich und ermattet blieb sie stumm. Sie wollte Beth' Triumph nicht dadurch verderben, daß sie jetzt eine Szene machte. Außerdem wollte sie sich nicht auf eine Stufe mit Lincs Stiefmutter begeben.

Holly biß die Zähne aufeinander. Sie wartete den Moment ab, wo sie ihm sagen konnte, was für ein dummer, sturer Idiot er doch war.

Er bemerkte den veränderten Ausdruck ihrer Augen und spürte den Widerstand ihres Körpers, der sich sonst immer so willig an ihn geschmiegt hatte. Jetzt wurde auch ihm bewußt, daß er sie viel zu derb anfaßte.

Warum sollte mich das scheren? fragte er sich. Seit Tagen mache ich mir Sorgen, daß ich einer Jungfrau mit meinen Gelüsten Angst einjage. Diese Sorgen hätte ich mir gründlich sparen können.

Plötzlich lockerte er seine Umklammerung.

Holly atmete tief durch und versuchte vorsichtig ihren Hals zu bewegen, um die unnatürliche Stellung zu verändern.

Er ließ ihre Haare frei. Dann glitt seine Hand darunter und streichelte die nackte Haut ihres Rückens. Versteckt von ihrer Mähne wanderten seine Finger unter die Taille ihres Kleides, bis er ihre festen Hüften spürte.

Mit einem erstickten Laut zwang Linc Hollys Hüften an seine. Seine Erregung war durch die dünne Seide ihres Gewands eindeutig zu spüren, auf seinem Gesicht jedoch malte sich nichts als Verachtung.

Sie gab sich Mühe, etwas Abstand zwischen ihnen zu schaffen. Aber es gelang ihr lediglich, sich an ihm in einer Weise zu reiben, die sie beide erregte und die ihr peinlich war.

»Nein, Linc, bitte!« Erfolglos stemmte sie sich gegen ihn.

»Du hast mit allen anderen Männern getanzt«, erinnerte er sie, während seine Finger sich einen Weg unter ihr Kleid bahnten. »Warum nicht auch mit mir?«

»So wie jetzt mag ich es nicht!«

Wieder zog er sie so heftig zu sich heran, daß sie keuchte. »Keine Lügen mehr, Shannon.«

»Ich bin keine ...«

»Lügnerin?« unterbrach er sie kalt. »Nein, natürlich bist du das nicht. Schönen Frauen ist alles erlaubt!«

Holly übermannte die Wut.

»Das hier ist deine Party, Linc«, schnaubte sie. »Wenn du deinen großen Auftritt möchtest, so ist es für mich kein Problem, ihn zu veranstalten.«

»Zweifellos könntest du einen sensationellen Striptease hinlegen.«

»Die Wette hast du verloren«, knurrte sie. »Ich dachte eher an eine waschechte Streiterei. Es interessiert mich auch nicht mehr, ob ich Beth damit etwas verderbe oder irgendwelche Erinnerungen an deine Stiefmutter auslöse!«

Hollys Stimme war laut genug, daß mehrere andere Paare sie neugierig musterten.

Er lächelte sie ausdruckslos an, hob sie aber wiederum vom Boden in die Luft.

Weder wehrte sie sich, noch sagte sie Linc, daß er zu weit ging. Ohnehin wußte er genau, was er tat.

Mit voller Absicht wanderte ihre linke Hand von seiner Schulter bis zu der Stelle, wo sein Kopf vor zwei Tagen auf den Felsen geprallt war. Ihre Fingernägel strichen sehr sachte über die verletzte, immer noch empfindliche Haut. Obwohl sie weiter nichts tat, war die Drohung klar.

Seine Augen weiteten sich überrascht. Einen Augenblick lang betrachtete er ihre entschlossene Miene. Er stellte sie wieder auf die Füße und lockerte ein wenig den Griff.

»Wer hat dir denn beigebracht, mit solch unfairen Methoden zu kämpfen?« Er sah mehr als ungemütlich aus.

»Du. Und zwar gerade eben!«

Wider Erwarten lächelte er.

»Es gibt da noch andere Möglichkeiten«, deutete er an.

Holly war sich nicht klar, was Linc damit meinte. Sie wollte ihn aber nicht fragen, weil sie ihn damit nur noch mehr provoziert hätte. Sie ahnte, daß ein Streit unausweichlich war, wollte ihn aber auf keinen Fall vor den Augen der Öffentlichkeit austragen.

Linc lockerte nochmals seinen Griff und gab ihr mehr Spielraum, um zivilisiert zu tanzen. Zunächst bewegte sie sich etwas verkrampft. Sie war zu wütend und zu mißtrauisch, um sich seiner Führung zu überlassen.

Er zog Hollys Körper mit einer langsamen, sinnlichen Behutsamkeit zu sich heran, die seine Wut Lügen strafte.

»Weißt du«, hauchte er in ihr Haar, »ich kann mich einfach nicht entscheiden, was an dir am seidigsten ist: dein Kleid, dein Haar oder deine Haut.«

Seine Fingerspitzen fuhren sacht ihr Rückgrat entlang und erzeugten Hitzewellen in ihrem ganzen Körper. Linc spürte Hollys Zittern und lachte leise. Er drückte sie mit seiner linken Hand an sich, so daß sich ihre rechte Hand an seiner Brust abstützte.

Sein Handrücken glitt bei jedem ihrer Atemzüge ganz leicht über ihren Busen.

»Nicht alles an dir ist seidig weich«, murmelte er.

»Manches wird auch erfreulich fest.«

Holly hielt den Atem an, als Lincs Hand langsam ihre Brustknospe umspielte. Lustvolle Schauder durchfuhren sie und brachten sie auf Hochtouren.

Jetzt war es nicht mehr seine Hand an ihrer Taille, die sie an sich preßte, sondern vielmehr ihr eigener Wunsch, seine Wärme durch das dünne Seidenkleid hindurch zu spüren. Linc machte sich los und ließ die ganze süße Schwere ihrer Brust in seiner Hand ruhen.

Sie wußte, daß sie hätte protestieren sollen, aber sie konnte vor Erregung und Wonne nur den Atem anhalten. Ihr nun frei herabwallendes Haar legte sich wie ein dunkler Vorhang um sie und verbarg seine Hand darunter.

Ihre weichen Locken brannten wie Feuer auf seiner Haut. Er stöhnte leise in ihr Ohr. Seine Fingernägel streichelten leicht über den zarten Seidenstoff, dann schlossen sie sich über ihrer Knospe.

»Linc«, rief Holly ihn leise zur Ordnung.

»Psst. Keiner kann es sehen.«

Lincs Hand bewegte sich auf die warmen goldenen Kettchen zu, die ihren Ausschnitt bedeckten. Seine Finger durchdrangen alle Hindernisse und suchten ihre nackte, weiche Wärme.

»Das wollte ich schon tun, seit ich hierhergekommen bin und dich erblickte«, sagte er mit vor Erregung rauher Stimme.

Einen Augenblick lang erstarrte Holly. Sie konnte es kaum glauben, daß sie in einem Raum voller Menschen war, während seine Finger ihre nackten Brüste liebkosten.

Falls sie etwaige Einwände hätte vorbringen wollen, die Gefühle, die von ihrem Bauch aus ihren Körper in langsamen, lustvollen Wellen durchströmten, verdrängten jede andere Empfindung.

Ihr Leib bog sich seiner Berührung reflexartig entgegen. Sie spürte das Zittern, das auch ihn ergriff. Auf einmal spannten sich seine gesamten Muskeln an, was, wie sie nun wußte, seine Sehnsucht verriet.

»Ich möchte dich kosten«, sagte Linc mit belegter Stimme und drückte sie eng an sich. »Ich möchte über dich gleiten wie dieses verdammte Hexenkleid, und dann will ich ...«

Ruckartig zog er seine Hand zurück, hörte auf zu tanzen und bugsierte sie die nächstliegende Treppe hinunter.

»Und was ist mit den Gästen?« erinnerte sie ihn an seine Pflichten.

»Ich habe mich bereits vor Mitternacht von allen verabschiedet.«

»Beth ...«, mahnte Holly.

»Beth ist vor einer Stunde mit einer Freundin abgezogen. Sie wird erst morgen zurück sein. Und zwar nicht besonders früh.«

Holly machte keine weiteren Einwände. Ihr Körper glühte voller Verlangen, das Linc in ihr stimuliert hatte.

Dicke Wolken hingen am nächtlichen Himmel. In der Ferne hörte man das Grollen des Donners. Ein kurzer Schauer hatte auf den Rabatten Wassertropfen hinterlassen, die wie kristalline Tränen schimmerten.

Als Holly stehenblieb, um ihren Saum anzuheben, damit er in den Pfützen nicht naß wurde, zerrte Linc sie mit kaum verhohlener Ungeduld in seine Arme und eilte in großen Sätzen auf das Haus zu.

Etwas Seide entglitt ihren Fingern und fiel schleppend auf den nassen Weg. Sie wollte den Stoff wieder anheben, aber er hielt sie so fest, daß sie sich nicht rühren konnte.

»Linc ...!« Sie versuchte ihn zum Anhalten zu bewegen.

»Schluß jetzt mit den Ausflüchten«, unterbrach er sie barsch. »Beth ist nicht hier, die Gäste finden ihren Weg auch alleine nach Hause, und ich will und kann nicht mehr länger warten.«

Von seiner spröden Stimme überrascht, blickte sie ihm ins Gesicht. In dem sparsamen Laternenlicht sah sie in das Antlitz eines Fremden, dem sowohl Zärtlichkeit als auch Liebe vollkommen fremd waren.

»Sieh mich nicht so an«, brauste er auf. »Schließlich kennen wir beide die Spielregeln. Dein Spielchen, erst zu locken und dich dann zurückzuziehen, ist vorbei, Shannon. Jetzt bin ich an der Reihe!«