Kapitel 8

Elizabeth hätte nicht gedacht, dass sie sich so befangen fühlen würde. Auch wenn ihre Verwandten bislang mit Sicherheit nie auf die Idee gekommen wären, eine Beziehung zwischen ihr und Peter zu vermuten, wussten sie spätestens jetzt, um was es ging. Denn ein anderer Grund ließ sich für seine Bitte um ein Gespräch mit ihrer Mutter nicht denken.

Die heiße Röte, die ihr in die Wangen stieg, war allerdings nicht unbedingt mädchenhafter Verlegenheit geschuldet. Nein, Elizabeth empfand ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil sie sich gezwungen sah, ihre Familie hinters Licht zu führen. Da halfen alle Entschuldigungen nichts, die sie meinte anführen zu können.

Peter schien da weniger Probleme zu haben, dachte sie leicht erbittert. Der schaute sie immer mit einer so überzeugenden Hingabe an, als sei es das Natürlichste der Welt. Der Mann erwies sich zunehmend als Meister der Täuschung.

Sie gab sich einen Ruck. Jetzt war es zu spät, noch die Meinung zu ändern. Außerdem was wäre dann? Mit Entsetzen dachte sie an Thomas Wythorne und seinen gemeinen Erpressungsversuch.

Sie begegnete dem Blick ihrer Mutter, in dem sie nichts außer freundlichem Interesse erkennen konnte. »Dann lasst uns ins Damenzimmer gehen«, sagte sie. »Da sollten wir eigentlich unter uns sein.« Sie lächelte den anderen Damen zu. »Obwohl sicher ein hohes Maß an Neugier vorhanden sein dürfte, werden wir bestimmt nicht gestört werden.«

Abigail rieb sich die Hände. »Hoffentlich erfahre ich die Story schnell, sonst muss ich noch selbst Recherchen anstellen.«

»Es gibt nichts, worüber es sich zu schreiben lohnt«, sagte Elizabeth und merkte dann, dass ihre Reaktion nicht sonderlich glaubhaft klang. »Es würde deine Zeitungsleser nur langweilen.«

Abigail lachte. »Du hast keine Ahnung, was alles interessiert. Viele Journale und Magazine leben nur von Gesellschaftsklatsch. Aber ich kann warten.«

Peter bot ihr seinen Arm, und die Zärtlichkeit seines Lächelns ließ ihr den Atem stocken. Was war nur los mit ihr? Schließlich wünschte sie sich solche Blicke von einem anderen Mann.

Das Damenzimmer war ein Raum, in den sich vor allem die verwitwete und die junge Duchess zurückzogen, wenn sie Ruhe brauchten, um gemeinsam den reibungslosen Ablauf des riesigen Haushalts mit vierzig Bediensteten zu koordinieren und die Speisefolge sowie Empfänge und Einladungen zu besprechen. Doch jetzt setzte sich die Herzoginwitwe nicht an den Schreibtisch, sondern trat langsam ans Fenster und schaute hinaus in den dunklen Garten, bevor sie sich langsam umdrehte und aufmunternd lächelte.

Peter griff nach Elizabeths Hand, die immer noch auf seinem Arm lag. »Euer Gnaden, Sie ahnen bestimmt, was ich Sie gleich fragen werde.«

»Aber sie will es trotzdem hören, Peter«, forderte Elizabeth ihn auf.

Er lächelte sie an, und aufs Neue überwältigte sie die Wärme, die in seinen blauen Augen lag. Erinnerungen überschwemmten sie und wurden übermächtig – wie er sich über sie beugte, als wolle er sie küssen; seine starken Hände an ihrer Taille, als er sie in die Kutsche hob. Wieso dachte und fühlte sie mit einem Mal auf diese Weise im Zusammenhang mit Peter?

Ein verwegener Ausdruck lag auf seinem Gesicht, und es schien, als würde er die Situation genießen. Ganz anders als sie, denn ihr Mund war vor Nervosität so trocken, dass sie nicht mehr schlucken konnte.

»Du bist momentan sehr ungeduldig, mein liebes Kind«, meinte die Mutter.

Sie versuchte zu lächeln, doch ihre Lippen bebten zu sehr. Du lieber Himmel, wann hatte sie es endlich überstanden?

»Euer Gnaden«, erklärte Peter, »Sie wissen, wie verbunden und dankbar ich Ihrer Familie immer war …«

Frag sie jetzt einfach, dachte Elizabeth voller Verzweiflung.

»Ich habe Ihre Tochter stets als eine teure Freundin betrachtet, mir jedoch insgeheim immer mehr gewünscht. Und zugleich hielt ich diesen Wunsch für völlig absurd und vermessen.«

Er sprach mit tiefer, ruhiger Stimme und einer Ernsthaftigkeit, die ihn ganz ehrlich und überzeugend klingen ließ. Elizabeth ertappte sich dabei, dass sie ihn bewundernd ansah.

»Aber in letzter Zeit, Euer Gnaden«, fuhr er fort, »begann ich die Hoffnung zu hegen, dass Elizabeth meine Gefühle erwidern könnte. Und da meine finanziellen Angelegenheiten nunmehr bestens geregelt sind, kann ich ihr auch das Leben bieten, das sie gewohnt ist. All das veranlasst mich dazu, hiermit um die Hand Ihrer Tochter anzuhalten.«

Geschafft, dachte Elizabeth ganz benommen. Jetzt ging es nur noch darum, wie ihre Mutter reagierte.

Die Duchess atmete langsam ein und ließ sich dann auf einem Sofa nieder, bedeutete ihnen, ebenfalls Platz zu nehmen. Sie setzten sich Seite an Seite ihr gegenüber auf ein kleines, zweisitziges Sofa, und zwar so eng, dass Peters Schenkel teilweise von ihren Röcken bedeckt wurden und er darunter ihr Bein berührte. Am liebsten wäre sie aufgestanden, so sehr verstörte sie diese an sich kleine, harmlose Berührung.

Was um Himmels willen ging bloß vor mit ihr?

Ihre Mutter lächelte die beiden nach wie vor freundlich, aber zugleich ein wenig argwöhnisch an. »Meine lieben Kinder, das erscheint mir doch sehr plötzlich.«

»Ist es das wirklich, Euer Gnaden?«, fragte Peter. »Elizabeth und ich haben uns schon unser ganzes Leben lang zueinander hingezogen gefühlt. Da scheint es nicht verwunderlich, wenn diese Gefühle irgendwann diese Richtung nehmen. Und was meine Situation betrifft …«

»Sie meinen Ihre finanzielle Lage«, unterbrach sie ihn. »Über solche Dinge müssen Sie mit meinem Sohn reden. Was mich angeht, so hege ich ein wenig die Befürchtung, dass ihr nicht beide in gleicher Weise daran interessiert sein könntet, eure Beziehung auf eine andere Basis zu stellen.«

Elizabeth merkte, dass diese Bemerkung ihr galt.

»Mama, ich weiß, warum ich Peter heiraten möchte«, erklärte sie ernst, und immerhin sagte sie zur Abwechslung mal die Wahrheit, wenn man es wortwörtlich nahm. »Ich habe mich nicht für ihn entschieden aus dem Gefühl heraus, ohnehin nicht den Richtigen zu finden. Viele Männer haben mir in den letzten Jahren den Hof gemacht und mich teilweise sogar bedrängt, doch für keinen konnte ich das empfinden, was ich bei Peter spüre.« Was ebenfalls der Wahrheit entsprach.

»Und das wäre, mein Kind?«

»Ich liebe ihn, Mama.« Sie schob ihre Hand in Peters und sah ihm einen Moment lang tief in die Augen. Ihr wurde fast schwindlig von der Eindringlichkeit, mit der er ihren Blick erwiderte. »Ich glaube, ich habe ihn schon immer geliebt, und es einfach nicht gemerkt. Jetzt aber, da ich es weiß, will ich ihn heiraten.«

Langsam breitete sich ein Lächeln auf dem Gesicht ihrer Mutter aus, auch wenn der besorgte Ausdruck noch nicht ganz verschwunden war. »Dann freue ich mich für dich, Elizabeth, denn ich weiß, dass Peter ein guter Mann ist. Ich gebe euch meinen Segen.«

Elizabeth sah wieder Peter an, der diesmal nicht lächelte, sondern feierlich ihre Mutter anblickte. Er beherrschte seine Rolle perfekt, dachte sie, und es tat ihr leid, dass sie ihn mit in das Netz aus Lügen ziehen musste. Es fiel ihm sicher nicht leicht angesichts seiner Wertschätzung für ihre Familie.

Schließlich drehte er sich zu ihr um, nahm ihre Hände und sagte lächelnd: »Das ist der glücklichste Tag meines Lebens.«

»Meiner auch«, flüsterte sie. Und aus ihrer Sicht sprach sie erneut die Wahrheit, denn ein Hindernis, das ihrem Glück im Wege stand, hatte sie ja schließlich ausgeräumt: die Gefahr, Thomas Wythorne heiraten zu müssen.

»Habt ihr schon einen bestimmten Termin im Auge?«, fragte die Mutter.

Elizabeth ergriff das Wort, ehe Peter etwas sagen konnte. »Darüber wollen wir in Ruhe nachdenken, Mama. Schließlich wissen wir nicht genau, wann Chris zurückkommt. Wir müssen erst mit ihm sprechen.«

Peter lächelte nur zustimmend.

»Das ist gut, Elizabeth«, meinte ihre Mutter. »Eine solche Hochzeit muss gewissenhaft geplant sein. Dein Bruder hat wichtige Verpflichtungen und muss sich die Gästeliste sehr genau überlegen.«

»Befürchten Sie nicht, Madam«, fragte Peter, »dass es manche geben wird, die es vorziehen, nicht an der Hochzeit teilzunehmen?«

Elizabeth stockte der Atem, aber ihre Mutter verstand genau, worauf er anspielte.

»Nun ja, das ist nicht auszuschließen«, stimmte sie ihm mit wehmütiger Miene zu. »Ich weiß es schließlich nur allzu gut selbst, wie es ist, nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen zu werden. Das dürfte auch jetzt nicht anders sein. Zumindest bei manchen. Doch das sollte kein Hindernis sein, dass der eine oder andere mit Elizabeths Wahl nicht einverstanden sein wird.«

»Damit kann ich umgehen«, meinte Peter gelassen. »Du auch, Elizabeth?«

»Du machst mich glücklich, Peter«, erwiderte sie und hob die Hand, um über sein Gesicht zu streichen.

»Jedenfalls werden die Zeitungen sich über boshaften Klatsch freuen.«

»Abigail kann uns da helfen und nette Artikel lancieren.«

»Sie täten gut daran, mit meiner Schwiegertochter zu reden, Peter«, riet ihm die Herzoginwitwe. »Nicht nur weil sie Journalistin ist, sondern weil sie selbst erst durch ihre Heirat dem Hochadel angehört.«

»Das werde ich tun, Euer Gnaden«, versprach Peter.

»Bis ihr euch für einen Hochzeitstermin entschieden habt, solltet ihr mir Gelegenheit für einen Empfang geben. Vielleicht zu Ehren eurer Verlobung?«

Elizabeth hätte es ihr am liebsten abgeschlagen oder sie zumindest vertröstet, doch Peter grinste. »Danke. Es wird mir eine Freude sein, mich mit meiner zukünftigen Braut zu zeigen.« Er sah Elizabeth an. »Ich werde dich und deine Mutter gerne bei der Umsetzung irgendwelcher Pläne unterstützen.«

»Bei allen Plänen?«, fragte Elizabeth mit zuckersüßer Stimme. »Soll ich mich von dir bezüglich der Blumenarrangements beraten lassen?«

Er lachte. »Wenn du möchtest. Auch in solchen Dingen habe ich durchaus eine Meinung. Und meine Mutter ebenfalls, wenn du sie hinzuziehen möchtest.«

»Haben Sie es Ihrer Familie bereits erzählt?«, fragte die Duchess.

»Nein, noch nicht. Ich wollte erst Ihr Einverständnis abwarten, Euer Gnaden.«

»Hegten Sie diesbezüglich Zweifel?« Sie zog eine Augenbraue hoch.

Elizabeth zuckte zusammen, obwohl sie sah, dass ihre Mutter ihn nur aufzog.

Er führte Elizabeths Hand an die Lippen und küsste ihre Finger. »Ich wusste, dass Ihre Tochter Sie von der Ernsthaftigkeit unserer Gefühle überzeugen würde, Madam.«

Sie starrte auf die Stelle, wo sein Mund sie berührt hatte. Dutzende von Männern hatten ihr bereits die Hand geküsst, allerdings meist die behandschuhte, aber noch nie war da dieses unbeschreibliche Gefühl, das seine Lippen auf ihrer nackten Haut auslösten. Einfach wunderbar und verwirrend.

»Sollen wir es dem Rest der Familie sagen?«, fragte Peter und reichte ihr die Hand, als sie sich vom Sofa erhob.

»Wenn du möchtest.« Elizabeth lächelte.

»Eine fügsame Frau«, sagte er. »Das gefällt mir.«

Elizabeth sah ihre Mutter lachen, während sie zu Peter trat und ganz ungezwungen seinen anderen Arm nahm. So führte Peter sie beide in den kleinen Salon, in dem die Familie für gewöhnlich am Abend zusammensaß.

Es war nicht zu leugnen, dass man aufgeregt auf sie wartete, und alle standen auf, als sie zur Tür hereinkamen.

Amüsiert nahm Elizabeth die erwartungsvollen Mienen zur Kenntnis und beschloss, sie nicht länger auf die Folter zu spannen. »Peter hat mich gebeten, ihn zu heiraten«, erklärte sie.

Mit einem freudigen Aufschrei umringten sie alle, und sie ließ sich umarmen und küssen und nahm die Glückwünsche entgegen, während sie Peter verstohlen anschaute. Niemand wäre je darauf gekommen, dass es bei dieser Verlobung nicht mit rechten Dingen zuging. Eine leicht bedrückte Stimmung machte sich in ihr breit.

»Herzlichen Glückwunsch, Elizabeth«, sagte Lucy und küsste sie auf die Wange.

»Danke.« Elizabeth begegnete kurz ihrem Blick, wandte sich aber schnell wieder ab, weil Lucy zu viel wusste.

Abigail nahm ihre Hand und schaute zu Peter auf. »Sie sind ein tapferer Mann, Mr Derby. Wenn die Verlobung offiziell verkündet wird, wird das keinen, den Sie kennen, unberührt lassen. Viele werden es erst einmal nicht glauben, viele neidisch sein.«

»Das sollten sie auch«, erwiderte er, legte einen Arm um Elizabeths Schulter und zog sie an sich. »Ich heirate das schönste Mädchen in ganz England.«

Keiner widersprach, doch alle wussten sie, dass viele ihm unterstellen würden, dass er ein Mitgiftjäger sei, denn Elizabeth Cabot galt als eine der reichsten Partien im ganzen Land.

Sie ertappte sich dabei, dass sie Emily beobachtete, obwohl sie das eigentlich nicht wollte. Aber Matthew Lelands junge Frau schien sich für Peter ehrlich zu freuen, und ihre Augen funkelten. Offensichtlich belasteten sie die alten Geschichten nicht mehr.

Nur: Dachte Peter genauso?

Ach, was spielte das für eine Rolle, sagte sie sich. Sie tat ja beinahe, als würde sie Peter wirklich wollen. Sie ging mittlerweile derart in ihrer Rolle auf, dass sie allmählich vergaß, worum es eigentlich ging.

Auf die Umarmungen und Glückwünsche folgten Fragen. Wie es denn gewesen sei mit dieser heimlichen Brautwerbung, und Elizabeth stellte fest, dass sie mit Peter gar nichts abgesprochen hatte. Deshalb hielt sie sich an die Wahrheit: dass es alles sehr plötzlich gekommen sei und ihre Gefühle sich erst vor Kurzem verändert hätten.

»Wie hast du gemerkt, dass du ihn liebst?«, fragte Abigail. »Ach, ich mag solche romantischen Geschichten.«

»Das reicht«, sagte Elizabeth und blieb die Antwort schuldig. »Peter muss es noch seiner Familie sagen, also kann er nicht den ganzen Abend damit verbringen, eure Fragen zu beantworten. Ich begleite ihn zur Tür.«

Alle lächelten und verabschiedeten sich auf das Herzlichste von ihm, und es war ganz offensichtlich, wie sehr Peter die Aufmerksamkeit der Cabot-Damen genoss.

Endlich hatte sie es geschafft, ihn in die Halle zu bugsieren, aber ehe sie noch die eindrucksvolle Haupttreppe erreichten, zog er sie durch eine offene Tür in die Bibliothek.

»Peter«, rief sie leise und vorwurfsvoll.

»Ich werde die Tür offen lassen«, sagte er. »Das ist vollkommen akzeptabel bei einem verlobten Paar.«

»Es sollte eine Anstandsdame dabei sein«, sagte sie und ließ seinen Arm los.

»Bei dir und bei mir zu Hause brauchen wir keine mehr. In der Öffentlichkeit, auf der Straße ist das etwas anderes.«

Er grinste und zog eine Augenbraue hoch, was ihm ein schalkhaftes Aussehen verlieh. Trotzdem: Mit ihm alleine zu sein war gefährlich und aufregend zugleich. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte.

»Warum hast du mich in diesen Raum geführt?«, flüsterte sie verunsichert.

»Möchte nicht jeder ungeduldige Bräutigam mit seiner zukünftigen Braut gelegentlich ungestört sein?«, fragte er leise. Das Lächeln wich langsam von seinem Gesicht, während er sie anschaute. »Ich tue nur das, was du von mir wolltest, Elizabeth.«

Sie zögerte, und ihr Blick hing gebannt an seinen blauen Augen, aus denen Entschlossenheit sprach. »Du nutzt die Situation aus.«

»Eine Situation, die du herbeigeführt hast, ohne den Grund preiszugeben.«

»Ich bin keine von deinen gefallenen Frauen, Peter.«

»Gefallene Frauen?«, wiederholte er. »Kaum verlobt und schon zeigst du Eifersucht.«

Sie ignorierte seinen Versuch, sie aufzuziehen. »Ich weiß, dass du Lucy heute Abend ausgefragt hast.«

Er lächelte zufrieden. »Um für deine Sicherheit zu sorgen, werde ich tun, was getan werden muss. Sie macht sich übrigens ebenfalls Sorgen um dich.«

»Was hat sie erzählt?«

Jetzt lächelte er nicht mehr. »Dass mehr als ein Mann versucht hat, sich dir aufzudrängen.«

»Das hört sich ja wirklich bedrohlich an«, meinte sie und versuchte locker zu klingen, doch es gelang ihr nicht.

Er legte seine Hände um ihre Schultern. »Du hast Angst vor ihnen, Elizabeth. Warum erzählst du es mir nicht?«

Sie lächelte schwach und wich seiner Frage aus. »Ich brauche nur etwas … Hilfe, bis mein Bruder zurück ist.«

»Und du hast darauf vertraut, dass ich dir helfe.«

»Jetzt weiß ich nicht mehr, ob das richtig war«, meinte sie und hob das Kinn. »Schau dich nur heute Abend an – da fragst du tatsächlich Tante Rose über Susanna und Rebecca aus. Was hat es dir gebracht? Nichts, was dir bei deiner Wette hilft.«

»Vielleicht wollte ich dir ja auch bloß zeigen, dass du mich nicht einfach so in Beschlag nehmen kannst, Elizabeth. Ich finde, einen Anspruch auf eine Erklärung zu haben.«

»Du bist verärgert, weil ich dir nicht wie ein hilfloses Mädchen kampflos in die Arme falle.«

»Ach, du bist kein hilfloses Mädchen?« Er zog sie an sich.

Sie japste, und obwohl es ihr nicht gefiel, welch verheerende Wirkung seine Nähe auf sie hatte, wehrte sie sich nicht, als er sie immer enger an seine Brust drückte, sodass er ihren Busen spüren konnte.

»Peter, wenn jemand hereinkommt«, sagte sie und klang ganz atemlos, gar nicht mehr wie sie selbst.

Er beugte sich so dicht über sie, dass sie regungslos verharrte. »Darum geht es ja, Elizabeth, meine Süße.«

Seine Lippen waren nur noch einen Hauch von ihren entfernt.

»Das muss nicht sein«, wisperte sie, »nicht einmal, um zu beweisen …«

»Sei still, Elizabeth.«

Und dann berührte er ihre Lippen. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, aber zumindest wusste sie jetzt, warum sie es nicht hätte erlauben sollen. Das Gefühl seines Mundes auf ihrem war unvergleichlich schön und gleichzeitig irgendwie sündig. Er berührte nicht einfach nur ihre Lippen, sondern küsste sie immer wieder, drückte ihren Kopf zur Seite, knabberte an ihrer Unterlippe, bis sie stöhnte, und als sie leicht den Mund öffnete, schob er seine Zunge zwischen ihre Lippen. Elizabeth bebte am ganzen Körper, als Erregung und Lust, bis dahin unbekannte Empfindungen, sich ihrer bemächtigten und sie in größte Verwirrung stürzten.

Wie hätte sie auch ahnen sollen, dass der Kuss eines Mannes so aufwühlend, so unwiderstehlich sein könnte.

Als würde er ihre Schwäche spüren, legte er seine Arme um sie und zog sie an sich, bis sie auf den Zehenspitzen stand und sich ihr ganzer Leib an seinen schmiegte. Fast willenlos legte sie schließlich die Hände auf seine Schultern, während er den Kuss weiter vertiefte. Sein heißer Mund spielte mit ihr, seine Zunge suchte ihre, bis sie ihm schließlich entgegenkam. Die Lust war eine dunkle, überwältigende Versuchung, die ihr jede Entschlossenheit nahm und ihr zuraunte, dass nichts anderes zählte. Und ganz tief unten in ihrem Bauch zog sich etwas faszinierend verlangend zusammen.

War sie das noch selbst, fragte sie sich, aber sie konnte sich nicht wehren gegen diesen Ansturm der Gefühle und ließ sich treiben. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie sich einander so hingaben. Münder, die nicht voneinander abließen, Hände, die über Rücken und durch Haare fuhren. Seine Lippen waren weicher als gedacht und sein Körper dafür umso härter. Fast wäre ihr ein »Ja!« entschlüpft, als seine Hände an ihrer Taille nach oben glitten und die Außenseite ihrer Brüste fanden.

Diese verbotene Berührung war es schließlich, die sie in die Realität zurückbrachte. Sie zog ihren Kopf weg und legte eine Hand auf seinen Mund, ehe er wieder einen sengenden Kuss auf ihre Lippen drücken konnte.

»Peter, vielen Dank für die Lehrstunde«, rief sie mit bebender Stimme.

Er runzelte die Stirn. Sein vor Leidenschaft verdunkelter Blick war immer noch auf ihren Mund gerichtet. Er zog ihre Hüften fest an sich, und der Druck seines Körpers hätte sie beinahe erneut schwach werden lassen.

»Wovon redest du überhaupt?«, sagte er gepresst.

»Ich kann alles, was du mir gerade gezeigt hast, benutzen, um den Mann für mich zu gewinnen, den ich zu heiraten beabsichtige.«