23.
Tongzhou, China
19 Kilometer östlich von Peking
24. September 1860
Ortszeit: 7.05 Uhr
Unternehmen Esra – Tag 205
Wie vereinbart ritt Randall Chen in das befestigte Tongzhou, um den Gouverneur Yu zu sprechen. Der war zugegen gewesen, als Harry Parkes vor seiner Gefangennahme bei Chang Chia-wan mit den Kaiserlichen Kommissaren Mu Yin und Prinz Yi zusammentraf. Inzwischen hatte Randall erfahren, dass man nur Pater Duluc und Captain Brabazon nach Tongzhou ins Gefängnis gebracht hatte. Die Übrigen waren offenbar nach Peking geschafft worden. Randall handelte mit dem Gouverneur von Tongzhou aus, seine Stadt vor Angriff und Plünderung zu bewahren, wenn er ihm dafür half, die Abgesandten zurückzubekommen.
Widerstrebend willigte Lord Elgin in den Handel ein und ließ bei Chang Chia-wan das Lager aufschlagen, von wo er stündlich Reiter nach Peking schickte, damit sie die Stärke etwaig verbliebener Tatarenschwadronen feststellten. Während des vergangenen Tages war es immer wieder zu Scharmützeln gekommen, die sich aber nicht ausgeweitet hatten – der Weg nach Peking war nach wie vor frei. Lord Elgins größte Sorge war es, Parkes und sein Gefolge zurückzuholen. Er nahm eine vorsichtige Haltung ein, was einen Angriff auf Peking betraf, da er fürchtete, dass jeder Übereifer von seiner Seite zu drastischen Handlungen gegen Harry führen könnte.
Wie am Vortag ritt Randall durch das offene Stadttor an den britischen Wächtern vorbei und die staubige Hauptstraße entlang. Die zahlreichen engen Gassen und Lehmziegelhäuser wirkten verlassen. Als er an einer großen Kreuzung ankam und keine Menschenseele sah, lief ihm ein Schauder über den Rücken. Gestern noch war es hier recht belebt gewesen.
Randall trug einen schwarzen Ledermantel und hatte sich einen Schal um Mund und Nase gebunden. Den zog er jetzt herunter und lauschte. Während er sich nach allen Seiten umdrehte, sah er vier Soldaten der King’s Dragoons zu Pferde, das Enfield-Gewehr auf dem Rücken, knapp zwanzig Kilometer entfernt; Elgin hatte sie zweifellos hinter ihm her geschickt, damit sie auf ihn aufpassten. Randall schaute sich noch einmal suchend um. Außer den Soldaten war niemand zu entdecken. Eigentlich sollte das Leben in der Stadt mehr oder weniger normal weitergehen, nachdem er die Schonung ausgehandelt hatte.
Mit einem Stoß der Absätze trieb er sein Pferd an und ritt die Straße hinunter zum Haus des Gouverneurs. Äußerst wachsam spähte er an jeder Ecke in die Seitenstraße, ob sich dort etwas regte, aber alles war still. Er hörte nur die Hufe seines Reittiers und das leise Schnauben der Nüstern. Der Atem des Pferdes kondensierte in der kalten Morgenluft.
Dann kam von irgendwoher ein Wimmern. Randall zog die Zügel zur Seite und lenkte sein Pferd auf das Geräusch zu, das ihm Grauen einflößte. Nachdem er das Haus ausgemacht hatte, aus dem das Wimmern kam, ließ er sich aus dem Sattel gleiten und trat lautlos auf die schlichte hölzerne Treppe vor der Tür. Er blickte zur Straßeneinmündung. Die Dragoner waren nicht zu sehen. Das Wimmern hielt an. Es klang so unglücklich und rührte tief in ihm an ein latentes Gefühl der Verzweiflung, von dem er nichts geahnt hatte. Er war unbewaffnet. Er stieß die Tür mit dem Fuß auf und schaute ins Dämmerlicht, bis er etwas erkennen konnte.
Auf dem Boden dieses schlichten Heims lagen die Leichen von mindestens dreißig Frauen und Mädchen, die älteste mochte fünfzig sein, das jüngste Kind erst zwei. Die Möbel waren auf eine Zimmerseite geschoben worden. Der üble Gestank von rohem Opium und Erbrochenem hing in der Luft. Dutzende halb geleerter Opiumbüchsen lagen zwischen den Leichen, deren Münder von dem schwarzen klebrigen Zeug verschmiert waren.
Wer da wimmerte, war eine junge Frau von kaum zwanzig Jahren, die in einer Ecke lehnte. Ihr Mund war schwarz verklebt, die Augen aufgerissen, als hätte sie einen Geist gesehen. Sie halluzinierte an der Schwelle des Todes und wimmerte lauter, sowie sie den fremden Mann bemerkte.
Randall eilte an ihre Seite und versuchte hektisch, so viel wie möglich von dem Opium aus ihrer Mundhöhle herauszuholen. Doch sie wehrte sich weinend, schlug mit aller Kraft und biss ihm in die Finger wie ein tollwütiges Tier.
»Nicht!«, schrie sie halb im Wahn und schlug sich dann selbst heftig gegen die Brust. »Lasst uns sterben! Wir wollen nicht mehr leben!«
»Warum habt ihr das getan?«, fragte Randall fassungslos. »Warum?«
»Lasst das Opium sein übles Werk verrichten!«, antwortete sie. »Lasst uns in Würde sterben!«
Mit Tränen in den Augen wollte er erneut das Opium hervorklauben, doch sie wehrte ihn ab bis zum letzten Atemzug, bis sie bewusstlos wurde und ihr beschleunigter Puls verebbte.
Randall stand vom Boden auf und ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen. Die Frauen hatten sich gemeinsam umgebracht. So groß war ihre Angst gewesen, dass sie lieber sterben wollten, als erleben zu müssen, was ihnen bevorstand. Er musterte ihre Gesichter. Ihr erstarrter Ausdruck verriet ihm, dass dies keine leichte Art zu sterben war.
Kraftlos vor Kummer wandte er sich der Straße zu und sog tief die frische Luft ein. Als er die Zügel nahm, sah er die Dragoner am Ende der Straße warten. Sie sahen nicht aus, als wären sie sonderlich überrascht, dass die Stadt so verlassen dalag oder dass Randall kurz entschlossen dieses gewöhnliche Haus betreten hatte. Während Randall in den Sattel stieg, verwandelte sich sein Kummer in Wut, denn ihm dämmerte, was sich in der Nacht abgespielt haben musste.
Er trieb sein Pferd zum Galopp an und ritt auf die Soldaten zu. »Was ist hier passiert?«, rief er schon, bevor er bei ihnen war, und brüllte schließlich, da er keine Antwort erhielt. »Raus mit der Sprache!«
Sergeant Stevens zog an den Zügeln und wendete sein Pferd. »Diese hinterhältigen Kulis haben gestern Nacht die Stadt durchstreift«, sagte er. »Die Mistkerle. Wir haben es erst heute Morgen gemerkt. Sie sind wohl einfach über die Mauer, die kleinen Teufel.«
»Ich habe dem Gouverneur mein Wort gegeben!«, brüllte Randall. »Die Stadt sollte verschont werden!« Doch dem Sergeant war anzusehen, dass er einen Überfall von Kulis auf chinesische Landarbeiter nicht der Rede wert fand. »In dem Haus da liegen Dutzende toter Frauen«, sagte Randall empört. »Sie haben Selbstmord begangen, um sich vor der Entehrung zu schützen.«
»Davon haben wir bis jetzt auch nichts gewusst«, verteidigte sich Stevens. »Wir haben die ganze Zeit das Haupttor bewacht, jawohl.«
Randall stieß ihm den bebenden Zeigefinger gegen die Brust. »Dafür werden Sie –« Er stockte und verkniff sich den Wutausbruch.
»Gerade vorhin haben wir noch ein paar Kulis gesehen«, bekannte Stevens und zeigte mit dem Daumen über die Schulter.
»Ich will, dass die Stadt vor ihnen geschützt wird!«, schrie Randall, dass ihm der Speichel vom Mund flog.
Der Sergeant sah seine Kameraden ohne großen Eifer an. »Es kann Stunden dauern, bis wir sie alle zusammengetrieben und weggeschafft haben.«
»Sie werden tun, was ich sage!«, herrschte Randall ihn an. »Dieser Vertrauensbruch kann Parkes und seine Männer das Leben kosten. Und wenn es so weit kommt, werden Sie am Galgen verfaulen. Ich will eine Schwadron Dragoner in der Stadt haben, sofort! Jeder Kuli und jeder Soldat, der sich ohne Befehl hier aufhält, wird sofort festgenommen.«
Den Sergeant kam es hart an, sich von einem Chinesen anschreien zu lassen, ob blaue Augen oder nicht. Doch er wusste, dass Chen ein Berater Lord Elgins war und seinem Befehl gehorcht werden musste. »Sofort, Mr. Chen«, sagte er und biss sich auf die Zunge. Die vier Soldaten galoppierten in Richtung Stadttor davon.
Das Schlimmste befürchtend, ritt Randall im gestreckten Galopp zum Anwesen des Gouverneurs. Es war das größte und repräsentativste Haus am Platze, mit Ausnahme der goldenen Pagode, die daneben stand. Wenn es in der Nacht Überfälle gegeben hatte, dann ganz sicher auch auf die Gouverneursresidenz. Als Randall sich dem Tor näherte, konnte er schon sehen, dass die Haustür eingeschlagen war. Er sprang vom Pferd, rannte ins Haus und blieb abrupt stehen. Die Möbel waren umgeworfen, der Wandschmuck zersplittert, die Vasen zerbrochen. Zwei Wachposten und ein Diener lagen tot in ihrem Blut.
Dann bewegte sich etwas zwischen den zertrümmerten Möbeln, und Randall fand den Gouverneur mit übel zugerichtetem Gesicht. Hände und Füße hatte man ihm hinter dem Rücken zusammengeschnürt. Er wollte ihn eben losbinden, als er aus der Küche betrunkene Stimmen hörte. Den Finger an die Lippen gelegt, bedeutete er Yu, sich still zu verhalten. Dann zog er sich den Schal von den Schultern und ließ seinen Mantel zu Boden gleiten. Ruhig schlich er in die Küche und sah als Erstes die verstümmelten Leichen dreier Frauen. Am Tisch saßen sechs Chinesen in verschiedenen Stadien der Entkleidung. Ihre abgelegten Kulihemden lagen verstreut herum, dazwischen die Scherben von Gläsern und leere Weinflaschen, und auf dem Tisch ihre blutigen Messer. Der durchdringende Gestank des Todes war überwältigend. Die Männer, der Boden, die Wände, alles war blutbespritzt, nur die Decke hatte nichts abbekommen. Und inmitten der grausigen Szene saßen sie und tranken lachend weiter.
Schnell und geschmeidig packte Randall den Nächsten an der Nase und riss ihm den Kopf zur Seite, sodass das Genick brach, schnappte sich ein Messer vom Tisch, um es dem Nachbarn in die Schläfe zu stoßen, während er zugleich dem Dritten einen Zeigefinger in die Augenhöhle rammte. Auch dieser war auf der Stelle tot. Randalls Vernunft ging im Zorn unter. Diese kantonesischen Plünderer waren der Abschaum der Welt, Kleinkriminelle und Frauenschänder, die die Briten aus den Gefängnissen Hongkongs rekrutiert und denen sie versprochen hatten, sie irgendwann für gute Dienste freizulassen. Dementsprechend wurden sie bei erster Gelegenheit machtbesessen. Städte wie Taku, Tongzhou und Chang Chia-wan bekamen ihre grausamste Seite zu spüren. Frauen und Kinder waren ihnen meist schutzlos ausgeliefert, da die Männer im Heer dienten und die wenigen Daheimgebliebenen niedergemacht waren.
Innerhalb von Sekunden tötete Randall alle sechs Kulis mit mitleidloser Präzision.
Dann betrachtete er die verstümmelten Frauenleichen – ein entsetzlicher Anblick. Er hob einen Kleidungsfetzen auf und wischte sich das Blut von den Händen.
Darauf hat Wilson mich nicht vorbereitet, dachte er.
Im Krieg bekamen die Generäle den Ruhm, die Soldaten töteten für König und Vaterland, und die Unschuldigen ertrugen die Ausbrüche ihres Hasses. Randall sah sich um. Die Geschichte war außer Kontrolle, so viel stand fest. Aber Rache war dennoch süß, fand er.
Seine Tötungsorgie hatte ihm eine gewisse Ruhe verschafft, und so ging er zurück in den Wohnraum, kniete sich neben den Gouverneur und zerschnitt ihm die Fesseln.
»Meine Tochter? Wo ist meine Tochter?«, fragte Yu.
Randall dachte an die Verstümmelten. »Sie ist in das Haus Eurer Väter gegangen«, antwortete er. »Und die Täter haben dafür mit dem Leben bezahlt.«
Zornige Verzweiflung malte sich auf Yus Gesicht ab, die Tränen strömten ihm aus den blutunterlaufenen Augen. »Ihr seid genauso schlimm wie die!«, rief er. »Ihr seid ein blutrünstiger Mörder. Nichts anderes. Ihr habt die Stadt nicht bewacht, und nun wollt Ihr hier als Held auftreten. Ihr seid gar nichts!« Der Gouverneur versuchte aufzustehen, doch seine Beine waren noch taub, sodass er zur Seite fiel. Randall wollte ihm aufhelfen, doch der alte Mann stieß ihn weg. »Fasst mich nicht an! Ihr seid Chinese, aber nicht mein Freund!«
»Geht nicht dort hinein«, flehte Randall.
Doch Yu schleppte sich bis zu der Türöffnung und blickte in den Nachbarraum. Er sagte kein Wort, während er das Geschehene in sich aufnahm. Dann sank er nieder und schlug sich die Hände vors Gesicht. »Ihr habt mir das angetan!«, weinte er. »Ihr habt mich im Stich gelassen!«
»Was wisst Ihr über den Verbleib von Harry Parkes?«, fragte Randall nüchtern.
»Wie könnt Ihr es wagen?«, schrie Yu. »Wie könnt Ihr es wagen?«
»Um das zu erfahren, bin ich hergekommen, und Ihr werdet es mir sagen«, insistierte Randall. Es hätte den alten Mann kaum trösten können, wenn er ihm erklärte, warum die Stadt angegriffen worden war. »Wo ist Parkes?«
»Ich verfluche Euch und Eure Familie!«, rief Yu.
»Ich bin schon verflucht!«, erwiderte Randall ärgerlich. »Kann das nicht jeder sehen?«
Der Gouverneur war sprachlos, als er die Kälte in Randalls Augen sah. »Ihr seid der Teufel«, flüsterte er. »Der Teufel.«
»Ihr werdet mir jetzt sagen, was ich wissen muss«, wiederholte Randall und griff Yu an die Kehle. »Nur so kann ich alldem ein Ende machen!« Randall drückte auf den Kehlkopf. »Heraus damit, oder Ihr werdet sterben.«
»Er ist verlegt worden«, keuchte Yu schließlich. Randall ließ ein wenig locker, um ihn zum Reden zu ermuntern. »Gestern Nachmittag kam eine Brieftaube mit einer Nachricht. Man hat ihn in den Kaomio-Tempel gebracht … Er ist Gast der Edlen Kaiserlichen Gemahlin. Der Sohn des Himmels verlässt die Stadt … reist heute nach Norden. Prinz Kung ist mit allen Aufgaben betraut.«
Randall ließ den Gouverneur unzeremoniös auf den Boden fallen.
»Mögt Ihr tausend Tode sterben, weil Ihr uns im Stich gelassen habt!«, rief der alte Mann, der seinen Mut wiederfand.
»Bleibt ganz ruhig, Gouverneur, ich habe keine Angst vor dem Sterben«, meinte Randall. »Ich fürchte mich viel mehr davor, mit meinen Taten leben zu müssen.«
Als Randall durch das Stadttor ritt, begegnete er einem Regiment Dragoner, die sich jetzt in der Stadt verteilten. Zu spät, dachte Randall. Sie hätten achtzehn Stunden früher kommen sollen, dann wären nicht Tausende Unschuldiger den grausamen Ausschweifungen der Kulis zum Opfer gefallen. Randall wusste, er hätte damit rechnen müssen. Schließlich hatte er vor seinem Transport zwei Monate lang die Geschichte studiert. Doch so etwas mit eigenen Augen zu sehen, das viele Blut, die starren Augen der toten Kinder, der Gestank des Todes, das war etwas ganz anderes. Das war unvorstellbar. Wilson hatte ihn gerade vor dieser Schwäche gewarnt: die Zukunft kennen und begreifen, zu welchen Schandtaten der Mensch fähig ist, das sei etwas, was man intellektueller Betrachtung unterziehen müsse, sonst könne der Schock über den rohen Hass und die Ungerechtigkeit in den Wahnsinn führen.
Wie es schien, hatte Wilson damit recht gehabt. Nachdem Randall die Kulis umgebracht hatte, war er eigentümlich befriedigt gewesen. Und wie ein Hai, der Blut wittert, würde ihn das Verlangen, den Blutdurst von Neuem zu stillen, nicht mehr loslassen. Wilson wäre enttäuscht, das war ihm klar. Bei seiner gesamten Vorbereitung war es um Disziplin und Selbstbeherrschung gegangen, damit er den Blick auf das Ziel richten und alles andere beiseiteschieben konnte.
»Sie sind nicht dort, um den Lauf der Geschichte zu verändern«, hatte Wilson gesagt, »so sehr Sie das vielleicht wollen möchten. Ihre Aufgabe ist der Schutz der Verbotenen Stadt und der Lebenskraft, die in ihren Mauern liegt – sonst nichts. Wenn der Weg nach Peking frei ist, haben Sie das Schwierigste erst noch vor sich. Die Verbündeten dürfen auf keinen Fall die Macht übernehmen oder gar die Verbotene Stadt zerstören. Das müssen Sie verhindern, und dazu brauchen Sie Ihre ganze Selbstbeherrschung und Gerissenheit. Alles andere, die Vorurteile, den Hass, die Ungerechtigkeit, müssen Sie an sich abperlen lassen.«
Randall konnte darüber nur spotten. Wilson hatte so etwas noch nicht erlebt. Um die Schumann-Frequenz zu regulieren, brauchte er sich damals in keiner so grausamen Gesellschaft zurechtzufinden. China in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte mehr Ähnlichkeit mit der Hölle als mit irgendetwas anderem. Es war unmöglich, sich darin zu bewegen und unbeeindruckt zu bleiben.
Nachdem er einen Plan gefasst hatte, ritt Randall zum Lager zurück. Sergeant Stevens hatte ihn inzwischen wieder aufgespürt und folgte ihm mit seinen Männern.
Das Lager war ein Bild der Ordentlichkeit. Die eckigen Canvaszelte standen in makellosen Reihen da, die Wege waren mit weißen Steinen markiert. Britische und französische Flaggen wehten im kühlen Wind, und an jeder Ecke stand ein Soldat aus dem Punjab mit Turban und langem dunklem Schnurrbart.
Randall hatte das Gefühl, dass ihn jeder anstarrte.
Er nahm sich fünf Minuten Zeit, um sein Pferd an einem der Tröge zu tränken, dann saß er auf und verließ das Lager in westlicher Richtung. Jenseits der Hirsefelder war am Horizont ein schwarzer Fleck zu sehen. Das waren die Befestigungsanlagen Pekings.
Sergeant Stevens holte ihn ein. »Wohin wollen Sie denn, Junge?«
»Ich werde mit Harry Parkes zurückkommen«, antwortete Randall.
»Und wie wollen Sie das anstellen?«
»Ich weiß, wo er gefangen gehalten wird.«
»Sie können nicht einfach nach Peking reiten und ihn abholen!«
»Das kann ich, und das werde ich.«
»Ich habe Befehl, bei Ihnen zu bleiben!«, wandte Stevens ziemlich aufgebracht ein.
»Sie werden hier warten«, bestimmte Randall. »Ich könnte mir denken, dass weder Ihre Aufmachung noch Ihre Hautfarbe dort auf Sympathie treffen.«
»Ich sollte Ihr Vorhaben mit Lord Elgin besprechen.«
»Dazu ist keine Zeit«, erwiderte Randall hastig. »Mr. Parkes ist in Gefahr, und ich muss ihn befreien.« Mit einem Schrei trieb er sein Pferd zum Galopp an und ritt aus dem Lager.