Wenn Sachliches mit Unsachlichem vermischt
wird
Wir können eine Kritik leichter aufnehmen, wenn
wir in der Lage sind, die Spreu vom Weizen zu trennen. Da haben wir
die erbauliche, nützliche Kritik, die uns weiterbringt, und um
dieses Feedback können wir unsere Mitmenschen auch aktiv bitten.
Übrig bleiben der schnodderige Rest, wie z.B. die Unsachlichkeiten,
die Einmischungen und der Tratsch. Diese unbrauchbaren Reste können
Sie mit den hier vorgestellten Strategien ohne viel Aufregung
beiseiteschieben.
Im Alltag allerdings sind Sachlichkeit und
Unsachlichkeit nicht immer so klar getrennt, wie ich das hier in
diesem Buch tun kann. Viele Rückmeldungen bestehen aus einer
Mischung von nützlichen Hinweisen und zwischenmenschlichem Murks.
Da gibt es ein paar sachliche Äußerungen, aber zugleich wird auch
ein wenig gestichelt. Sie erfahren, was Sie hätten besser machen
können und dabei wird auch noch Ihre Intelligenz oder Ihr
berufliches Können infrage gestellt. Solche Rückmeldungen sind
einerseits nützlich, andererseits auch schmerzhaft.
Eine brauchbare Rückmeldung, garniert mit kleinen Nadelstichen
Ein Beispiel aus dem Alltag: Carla arbeitet schon
seit zehn Jahren als freie Journalistin. Sie schreibt ihre Artikel
und Reportagen mit viel Herzblut. Wenn sie einen Artikel für eine
Zeitschrift abgeliefert hat, bekommt sie regelmäßig ein kurzes
Feedback. Manchmal ist das nur ein simples »Okay!«. Aber manchmal
fällt die Rückmeldung etwas umfangreicher aus, oft muss sie dann
noch etwas ändern oder kürzen.
Einige der Feedbacks, die Carla zu hören bekommt,
bestehen aus dieser Mischung von Sachlichkeit und leichten
Sticheleien.
Hier ein Gespräch, das Carla mit einer Redakteurin
am Telefon geführt hat.
Die Redakteurin: »Ach, Carla – gut, dass ich dich
erwische. Wir hatten gerade eine Redaktionskonferenz. Dein Artikel
ist so nicht durchgegangen. Das Ding ist allen hier viel zu
langweilig.«
Carla ist überrascht: »Äh, warte mal! Du hast
vorhin noch gesagt, der Artikel wäre in Ordnung.«
Die Redakteurin: »Oh, komm Carla! Nun tu nicht so
naiv. Du bist keine Anfängerin mehr. Du weißt doch, wie die
Redaktionsarbeit aussieht. Ich kann das nicht allein entscheiden.
Deinen Artikel können wir dir so nicht abnehmen. Er passt überhaupt
nicht ins Blatt, spricht die Leser nicht an. Dass du so etwas
ablieferst, hat uns hier alle leicht schockiert. Wir dachten, du
wärst eine kompetente, erfahrene Journalistin.«
Carla merkt, dass sie ärgerlich wird. Aber sie
will das Gespräch ohne große Debatte über die Bühne bringen. »Okay,
ich hab gehört, dass ihr damit unzufrieden seid. Ich würde jetzt
gern wissen, was an meinem Artikel falsch ist.«
Die Redakteurin: »Oh Kind, du stellst Fragen, wie
sie hier
nur unsere kleinen Volontäre stellen. Als Profi müsstest du das
eigentlich wissen. Da fehlt der O-Ton in deinem Artikel. Du
brauchst ein bis zwei Experten zu dem Thema, die dazu etwas sagen.
Und dann mehr Interviews mit Betroffenen.«
Carla: »Okay, also Experten und mehr Betroffene.
Was meinst du, wie viele Betroffene brauche ich?«
Die Redakteurin: »Carla Schatz, ich steh hier
unter Zeitdruck! Also frag mir keine Löcher in den Bauch. Ein bis
zwei Fälle, die das gut illustrieren, müssten reichen. Aber sieh
zu, dass der Artikel nicht ausufert. Der Chefredakteur hat schon
gesagt, dass er vier Seiten für zu lang hält.«
Carla: »Das alles überrascht mich im Moment. Ich
sag dir gleich Bescheid, bis wann ich mit den Änderungen fertig
bin.«
Redakteurin: »So, jetzt hab ich wirklich keine
Zeit mehr. In einer Woche, am Dienstag um 12 Uhr muss dein Artikel
fix und fertig auf meinem Schreibtisch liegen. Du erinnerst dich
sicher – wir haben hier eine Deadline. Mach’s gut!«
Carla änderte den Artikel und lieferte ihn
fristgerecht ab. Mit ihrer Arbeit waren alle zufrieden, obwohl es
ihr keiner gesagt hat. In der Redaktion gilt: Wenn nicht gemeckert
wird, ist das bereits ein Lob.
Sie können die kleinen Sticheleien einfach durchwinken
Carla hat sich im Laufe der Jahre ein dickes Fell
zugelegt. Sie hat gelernt, ein Feedback ruhig aufzunehmen. Dabei
konzentriert sie sich vor allem auf die Sachinformationen. Sie
ignoriert die kleinen Seitenhiebe und andere Schräglagen, die ihr
auch noch mitgegeben werden. Dadurch ist es ihr möglich,
für verschiedene Redaktionen zu arbeiten und auch mehrere dieser
halbgaren Kritiken am Tag einzustecken.
Carla will ihre Artikel verkaufen und das
möglichst häufig. Dazu braucht sie genaue Informationen darüber,
was die jeweiligen Zeitschriften erwarten und welche Vorlieben und
Abneigungen die Redakteure haben. Mit jedem Feedback, das sie
bekommt, kann sie sich besser auf ihre Kundschaft einstellen. Die
unterschwelligen Unsachlichkeiten in den Rückmeldungen lässt sie
meistens links liegen.

Zwischen all den Unsachlichkeiten steckt oft
eine brauchbare Kritik
eine brauchbare Kritik
Carla tut das, was ich Durchwinken nenne. Das
Sachliche besprechen, das Unsachliche durchwinken. Das funktioniert
so, als würden Sie mit einem Handzeichen sagen: weiter, weiter.
Nicht bei dem überflüssigen Murks stehen bleiben, sondern gleich
weiter zu den brauchbaren Einzelheiten der Rückmeldung.
Das Durchwinken empfehle ich Ihnen immer dann,
wenn Sie in einem rauen Betriebsklima arbeiten oder leben. Dort, wo
Menschen manchmal ruppig miteinander umgehen, bekommen Sie solche
gemischten Rückmeldungen zu hören. Jeder
redet so, wie ihm oder ihr der Schnabel gewachsen ist. Und über
die korrekte Art und Weise einer brauchbaren Rückmeldung macht sich
niemand irgendwelche Gedanken. Die Kritik wird ohne viel Nachdenken
einfach spontan ausgespuckt. Und da mischt sich dann Unsachliches
mit Sachlichem, Ironie mit ehrlichen Ich-Botschaften und klare
Ansagen mit belanglosem Gemecker. Sie kriegen immer das ganze
Sammelsurium vorgesetzt.
Es ist Ihr Job, für sich das herauszuholen, was
Sie brauchen. Den unsachlichen Rest können Sie einfach
durchwinken.
Wenn Ihr Gesprächspartner seltsame Rückmeldungen abliefert
So verhält sich Ihr Gesprächspartner | und so werden Sie damit fertig |
Ihr Gesprächspartner sagt Ihnen im Vorbeige hen etwas Negatives. | Bevor Sie direkt darauf antwor ten, fragen Sie den anderen, ob es nicht besser wäre, in Ruhe darüber zu reden. Überlegen Sie zusammen, wann Sie beide Zeit für eine Rückmeldung haben. |
Ihr Gegenüber ist aufgebracht und redet unverständliches Zeug. Sie merken, dass er etwas von Ihnen will, aber Sie verstehen nicht, worum es genau geht. | Bleiben Sie ruhig und hören Sie nur zu. Ihr Gegenüber ist gerade dabei, sich über etwas klar zu werden, während er redet. Nachdem er alles ausgesprochen hat, stellen Sie ein paar Fragen, um herauszufinden, was ihn so aufgeregt hat. Suchen Sie nach dem präzisen Kritikpunkt. Nur dazu können Sie etwas sagen. |
So verhält sich Ihr Gesprächspartner | und so werden Sie damit fertig |
Ihr Gegenüber macht seltsame Andeutungen, mit denen er Ihnen zu verstehen gibt, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. | Stellen Sie direkte, klare Fragen, wie etwa: »Gibt es etwas, das Sie stört?« »Was genau möchtest du mir sagen?« »Möchtest du, dass ich etwas anders mache?« Zeigen Sie, dass Sie zuhörbereit sind. |
Ihr Gesprächspartner überschüttet Sie mit vielen verschiedenen Kritikpunkten. | Hören Sie sich alles an, ohne den anderen zu unterbrechen. Fangen Sie an, die Punkte zu sortieren. Fragen Sie Ihr Gegenüber, welcher von diesen Punkten jetzt der wich tigste ist. Reden Sie zuerst nur über diesen einen Punkt. Achten Sie darauf, dass die übrigen Themen zunächst nicht mit hineingemischt werden. Dann kommt der nächste Punkt dran und dann der nächste. |
Ihr Gesprächspartner kritisiert Sie vor anderen Leuten. | Sagen Sie Ihrem Gegenüber, dass sein Feedback für Sie wichtig ist. Weil es so wichtig ist, möchten Sie lieber in Ruhe und unter vier Augen mit ihm darüber reden. Machen Sie sofort einen Vor schlag, wann und wo dieses Gespräch stattfinden kann. |
Sie würden gern ein brauchbares Feedback zu Ihrer Arbeit bekommen, aber Ihr Gesprächspartner ist in Eile und hat keine Zeit. | Sie haben zwei Möglichkeiten: Sie verabreden mit dem anderen einen neuen Gesprächstermin. Oder Sie stellen sich auf eine Turborückmeldung ein. Dabei stellen Sie dem anderen sofort zwei bis drei präzise Fragen zu dem, was Sie wissen wollen. |