19
Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg. Ungefähr fünf Monate, nachdem er das Drehbuch der ›Amazonenkönigin‹ eingereicht hatte, erhielt Joe einen Anruf aus dem Büro von A.J.
»A.J. möchte dich und deine Frau am Freitag zum Abendessen in seiner Villa einladen«, sagte Kathy. »Cocktails um sieben, Dinner um acht.«
Joe war verblüfft. Das war das erste Mal, daß ihn A.J. in sein Haus einlud. »Was verschafft mir die unerwartete Ehre?« fragte er spöttisch.
»Liest du denn keine Fachpresse?« fragte sie. »Du hast einen Hit! Wir haben mit Judi eine Publicity-Tour in Texas und Florida unternommen, und allein bei den Interstate- und Wometco-Verleihern hat der Film sechshunderttausend Dollar gebracht.«
»Nicht zu fassen!« sagte er. »Die Kritiken waren doch hundsmiserabel.«
»Aber das Publikum war begeistert«, erwiderte sie. »Es sieht nach einem echten Kassenerfolg aus. Und darauf kommt es ja an. Die Verleiher schreien schon nach einem neuen Film mit Judi. Das ist wahrscheinlich auch der Grund für die Einladung.«
»Ich werde kommen«, sagte Joe. »Aber Motty ist in New York. Sie muß jetzt alle drei Monate an die Ostküste, um die neuen Kollektionen zu begutachten.«
»Ich war neulich mal wieder in der Filiale in Beverly Hills. Die haben ja wirklich etwas daraus gemacht. Zahlt sich das eigentlich aus?«
»Ich glaube schon«, sagte er. »Sie ist jetzt Chefeinkäuferin für die ganze Kette geworden.«
»Und was hast du so gemacht?«
»Ich habe meinen Roman abgeschlossen«, sagte er. »Und ich habe die ersten hundertfünfzig Seiten nach Lauras Vorschlägen noch einmal überarbeitet. Aber das ist verdammt mühselig. Es macht viel mehr Arbeit als so ein Drehbuch.«
»Laura hat gesagt, es könnte einer der besten Romane werden, die sie je gelesen hat, Joe.«
»Das ist sicher bloß Wunschdenken«, lächelte er. »Geldverdienen muß ich mit Drehbüchern. Und in letzter Zeit habe ich keinen einzigen Auftrag bekommen. Seit ich die ›Amazonenkönigin‹ geschrieben habe, herrscht völlige Funkstille. Offenbar sind sämtliche Produzenten zu dem Ergebnis gekommen, daß es der größte Mist ist, den sie jemals gesehen haben.«
»Die melden sich bald wieder«, sagte Kathy zuversichtlich. »Ich kenne die Stadt. Die Produzenten lesen keine Drehbücher, sondern Bilanzen.«
Plötzlich hatte Joe eine Idee. »Sag mal, Kathy, hast du nicht Lust, mit zu der Party zu kommen?«
»Ich fürchte, das geht nicht«, sagte sie. »Erstens wohne ich jetzt bei meinem Freund, und zweitens mag es A.J. nicht, wenn das Büropersonal auf seinen Partys erscheint.«
»Er ist und bleibt nun mal ein Arschloch«, sagte Joe.
»So ist Hollywood eben«, lachte Kathy. »Lauter Snobs. Warum lädst du nicht Laura ein? Sie war noch nie auf einer Hollywood-Party.«
»Wie soll ich das machen? Laura wohnt in New York.«
»Hat sie dir das nicht gesagt?« fragte Kathy verblüfft. »Sie ist hier in Hollywood. Ich hätte bestimmt gedacht, daß sie dich anruft. Sie ist gestern abend angekommen. Sie wohnt im Bel-Air-Hotel, Zimmer 121.«
»Ich ruf sie mal an«, sagte Joe. »Vielen Dank, Kathy.«
»Aber bitte verrat ihr nicht, daß ich es dir gesagt habe«, bat Kathy.
»Also jetzt verstehe ich bald überhaupt nichts mehr«, sagte Joe. »Was soll denn die Geheimnistuerei?«
»Ach, meine Schwester ist immer noch böse auf mich, weil ich ein paarmal mit dir ausgegangen bin.«
»Und woher weiß sie das?« fragte er.
»Das ist eben Hollywood. Die Leute reden. Und sie hat ein paar Freunde hier.«
»Okay«, sagte er. »Das werde ich mit ihr klären.«
Er war schon dabei, das Bel-Air-Hotel anzurufen, als er einen Blick auf die Uhr warf. Es war jetzt beinahe fünf Uhr nachmittags. Sie würde noch unterwegs sein. Vor halb sieben kehrte eine fleißige New Yorker Agentin bestimmt nicht in ihr Zimmer zurück.
Dann hatte er eine Idee. Wenn sie ihn nicht angerufen hatte, um ihm zu sagen, daß sie nach Hollywood kam, würde er sie jetzt mit einem Besuch im Hotel überraschen.
Rasch suchte er den Durchschlag des neugeschriebenen Romananfangs zusammen und steckte ihn in einen Umschlag. Dann rief er in einem Blumengeschäft an und bestellte für halb sieben ein Dutzend Rosen.
»Rosa!« brüllte er in die Küche hinunter.
Sie kam ins Wohnzimmer. »Sí, Señor?«
»Ist noch ein weißes Hemd im Schrank?«
»Ich kann Ihnen eins bügeln«, rief sie zurück. »Dauert nur fünf Minuten.«
»Danke«, sagte er. »Ich gehe jetzt duschen. Bring es dann rauf, ja?«
»Gehen Sie aus?« fragte sie.
»Ich weiß noch nicht«, sagte er. »Wollen mal sehen.«
***
Als er an Lauras Tür klopfte, war es Viertel vor sieben. Er hatte zwölf rote Rosen in der einen und eine Flasche eisgekühlten Dom Perignon in der anderen Hand.
Laura machte die Tür auf und starrte ihn verblüfft an. »Willkommen in Hollywood!« sagte er lächelnd.
»Was für eine reizende Überraschung!« sagte sie und nahm die Blumen. »Vielen Dank!«
»Eine Flasche Champagner habe ich auch mitgebracht!« sagte er.
»Das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen«, sagte sie lächelnd. »Kommen Sie rein!«
Er folgte ihr in den geschmackvoll eingerichteten Raum. »Ich war ziemlich überrascht, als ich hörte, daß Sie in Hollywood sind«, sagte er.
»Hat es Ihnen meine Schwester erzählt?« fragte sie rasch.
»Nein«, sagte er. »Seit wir den Film abgedreht haben, habe ich nicht mehr mit Kathy gesprochen. Das ist jetzt fast vier Monate her.«
»Aber irgend jemand muß es Ihnen doch erzählt haben«, sagte sie hartnäckig.
»Es hat in der Zeitung gestanden«, behauptete er. »Die Hotels geben der örtlichen Presse jeden Tag eine Liste mit den wichtigsten Gästen.«
»Kalifornien bekommt Ihnen gut«, sagte sie. »Sie machen einen sehr gesunden Eindruck.«
Joe lachte. »Und Sie sehen hinreißend aus, Laura!«
Sie schüttelte den Kopf. »In diesem alten Bademantel?«
»Ich habe keinen Anlaß, mich zu beschweren«, sagte Joe lächelnd. »Ich finde Sie immer schön, Laura.«
»Lassen Sie mir fünf Minuten Zeit, damit ich mir etwas Richtiges anziehen kann«, sagte sie. »Vielleicht machen Sie inzwischen schon mal Ihren Dom Perignon auf?«
»Ich habe auch den Anfang von meinem Manuskript mitgebracht«, sagte er. »Hundertfünfzig Seiten, fertig redigiert und neu abgeschrieben.«
»Großartig«, sagte sie.
»Was führt Sie nach Kalifornien?«
»Ich hatte mit einer Klientin einen Vertrag durchzusprechen«, sagte sie knapp. »Aber jetzt entschuldigen Sie mich bitte einen Moment, sonst werde ich nie fertig.«
Sie ging ins Badezimmer und schloß die Tür hinter sich. Einen Augenblick später hörte er das Plätschern der Dusche und begann, die Flasche aufzumachen. Freundlicherweise hatte man ihm an der Bar nicht nur einen Kübel mit Eis, sondern auch zwei Gläser gegeben. Er stellte alles zurecht, goß aber noch nicht ein.
In einer Ecke des Zimmers stand ein Radiogerät. Joe drückte die Taste und suchte dann seinen Lieblingssender, auf dem immerzu Schlager von Bing Crosby und Frank Sinatra gespielt wurden. Dann setzte er sich auf die Couch und wartete.
Es dauerte ungefähr fünfzehn Minuten, aber als Laura wieder erschien, war sie vollkommen bekleidet und geschminkt. Sie trug ein enganliegendes Kleid aus blauer Shantungseide, das ihre Figur sehr vorteilhaft zur Geltung brachte.
Joe sah sie erstaunt an. »Daß Sie schon angezogen sind! Haben Sie Ihre ganze Garderobe im Bad?«
»Nein, ich bereite nur alles gern sorgfältig vor«, lächelte sie.
Joe schenkte ein und hob dann sein Glas. »Viel Erfolg.«
Sie nickte. »Das wünsche ich Ihnen auch.« Sie trank einen Schluck. »Der Champagner ist köstlich«, sagte sie.
»Ja, schmeckt ganz gut«, sagte er. »Und was möchten Sie essen?«
Sie warf ihm einen abwehrenden Blick zu. »Tut mir leid, ich bin mit unserer Klientin und ihrem Rechtsanwalt verabredet.«
»Ach, verschieben Sie's doch einfach auf morgen«, bat er.
»Das geht nicht«, sagte sie. »Das hat alles die Agentur arrangiert. Schon bevor ich überhaupt hier war.«
»Na schön«, sagte er. »Dann gehen wir eben morgen zum Essen.«
»Ich fliege morgen früh um sieben zurück nach New York.«
»Wie wäre es dann mit einem Mitternachtsdinner?« fragte er und füllte die Gläser erneut.
»Wir treffen uns im Haus unserer Klientin, um den Vertrag in aller Ruhe durchsprechen zu können«, erwiderte sie. »Ich habe keine Ahnung, wie lange das dauern wird.«
Joe überlegte einen Moment. »Müssen Sie wirklich schon morgen zurück nach New York? Ich bin zu einer Cocktailparty bei A.J. eingeladen. Es wird bestimmt lustig, und Sie haben Gelegenheit, eine Menge wichtiger Leute kennenzulernen, Regisseure und Produzenten und so.«
Laura schüttelte den Kopf. »Ich würde schrecklich gern mitgehen. Ich war noch nie auf einer Party in Hollywood. Aber ich habe ganz strikte Anweisung, morgen zurückzukommen.«
»Scheiße«, sagte er. »Dann habe ich ja nicht mal mehr Zeit, über den neuen Anfang von meinem Roman mit Ihnen zu reden. Ich habe alles so gemacht, wie Sie gesagt haben. Oder jedenfalls fast alles.«
»Ich lese den Durchschlag im Flugzeug und rufe Sie übermorgen früh an, okay?« Sie warf ihm einen kühlen Blick zu. »Ich bin sicher, Sie können eine andere Begleiterin auftreiben. Ich habe gehört, Sie kennen sich in der Damenwelt sehr gut aus.«
»Ich will aber Sie«, sagte er, »und niemanden sonst.«
»Ich bin schon ein bißchen spät dran«, sagte sie. »Meine Klientin wollte mich um acht Uhr in der Hotelhalle abholen.«
Sie erhoben sich gleichzeitig. »Was muß ich nur machen, damit Sie endlich mal mit mir ausgehen?« fragte er und sah ihr starr ins Gesicht. »Warten, bis der Roman verkauft ist?«
»Ich glaube, Sie sollten jetzt besser gehen«, sagte sie.
Mit einem raschen Griff nahm er sie in die Arme, küßte sie und preßte ihr dabei seinen harten Schwanz an den Leib. Ihr Gesicht wurde erst weiß und dann rot. Heftig stieß sie ihn weg.
Er taumelte zur Tür, riß sie auf und drehte sich noch einmal um. »Nur zu Ihrer Information: Ich habe kein einziges Mal mit Ihrer Schwester geschlafen. Ich wollte immer nur Sie.«
Er knallte die Tür hinter sich zu und ging den Korridor hinunter.